1. Kapitel

 

 

 

Im Schloss des alten Lords

 

Es war still in dem alten Schloss, das einsam in den tiefen Wäldern Schottlands am Fuße einer hohen Bergkette lag. Die Nacht senkte sich sanft wie eine Decke über die alten Gemäuer. Dieses Schloss war schon mehrere Jahrhunderte alt, und das Mauerwerk begann bereits, an der einen oder anderen Stelle zu bröckeln. All dies gehörte dem Clan der McShredders, und der jetzige Besitzer war der fast 90 Jahre alte Lord McShredder. Zusammen mit seinem treuen, etwas ungeschickten Butler Frido McClown wohnte er in diesem einsamen, unheimlichen alten Bauwerk.

 

Es war gegen Mitternacht, als Lord McShredder nach seinem Butler rief.

 

"Hey, McClown, wo treibst du dich wieder herum? Mir ist kalt!"

 

Langsam näherte sich der treue Butler und sagte mit einem treuherzigen Augenaufschlag: "Wie euere Lordschaft sicherlich wissen, ist der Strom ausgefallen, und die Heizung funktioniert nicht mehr, aber wie wäre es mit einem Tee?"

 

"Häh?", rief Lord McShredder empört, "Was soll ich denn am See?"

 

McClown verdrehte die Augen im Kopf, denn es war kein Geheimnis, dass Lord McShredder reichlich schwerhörig war.

 

"Ich sagte Tee, Mylord!"

 

"Der See ist fort?" McShredder schüttelte den Kopf.

 

"Also, gestern war er noch da", fuhr er fort und sah McClown erstaunt an.

 

"Warum machst du mir nicht einen Tee, wenn mir kalt ist?"

 

Stöhnend ging Frido McClown in die Küche, um heißes Wasser aufzusetzen, als ihm klar wurde, dass ohne Strom auch kein heißes Wasser zu bekommen war. Mit betrübtem Gesicht schlurfte er zurück zum Lord und erklärte ihm, dass es ohne Strom keinen Tee geben könne.

 

Lord McShredder dachte lange nach und schlug vor, statt eines Tees einen dicken Pullover oder noch besser, einen Pelzmantel zu bringen.

"Sir, alle unsere Klamotten haben die Motten gefressen", gab der Butler zu bedenken.

 

"Häh", entgegnete der schwerhörige Lord, "Allah und die Karotten haben auf Hottentotten gesessen?"

 

"D-I-E M-O-T-T-E-N H-A-B-E-N D-I-E K-L-A-M-O-T-T-E-N G-E-F-R-E-S-S-E-N !", brüllte der Butler und fasste sich verzweifelt an den Kopf.

 

"Du brauchst nicht zu schreien", entgegnete McShredder verärgert, "ich bin ja nicht schwerhörig!"

 

Lord McShredder

 

Während der Butler einem Nervenzusammenbruch nahe war, griff der Lord nach seiner Pfeife, musste aber feststellen, dass er keinen Tabak mehr hatte. Am Tag zuvor war ihm das dumme Missgeschick passiert, dass er beim Stopfen seiner Pfeife einen solchen Niesanfall bekam, dass nunmehr der gesamte Tabak fein säuberlich im gesamten Schloss verteilt war.

 

"Ach ja, noch etwas, mein lieber McClown", begann Lord McShredder.

 

"Denken sie doch bitte Morgen daran, dass sie das Schloss nicht staubsaugen, sondern mit dem Besen fegen. Wenn sie fertig mit Fegen sind, kippen sie bitte alles in meinen Tabaksbeutel, wir müssen schließlich sparen."

 

Der Lord rieb sich die kalten Hände und fuhr fort: "Und noch etwas, mein Lieber, ich brauche einen dicken Pullover, oder noch besser, einen neuen Pelzmantel. Mein Rheuma wird immer schlimmer."

 

"Gut", stöhnte McClown, "dann werde ich in die Stadt fahren!"

 

"Radfahren?", fragte der Lord verwundert, "zu dieser späten Stunde?"

 

"I-N D-I-E S-T-A-D-T F-A-H-R-E-N !", krähte der Butler. "Gleich nach dem Aufstehen!"

 

"Wieso willst du einen Scheich aufdrehen? Was redest du wieder für einen Unsinn, McClown!"

 

Der Lord schüttelte verwundert seinen Kopf.

 

Kreischend rannte der Butler aus dem Raum und verschwand für den Rest der Nacht in seinem Zimmer. Warum, dachte er, warum muss gerade ich so einen schwerhörigen alten Sack bedienen?

 

Am nächsten Morgen stand McClown recht früh auf, und während er die Stufen des Schlosses hinunter in den großen Saal ging, sah er seine Lordschaft noch immer in seinem Sessel sitzen und schlafen. Er ging weiter in die Küche, setzte Wasser auf, holte eine Pfanne heraus und schlug ein paar Eier hinein. Nachdem er noch einen Teebeutel gefunden hatte, bereitete er die Teekanne vor und steckte zwei Scheiben Toast in den Toaster. Zufrieden stellte er die Pfanne auf den Herd und drehte ihn an. Dann ging er zum Lord und rief: "Aufstehen, euer Lordschaft, das Frühstück wird gleich serviert!"

 

"Wie bitte?", fragte Lord McShredder verschlafen, "Im Stehen hat sich ein Schuft die Fühler rasiert? Warum denn das? Warum tut er so etwas?"

 

"Ach", entgegnete McClown grinsend, "hin und wieder sollte man sich schon die Fühler rasieren."

 

"Verstehe", entgegnete der Lord, "vielleicht sollte ich das auch einmal tun."

 

Noch bevor der verdatterte Butler antworten konnte, fuhr der Lord fort: "Wo bleiben meine Rühreier? Sind die noch nicht fertig?"

 

McClown rannte in die Küche, und ihm fiel siedend heiß ein, dass es ohne Strom weder Tee noch irgendwelche Rühreier geben würde.

 

"Wird's bald?", rief der Lord, "Ich verhungere!"

 

"Sofort, " rief McClown wütend, kippte die rohen Eier aus der Pfanne in einen tiefen Teller, nahm Besteck und stellte alles vor den Lord auf den Tisch.

 

Der Lord löffelte die rohen Rühreier, sah McClown an und stellte fest: "Köstlich mein Lieber, sie haben sich heute wieder einmal selbst übertroffen! Übrigens habe ich gestern einen Artikel in der Zeitung gelesen. Es war ein Bericht über die syrische Wüste. Stellen sie sich vor, McClown, dort leben Tausende von Hamstern! Es heißt, dass diese Tiere nur in der Nacht aktiv sind, und wissen sie warum, McClown?"

 

"Wahrscheinlich, weil es ihnen tagsüber zu heiß ist", entgegnete der Butler.

 

"Falsch", fuhr McShredder fort, "weil es ihnen tagsüber zu heiß ist!"

 

"Ach, tatsächlich?", fragte der Butler verärgert.

 

"Das hätten Sie nicht gedacht, was?", triumphierte Lord McShredder. "In der Tat haben diese Tiere ein dickes Fell gegen die Kälte, und wissen sie, welche Idee mir da kam?"

 

"Nun", antwortete der Butler, "wahrscheinlich wollen sie sich jetzt auch ein Fell wachsen lassen, Sir."

 

"Unsinn", krächzte der Lord, "ein Pelzmantel aus Hamsterfell muss her. Sie müssen sofort abreisen und irgendwoher einen Pelzmantel aus Hamsterfell besorgen. Aber vorher fegen sie noch das Schloss, schließlich brauche ich etwas zum Rauchen."

 

"Aber Sir", begann der Butler, "wir könnten Schafsfell nehmen."

 

"Nichts da, sie werden keinen Schlaf mehr nehmen, beeilen sie sich endlich, McClown!"

 

"Euer Lordschaft, ich werde Tausende von Hamstern für einen Pelzmantel brauchen!", rief der Butler entsetzt.

 


Englischer Hamster

 

 



 

 

"Na, und", entgegnete McShredder, "ich darf ja wohl etwas Einsatz verlangen. Zu meiner Zeit wurden alle Schafe in der gesamten Umgebung mit der Hand geschoren. Ich sehe also keinen Grund, warum sie sich bei ein paar Hamstern aufregen."

 

"Soll das heißen, dass ich alle Hamster einzeln scheren soll?", fragte McClown entsetzt.

 

"Unsinn, keine Hamster teeren", antwortete der Lord, "sie verstehen einfach nicht, mein lieber McClown, sie sollen die Tierchen scheren. So, und jetzt genug der Worte, ich hätte gerne einen Tee."

 

Der Butler schlurfte mit hängenden Schultern in die Küche zurück und murmelte leise Flüche vor sich hin. In der Küche angekommen, schleuderte er wütend einen Teebeutel in eine Tasse mit kaltem Wasser. Dabei spritzte Wasser über einen uralten Gasherd, und während er mit der einen Hand das Spritzwasser wegwischte, versuchte er, mit der anderen Hand den Zucker aus dem Schrank zu angeln. Er griff daneben, und der Zuckertopf landete auf seinem Kopf. Es schmerzte höllisch. Während er sich den Kopf hielt, hörte er den ungeduldigen Lord rufen: "Wie lange muss ich noch auf meinen Tee warten?"

 

Nun war es mit der Geduld von McClown vorbei. Er nahm die beiden Toastscheiben, stopfte sie in die Teetasse und drückte sie tief und fest hinein. Dann nahm er die Teetasse und rannte zum Lord, dass heißt, er wollte zum Lord rennen. Leider blieb er mit dem Ärmel am Toaster hängen und riss ihn herunter. Wütend trat der Butler gegen den am Boden liegenden Toaster und schoss ihn in das Regal mit dem Essgeschirr. Es klirrte und polterte, und der Schrank kippte auf den armen Butler, der sich verzweifelt am Gasherd festhielt. Als er kurz darauf unter einem Berg von kaputtem Geschirr und zerbrochenen Schrankteilen lag, hörte McClown ein lautes Zischen neben sich. Da er unter dem Küchenschrank begraben war und somit nichts sehen konnte, nahm er ein Streichholz aus der Tasche und zündete es an. Noch während das Streichholz aufflammte, wurde ihm klar, dass das Zischen von dem alten Gasherd verursacht wurde.

 

Gas, dachte er, das ist es! Wir brauchen gar keinen Strom, denn wir können auch Gas zum Heizen nehmen. Wer hätte gedacht, dass der alte Gasherd noch funktioniert. Ich brauche also gar keine Hamster einfangen und...

 


McClown beim Teekochen

 

Der Rest seiner Gedanken wurde jäh von einem Knall unterbrochen. McClown fühlte sich von einer riesigen Hand gepackt und hochgehoben, dann flog er durch die Küchentür in den großen Saal. Dabei hielt er die Teetasse mit dem Toastmatsch immer noch krampfhaft fest. Dann knallte es noch einmal, und der Butler war neben dem Lord gelandet.

 

"Na also", sagte Lord McShredder, "es geht doch. Warum sind sie nicht immer so schnell? Haben sie die Geräusche eben gehört? Es klang, als wenn jemand an der Tür geklopft hat."

 

Frido McClown erhob sich stöhnend, reichte dem Lord die Teetasse und wankte zur Haustür. Es dauerte einen Augenblick, bis er sie geöffnet hatte. Als er niemanden sah, schloss er sie wieder.

 

"Wo bin ich, was mache ich hier?", fragte er und hielt sich den dröhnenden Schädel.

 

"Danke, der Tee ist köstlich", hörte er eine krächzende Stimme sagen.

 

Er sah sich um. Irgendwie kam ihm der alte Mann bekannt vor, aber McClown wusste nicht mehr, woher. Er hatte durch die Gasexplosion sein Gedächtnis verloren.

 

"McClown, es ist jetzt an der Zeit, nach Hamstern für meinen Pelzmantel zu suchen. Am besten machen sie sich gleich auf den Weg nach Syrien oder so. Ein guter Butler lässt seinen Herrn schließlich nicht frieren, oder?"

 

"Nein, Sir", antwortet McClown, "sicherlich nicht."

 

"Hier haben sie noch etwas Geld für die Reise", fuhr der Lord fort. "Wenn sie unterwegs Schwierigkeiten haben, dann sagen sie, dass sie im Auftrage des Lords vom Clan der McShredder unterwegs sind. Das sollte genügen. Gute Reise, und beeilen sie sich."

Mit wackeligen Beinen ging McClown zur Haustür, öffnete sie und ging in den Garten hinaus.

 

Die frische Luft dort draußen tat gut, denn im Schloss roch es doch recht muffig. Er überlegte angestrengt und murmelte: "Also, scheinbar bin ich ein Butler und heiße McClown. Der Alte mit dem Namen McShredder ist ein Lord in dem Schloss und muss also mein Chef sein. Ich soll jetzt Hamster besorgen, um einen Pelzmantel für ihn zu machen. Ganz schön bescheuert. Was soll's, ich erinnere mich an nichts mehr und kann nur hoffen, dass mir wieder alles einfällt."

Somit machte sich der Butler auf den Weg zum nächsten Flughafen, nämlich nach Glasgow. Auf dem Weg dorthin kam es zu einem peinlichen Zwischenfall. Als McClown in dem Zug, der ihn zum Flughafen bringen sollte, noch einmal darüber nachdachte, wie er denn so viele Hamster transportieren könnte, betrat ein Schaffner das Abteil. Nun ist es tatsächlich in Schottland so, dass man in den Zug einsteigt und die Fahrkarte bei einem Schaffner im Zug kauft. Der Schaffner trat auf den Butler zu und fragte: "Wie viele Personen, Sir?"

McClown war so sehr in seine Gedanken vertieft und überlegte, wie viele Hamster wohl für einen Pelzmantel nötig wären, dass er auf die Frage des Schaffners antwortete: "Tausende, wenn nicht noch mehr."

 

Es dauerte ein paar Minuten, bis sich der Schaffner von seinem Schreck erholt hatte und McClown seine Fahrkarte erhielt.

 

Der Flug nach Syrien ging relativ glatt, doch nachdem McClown eine Woche lang durch die syrische Wüste gewandert war, hatte er erstens keinen einzigen Hamster gefunden, und zweitens wurde er halb verdurstet von einer Wüstenpatrouille aufgegriffen.

 

Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in einem Krankenhaus wurde er schließlich entlassen und aus Sicherheitsgründen gleich vom Krankbett aus ins nächste Flugzeug gesteckt, das ihn nach Paris brachte. Aus Syrien war er somit ausgewiesen worden, und in Paris verstand er kein Wort. Irgendwie gelang es ihm, bei Straßburg über die Grenze nach Deutschland zu flüchten. Was McClown natürlich durch die Gasexplosion nicht mehr wusste, war, dass er deutsche Vorfahren hatte. In Deutschland hatte er zu seiner grenzenlosen Freude kaum Schwierigkeiten mit der Verständigung. Damit war sein Problem aber noch nicht gelöst, denn wie sollte er nun an Hamster gelangen? Mehrfach wurde er nun in den nächsten Tagen von der Polizei angehalten, weil er sich zu mitternächtlicher Stunde vor Tiergeschäften herumtrieb. Es schien alles aussichtslos zu sein, bis der Zufall McClown zu Hilfe kam.

 

Als er sich in einer regnerischen Nacht auf eine Parkbank legte, deckte er sich wie üblich mit einer alten Zeitung zu, um sich gegen die nächtliche Kälte und die Feuchtigkeit zu schützen. Wie immer las er vor dem Einschlafen noch ein wenig, bis er auf einen Artikel stieß, der ihn sofort hellwach werden ließ. Es war die abenteuerliche Geschichte einer Kindergruppe, die mit einem Flugzeug auf einem Flughafen in der Nähe von Aubachtal notgelandet war. Leider fehlte ein Teil der Zeitung und alles, was McClown diesem Artikel entnehmen konnte, war, dass Hamster und Syrien irgendwie etwas damit zu tun hatten.

 

Nachdem er ein wenig geschlafen hatte, machte sich McClown auf den Weg nach Aubachtal, um der Sache auf den Grund zu gehen. Im Zentralarchiv der Bücherhalle stieß er auf eine wahre Fundgrube an Informationen. Am interessantesten erschien ihm der Bericht über einen gewissen Carlo Miesepeter.

 

Das ist mein Mann, dachte McClown und ging zum nächsten Telefonamt, um die Adresse von Carlo Miesepeter herauszufinden.

 

Wenig später stand er nun vor der Villa von Carlo Miesepeter. Es dauerte einige Zeit, bis Carlo Miesepeter verstand, was McClown überhaupt von ihm wollte.

 

"Ah, wenn ich richtig verstehe, Kumpel, willst du groß ins Hamstergeschäft einsteigen."

 

"Ja, Sir", entgegnete der Butler, "wenn sie mir dabei behilflich sein könnten, wäre ich ihnen sehr verbunden, Sir!"

 

"Tja, und was springt für mich dabei heraus?", wollte Carlo Miesepeter wissen.

 

"Nun Sir, ich denke, der Lord des Clans McShredder wird sich ihnen erkenntlich zeigen, Sir."

 


Carlo Miesepeter

Carlo Miesepeter überlegte, und er versuchte sich vorzustellen, wie viel Geld dieser Lord wohl hatte. Egal, denn wenn dieser komische Typ hinter den Hamstern her war, dann könnte es sich als nützlich für die Rache von Carlo Miesepeter an den Hamstern erweisen. Schließlich hatte er noch eine Rechnung mit diesen Nagetieren offen. Damals hatte er die Bank von Hamsterhausen gegründet, die ja bekanntlich Pleite ging.

 

Danach hatte er ein Restaurant eröffnet, und das lief soweit ganz gut, bis Carlo Miesepeter eines Tages auf die Idee kam, den Hamstern gebackene Abfälle zu servieren. Irgendwann kam das heraus, und er wurde mit Schimpf und Schande verjagt.

 

"Gut, Kumpel, ich sage dir, was du machen musst, und dafür legst du beim Lord ein gutes Wort für mich ein. Ich dachte da an ein kleines Schloss mit einem Stück Land für den Urlaub, in Ordnung?"

 

"In Ordnung, Sir, ich werde sehen, was ich machen kann."

 

Lange saßen die beiden noch zusammen, und erst nach einigen Stunden verließ McClown die Villa von Carlo Miesepeter. Er ging in eine Drogerie und besorgte sich ein paar Zutaten. Danach suchte er eine Eisenwarenhandlung auf und kaufte zwei dicke Stahlrohre. Nachdem er noch einen großen Karton, einen Filzstift und andere Sachen gekauft hatte, nahm er den Bus, den Carlo Miesepeter ihm beschrieben hatte und landete schließlich im Zauberwald. Dort angekommen schüttete er die gekauften Zutaten in die beiden Rohre und mischte Schwarzpulver dazu. Dann schnallte er sich die Rohre auf den Rücken, stellte sich vor eine Felswand und zündete beide Rohre gleichzeitig an. Es zischte und knallte und mit einem lauten Schrei flog McClown durch die Felswand hindurch bis hin nach Hamsterhausen. Da es Mittagszeit war, schlief natürlich alles in Hamsterhausen, und er konnte seinen Plan vorbereiten. Er nahm die restlichen Zutaten für die Rückreise aus dem Karton und füllte alles vorsorglich in die Stahlrohre. Als er damit fertig war, schnallte er die beiden Rohre wieder auf seinen Rücken. Auf den großen Karton schrieb er nun die Worte, die Carlo Miesepeter ihm in der Hamstersprache aufgeschrieben hatte:

 

ONIK – IERF TTIRTNIE!

 

Das hieß rückwärts gelesen: Kino – Eintritt frei. Dann schnitt er eine kleines Stück vom Karton ab – das war die Eingangstür des Kinos.

 

 

Nun hieß es für McClown nur noch abwarten und tatsächlich: Kaum wurde es dunkel, da versammelten sich Hunderte von Hamstern vor dem Karton, und einer nach dem anderen liefen sie in den Karton hinein. Geduldig wartete der Butler, bis auch der letzte Hamster in den Karton marschiert war und schlich nun zum Karton hin. Verdutzt lauschte er, denn es klangen seltsame Worte wie: 'NEGNAFNA, NEGNAFNA' an seine Ohren. McClown schob schnell ein großes, flaches Stück Pappe unter den Karton, drehte alles um und klebte den Karton und alle offenen Stellen mit Tesafilm zu.

 

Geschafft, nun musste er nur noch den Karton zurück nach Schottland bringen. Ihm graute vor der Rückreise, doch es musste sein. Er schnallte den Karton mit den Hamstern auf seinen Rücken zwischen die Rohre. Nachdem er zweimal von dem Gewicht nach hinten gezogen wurde, rückwärts umgefallen war und sich auf den Hintern gesetzt hatte, war es soweit. McClown zündete die Rohre und mit einem Knall flogen er und die Hamster zurück in den Zauberwald. Der Aufprall war kurz und schmerzvoll. Eine große, alte Eiche bremste den Butler mitten im Flug ab, doch die Hamster landeten glücklicherweise weich auf seinem Rücken.

 

Mit schmerzenden Gliedern und dröhnendem Kopf wachte McClown auf. Durch den heftigen Aufprall war sein Erinnerungsvermögen ein wenig zurückgekehrt, und ihm war sofort klar, dass er sich nicht in Schottland befand. Alles erschien ihm so fremd und außerdem fehlten die hohen Berge. Was ihm aber nun völlig schleierhaft war, wozu er einen Karton mit Hamstern mit sich herum schleppte. Er hatte auch keine Ahnung, warum er zwei merkwürdige Stahlrohre auf dem Rücken geschnallt trug. Kopfschüttelnd entledigte er sich der Rohre, nahm den Karton mit den Hamstern und ging weiter durch den Wald. Viele Stunden später kam er in dem kleinen Städtchen Aubachtal an und legte sich erst einmal auf eine nahe gelegene Parkbank und schlief ein. Es wurde eine unruhige Nacht, denn die Hamster veranstalteten ein Höllenspektakel und immer wieder wurde er durch merkwürdige Rufe, die wie 'EFLIH, EFLIH' klangen, aufgeweckt.

 

Am anderen Morgen ging er zum Bäcker und holte ein paar Brötchen, die er mit den Hamstern teilte. Sein nächster Weg führte ihn zur Bahnstation, von der aus er den nächsten Zug zum Frankfurter Flughafen nahm. Sein Plan, mit dem Flugzeug nach Hause zu fliegen, schlug leider fehlt, denn lebende Tiere durften nicht nach Großbritannien eingeflogen werden. McClown wusste zwar nicht, warum er diese Tierchen mit sich herum trug und was er damit eigentlich wollte, aber ihm war klar, dass es sich wohl um einen Auftrag seiner vertrottelten, schwerhörigen Lordschaft handelte. Also musste er irgendwie die Hamster zum Schloss hin schaffen, koste es, was es wolle.

 

Nach mehreren Tagen Fußmarsch landete McClown völlig abgerissen und müde in Calais, im Nordenwesten Frankreichs. Er hatte also den Ärmelkanal, der Europa von Großbritannien trennt, endlich erreicht. Was nun, fragte er sich, denn bestimmt war es auch mit einem Schiff nicht erlaubt, Tiere nach Großbritannien zu bringen. Somit entschloss sich McClown, an einem nebeligen Morgen heimlich mit dem Hamsterkarton unter dem Arm auf irgend ein Schiff zu schleichen. Er versteckte sich in einem der Rettungsboote und schlief vor Erschöpfung ein. Nach vielen Stunden weckte ihn ein Tuten, und er blickte vorsichtig unter der Plane des Rettungsbootes nach draußen. Kalte Luft blies ihm entgegen, und es war immer noch nebelig. Somit beschloss er, auf den Anbruch der Dunkelheit zu warten, um weitere Nachforschungen anzustellen.

 



 

Er träumte von einer warmen Kabine mit einer bequemen Badewanne, denn er hatte seinen Pullover leichtsinnigerweise auf die Hamster gelegt, und ihm war jetzt kalt. Er wollte die Hamster damit warm halten, doch die hatten es ihm damit gedankt, dass sie seinen schönen Pullover in Hunderte von kleinen Fetzen zerlegten. Nun hatte zwar jeder Hamster eine kuschelige Decke, doch McClown hatte keinen warmen Pullover mehr. Als es dunkel an Bord wurde, verließ er das Rettungsboot und sah sich um. Der Schrecken fuhr im in die Glieder, als ihm nach ein paar Minuten klar wurde, dass er nicht den Passagierdampfer nach Newcastle, sondern ein Fischerboot erwischt hatte. Wenigstens fand er ein großes Stück Trockenfisch und nahm es mit. Dann stieg er wieder zu den Hamstern ins Rettungsboot und hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

 

 

 

2. Kapitel

 

Die Hamster sind fort

 

"Schularbeiten sind das Letzte!", schimpfte Elfriede und trat gegen ihren Schreibtisch. Das war keine gute Idee, denn dabei fielen 20 Buntstifte, ein Lineal und sämtliche Schulbücher vom Tisch. Als in dem Moment Bruno in ihr Zimmer trat, wurde sie so richtig sauer: "Was latscht du laufend in mein Zimmer? Ich muss arbeiten, hast du überhaupt schon deine Hausaufgaben gemacht?"

 

Bruno sah Elfriede treuherzig an.

 

"Was ist", fragte Elfriede ungeduldig, "hast du denn nichts auf?"

 

Bruno zuckte mit den Schultern.

 

"Schreibst du denn nie auf, was ihr aufkriegt?“, bohrte Elfriede weiter.

 

"!", brummte Bruno und fing an, mit Dackel Rudi Fußball zu spielen. Sofort wurde Bruno beiseite geschubst und Dackel Rudi in Sicherheit gebracht.

 

"Wenn du keine Hausaufgaben machst", fuhr Elfriede fort, "dann schaffst du die Schule nicht und findest nie eine vernünftige Arbeit und kannst kein Geld verdienen. Vielleicht kriegst du eine langweilige Arbeit, bei der du den ganzen Tag Autos putzen musst. Oder du kriegst eine Arbeit bei der Müllabfuhr, gurkenhammerstark! Möchtest du das etwa?"

 

"Ja", antwortete Bruno mit strahlenden Augen, "Ferraris putzen oder mit dem neuen Mercedes-Müllwagen herumfahren..."

 

In diesem Moment rief ihre Mutter: "Elfriede, wenn du mit Erdkunde fertig bist, hole bitte Bruno und komm zum Essen runter!"

 

"Wieso Erdkunde?", rief Elfriede zurück. "Das habe ich doch schon gestern gemacht, ich bin mit Mathe fertig und bin jetzt bei den Deutsch-Hausaufgaben!"

 

"Das hat doch Zeit", rief Gertrude Bommel zurück, "Morgen ist doch Lehrerkonferenz und danach ist sowieso Wochenende!"

 

Elfriede starrte Bruno an. Bruno grinste und lief schnell zur Tür.

 

"Dieser kleine Mistkerl hat das die ganze Zeit gewusst, und ich habe das total vergessen, na, warte!", fauchte sie und rannte hinter Bruno her.

 

Kurz vor der Küchentür hatte sie ihn eingeholt und gab ihm einen solchen Tritt in den Hintern, dass er mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Küchentisch schoss. Elfriede blieb stehen und wartete im Flur. Mit dem, was jetzt in der Küche passierte, wollte sie nichts zu tun haben. Es klirrte und schepperte am Küchentisch, und Mutter Bommel schimpfte in den höchsten Tönen.

 

Als Elfriede eine Minute später zum Essen kam, sah sie gleich, dass ihre Mutter schlechte Laune hatte. Bruno war mit Handfeger und Schaufel damit beschäftigt, irgendwelche Scherben zusammen zu fegen.

 

"Es reicht mir mal wieder mit euch, wisst ihr das?", brüllte Mama Bommel.

 

"Gleich nach dem Essen geht ihr beide raus, klar?"

 

"Aber Mami, ich kann doch gar nichts dafür, und außerdem will ich mich doch mit meinen Freunden treffen. Wir wollen in den Zauberwald!"

 

"Das ist mir egal, dann nimmst du Bruno eben mit!"

 

Bruno sah Elfriede mit leuchtenden Augen an, während seine Schwester lustlos in ihrem Nudelauflauf herumstocherte. Bruno mit in den Zauberwald nehmen, dachte sie, das gibt bestimmt eine Katastrophe.

 

Als die beiden an der Bushaltestelle am Zauberwald ankamen,warteten Elfriedes Freunde schon auf sie.

 

"Tut mir leid, dass ich so spät komme, aber meine Mutter hat gesagt, dass ich Bruno mitnehmen soll."

 

"Und?", fragte Jennie neugierig.

 

"Er hat unterwegs ein paar interessante Regenwürmer gefunden und wollte mit ihnen spielen!"

 

"Das ist ja ekelhaft", stellt Bertha fest und dachte mit Grauen an den Tag zurück, an dem Bruno zusammen mit Elfriede bei ihr Zuhause übernachtet hatte. Es hatte Wochen gedauert, das Haus wieder so hinzubekommen, wie es vor Brunos Besuch gewesen war.

 

"Regenwürmer sind nicht ekelhaft", schimpfte Bruno, zog eines dieser Tiere aus seiner Hosentasche und ging auf Bertha zu. Er hielt den Regenwurm vor Bertha, die einen Schritt zurück- gewichen war.

 

"Wusstest du, dass Regenwürmer Neumünder sind, und wenn man sie durchschneidet ..."

 

"Neeeeein, nimm das Ungeheuer weg!", schrie Bertha und trat noch einen Schritt zurück, stolperte und fiel auf den Boden.

 

"Nun ist genug, Bruno", stellte Elfriede grinsend fest. "Du kannst deinen Regenwurm-Freund wieder einpacken."

 

"Was frisst denn so ein Regenwurm?", fragte Rosie neugierig.

 

"Blätter und organische Reste", antwortete Bruno, "wobei er natürlich auch Erde mitschluckt, aber die scheidet er als Humus durch den After wieder aus und das..."

 

"Aufhören!", kreischte Bertha, "Mir wird übel!"

 

"Bei Kellerasseln und Tausendfüßlern ist das übrigens anders, die..."

 

Elfriede hielt Bruno den Mund zu und flüsterte ihm zu: "Du willst doch nicht, dass Bertha sich übergibt, oder?"

 

"Aber dann hätten doch all die lieben kleinen Käfer genug Nahrung, weil..."

 

"Schluss jetzt", rief Daisy, "mir wird langsam auch schlecht! Wollen wir nun losgehen oder was?“

 

"Du hast recht", meldete sich nun Bernie, "unser neuer Freund kann ja später noch mehr erzählen."

 

"Wusstet ihr übrigens, dass Humus lateinisch ist und Erde bedeutet?"

 

"Klappe, Bruno", rief Daisy lachend, "ich will jetzt nichts mehr von der Schule hören!"

 

Allerbester Laune gingen unsere Freunde nun weiter in den Zauberwald, das heißt, alle bis auf Bertha. Die ging mit grünem Gesicht langsam hinter den anderen her. Heute war ein besonderer Tag, denn nach monatelanger Arbeit war der Tunnel nach Hamsterhausen fertig gestellt worden. Gestern hatten sie es endlich geschafft, die letzten Meter bis hin zu ihren Hamsterfreunden zu graben, als es dunkel wurde. Somit musste die feierliche Eröffnung auf den nächsten Tag verschoben werden. Die Vögel des Waldes zwitscherten, die Sonne lachte am Himmel, und die Waldluft roch herrlich frisch. Unsere Freunde waren vergnügt, denn noch ahnte keiner, welch eine schlimme Entdeckung sie gleich machen würden.

 


Hamsterhausen

Susi und Marie waren ein Stück vorangelaufen und waren als Erste an der Baustelle angekommen. Sie begannen, Zweige und Äste beiseite zu schieben. Unsere Freunde hatten den Tunneleingang gut getarnt, damit niemand den Eingang finden konnte. Es dauerte nur wenige Minuten, und der Tunneleingang war deutlich zu sehen.

 

"Purzel!", rief Daisy in den dunklen Eingang hinein, "Die Feier fängt gleich an!"

 

Lachend sahen ihr Elfriede, Jennie, Susie, Marie, Rosie, Bertha und Bernie zu, während sie eine Decke auf dem Waldboden ausbreiteten. Sie wollten es sich gemütlich machen, damit die Einweihungsfeier mit Keksen, Kuchen und Nüssen stattfinden konnte.

 

"Hamsterhausen, etwas Beeilung bitte, die Feier geht gleich los!"

 

Daisy versuchte, so tief es ging, in den dunklen Tunnel hineinzuschauen, dann nahm sie eine Taschenlampe und leuchtete in die Tunnelröhre hinein. Jennie, die neben ihr stand, runzelte die Stirn und meinte: "Ob der Tunnel auf hamsterhausener Seite vielleicht zusammengebrochen ist?"

 

"Das glaube ich nicht", beruhigte Bernie sie, "der Tunnel ist mit Lehm verstärkt, da kann so leicht nichts passieren."

 

"Na, gut", sagte Elfriede, "dann müssen wir eben nachsehen, was bei unseren kleinen Freunde los ist."

 

"Und wenn Carlo Miesepeter wieder dahinter steckt?", gab Rosie mit ängstlichem Gesicht zu bedenken.

 

"Oder die Hexe den Eingang entdeckt hat und nun schon auf uns wartet?"

 

"Quatsch", entgegnete Elfriede, "wenn die Hexe da drinnen wäre, wie sollte sie dann die Zweige und das Geäst von drinnen wieder vor den Eingang schieben?

 

Alle drehten sich nun zu Bertha um, die mit großen Augen entsetzt guckte und ihre Hände abwehrend hob: "Ich? Das schlagt euch mal schön aus dem Kopf! Mir ist immer noch schlecht von dem ganzen Kram, den dein Bruder mir erzählt hat, Elfriede. Ich gehe doch nicht in den Dreck da hinein und lass mich von Käfern und Würmern anknabbern! Soll doch Bruno das machen, der liebt dieses Krabbelzeug ja!"

 

"Wenn wir Bruno da hineinschicken, findet der wieder nette Regenwürmer und liebe Käfer, und bis der dann wieder herauskommt, ist es Nacht."

 

"Nein, Elfriede, ich gehe da nicht rein, Basta!"

 

"Na schön", seufzte Elfriede, "dann muss Bruno ran. Bruno! Wo steckt denn der Kerl wieder? Bruuuunooooo!"

 

"Vorhin habe ich gesehen, dass er in das Gebüsch dahinten gegangen ist, vielleicht muss er mal pinkeln", meinte Marie.

 


Unsere Freunde liefen nun alle zu dem Gebüsch hin, auf das Marie gezeigt hatte und suchten nach Bruno. Dort war niemand zu sehen und so bildeten unsere Freunde zwei Gruppen, die sich nun auf die Suche nach Elfriedes Bruder machten.

 

"Meine Mutter macht Hackfleisch aus mir, wenn ich ohne ihn wieder nach Hause komme", stöhnte Elfriede.

 

Unsere Freunde suchten und suchten. Schließlich setzten sie sich einen Augenblick auf die mitgebrachte Decke um zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Die Hamster waren nicht gekommen, und nun war auch noch Bruno verschwunden! Während die Freunde ratlos vor sich hin grübelten, hörten sie plötzlich eine Stimme: "Wusstet ihr, dass ein Hirschkäfer bis zu 5 Zentimeter lang werden kann?"

 

Bruno! Mit einem großen Käfer auf der Hand kam er direkt auf Bertha zu.

 

"Guck mal, wie er mit den Fühlern..."

 

"Nimm den weg", kreischte Bertha, "das giftige Vieh will mich beißen!"

 

"Der ist doch nicht giftig", meinte Bruno ruhig und streichelte den Käfer.

 

"Na, ja, beißen kann er, aber nicht besonders stark. Ein Hund ist da schon viel gefährlicher."

 

"Bruno", begann Elfriede nun, "wir brauchen deine Hilfe. Unsere

 

Hamsterfreunde melden sich nicht, und du bist der einzige, der durch die Tunnelöffnung passt. Bertha mag heute nicht."

 

Bertha war aufgestanden und sah Bruno eindringlich an: "Es ist wichtig, dass du dich beeilst und dich nicht mit deinen Krabbelviechern aufhältst, hast du verstanden?"

 

"Hab ich", entgegnete Bruno, "pass mal solange auf Emil auf."

 

Er legte den Hirschkäfer in Berthas Hand, drehte sich um und ging in die Richtung der Tunnelöffnung. Das Kreischen Berthas und das 'Plopp', als sie ohnmächtig auf den Waldboden fiel, interessierte ihn nicht sonderlich. All seine Aufmerksamkeit galt nun dem dunklen Tunnel.

 

"Hier", rief Jennie, "nimm meine Taschenlampe mit!"

 

Grunzend nahm Bruno die Taschenlampe und krabbelte in die Tunnelröhre hinein. Langsam verschwand er immer weiter, bis nur noch seine Schuhsohlen zu sehen waren. Kurz darauf war er ganz verschwunden.

 



 

"Jetzt, wo wir warten müssen, könnten wir ja was essen", schlug Rosie vor und drehte sich zu Bertha um. Aber Bertha war noch nicht wieder in der Stimmung, ihr zu antworten, denn sie lag noch halb benommen auf dem Waldboden und starrte mit großen Augen auf den Hirschkäfer, der in das Unterholz flüchtete.

 

"Na schön, lasst uns etwas essen, mir ist auch schon ganz schlecht vor Hunger. Es dauert bestimmt länger als eine Stunde, bis mein Bruder wieder da ist. Hoffentlich trödelt er nicht solange und hoffentlich ist in Hamsterhausen nichts Schlimmes passiert."

 

"Bestimmt gibt es eine ganz einfache Erklärung dafür", meinte Daisy, "vielleicht sind unsere Hamsterfreunde einfach nur mit etwas Anderem beschäftigt. Dein Bruder wird sich bestimmt beeilen."

 

"Na, ich weiß nicht so recht", meinte Elfriede skeptisch.

 

"Gestern ist er fast zwei Stunden zu spät zum Mittagessen gekommen. Unsere Mami ist beinahe ausgeflippt und das Essen war sowieso kalt geworden. Ihr wisst ja, zu spät zum Essen kommen ist das schlimmste Verbrechen, das man einer Mutter antun kann. Du kannst dein Zimmer verwüsten und wie einen Saustall aussehen lassen, oder deine Schuhe im Weg stehen lassen, wenn sie mit einem vollen Wäschekorb kommt, aber zu spät zum Essen kommen, das geht nicht."

 

"Also, mein Zimmer ist immer aufgeräumt, und Schuhe gehören in den Schuhschrank", warf Bertha, die sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, ein.

 

"Aber wie kann man zwei volle Stunden zu spät zum Mittagessen kommen?"

 

Elfriede grinste. "Er hat den Schnecken beim Wettrennen zugesehen."

 




 

Die Freunde grölten vor Lachen, während Bertha sich beinahe übergab.

 

"Bin ich froh, dass ich keinen kleinen Bruder wie den habe", meinte Bertha mit ekelerfülltem Gesicht.

 

"Das ist auch besser so", sagte Rosie schmatzend, "wenn ich an das arme Kind denke, dass dich als große Schwester hätte..."

 

"Was dann, meine liebe Rosie?", fuhr Bertha sie an.

 

"Also, solch eine Petze als große Schwester wäre die

 

schlimmste Plage, die es gibt!"

 

"Petze? Ich?"

 

"Ja du, Bertha, oder hast du den letzten Schultag vor den großen Sommerferien schon vergessen?"

 

"Wieso, ich habe nur die Lehrerin darauf aufmerksam gemacht, dass sie vergessen hatte, uns Hausaufgaben über die Ferien aufzugeben."

 

"Genau", schnaufte Rosie, "du kannst von Glück reden, dass du lebend aus dem Schulgebäude gekommen bist! Wir waren stinksauer auf dich!"

 

"Das hatte ich mir schon irgendwie gedacht", murmelte Bertha leise. "Es hat mich schon gewundert, dass meine Schultasche plötzlich weg war, und ich sie später im Müll wiedergefunden hatte. Ärgerlich war nur, dass in meinen Büchern zwischen jeder Seite eine Bananenschale lag. Das war ganz schön ekelhaft. Warum in meinem Turnbeutel ein nasser Schwamm war, war mir auch nicht so ganz klar. Am gemeinsten fand ich aber, dass mein Fahrrad in der alten Eiche auf dem Schulhof hing. Der Schuldirektor und der Hausmeister waren ganz schön sauer, weil sie meinetwegen länger bleiben mussten. Na ja, aber die Feuerwehr hat mein Fahrrad dann mit einer langen Leiter herunter geholt."

 

", ", spottete Rosie, "und die matschigen Tomaten in deinen Turnschuhen.."

 

 

 

"Woher weißt du das?"

 

Rosie ging mit wütendem Gesicht und rollenden Augen auf Bertha zu und fuhr fort: "Die stinkenden Matschtomaten hatte meine Mami erst am Abend in den Turnschuhen entdeckt. Mann, die hat vielleicht geschäumt. Aber erkläre mir doch bitte einmal, woher du das weißt, allerliebste Rosie!"

 

"Ähem, also, ich, ähhh", stotterte Rosie, "ich hab das irgendwo gehört."

 



 


"Und das soll ich dir glauben?", fauchte Bertha, "Weißt du, was ich glaube, ich glaube nämlich ..."

 

"Pst!", zischte Daisy aufgeregt, "Ich glaube, im Tunnel war ein Geräusch. Bruno kommt zurück!"

 

Tatsächlich, Bruno krabbelte aus der Tunnelröhre heraus. Es war es bisschen mühsam für ihn, auf die Beine zu kommen, denn in beiden Händen hielt er etwas.

 

"Bruno", rief Jennie, "was hast du gefunden?"

 

"Einen Tausendfüßler, guck mal, das sind niemals tausend Beine. Der heißt nur so. Wusstet ihr, dass Tausendfüßler..."

 

"Bruno!", kreischte Jennie, "die Hamster!"

 

"Hamster haben nur vier Beine, wieso?"

 

"Wo sind sie? Was ist mit Hamsterhausen?"

 

"Ach so", zuckte Bruno mit den Schultern, "keiner zuhause in Hamsterhausen."

 

Unsere Freunde schauten einander verwundert an. Keiner hatte eine Ahnung, was das bedeuten sollte. Was war los? Wo waren ihre Freunde, die Hamster, geblieben? Elfriede sah ihren kleinen Bruder verzweifelt an.

 

"Ist dir noch irgend etwas aufgefallen? Hast du noch etwas gesehen oder gefunden?"

 

"Diesen Knopf habe ich gefunden", sagte Bruno und gab Elfriede einen goldfarbenen Knopf.

 

Mit großen Augen nahm Elfriede den Knopf in die Hand. Er schien aus Messing zu sein. Ein merkwürdiges Zeichen und ein Name waren darauf zu sehen. Elfriede las den Namen laut vor: "Clan of McShredder."

 

"Clan of McShredder?", fragte Daisy und nahm den Knopf in die Hand.

 

"Das bedeutet, dass dieser Knopf der Familie McShredder gehört. Der Name Clan stammt aus Schottland und heißt soviel wie Familie."

 

"Vielleicht gehört der Knopf einem Hamster?", meinte Rosie hoffnungsvoll.

 

"Mensch, Rosie", schüttelte Daisy den Kopf, "die stammen doch alle aus Syrien. Das einzige Land, in dem die jemals gewesen sind, ist hier bei uns in Aubachtal. Woher sollen die Hamster einen schottischen Knopf haben?"

 

Elfriede hatte bisher nachdenklich auf den Tunnel gestarrt, doch nun hob sie ihren Kopf, ging auf Daisy zu und sagte: "Wenn die Hamster nicht zu dem Knopf gekommen sind, dann ist der Knopf zu den Hamstern gekommen!"

 


Daisy und die anderen sahen sie verständnislos an, also erklärte sie: "Die Hamster sind verschwunden. Alles, was Bruno gefunden hat, sind ein Tausendfüßler und ein Knopf mit der Aufschrift und dem Wappen von irgendeinem schottischen Clan. Den Tausendfüßler können wir von der Liste der Verdächtigen streichen, der hat bestimmt nichts mit der Sache zu tun. Bleibt also noch der Knopf. Von den Hamstern stammt er nicht, also entweder ist er mit der Post gekommen, oder jemand hat ihn dort verloren. Dass er mit der Post gekommen ist, glaube ich nicht, also muss ihn dort jemand verloren haben."

 

"Ja, aber", grunzte Rosie, "warum sind die Hamster dann verschwunden?"

 

"Sie sind nicht verschwunden, Rosie", sagte Elfriede und sah ihre Freunde ernst an.

 

"Sie sind entführt worden. Wahrscheinlich sind sie jetzt in Schottland. Warum, das weiß ich noch nicht, aber wir sollten erst einmal etwas über diesen sauberen Clan erfahren. Lasst uns zur Bücherhalle gehen, dort können wir vielleicht mehr erfahren."

 

Als die Freunde auf dem Weg zurück in die Stadt waren, bemerkte Elfriede, dass Bruno nicht mehr bei ihnen war

 

"Hat jemand Bruno gesehen?", fragte sie und sah sich um.

 

"Bestimmt ist der wieder bei irgendwelchen schleimigen Käfern hängen geblieben und unterhält sich mit ihnen", lästerte Bertha.

 

Elfriede rollte mit den Augen und schimpfte: "Es ist immer das gleiche mit ihm, ewig muss ich auf ihn warten. Los, wir müssen zurück und ihn suchen!"

 

Als die Freunde die Stelle erreichten, wo sie vor ein paar Minuten alle zusammen gestanden hatten, war auch dort von Bruno keine Spur zu finden.

 

Wieder bildeten sie zwei Gruppen und suchten und riefen, aber ohne Erfolg.

 

"Zwecklos", stöhnte Jennie, "wir finden ihn einfach nicht. Wo könnte er bloß stecken?"

 

In diesem Moment hörte sie das schaurige Krächzen einer Krähe.

 

"Blödes Viech", schimpfte Jennie, "warum müsst ihr Krähen nur immer so hässlich und gemein lachen?"

 

Rosie, die gerade an einem Lolli lutschte, sah Elfriede an und meinte mit ängstlicher Stimme: "Und wenn die Hexe ihn entführt hat?"

 

"Oh nein", jammerte Elfriede, "erst werden die Hamster entführt und dann auch noch mein kleiner, geliebter Bruder. Was mag als nächstes kommen?"

 

"Vielleicht fällt Bertha in ein großes Schlammloch voller Würmer und Käfer", vermutete Rosie, die immer noch ihren Lolli lutschte.

 


"Auf Leute, die mit vollem Mund sprechen und dabei noch schmatzen, höre ich sowieso nicht. Schon gar nicht, wenn sie unschuldigen Mitschülern dreckiges Obst in die sauberen Turnschuhe stopfen.", antwortete Bertha schnippisch.

 

"Tomaten sind kein Obst, sondern Gemüse", stellte Daisy richtig.

 

"Wie wäre es, wir statten der Hexe einen Besuch ab?"

 

Alle waren einverstanden, und nun gingen sie vorsichtig und leise weiter durch den Wald. Nach einer halben Stunde waren sie in der Nähe des Hexenhauses, und es wurde beschlossen, dass Elfriede und Jennie zum Haus schleichen sollten. Langsam und bedächtig näherten sich die Mädchen dem Blockhaus der Hexe, als beide plötzlich mit dem Kopf gegen etwas stießen.

 

"Aua, was ist denn das?", stöhnte Jennie und rieb sich den Kopf.

 

Elfriede tastete in der Luft herum, wie an einer Glasscheibe. Sie schlug erst mit der flachen Hand und dann mit der Faust gegen irgend etwas.

 

"Eine unsichtbare Mauer", flüsterte sie, "da kommen wir nicht durch, lass uns zurückschleichen."

Ein paar Minuten später berieten sie mit ihren Freunden, was nun zu tun sei.

 

Bernie schlug vor, mit Sprengstoff zu versuchen, die unsichtbare Mauer in die Luft zu jagen. Susi meinte, es sei am besten, sich unter der Mauer durchzugraben.

 

Elfriede schließlich meinte, dass es Zeit wäre, Zwergenkönig Alberich einen Besuch abzustatten.

 

"Bestimmt kennt er einen Gegenzauber!", meinte sie.

 

"Oder er hat einen Schlüssel oder so etwas", fügte Rosie hinzu.

 

Diesmal war es Bertha, die verzweifelt mit den Augen rollte: "Wie bitte schön, soll man denn bei einer unsichtbaren Wand ein unsichtbares Schlüsselloch finden?"

 

"Na ja, mit einem Geheimzauber oder so etwas", antwortete Rosie verunsichert.

 

"Egal, das können wir nur herausfinden, wenn wir Alberich fragen, also lasst uns jetzt losgehen."

 

Wer schon einmal eine Karte vom Zauberwald gesehen hat, der weiß, dass der Weg dorthin etwas schwierig ist. Über den Fluss, der das Gebiet der Hexe vom Reich des Zwergenkönigs trennt, führt nämlich keine Brücke. Unsere Freunde mussten daher einen geeigneten Baumstamm suchen, den sie über den Fluss legen konnten. Einer nach dem anderen balancierte dann über den Stamm, und bis auf Bertha kamen alle heil und trocken an.

 


"Warum immer ich?", heulte Bertha, "Seht nur wie ich aussehe!"

 

"Ich glaube, Bruno hätte seine helle Freunde an dir, "quietschte Rosie vor Vergnügen. "Wenn wir dich mit ein paar Regenwürmer behängen würden, dann wärst du bestimmt interessant für ihn."

 

Bertha hielt es nicht für notwendig, auf so etwas zu antworten. Sie versuchte, so gut es ging, den Schlamm von ihrem Kleid zu entfernen, allerdings ohne Erfolg. Der Schlamm ging nicht ab, und je mehr sie rieb, desto mehr verteilte sie den Schlamm über das ganze Kleid.

 

 

 

Inzwischen waren sie beim Häuschen des Zwergenkönigs Alberich angekommen. Es war Mittag und Alberich lag auf einer Liege im Garten und schnarchte. Neben ihm stand Jule, sein treuer Schimmel. Als die Freunde sich näherten, wieherte Jule und sah zu Alberich hin. Der jedoch schnarchte weiter. Jule stupste ihn mit der Schnauze, damit er aufwachte. Leider hatte Jule etwas zu kräftig geschubst, und der Zwergenkönig flog mitsamt seiner Liege auf den Boden.

 

"Mensch, Jule", erhob er sich stöhnend, "du sollst mich doch etwas vorsichtiger wecken!"

 

Dann sah er die Freunde und lief strahlend auf sie zu.

 

Als er jedoch ihre traurigen Gesichter sah, blieb er vor ihnen stehen und fragte mit gesenktem Kopf: "Wieder die alte Karla?"

 

"Ja", entgegnete Elfriede und nickte.

 

"Diesmal hat diese miese Hexe meinen kleinen Bruder entführt und eine unsichtbare Mauer um ihr doofes Hexenhaus gezaubert."

 

"Das sollte kein großes Problem sein. Karla hat in der Hexenschule sowieso nie richtig aufgepasst, und bestimmt gibt es eine oder mehrere Lücken in der Mauer. Es gibt einen Trick, um das herauszubekommen. Am besten machen wir uns gleich auf den Weg."

 

Der Zwergenkönig ging in sein Haus, holte seinen Zauberhut und einen Korb mit Kräutern. Den Korb mit den Kräutern legte er auf einen Holzwagen. Der Holzwagen besaß eine Deichsel, die nahm er in beide Hände und pfiff. Jule kam brav angetrabt und stellte sich vor den Wagen, während der Zwergenkönig die Deichsel am Geschirr des Pferdes befestigte.

 

"Alle einsteigen", rief er nun und mit einem Blick auf Bertha fügte er hinzu: "Wir wollen doch nicht in den schlammigen Fluss fallen, oder?"

 

Bertha presste die Lippen fest zusammen und tat so, alles hätte sie nichts gehört, während Rosie vor sich hin gluckste. Nachdem alle auf den Wagen geklettert waren, konnte sich Rosie noch immer nicht beruhigen: "Wir wollen doch nicht in den schlammigen Fluss fallen, hö, hö, wir wollen doch kein Schlammbad nehmen, hö, hö, Schlammbad, hö, hö, hö!"

 

Es ging los, und Jule begann zu traben, immer schneller und schneller. Schließlich hob das Pferd ab, und unsere Freunde flogen mit ihm durch die Luft.

 

Während des Fluges war immer wieder Rosies gackernde Stimme zu hören: "Wir wollen doch kein Schlammbad, nehmen, hö, hö, ist das komisch, pruust, Schlammbad, hö, hö, ich kann nicht mehr!"

 

Bertha drehte sich angewidert von Rosie weg und sah zur anderen Seite, doch als sie den Wald tief unter sich erblickte, wurde sie blass und hielt sich krampfhaft am Wagensitz fest. Warum musste sie immer in solche Situationen kommen, gerade sie, die nicht schwindelfrei war? Warum musste sie so eine bescheuerte Freundin wie Rosie haben? Sie sah zu Rosie hin, und als ihre Blicke sich kreuzten, prustet Rosie wieder los: "Schlammbad, hö,hö, ein Schlammbad nehmen, das ist cool, hö, hö!"

 

Schließlich setzte Zwergenkönig Alberich den Wagen etwa hundert Meter von dem Haus der Hexe Karla entfernt vorsichtig auf den Boden auf.

 

"So", meinte er, "wir müssen jetzt ganz leise sein!"

 

"Hö, hööööh", grölte Rosie plötzlich los, "ganz leise ein Schlammbad nehmen, hö, hö!"

 

"Die bleibt besser beim Wagen", seufzte Alberich und deutete auf Rosie, die sich vor Lachen auf dem Sitz des Holzwagens kugelte.

 


Während Rosie nun also bei Jule und dem Wagen blieb, näherten sich unsere Freunde vorsichtig und leise dem Blockhaus der Hexe. Es war merkwürdig, eben gerade war das Wiehern und Lachen von Rosie in der Ferne verstummt, als nun aus der Richtung des Hexenhauses Laute zu vernehmen waren. Es klang, als wenn jemand schimpfte und schrie. Neugierig schlichen unsere Freunde bis hin zu der Stelle, an der die unsichtbare Mauer war. Der Zwergenkönig griff in den Korb mit den Kräutern und holte ein Büschel rötlich-grüner Pflanzen hervor.

"Ganz gewöhnliches Heidekraut", meinte er und zerrieb es mit beiden Händen. Dann warf er hier und dort etwas gegen die Mauer und siehe da, etwas von dem Kraut blieb in der Luft hängen, der Rest fiel zu Boden. Ein paar Minuten lang warf er immer wieder ein wenig Kraut gegen die unsichtbare Mauer. Schließlich sagte er: "Seht ihr? Da, wo das Kraut hängen bleibt, ist die unsichtbare Barriere ganz fest, und da, wo das Kraut nicht hängen bleibt, sind Löcher. Ah, hier ist ein besonders großes Loch, durch das werden wir nun hindurchschlüpfen!"

 

Alberich ging voran und die Freunde folgten ihm. Der Krach, der aus dem Hexenhaus kam, war inzwischen so laut geworden, dass unsere Freunde stehen blieben und lauschten. Schon nach kurzer Zeit hellten sich ihre Minen auf, und sie schöpften wieder neuen Mut.

 

"Du verdammte kleine Kröte! Lass das! Nimm deine ungewaschenen Finger von meinem Hexengebräu! Was machst du mit meinem Zauberstab, du wirst uns alle in die Luft jagen! Mach endlich die Gefängnistür wieder auf, sonst wirst du es bitter bereuen!"

 

"Scheinbar hat Karla Schwierigkeiten", grinste der Zwergenkönig.

 

"Wenn ich mal was sagen dürfte", begann Bertha, "offensichtlich kann dein lieber Bruder eines ganz besonders, nämlich Chaos und Schrecken verbreiten!"

 

Elfriede grinste und war unheimlich stolz auf ihren kleinen Bruder. Auch wenn er manches Mal eine elende Landplage war, so fand sie doch, das er auch seine genialen Seiten hatte. Aber wie hatte er die Hexe in ihr eigenes Gefängnis gelockt? Das musste sie nun unbedingt herausfinden und ging auf die Tür des Hexenhauses zu.

 

"Neeeeeiiiiin", hörte sie in diesem Moment die Hexe in den lautesten Tönen schreien, "nicht das Knallkraut! Nein, wirf es nicht in den Kochtopf, du wirst uns alle in die Luft..."

 


Ein lauter Knall unterbrach ihre verzweifelten Worte. Blitzschnell warf sich Elfriede auf den Boden und hielt die Luft an. Sie hielt sich schützend die Hände vor das Gesicht und blinzelte zwischen ihren Fingern hindurch zum Hexenhaus hin. Aus dem Dach quoll dicker Rauch hervor, immer mehr und mehr, bis sich schließlich das gesamte Dach hob und über die Wipfel der Bäume hinweg schwebte. Die Wände des restliches Hauses wankten und begannen, sich langsam nach außen zu neigen, bis sie krachend zur Seite fielen.

Nachdem sich der Rauch ein wenig verzogen hatte, sah Elfriede, was passiert war. Das Haus der Hexe hatte nun kein Dach und keine Wände mehr; nur der Fußboden war übrig geblieben. In dem Teil, der einmal die Küche war, stand Bruno mit dem Zauberstab der Hexe und machte ein verlegenes Gesicht. Rechts daneben lagen die Reste des Gefängnisses, das Elfriede und ihre Freunde nur zu gut kannten. Zwischen den Resten des Gefängnisses lag die Hexe. Sie grinste freundlich und sprach: "Oh, meine Herrschaften, bitte kommen sie doch herein! Was kann ich für sie tun? Nanu, was mache ich denn auf dem Boden, und was ist das für ein netter, kleiner Junge da am Kochherd?"

 

"Meine Güte", stöhnte Jennie, "die ist total durchgeknallt!"

 

"In der Tat scheint die Explosion sie ein bisschen durcheinander gebracht zu haben", grinste Elfriede. "Kann man was dabei machen, lieber Alberich?"

 

"Könnte ich schon, Elfriede, aber wozu? Mir gefällt sie einfach besser so, wie sie jetzt ist. Hoffentlich hält das noch eine Weile vor."

 

Elfriede sackte ihren Bruder ein, und lachend gingen unsere Freunde zurück zu Rosie und Jule. Die Hexe rief ihnen hinterher, dass sie noch bis zum Abendessen bleiben sollten, aber das interessierte unsere Freunde nicht.

 

Als Rosie ihre Freunde gesund und munter wiederkommen sah, lief sie aufgeregt auf sie zu, umarmte Bruno und wollte wissen, was passiert war.

 

"Bruno hat das Haus der Hexe in die Luft gejagt", erklärte Bernie.

 

"Die Hexe ist jetzt sozusagen durchgeknallt!", ergänzte Alberich.

 

"Sozusagen durchgeknallt, das ist gut", grölte Rosie, "das ist ja noch besser als Schlammbad, hö, hö, hö!"

 

"Geht das wieder los", stöhnte Bertha und stieg in den Wagen ein.

 

Lachend setzte sich Rosie neben sie, warf ein Blick auf Berthas noch immer verschmutzte Kleidung und prustete wieder los.

 

"Du- du- durchgeknalltes Schlammbad, hö, hö, hö", gackerte Rosie, während sich nun der Wagen in die Lüfte erhob und zurück zum Haus des Zwergenkönigs flog.

 


Dort angekommen setzen sich unsere Freunde erst einmal zusammen und beratschlagten, was sie nun machen sollten. Zwischendurch wurde Rosie vor die Tür gesetzt, weil durch ihr ständiges Gegacker keiner auf eine vernünftige Idee kam. Nach einer Stunde intensiver Beratung fasste Elfriede ihren Beschluss zusammen: "Wir müssen also nach Schottland. Da keiner von uns ein Wort schottisch versteht, brauchen wir die Armbänder von Profdok Hurry. Ihr wisst doch, diese Übersetzungsarmbänder, mit denen wir uns in Australien mit den Aborigines verständig hatten."

 

Ihre Freunde nickten, und somit fuhr Elfriede fort: "Leider haben wir nur noch eines davon, also brauchen wir erst einmal den Verdoppler von Mona und Moya. Wir müssen Kontakt mit ihnen aufnehmen, hat jemand eine Idee, wie?"

 

"Morsezeichen", schlug Jennie vor.

 

 

 

"Wir nehmend eine starke Taschenlampe und blinken sie an."

 

"Gut", nahm Elfriede nun ihre Rede wieder auf, "das ist also unsere nächste Aufgabe. Wenn wir genug Armbänder haben, können wir uns in Schottland mit den Einheimischen verständigen. Hoffentlich dauert die Suche nicht zu lange. Jetzt bleibt noch die Frage, wie wir überhaupt dorthin kommen. Das Zauberfläschchen wird uns helfen, allerdings wissen wir vorher nie, wo wir landen werden. Da muss uns Professor Hastig helfen, vielleicht kann der das Zauberfläschchen irgendwie auf Schottland einstellen. Machen wir uns also gleich auf den Weg, noch Fragen?"

 

"Ja, eine Frage habe ich noch", rief Bertha "müssen wir deinen Bruder mitnehmen?"

 

Alle sahen zu Bruno, der gerade in einer Ecke lag und sich intensiv mit einer Ameise beschäftigte.

 

"Wohl eher nicht", sagte Elfriede , "der bleibt besser zuhause."

 

"Wie machen wir das denn mit den Dosenzeichen?", fragte Rosie, als später alle zusammen in Elfriedes Zimmer saßen.

 

"Dosenzeichen?", fragte Marie ungläubig.

 

"J- ja", stotterte Rosie, "die Dinger mit denen wir Mona und Moya rufen wollen."

 

"Du weißt auch nix", spottete Bertha, "das heißt Morsezeichen."

 

"Und was ist das, bitte schön, Fräulein Schlauschwein?"

 

"Äh, das ist irgendwas zum Piepen oder so..."

 

"Hö, hö", grölte Rosie und rollte sich auf dem Teppichboden, "zum Piepen, das ist echt cool, Fräulein Superschlauschwein, zum Piepen, hö, hö, durchgeknalltes Schlammbad, hö, hö!"

 

"Es ist mal wieder soweit", stöhnte Elfriede.

 

In diesem Moment klopfte es an der Tür, und Bommel trat ein.

 

"Guten Abend, äh, hat jemand meine Hausschuhe gesehen, ich suche sie schon seit einer halben Stunde?"

 

"Die sind durchgeknallt und nehmen ein pfeifendes Schlammbad", gackerte Rosie und wälzte sich auf dem Fußboden. "Hausschuhe, hö, hö, hö!"

 

Bommel zuckte mit den Schultern: "Wieso Schlammbad?", fragte er verwundert Rosie.

 

"Na, sie wissen doch, Herr Bommel, Schweine sind reinliche Tiere, voll durchgeknallt, hö, hö!"

 

Bommel sah ein, dass eine weitere Diskussion sinnlos war und verließ das Zimmer, um seine Hausschuhe woanders zu suchen.

 

"Das letzte Mal hat er sie in der Badewanne wiedergefunden. Bruno hatte damit einen Fährdienst für Kellerasseln eingerichtet."

 

Elfriede sah ihren Bruder grinsend an, allerdings verschwand ihr Grinsen in dem Moment, als sie sah, dass Bruno an ihrem Puppenhaus herumfummelte.

 

"He, lass das, Finger weg", fuhr sie ihn an, "sonst schmeiße ich deine Autos aus dem Fenster!"

 

Das wirkte, sofort ließ Bruno seine Finger von dem Puppenhaus und setzte sich gerade hin.

 

"Wie hast du überhaupt die Hexe in das Gefängnis gelockt?", wollte Elfriede nun wissen.

 

"Als mich die blöde Alte in ihr Haus gezerrt hatte, habe ich sie in den Finger gebissen, und sie hat mich losgelassen. Dann haben wir eine Verfolgungsjagd gemacht, und als sie gestolpert war, fiel ihr der Zauberstab aus der Hand. Na, und dann habe ich den Zauberstab ins Gefängnis geschleudert, und sie ist hinterhergerannt. Als die doofe Hexe wieder aus dem Gefängnis rausrennen wollte, habe ich die Gefängnistür zugeknallt, und sie ist dagegen geknallt. Dabei fiel ihr wieder der Zauberstab aus der Hand, und sie war drin, die Tür war zu und der Zauberstab war draußen."

 


Rosie fing wieder an zu gackern: "Sie war drin und die Tür war zu, hö, hö, hö! Köstlich durchgeknallt, hö, hö!"

 

"Und dann hast du ihre Kochrezepte ausprobiert?", fragte Elfriede weiter.

 

"Nö, die Schmierschrift konnte ich nicht lesen, aber ich hatte Hunger und dachte, ich koche mir was."

 

"Er hat sich was gekocht", gackerte Rosie, "und mit dem Zauberstab hat er die Zauberkräuter umgerührt, ich lach mich schlapp, bummm, weg war das Haus!"

 

"Sehr schön, Rosie", gähnte Elfriede gelangweilt, "können wir jetzt weitermachen? Wo waren wir stehen geblieben?"

 

"Bei den Morsezeichen und was das ist", antwortete Jennie und fuhr fort: "Die Morsezeichen stammen von einem Mann namens Samuel Morse. Zu einer Zeit, in der es noch keine Funkgeräte oder Telefone gab, kam er auf die Idee, Strom zur Übermittlung von Nachrichten zu nehmen. Wenn man von hier bis zur nächsten Stadt eine Leitung legt und an das Ende der Leitung eine Glühbirne setzt, dann braucht man auf dieser Seite nur Strom in die Leitung zu geben, und in der anderen Stadt geht das Licht an."

 

"Denen geht dann ein Licht auf, hö, hö", gluckste Rosie, "an, aus, an, hö, hö, dann wissen die, dass es Zeit ist ein Schlammbad zu..."

 

Weiter kam Rosie nicht, denn Bertha hielt ihr den Rüssel zu.

 

"Danke, Bertha", sagte Jennie und fuhr fort.

 

"Nun brauchen sich beide Seiten nur darauf zu einigen, wie oft und wie lange die Glühbirne brennen muss, um etwas Bestimmtes mitzuteilen. Also hat Morse das Alphabet in kurze und lange Signale umgeschrieben und das Morse-Alphabet festgelegt. Wenn ich jetzt die Glühbirne einmal kurz und einmal lang aufleuchten lasse, dann bedeutet das 'A'. Das kann man auch mit einer Taschenlampe über große Entfernungen machen. Auf diese Art und Weise können wir Lichtsignale ins Weltall senden, um Mona und Moya zu benachrichtigen."

 

"Gut", meinte Elfriede, "fangen wir also gleich heute Nacht damit an. Wir treffen uns kurz nach Mitternacht in unserem Garten."

 

Unsere Freunde saßen noch ein paar Minuten zusammen, dann löste sich die Versammlung auf, und alle gingen nach Hause. Elfriede und Bruno waren noch alleine im Zimmer und überlegten, was sie jetzt noch spielen konnten, doch bevor ihnen etwas eingefallen war, rief ihre Mutter sie zum Abendbrot.

 

"Na", begann Papa Bommel beim Essen, während er sich ein Stück Käse in den Rüssel schob, "was hat euere außerordentlich wichtige Versammlung ergeben?"

 

"Wir werden Signale in den Weltraum schicken, damit uns Außerirdische helfen kommen", sagte Elfriede gelangweilt.

 

"Genau", rief Bruno mit vollen Backen, "mit Morsezeichen!"

 

"Oh, natürlich", grinste Bommel, "da hätte ich auch selber drauf kommen können. Bruno, heb bitte die Wurst auf, die ist dir beim Sprechen aus dem Mund gefallen und liegt jetzt unterm Tisch!"

 

Ansonsten gab es nichts Erwähnenswertes mehr, höchstens, dass Frau und Herr Bommel sehr erstaunt waren, dass beide Kinder aufs Fernsehen verzichteten und früh ins Bett wollten.

 

"Die frische Luft", erklärte Gertrude Bommel ihrem Mann, "die wirkt Wunder. Die beiden sind jetzt richtig ausgetobt und fertig für heute."

 

Gegen Mitternacht, als Frau und Herr Bommel in ihren Betten lagen und friedlich vor sich hin schnarchten, kam Bewegung ins Haus.

 

"Vorsicht!", fauchte Elfriede, "Latsch nicht immer über meine Bastelsachen!"

 

"Du lässt den Müll auch überall rumliegen", fauchte Bruno zurück.

 

"Das ist kein Müll und guck endlich vor die Füße, sonst erwischen uns die Alten noch!"

 

Leise schlichen die beiden nun durch den Flur und dann weiter durch den Keller bis hin zur Gartentür. Dort warteten ihre Freunde schon auf sie.

 

"Alle da?", fragte Elfriede in die Runde und Bertha antwortete: "Alle bis auf Rosie. Ich habe genau gesehen, was passiert ist. Sie ist von ihrer Mutter erwischt worden, als sie an der Küche vorbeigeschlichen ist. Ihre Mutter war nämlich mitten in der Nacht am Kühlschrank und hat was gegessen, stellt euch das mal vor!"

 

"Und woher weißt du das so genau?", fragte Daisy.

 

"Ich? Äh, nun, ich habe durch das Schlüsselloch der Haustür geguckt. Ich musste doch schließlich wissen, was los war, oder?"

 

"Wenigstens gackert jetzt keiner herum und verrät uns womöglich", grinste Susi.

 

"Gut, dann lasst uns anfangen!"

Jennie holte die Taschenlampe heraus, während Bernie ganz genau den Himmel betrachtete. Er zeigte mit dem Finger auf die Stelle, wo der Heimatplanet von Mona und Moya war und Jennie richtete die Taschenlampe dorthin.

 

"Kurz-kurz-kurz, lang-lang-lang, kurz-kurz-kurz, kurz-kurz-kurz, lang-lang-lang, kurz-kurz-kurz, ..." gab sie sich selber das Kommando und erklärte: "Dreimal kurz ist das Zeichen für S, dreimal lang ist das Zeichen für O, dann folgt noch einmal dreimal kurz für S. Diese Zeichenfolge ergibt SOS und das heißt auf Englisch: Save Our Souls. Das wiederum bedeutet 'rettet unsere Seelen' oder ganz allgemein: Helft uns."

 

Nach ein paar Minuten machte Jennie eine Pause und betrachtete mit Bernie zusammen angestrengt den Himmel. Dann machten sie weiter bis zur nächsten Pause.

 

"Kann das lange dauern, bis Antwort kommt?", fragte Marie aufgeregt. "Ich meine, eine Antwort auf einen Brief dauert manchmal auch sehr lange."

 

"Die Lichtgeschwindigkeit ist die schnellste Geschwindigkeit, die es gibt. Licht besteht aus reiner Energie und hat keine Reibungsverluste."

 

Erstaunt sahen sich alle zu Bruno um und Bernie nickte anerkennend: "Nicht schlecht!"

 

Dann wandte er sich wieder dem Nachthimmel zu. Jennies Finger waren inzwischen lahm geworden und gerade wollte Bernie mit den Signalen weitermachen, als Jennie rief: "Da! Sie antworten!"

 

Sie nahm einen Schreibblock und einen Stift, den sie

 

mitgenommen hatte und schrieb: "Lang-lang-lang, lang-kurz-lang - das heißt OK! Sie haben okay gesagt, also kommen sie!"

 


"Interessant, wer kommt denn noch zur Party?", ertönte eine tiefe Stimme.

 

Entsetzt drehten sich unsere Freunde um. Vor ihnen stand ein Polizist.

 

"Komme ich zu spät?", ertönte genau in diesem Moment Rosies heisere Stimme.

 

"Ich konnte nichts dafür, meine Mutter hat mich erwischt!"

 

"Am Kühlschrank, wie?", fragte Bertha spöttisch.

 

"Nein, meine liebe Bertha, rein zufällig. Mein Mutter hat gesagt, sie hätte noch schnell die Küche gewischt!"

 

"Um Mitternacht, allerliebste Rosie, das glaubst du doch selber nicht!"

 

"Ach, und warum nicht, allerliebste Bertha? Meine Mutter nimmt jedenfalls keine Schlammbäder!"

 

"Und ich stopfe keine verfaulten Tomaten in anderer Leute Turnschuhe! Herr Wachtmeister, sagen sie doch mal etwas dazu!"

 

"Ich, äh, nun ich habe auch schon einmal in der Nacht die Küche geschrubbt, als die Waschmaschine ausgelaufen war, aber..."

 

"Na, da hörst du es doch, meine liebste Bertha, der Wachtmeister wischt in der Nacht auch seine Küche!"

 

"Du hast doch eben gehört, dass er eine kaputte Waschmaschine hat!"

 

"Na und? So ein Wachtmeister ist den ganzen Tag draußen und wenn er mit Schlammfüßen nach Hause kommt, dann muss er schließlich alles wieder sauber feudeln. Schlammfüße, hö, hö, das ist gut, der Wachtmeister hat Schlammfüße, hö, hö, hö!"

 

"Sei still", flüsterte Bertha ihr zu, "sonst werden wir alle verhaftet!"

 

"Darf ich fragen, was die jungen Herrschaften um diese späte Stunde draußen zu suchen haben? Ist es nicht längst Zeit, im Bett zu sein?"

 

"Äh, Herr Wachtmeister, ich habe damit nichts zu tun, ich bin nur von dem Krach geweckt worden", jammerte Bertha. "Bitte verhaften sie mich nicht, ich bin nur ein armes Opfer, und meine Turnschuhe sind nicht wieder richtig weiß geworden!"

 

"Sie ist eine alte Petze, Herr Wachtmeister", rief Rosie empört, "ein paar Tage Einzelhaft würden ihr gut tun! Am besten wäre es, die Außerirdischen nehmen sie gleich mit!"

 

In diesem Moment ging im Nachbarhaus, in dem die Familie Schwarte wohnte, ein Fenster auf, und die genervte Stimme von Rosie Vater ertönte: "Geht das mal ein bisschen leiser? Ich muss morgen ganz früh aufstehen! Ruhe, sonst hol ich die verdammten Bullen!"

 

Der Wachtmeister traute seinen Ohren nicht und ging zum Gartenzaun, der die Grundstücke der Familien Bommel und Schwarte trennte.

 

"Herr", raunzte er Herrn Schwarte an, "wie wäre es, sie gehen mit gutem Beispiel voran und grölen nicht so rum!"

 

Als Herr Schwarte sah, dass er einen Polizisten vor sich hatte, wurde er sofort freundlich und grinste verlegen.

 

"Selbstverständlich, Herr Oberpolizeimeister, gute Nacht und einen schönen Tag noch!", stotterte er. Dann schloss er das Fenster. Der Wachtmeister stand nun zehn Meter von unseren Freunden entfernt am Gartenzaun und suchte einen Notizblock hervor, um einen Bericht zu schreiben. In diesem Moment betrat Bommel die Szene, er sah unsere Freunde und gähnte: "Sagt mal, Kinder, wollt ihr nicht langsam mit dem Krach aufhören? Ihr wollt doch nicht, dass die Bullerei hier vorbeigelatscht kommt? Ich habe keine Lust, dass mir die Bullen mit ihren Quadratfüßen meinen schönen Rasen ruinieren."

 

"Papi, äh, da drüben..."

 

"Ist schon gut, Elfriede, die Bullerei kommt sowieso nicht. Besonders nicht, wenn man sie braucht, hä, hä! Kennt ihr eigentlich meine Polizistenwitze?"

 

"Papi, vielleicht solltest du..."

 

"Genau, Elfriedchen, ich sollte sie jetzt erzählen, also: Warum kommen Polizisten mit dem Hintern nicht hoch? Weil sie immer auf ihren Ohren sitzen, ha, ha!

 

Und was sieht aus wie ein Dackel und ist doch kein Dackel?

 

Ein Polizist nach 20 Dienstjahren! Ha, ha, weil er immer auf seinen Ohren gesessen hat, ha, ha!"

 

Bommel hatte vor Lachen Tränen in den Augen. Er wollte gerade zum nächsten Witz ansetzen, als der Wachtmeister ihm lächelnd auf die Schulter klopfte.

 

 


"Oh, Herr Wachtelmeister", murmelte Bommel verlegen, "hat ihnen schon mal jemand gesagt, dass sie wunderschöne Ohren haben?"

 

"Papiere!"

 

"Keine Ohren?"

 

"Ich will ihre Papiere sehen, Herr!"

 

Da traten Daisy, Elfriede und Jennie vor.

 

"Es ist alles unsere Schuld, Herr Wachtmeister", sagte Daisy.

 

"Wir wollten nur mal den Sternenhimmel angucken, weil, äh, weil wir das für die Schule brauchen."

 

"Genau", ergänzte Jennie, "wir wollten gerade alle wieder ins Bett gehen!"

 

"Na, schön", knurrte der Polizist und sah immer noch böse aus, "dann will ich mal ein Auge zudrücken! Aber jetzt marsch, ab in Bett!"

 

"Alles klar", sagte Elfriede, "und gute Nacht, Herr Wachtmeister!"

 

Sie ging zusammen mit Bruno schnell ins Haus.

 

Die anderen verschwanden ebenfalls so schnell wie möglich, und als letzte trabte Rosie davon.

 

"Gute Nacht!", rief sie dem Wachtmeister zu und kletterte langsam über den Gartenzaun zum Haus ihrer Eltern.

 

Bommel ging als letzter zur Haustür, sah sich noch einmal zum Wachtmeister um und sagte dann: "Gute Nacht, Herr Wachtelmeister. Haben sie schon mal daran gedacht, Ohrringe zu tragen?" Darauf hin ging er schnell ins Haus und schloss die Tür von innen zu.

 

"Sie unverschämter Kerl, ich werde sie im Auge behalten!" grölte der wütende Wachtmeister. In diesem Moment ging bei Familie Schwarte wieder das Fenster auf, und Rosies Vater, der durch das Gegröle erneut aus dem Schlaf gerissen worden war, rief in den Garten hinaus: "Du hast gleich noch etwas ganz Anderes im Auge, du Blödmann!"

 

Wachtmeister Bertrams drehte sich ganz langsam um. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Der Mond war inzwischen herausgekommen, und Herr Schwarte erkannte nun, wer da im Garten gebrüllt hatte. Schnell knallte er das Fenster zu und machte das Licht aus.

 

 

"Ich mach euch alle fertig", schrie Wachtmeister Bertrams, der nun die Nerven endgültig verloren hatte.

 

"Ich werde jeden einzelnen verhören und ausquetschen!"

 

In diesem Moment fuhr ein Streifenwagen vorbei. Die beiden Polizisten in dem Wagen hatten gerade Feierabend und waren auf dem Heimweg, doch was sich hier abspielte, interessierte sie.

 

"Ihr glaubt wohl, ich bin ein Hanswurst", tobte Wachtmeister Bertrams weiter und trat gegen den Gartenzaun.

 

"Schlammfüße habe ich? Ich bin ein Dackel, häh? Wisst ihr, was der Dackel jetzt machen wird? Der wird gegen euren Gartenzaun pinkeln!"

 

Noch bevor es dazu kommen konnte, waren die beiden Streifenpolizisten ausgestiegen und hielten den Wachtmeister fest.

 

"Du kommst lieber mit uns, Kollege!", riefen sie und schleiften den pöbelnden Bertrams über den Rasen.

 

"Ihr glaubt wohl, ihr könnt mich alle fertig machen? Macht euere Turnschuhe selber sauber! Ha, ich bin ein Außerirdischer!"

 

Während der eine Polizist den schimpfenden Wachtmeister in den Streifenwagen zerrte, sah sich der andere noch einmal im Garten der Familie Bommel um. Dabei entdeckte er Bommel, der grinsend aus dem Fenster guckte.

 

"Heh, sie!", rief der Polizist und zog seinen Notizblock aus einer Tasche seiner Uniform. "Können sie mir sagen, was sich hier abgespielt hat?"

 

"Keine Ahnung", antwortete Bommel, "der Kerl randaliert hier schon seit einiger Zeit, ist wohl irgendwie durchgeknallt."

 

"Vielen Dank, mein Herr, wir werden uns schon um den Kerl kümmern."

 

Der Polizist grüßte Bommel freundlich und ging zum Wagen zurück.

Von seinem Fenster aus konnte Bommel beobachten, dass Wachtmeister Bertrams inzwischen auf den Rücksitz des Streifenwagens saß. Er trug jetzt Handschellen. Vergnügt zog Bommel die Gardinen wieder zu und ging zum Bett zurück. Natürlich konnte er in diesem Moment nicht ahnen, dass er Wachtmeister Bertrams schon bald wiedertreffen würde.

 

 


3. Kapitel

 

Island

 

In der Zwischenzeit hatte McClown mehrere Probleme. Erstens hatte er immer noch keine Ahnung, wohin die Reise mit dem Fischkutter ging und zweitens hatte er nichts zu Essen. Hinzu kam die Sorge um die Hamster, denn inzwischen hatte er die kleinen Tierchen ins Herz geschlossen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen erzählte er ihnen schottische Märchen, was für die kleinen Nachttiere aber jedesmal der Auftakt zu einer Party war. Somit hatte McClown ein weiteres Problem: Er fand kaum Schlaf, denn einerseits hielt ihn der Krach der feiernden Hamster wach, andererseits musste er ständig an ihre kleinen Knopfaugen denken, die ihn hungrig ansahen. Er musste etwas unternehmen, und so beschloss der verzweifelte Butler, sich zu stellen. Bestimmt waren die Zeiten, in denen blinde Passagiere über Bord geworfen wurden, längst vorbei. Schlimmstenfalls würde man ihn im nächsten Hafen der Polizei übergeben.

 

McClown warf einen letzten Blick auf die schlafenden Hamster und stieg aus dem Rettungsboot. Ein kalter Wind pfiff ihm ins Gesicht, und er hatte das Gefühl, seine Ohren würden abfrieren. Er sah sich vorsichtig um. Es war ein recht kleines Schiff, und von der Mannschaft war nichts zu sehen. Ein altes Netz lag an Deck herum, und McClown hatte den Eindruck, dass es schon lange nicht mehr benutzt worden war. Zwar verstand er nichts von der Seefahrt, aber irgend etwas sagte ihm, dass dies kein normales Schiff war. Nachdem er über einen alten Fender gestolpert war, öffnete er die Tür zur Kajüte. Er erwartete, nun von allen Seiten gepackt und verhört zu werden, aber nichts geschah.

 

"Nu komm' mol in de Plünn! Komm rin und mook de Döör dicht!"

 

McClown erschrak, tat aber, wie ihm geheißen wurde und trat näher. Auf einem alten Sessel saß ein alter Mann mit einem weißen Vollbart, hatte die Füße auf dem Steuerrad und rauchte eine Pfeife.

 



 

"Ick heb' mi a froot, wolang dat noch duert, bitt du mi beseuken deist", fuhr der Kapitän fort. "Is di de Oars noch ne affroarn?"

 

"Nun, Sir", antwortete McClown steif, "in der Tat ist es recht frisch."

 

"Recht frisch?" Der Kapitän lachte laut und drehte sich um. "Mien Jung, du gefaals mi!"

 

"Danke, Sir. Wenn ich mir eine Bitte erlauben dürfte: Haben sie wohl etwas zum Essen für meine Hamster und mich?"

 

"Hamster? Hess du mi Rotten an Board schleept?"

 

"Nein, Sir, Hamster sind keine Ratten, es sind friedliche Tierchen, Sir."

 

Der Kapitän zog an seiner Pfeife, nahm eine Kaffeekanne und kippte sich etwas Kaffee in seine Tasse, die auf einem großen Kompass stand.

 

"Hol di man'n Pütz ut de Kombüs", fuhr der Kapitän fort, "ick heb a lang spitz kreen, dat du in'n Koon stickst. Haas di hüt ne zeicht, ha ick di holt! Kiek' mo ut' Firster! Dor kummt 'n Störbn up, dat ward bannich pussen, kanns koppheister öber Board gohn."

 

"Sehr liebenswürdig, Sir."

 

"Sech nich 'Sör' to mi, sech Koptein."

 

"Sehr wohl, Sir Kapitän", entgegnete McClown, "wenn ich mir noch eine Frage erlauben dürfte, Sir, äh, Sir Kapitän ..."

 

"Wenn du noch mol 'Sör Kapitän' to mi sechst, kanns glick wedder no buten in 'n Koon gon!"

 

"Wie S..., äh, wie Kapitän meinen", entgegnete McClown verlegen. "Verzeihung, äh, Kapitän ", fuhr er nun fort, "wo, bitte schön, befindet sich diese 'Kombüse' von der sie sprachen, und was ist eine 'Pütz'?"

 

Der Kapitän lachte laut und antwortete: "Büs noch' nich' lang op düsse Wilt, wat? Arme Landratte, 'n Kombüs is'n Kök un 'n Pütz is' 'n Beeker, allns klor?"

 

"Sehr aufmerksam, S..., äh, Käpt'n, ich habe den Becher gefunden. Darf ich mir nun einen Schluck Kaffee nehmen?"

 

"Seg' mol, hess dacht, du schass dor rin pinkeln? Kloar kaas du 'n Kaffee hebben!"

 


"Vielen Dank, Käpt'n, ich weiß ihre Liebenswürdigkeit zu schätzen."

 

Der Kapitän drehte sich zu Butler McClown um, zog wieder an seiner Pfeife und sagte mit leiser Stimme: "Seck an, hast du zu viel Süßholz gefressen, oder was? So 'ne manierliche Sprache kannst du dir hier an Bord abschminken. Is' schon komisch genug, dass jemand 'Blinder Passagier' auf'm abgetakelten Kutter spielt und 'n halben Zoo mitschleppt. Nu' sech' mi mol, wo büss to hus un' wat deist, wenn du nich' mit dien Pelzmüüs über 't Meer schippers?"

 

 

 

So saßen die beiden Männer in der Kombüse, und McClown erzählte dem Kapitän alles, an das er sich noch erinnern konnte. Er erzählte ihm von Schottland, vom Lord und dem, was er bisher so erlebt hatte. Nur, warum er einen ganzen Karton voller Hamster mit sich herumschleppte, das wusste er nicht mehr so genau.

 

 

 

"Tja", meinte der Kapitän und zündete seine Pfeife, die in der Zwischenzeit ausgegangen war, wieder an, bevor er weitersprach: "Da hast du ja mann n' echtes Problem. Ich fahr' nämlich nach Reykjavik, dat is' op Island. Da will ich n' paar Monate Urlaub machen. Ober wejs wat? Du holst mo' gaas fix dien' Pelzmüüs rin, de Störbn fangt nu an!"

 

 

 

McClown rannte zur Tür raus und wäre fast über Bord geweht worden, solch ein starker Wind war inzwischen aufgekommen. Er lief zum Rettungsboot, nahm die Plane hoch und packte den Karton mit den Hamstern. Schnell lief er zur Kajüte zurück, doch wieder übersah er den Fender, der natürlich noch immer mitten auf dem Deck lag. Der Butler stolperte und der Karton mit den armen Hamstern flog hoch in die Luft. Am Boden liegend sah McClown verzweifelt, wie der Sturm den Karton hochhob und Richtung Meer trug.

 

"Nein!", schrie er verzweifelt, doch er konnte nichts mehr tun. Voller Entsetzen malte er sich aus, wie seine armen Freunde im kalten Meer ertrinken würden. Schluchzend blieb er auf dem kalten Deck liegen und beschloss, hier liegen zu bleiben, bis die Wellen auch ihn über Bord spülen würden.

 

 

 

"Wiss du da nu 'ne Andacht halten, oder was?"

 

McClown sah mit Tränen in den Augen hoch. Da stand der Kapitän vor der Kajütentür und hatte den Karton mit den Hamstern in der Hand.

 

 

 


"Ich hab' mir schon gedacht, dass so 'ne olle Landratte im Sturm auf Schiet läuft. Tja, und als ich aus der Kajütentür rausguck', da seh' ich deine Jungs durch die Luft segeln. Konnt' sie gerade noch auffangen."

 

Überglücklich stieß McClown ein 'Danke, Käpt'n' hervor und hatte anschließend große Mühe, die Kajütentür, gegen die der immer heftig werdende Sturm blies, zuzudrücken.

 

"Tja, Frido", grinste der Kapitän und steckte sich seine Pfeife an, "das Schlimmste steht uns noch bevor, der Klabautermann will uns holen."

 

"Mit Verlaub, Käpt'n, der kriegt was auf die Nase!"

 

"So gefällst du mir schon besser, ober 'nu goh' mo in de Kombüs und sej tou, dat dien Mannschaft wat achter de Kiemen krich! Sonst haben wir 'ne Meuterei an Bord."

 

"Aye, aye, Käpt'n, geht klar", sagte McClown und ging in die Küche. Es suchte Salat und Brot zusammen und legte es zu den Hamstern in den Karton. Klar, dass bei den halb verhungerten Hamstern jetzt Party angesagt war, und sie über das Futter herfielen, während draußen der Sturm immer stärker wurde. Die Wellen wurden jetzt auch immer höher und brachen über die Bordwand, sodass nur noch eine weiße Wand in Fahrtrichtung zu sehen war. Das Schiff schlingerte hin und her, und im Karton war ein fröhliches Fiepen zu hören.

 

"Na, deiner Mannschaft scheint es ja Laune zu machen", lachte der Kapitän.

 

"Sech mol, Frido, büss all mol op Island wen?"

 

"Nö, Käpt'n, ich weiß nur, dass Reykjavik die Hauptstadt ist und

 

dass es dort Trolle und Elfen geben soll."

 

"Richtig", lachte der Kapitän, "und stell dir vor, im Hochsommer ist es da gerade mal lausige 8 Grad warm. Dann fallen die fast um vor Hitze! Und stell dir mal weiter vor, die Kinder kriegen nie hitzefrei! Weist du denn, worüm dat dor soveel Fisch giff?"

 

McClown überlegte kurz: "Nahe Island, im Nordatlantik, treffen Ausläufer des warmen Golfstroms mit kalten Strömungen aus den Polarregionen aufeinander. Das Meer ist dort reich an Sauerstoff und Plankton und damit ein äußerst fischreiches Gewässer, Käpt'n."

 

 

 

"Büsch'n schluderig erklärt, aber sonst ganz richtig", lachte der Kapitän.

 

"Ober wejs, wat keen een wejt? Nich' bloos ji in Schottland habt 'n Sejmonster!"

 

 

 


"Nicht möglich", rief McClown, "Beweise!"

 

 

 

Der Kapitän legte seine Pfeife beiseite, stand auf und ging eine kleine Leiter in seine Schlafkammer hinunter. Es dauert ein paar Minuten, und er kam mit einem dicken Buch unter dem Arm wieder herauf. Es war ein Buch mit einem verschlissenen, brauen Umschlag und sah sehr alt aus.

 

"Kiek mol, dat is'n Reiseführer von mien Ur- Ur- Urgroßvadder."

 

 

 

Der Kapitän schlug das Buch vorsichtig auf und blätterte darin. Nach einer Weile hatte er die richtige Seite gefunden und hielt sie McClown vor die Nase. Hastig griff McClown zu und las: "Island hat übrigens auch einige Ungeheuer zu bieten, die wie Nessie in Seen hausen. Das berühmteste dieser Ungeheuer lebt im See Lögurinn im Osten des Landes. Der Sage nach schenkte vor langer Zeit eine Frau ihrer Tochter ein Schmuckstück aus Gold. Die Tochter wollte von ihrer Mutter wissen, wie sie das Gold am besten verwerten könnte. Da riet ihr die Mutter, das Gold unter einen Wurm zu legen. Bekanntlich wird ein Lindwurm, der auf Gold liegt, dick und groß und mit ihm wächst auch der Schatz, auf dem er liegt. Die Tochter entdeckte am nächsten Tag eine Schnecke im Garten und setzte sie auf das Gold. Am Abend nahm sie die Schnecke und das Gold mit ins Haus und versteckte beides an einem sicheren Platz. Als sie nach einigen Tagen wieder danach schaute, war die Schnecke schon so beträchtlich gewachsen, dass dem Mädchen Angst und Bange wurde. Sie nahm die Schnecke und das Gold, rannte zum Fluss und warf beides hinein. Die Schnecke wuchs aber immer weiter und wurde mit der Zeit zu dem gefürchteten Ungeheuer im Lögurinn."

 

 

 

McClown war wie vor den Kopf gestoßen, das konnte doch nicht wahr sein, dass es außerhalb Schottlands noch weitere Monster gab. Kopfschüttelnd goss er sich noch eine Tasse Kaffee ein.

 

"Näch? Da schlackerst du mit den Ohren, was Frido?"

 

Noch bevor Frido etwas antworten konnte, riss der Kapitän das Steuerrad scharf herum und rief: "Alle Mann festhalten, wir landen!"

 

 

 

Frido McClown sah aus dem Fenster und konnte in der Ferne eine bergige Landschaft erkennen. Das musste Island sein! Geschickt steuerte der Kapitän das Schiff in die schmale Hafeneinfahrt, und nach einer Weile hatten sie es geschafft.

 

 

 


"Frido, wejs du, wie man 'n Tampen fast mogt?"

 

"Kein Problem, Käpt'n, das wird sofort gemacht!"

 

Nachdem McClown durch die Kajütentür nach draußen gelaufen war, stand er nach einer Minute wieder vor dem Kapitän.

 

"Was ist ein Tampen?"

 

"Dat is so'n Tau mit dem du den Kutter an Land vertäust, wejs dat denn nich?"

 

Mit rotem Kopf rannte McClown wieder nach draußen und in seiner Kajüte hörte der Kapitän deutlich das laute Knallen und Poltern eines Körpers, der hart auf die Schiffplanken schlägt.

 

Ich muss den Fender mal woanders hin packen, dachte der Kapitän, wahrend das Schiff am Pier festgemacht wurde. Kurz darauf standen er und McClown auf der Insel Island. Dann verabschiedeten sie sich voneinander. McClown nahm den Karton mit seinen Hamstern und beschloss, ein Stück ins Landesinnere zu wandern.

 

 


 

 

 

4. Kapitel

 

 

 

 

 

Wo steckt Professor Hastig?

 

 

 

 

 

Am nächsten Morgen waren alle unsere Freunde etwas müde und unausgeschlafen. Mit geschlossenen Augen stolperte Elfriede ins Badezimmer und setzte sich auf den Klodeckel. Ihr Kopf war schwer und ihre Augen wollten sich nicht öffnen. Sie legte den Kopf auf das Waschbecken und träumte von ihrem kuscheligen, warmen Bett. In diesem Moment kam auch Bruno mit halb geschlossenen Augen zur Badezimmertür hereingetappst. Als er kurz blinzelte, um die Lage zu checken, sah er Elfriede mit dem Kopf im Waschbecken liegen. Blitzartig wurde er hellwach. Er schlich leise zum Waschbecken, drehte den Hahn mit dem kalten Wasser voll auf und machte, dass er weg kam. Elfriede war schlagartig wach. Alles in ihr schrie nach Rache, und sie rannte in den Flur hinaus. Dort lag Bruno. Er war auf einem seiner Spielzeugautos ausgerutscht.

 

"Ha", jubelte Elfriede, "das Wild hat sich selbst erlegt!"

 

Rachsüchtig warf sie sich auf den jaulenden Bruno, um ihn abzuschlachten, als ihre Mutter die Treppe herauf kam.

 

"Ich glaub' ich spinne", rief sie, "ihr müsst euch wohl mal wieder richtig austoben. Gleich nach dem Frühstück marschiert ihr beide raus!"

 

"Aber Mami, ich bin mit meinen Freunden verabredet!"

 

"Das ist mir egal, Elfriede, du nimmst Bruno mit!"

 

 

 

So kam es, dass Bruno fröhlich neben Elfriede marschierte, als sie auf ihre Freunde an der Bushaltestelle am Zauberwald trafen.

 

"Ich denke, du wolltest deinen Bruder zu Hause lassen", sagte Daisy schlecht gelaunt zu ihr.

 

"Wollte ich auch, aber meine Mutter war anderer Ansicht."

 

"Finde ich ganz schön blöd", stänkerte Daisy, und Bertha fügte hinzu: "Versprechen muss man halten, sagt meine Mama immer!"

 

"Genau", fuhr Daisy fort, "also schick ihn wieder zurück!"

 

"Geht nicht", antwortete Elfriede.

 

"Dann bleibt doch beide hier", giftete Daisy weiter.

 

Jetzt platzte Elfriede langsam der Kragen.

 

"Pass mal auf, du hast deine Probleme, und ich habe meine Probleme. Wie würdest du dass finden, wenn ich dich so anmachen würde?"

 

Darauf wusste Daisy nichts mehr zu sagen. Verlegen murmelte sie: "Tut mir leid, aber ich habe zu wenig geschlafen, und außerdem habe ich Stress Zuhause mit meinen Eltern gekriegt. Die haben geschnallt, dass ich nachts weg war."

 

"Aber trotzdem", beharrte Bertha, "versprochen ist versprochen, und du hast gesagt, dass Bruno ...aaaah, nimm das Ungeheuer weg!"

 

"Wusstet du, dass Schnecken über eine Rasierklinge kriechen können?" Bruno stand vor Bertha und hielt ihr eine Weinbergschnecke vor das Gesicht.

 

"Ich glaube, Bertha, er mag dich", lachte Daisy.

 

"Mir wäre es lieber, wenn er mich hassen würde", kreischte Bertha.

 

Bruno sah sie traurig an.

 

"So, äh, habe ich das nicht gemeint", stotterte Bertha.

 

"Also, das musst du jetzt wieder gut machen", fand Jennie.

 

Bertha tat der traurige Bruno nun leid, und sie machte eine folgenschwere Bemerkung: "Wie wär's, Bruno, du erzählst mir etwas über deine kleinen, nackten, äh, Freunde?"

 



 

Bruno strahlte über das ganze Gesicht und legte los: "Schnecken gehören zu den Gastropoden, was so viel wie ‚Bauchfüßler' heißt. Sie leben am liebsten an feuchten Orten, zwischen Pflanzen, unter Steinen, in der Erde oder im Wasser. Beim Kriechen hinterlassen sie eine Schleimspur. Auf dem Schleim können sie sich mit ihrer Kriechsohle vorwärts schieben. Dabei verlaufen wellenartige Muskelbewegungen über die Sohle."

 

"Sehr schön, Bruno, danke, das war interessant", japste Bertha, doch Bruno fuhr unbeirrt fort: "Posthornschnecken gehören zu den relativ unempfindlichen Tellerschnecken, die auch noch verschmutzte Gewässer besiedeln, in denen sich viele andere Tiere nicht mehr wohlfühlen. Obwohl sie im Wasser leben, sind Posthornschnecken Lungenschnecken. Ein gut durchbluteter Hautlappen funktioniert so ähnlich wie Kiemen, so dass die Posthornschnecke in sauerstoffreichem Wasser selten an der Wasseroberfläche Luft tanken muss.

 

Eine andere einheimische Lungenschnecke ist die Große oder Spitzschlammschnecke. Auch sie lebt im Wasser und ernährt sich wie die Posthornschnecke von Algen und abgestorbenen Pflanzen, die sie mit der Reibzunge abweidet."

 

An dieser Stelle stopfte sich Bruno eine Handvoll Bonbons in den Mund, als Bertha ihn erneut unterbrach: "Danke, Bruno, jetzt weiß ich Bescheid!"

 

"Nein, eine Schneckenart fehlt noch und zwar die Weinbergschnecke, eine landlebende Lungenschnecke, die ihr Gelege in der Erde vergräbt. Den Winter verbringen die Weinbergschnecken bis zu dreißig Zentimeter tief im Erdboden. Dann können sie ebenso wie bei großer Trockenheit ihr Haus mit einem Kalkdeckel verschließen.

 

Die Weinbergschnecke ist eine Delikatesse. Ihr Genuss gilt als stärkend. Schon Napoleons Soldaten sollen Weinbergschnecken als Wegzehrung gegessen haben. Heute darf man die wild lebenden Schnecken aber nicht einfach für ein Mittagessen sammeln. Die Tiere sind geschützt und werden für die Feinschmecker extra gezüchtet.

 

Wie die Weinbergschnecke gehört auch die kleinere Gartenschnecke zu den Hain- oder Schnirkelschnecken. Wenig beliebte Schneckenvertreter sind die Große Rote und die Große Schwarze Nacktschnecke. Bei feuchtem Wetter sind sie zu Hunderten anzutreffen - und machen sich über den Gemüsegarten her. Das ist natürlich für den Gärtner ..."

 



 

 

 

Zur allgemeinen Erleichterung war endlich der Bus gekommen.

 

"Tut mir leid, dass ich so spät komme", sagte der Busfahrer zu den Kindern, "aber an der Kreuzung war ein Stau."

 

"Was war denn los?", fragte Rosie neugierig.

 

"Oh, ich glaube, Elfriedes Vater war schuld daran."

 

"Was?", fragte Elfriede ungläubig, "Nicht schon wieder!"

 

"Doch, ich konnte das genau sehen", erzählte der Busfahrer, "der Wagen mit deinem Vater fuhr direkt vor mir auf die Kreuzung. In der Mitte der Kreuzung stand ein Polizist, und der fing auf einmal an, deinen Vater anzuschreien. Er schrie etwas von Dackeln und Schlammpfützen."

 

"Schlammfüßen", verbesserte Elfriede.

 

"Richtig, Schlammfüßen. Jedenfalls wollte der Polizist deinen Vater nicht durchlassen, bis der mit seinem Auto einfach um den brüllenden Schutzmann herumfahren wollte. Fast hätte er es auch geschafft, aber dann hat sich der Polizist in der Stoßstange des Autos festgebissen und wollte nicht mehr loslassen. Es dauert eine ganze Weile, bis zwei Kollegen des durchgeknallten Polizisten kamen und ihn von der Stoßstange lösten. Habt ihr eine Ahnung, was das bedeuten sollte?"

 

"Nöööööh", riefen unsere Freunde im Chor.

 

 

 

Der Bus hielt, und sie waren am Ziel. Schnell stiegen unsere Freunde aus und liefen zum Strand.

 

Elfriede erreichte die Eingangstür des Leuchtturms, in dem der Professor wohnte, als Erste und klingelte. Nichts passierte und auch nach mehrmaligem Versuchen antwortete niemand. Ratlos sahen sich unsere Freunde um.

 

"Vielleicht ist er in den Urlaub gefahren", meinte Jennie achselzuckend.

 

"Oder er holt neue Ersatzteile", vermutete Bernie.

 

Niemand achtete auf Bruno, der unweit des Leuchtturms im Sand buddelte.

 

 

 

"Wir haben noch etwas Zeit", beruhigte Elfriede ihre Freunde, "dann werden Mona und Moyo eintreffen. Bis dahin müssen wir versuchen, den Professor ..., he, Bruno was hast du denn da gefunden?"

 

Jetzt war wieder Bewegung in die enttäuschte Kinderschar gekommen, und sie liefen hin zu der Stelle, an der Bruno im Sand grub.

 

"Das sieht ja aus wie eine Heckflosse von einem Düsenflugzeug", rief Bernie begeistert.

 



 

"Ich finde es einfach unverantwortlich, dass ein erwachsener Mensch wie der Professor seinen Müll einfach in der Landschaft herumliegen lässt", schimpfte Bertha empört.

 

"Das sieht überhaupt nicht wie Müll aus", stellte Elfriede fest. "Schau doch mal, da ist gar kein Rost dran. Los, lasst uns alle zusammen graben!"

 

Es war eine mühselige und langwierige Arbeit. Zentimeter um Zentimeter gruben sich unsere Freunde tiefer. Nachdem sie die Heckflosse freigelegt hatten, stellten sie zu ihrer grenzenlosen Überraschung fest, dass da im Sand ein ganzes Flugzeug vergraben war.

 

"Das ist ja entsetzlich", rief Bertha plötzlich, und alle sahen sie erschrocken an.

 

"Seht doch mal, mein Fingernagel ist eingerissen!"

 

"Wirklich schade", grunzte Rosie grinsend, "ich habe mein Nagelpflege-Set nicht mitgenommen."

 

Verärgert grub Bertha weiter, als sie im nächsten Moment erneut laut aufschrie und weglief.

 

"Was ist denn nun schon wieder los?", rief Daisy genervt.

 

"D... da hat s... sich was bewegt!"

 

"Im Sand?"

 

"N... nein, h... hinter einer Scheibe!"

 

Elfriede erfasste die Situation sofort und rief: "Schneller, wir müssen weiter graben, sonst kommen wir womöglich zu spät!"

 

 

 

Sie verdoppelten nun ihre Anstrengungen und nach einiger Zeit hatten sie das Cockpit des Fluggerätes freigelegt. Jetzt sahen sie, was auch Bertha gesehen hatte und was sich im Cockpit befand: Professor Hastig. Er lag im Inneren der Maschine, doch es war deutlich zu sehen, dass er noch atmete.

 

 

 

"Wir müssen ihn da raus holen, sonst erstickt er", rief Jennie verzweifelt und trommelte mit ihren Fäusten auf das Glas des Cockpits.

 

"Zwecklos", meinte Bernie, "das ist Sicherheitsglas. Das kriegen wir nicht auf!"

 

"Was können wir tun", überlegte Elfriede laut, "der Professor schafft es wohl nicht, das Cockpit von innen zu öffnen, und wir können es nicht von außen. Wie dick mag das Glas sein?"

 

"9 Millimeter", sagte Bruno, der gerade interessiert Muscheln betrachtete.

 

 

 



 

"Ja, und", fragte Elfriede ihren Bruder hoffnungsvoll, "wie kommen wir da durch?"

 

"Da gibt es verschiedene Möglichkeiten", antwortete Bruno, "es gibt einen Rechteckhebel zum Öffnen der Einstiegsklappe von außen und einen Rundhebel zum Öffnen der Einstiegsklappe von innen. Manche Flugzeugtypen haben Achtern einen separaten Zugang zum Cockpit und einige ein Cockpit, bei dem von außen 8 Muttern gelöst werden müssen, um ins Innere der Maschine zu gelangen"

 

Alle starrten ihn nun an, und verlegen zeigte Bruno auf die Muscheln und sagte: "Dahinten gibt es noch mehr davon."

 

"Hier ist ein Rechteckhebel", rief Jennie, "fasst mal mit an, das geht sehr schwer."

 

Elfriede, Daisy, Bernie und Jennie zogen nun gleichzeitig an dem Hebel, und mit einem 'Plopp' sprang die Glaskuppel ab. Alle starrten auf den Professor, der nun den Kopf etwas anhob und die frische Luft tief einatmete.

 

"D.. das w.. war knapp", keuchte er, "t..t.. tausend Dank!"

 

"Bedanken sie sich bei meinem kleinen, unnützen Bruder. Manchmal weiß er wirklich gut Bescheid. Aber was ist denn passiert, warum sind sie mit ihrer Maschine im Sand verschüttet?", fragte Elfriede den Professor, der nun mit wackeligen Beinen aus dem Fluggerät stieg.

 

"I.. ich wollte meinen Bruder in Australien b... besuchen, aber das war wohl nichts. Etwas muss ich f... falsch gemacht haben."

 

 

 

Kurz darauf saßen alle zusammen in Professor Hastigs Labor und erzählten ihm den Grund ihres Kommens. Natürlich erklärte sich der Professor bereit, ihnen beim 'Umbau' des Zauberfläschchen zu helfen. Elfriede zog das Fläschchen aus ihrer Tasche und gab es ihm. Dann verabschiedeten sich unsere Freunde und gingen zurück zur Bushaltestelle, denn die Zeit wurde knapp. Sicherlich waren Mona und Moyo schon im Zauberwald gelandet und warteten dort auf sie. Zum Glück dauerte es nicht lange bis der Bus kam. Die Kinder stiegen ein, und es ging weiter zum Treffen mit ihren außerirdischen Freunden.

 

Hamster in Gefahr - Buch 3 Teil 2

 

5. Kapitel

 

Langjökull

 

 

 

 

 

McClown wusste derweil nicht, ob er sich nun freuen sollte oder nicht. Nach Island wollte er zwar schon immer einmal fahren, aber da Lord McShredder ihm bisher noch nie gestattet hatte, länger als drei Tage fortzubleiben, hatte es somit für einen längeren Urlaub nicht gereicht. Mit Grauen dachte er an die endlosen Diskussionen mit dem schwerhörigen Lord.

 

"Sir, ich brauche Urlaub", hatte er oft gesagt.

 

"Ich rauche zu laut? Was erlauben sie sich McClown?"

 

"Sir, ich sagte U-R-L-A-U-B !"

 

"Warum schreien sie so, McClown und wozu Urlaub? Gefällt es ihnen hier etwa nicht mehr? Was glauben sie, wie viele Leute gerne einmal in einem Schloss leben würden?"

 

"Sicher, Sir, aber ich möchte einmal etwas Anderes sehen!"

 

"Auf die Antenne gehen? Was erzählen sie für einen Quatsch, McClown!"

 

"E-T-W-A-S A-N-D-E-R-E-S, S-I-R!"

 

"Brüllen sie mich nicht so an, mein lieber McClown, zu meiner Zeit gab es so etwas Neumodisches wie Urlaub nicht. Aber wenn sie unbedingt etwas Anderes sehen wollen, dann habe ich eine Idee. Packen sie ihre Klamotten und ziehen sie los!"

 

Das Herz des Butler hüpfte vor Freunde, und McShredder fuhr fort: "Sie werden von ihrem Zimmer auf der Ostseite des Schlosses in das Zimmer auf der Nordseite umziehen. Eine völlig neue Aussicht haben sie dann, McClown, und sie kriegen einen Tag frei für den Umzug. Na, was sagen sie?"

 

"Ich bin begeistert, Sir!", brüllte McClown und musste sich beherrschen, den Lord nicht zu würgen.

 

"Na, sehen sie, McClown, der Clan der McShredder war schon immer großzügig. Selbstverständlich werden sie diesen Tag nacharbeiten."

 

"Ihre Güte ist grenzenlos, Sir", murmelte der Butler.

 

"Eine Tüte mit Wanzenmoos? Was wollen sie denn damit, McClown? Die Freude ist ihnen wohl zu Kopfe gestiegen, los, gehen sie wieder an die Arbeit, aber vorher holen sie mir Tabak!"

 

 

 


Nach solchen sinnlosen Unterhaltungen mit seiner Lordschaft war McClown gewöhnlicherweise in die Küche gegangen und hatte Geschirr zertrümmert, um sich etwas zu beruhigen.

 

Inzwischen war McClown auf eine kleine Anhöhe gestiegen und setzte sich auf einen am Wegesrand liegenden Baumstamm. Es tat gut, einen Augenblick zu verschnaufen, denn der Karton mit den schlafenden Hamstern war von Schritt zu Schritt schwerer geworden. Er wickelte sich in die Decke ein, die der Kapitän ihm zum Abschied geschenkt hatte und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, und er war tief und fest eingeschlafen. Doch McClown träumte unruhig, denn all die Abenteuer und Erlebnisse der letzten Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Er träumte, er sei wieder Zuhause in Schottland und wäre auf der Jagd nach Ungeheuern und Monstern. Er war im Traum der Anführer einer ganzen Armee, und seine Krieger hatten merkwürdigerweise alle Schnurrbärte und Fell. Sie waren gerade auf der Jagd nach dem blutrünstigsten Monster, dass es je auf der Welt gegeben hatte: Das Clan-McShredder-Monster.

 

 

 

Er, Commander McClown und seine treuen Gefolgsleute waren mit ihren schwer bewaffneten Schiffen übers Meer gekommen, um diesem Monster den Garaus zu machen. Als er gerade mit seiner Armee das Clan-McShredder-Monster gestellt hatte und sein Schwert ziehen wollte, geschah es: Er hatte sich im Schlaf hin und hergeworfen, und der Baumstamm unter ihm geriet ins Rollen. McClown und die Hamster purzelten nun die Anhöhe hinunter auf Reykjavik zu. Der arme Butler rollte vorweg, hinter ihm der Baumstamm und schließlich die Hamster, die zu allem Unglück aus dem Karton gefallen waren und überhaupt nicht wussten, was denn los war. McClown war der festen Überzeugung, mitten im Kampf mit dem Drachen zu sein, als er etwas Großes, Dunkles auf sich zukommen sah.

 

Noch ein Monster, dachte er und krachte gegen einen Baum. Kurz darauf hatte auch der Baumstamm die Stelle erreicht, und als McClown gerade wieder aufstehen wollte, klatschte ihm der Baumstamm von hinten ins Genick. Butler und Baumstamm blieben liegen, und die Hamster wurden von dem quer liegenden Stamm gestoppt. Die winzigen, kleinen Tiere schnupperten, und als sie nichts Interessantes feststellten, krochen sie zum Butler, der noch immer in die Decke eingewickelt war und kuschelten sich an ihn.

 

 

 

Die Sonne war gerade im begriff unterzugehen, als McClown mit dröhnendem Schädel erwachte und sich umsah.

 


"Wir haben diese Schlacht gegen das Monster verloren", sprach er, "doch der Kampf ist noch lange nicht zu ende."

 

 

 

Er stand auf, nahm den Karton wieder an sich und sah zur Anhöhe hinauf.

 

"Warte nur, du verfluchtes Monster Clan-McShredder! Meine Armee und ich werden dich verfolgen und zur Strecke bringen. Wir werden die Welt von Monstern wie dich befreien!"

 

Nachdem er das gerufen hatte, fühlte er sich besser. Die Hamster, die durch den Krach geweckt wurden, stellten fest, dass es dunkel geworden war und suchten Futter.

 

"Ah, meine getreue Armee", rief McClown, "seid ihr bereit zu neuen Schlachten?"

 

Die Hamster guckten verwirrt, und einige kratzen sich am Kopf. Sie berieten untereinander und kamen zu dem Entschluss, dass es besser sei, diesem Mann zu folgen. Schließlich waren sie bisher von ihm gefüttert worden und er schien ihr Freund zu sein. So folgten sie ihm die Anhöhe hinauf in das Landesinnere.

 

 

 

Der Weg wurde beschwerlicher, doch nach einigen Stunden hatten sie ein flaches Gebiet, ein Hochplateau erreicht. 'Langjökull' stand auf einem Schild. Hin und wieder waren große Felsen zu sehen. Der Himmel über ihnen war inzwischen von Millionen Sternen erfüllt und McClown konnte sich an diesem Anblick einfach nicht satt sehen. Während er andächtig den Sternenhimmel betrachtete, wurden die Hamster langsam sauer. Sie hatten Hunger und wollten Party feiern. Sie begannen empört zu fiepen, und einige zupften den Butler sogar an seinen Hosenaufschlägen.

 

"Ihr erhebt euch gegen euren Anführer?", fragte McClown empört, "Was ist los mit euch, meine Getreuen?"

 

Die Hamster fiepten immer lauter und zeigten mit ihren kleinen Pfoten auf ihre Bäuche.

 

"Ah, meine Armee ist hungrig und durstig! So lasst uns einkehren und uns ausruhen."

 

 

 

McClown sah sich um: In der Ferne entdeckte er ein Gehöft.

 

"Vorwärts, meine Tapferen!", rief er und marschierte vorweg. Zu seiner grenzenlosen Freunde stellte er beim Näherkommen fest, dass das Gehöft beleuchtet und somit bewohnt war. Wenig später klopfte er an die Tür. Ein kleines Mädchen öffnete und sagte, dass seine Eltern auf einer Feier bei den Nachbarn seien, und dass sie niemand hereinlassen dürfe.

 


"Mich täuscht du nicht", rief McClown, "du bist eine gute Fee und hast dich verwandelt, um unsere Treue zu prüfen!"

 

Noch ehe das verdutzte kleine Mädchen etwas erwidern konnte, waren der Butler und die Hamster in die Küche gestürmt und plünderten die Speisekammer. Das kleine Mädchen kam hinterher und wiederholte, dass sie niemanden hereinlassen dürfe, und ihre Eltern mit ihr schimpfen würden.

 

"Sei unbesorgt, holde Fee", beruhigte McClown das kleine Mädchen, "es ist alles die Schuld des Clan-McShredder-Monsters!"

 

Die Kleine zuckte mit den Schultern und ging in die Stube, um weiter eine Fernsehsendung zu verfolgen.

 

Es dauerte nicht lange, bis die Speisekammer leer war und die Bäuche der hungrigen Schar gefüllt waren. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld, und so verließen McClown und seine Hamsterarmee das Haus und gingen weiter in nördlicher Richtung.

 

 

 

Nach kurzer Wanderung erreichten sie ein kleines Dorf mit mehreren Geschäften. Da alle Bewohner bereits in ihren Betten schliefen, fiel die merkwürdige Schar keinem auf. Sie ließen das Dorf hinter sich und kamen an einer Fischräucherei vorbei. Daneben befand sich ein kleines Geschäft, in dem Körbe hergestellt wurden.

 

 

 

"Vorwärts, meine treuen Soldaten", feuerte McClown die Hamster an, "wir sind kurz vor dem Ziel! Ich rieche schon den stinkenden Atem des Monsters!"

 

In der Tat war etwas zu riechen, und die Hamster rümpften ihre feinen Nasen. Lieber wären sie umgekehrt, doch da sie dachten, dass der nette Mann sie zu einer Party führen wollte, gingen sie weiter. Der Gestank wurde schlimmer. In der Ferne sahen McClown und seine kleinen Freunde Rauch vom Boden aufsteigen. Wenn McClowns Kopf nicht zwischen zwei Baumstämme gekommen wäre und er klar hätte denken können, hätte er gewusst, was das war. Es waren Geysire. Geysire entstehen dadurch, dass heißes vulkanisches Gestein das Wasser aufheizt. Das warme Wasser wird unter hohem Druck nach oben gepresst. Was so schrecklich stank, das waren Schwefeldämpfe.

 



 

McClown sah diese Dämpfe und rief: "Vorwärts, meine tapferen Krieger, da vorne ist der heiße Atem des Monsters zu sehen! Vorwärts, lauft und schnappt es euch!"

 

 

 

Die Hamster sahen ihn fragend an. War das die versprochene Party? Gestank und Rauch mochten sie nun wirklich nicht. Widerstrebend folgten sie dem voran eilenden Butler und das war auch gut so. Als nämlich McClown fast die Stelle erreicht hatte, geschah das, was bei Geysiren eben hin und wieder passiert: Sie brechen aus. Genau das geschah in diesem Moment. Eine 15 Meter hohe Fontäne heißen Wassers schoss in die Luft und ergoss sich über McClown. Schreiend flüchtete er und rief den Hamstern zu: "Schnell, meine Tapferen, er hat eueren Anführer angegriffen!"

 

Die Hamster begriffen gar nichts mehr.

 

"Er ist geflüchtet, er ist in die Erde getaucht!", stöhnte McClown und setzte sich auf den Boden. Mit einem gellenden Schrei sprang er wieder hoch, denn die Erde war kochend heiß. Schnell lief er zu der Stelle, an der die Hamster stehen geblieben waren und ließ sich dort nieder. Lange grübelte er vor sich hin, dann hellte sich seine Miene auf. Er ergriff einen Hamster - es war Purzel - der direkt vor ihm stand.

 

"Es ist doch ganz klar, mein kleiner Freund! Wir können ihm nicht durch den heißen Erdboden folgen, und ein Schiff haben wir nicht. Wir werden ihm also durch die Luft folgen! Es steht fest, dass er einen unterirdischen Weg nach Schottland sucht. Weißt du, mein tapferer kleiner Freund, wie wir das machen werden?"

 

Purzel fühlte sich überhaupt nicht wohl in seinem Fell. Er glotzte den durchgeknallten Butler an und schimpfte: "Toidi!"

 

"Mein Held", rief McClown und drückte Purzel fest an sich.

 

"Eflih! Eflih!", schrie der arme Hamster in seiner Verzweiflung.

 

"Richtig", jauchzte McClown, "es flieht vor uns. Das Monster flieht vor uns, aber wir werden es einholen. Kommt mit, ich habe einen Plan."

 

 

 


Isländischer Hamster

Nachdem er das gesagt hatte, stand er auf und ging in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Die Hamster folgten ihm verwundert. Eine Stunde später waren sie wieder in dem kleinen Dorf angekommen. Nach kurzem Suchen entdeckte der Butler eine Segelmacherei. Er trat die Tür ein, ging hinein und kam mit einer großen Plane und einer Menge Tauwerk zurück.

 

Er gab den völlig verdutzten Hamstern ein Zeichen, dass sie ihm folgen sollten und lief in die Richtung der Geysire zurück.

 

 

 

An dem Geschäft des Korbmachers blieb er stehen, warf Plane und Taue auf den Boden und trat auch diese Tür ein. Mit einem riesigen Korb kam er wieder aus dem Geschäft, warf Plane und Taue hinein und rannte weiter zur den Geysiren.

 

 

 

Die Hamster mit ihren kurzen Beinchen waren zwar völlig erschöpft vom Laufen, aber so etwas Aufregendes hatten sie noch nie erlebt. Tapfer liefen sie hinterher, bis sie wieder bei den heißen Dämpfen der Geysire ankamen. McClown musste sich beeilen, denn aus der Richtung des Dorfes waren wütende Rufe zu hören. Schnell nahm er ein paar lange Taue und knotete jeweils das eine Ende der Taue an der Plane und das andere am Korb fest. Als er damit fertig war, legte er die Plane über die heißen Dämpfe der Quelle und rief: "Schnell meine mutigen Kämpfer, steigt ein, wir folgen dem Monster!"

 

Die Hamster waren sofort der Meinung, dass die Party endlich losging und hüpften freudig in den riesigen Korb. Ihre Enttäuschung, dass sie dort nichts zu Fressen vorfanden, war groß. Wütend beschimpften sie McClown, doch als die heiße Luft die Plane aufblähte, verstummten sie. Die Plane wurde immer mehr mit heißer Luft aufgepumpt, bis sie aussah wie ein riesiger Ballon. Inzwischen hatten sich die wütenden Dorfbewohner bis auf wenige Meter genähert, als der Korb sich in die Höhe erhob. Aufgeregte Schreie waren jetzt zu hören: "Halt, mein Segelzeug... mein Korb... stehen bleiben, du Dieb!“

 

"Papa, das ist der Mann, der unsere Vorräte gestohlen hat!", rief ein kleines Mädchen.

 

Der Butler beugte sich über den Korbrand und rief der aufgebrachten Menge zu: "Seid nicht traurig, es dient einem guten Zweck. Es ist alles die Schuld dieses Clan-McShredder-Monsters, hört ihr? Schuld ist nur das Clan-McShredder-Monster!"

 

Dann legte er sich erschöpft auf den Boden zu den Hamstern. Es dauerte nicht lange und alle waren erschöpft eingeschlafen, während sie vom Ballon hoch durch die Lüfte getragen wurden.

 

 

 

 

 

6. Kapitel

 

 

 

 

 

Ein außerirdisches Wiedersehen

 

 

 

 

 

Als sie endlich an der Haltesstelle am Zauberwald angekommen waren, verließen unsere Freunde aufgeregt den Bus und liefen in den Wald hinein. Nachdem sie ein Weile ziellos hin- und hergegangen waren, blieben sie stehen und beratschlagten.

 

"Stimmt denn überhaupt die Uhrzeit?", fragte Susi, und Bernie antwortete: "Der Flug von Zeta bis zur Erde dauert über 10 Stunden, jedenfalls mit dem Raumschiff von Mona und Moyo. Kurz nach Mitternacht haben wir ihre Antwort über Lichtzeichen bekommen. Jetzt ist es Mittag, also müssten sie bereits gelandet sein."

 

"Aber wo?", fragte Rosie, "hier gibt es weit und breit keinen Landeplatz."

 

"Ich hab's", rief Elfriede, "die beiden sind ja schon einmal hier gelandet und zwar direkt bei der Hexe. Ihr wisst ja, das Hexenhaus liegt auf einer großen Lichtung, und dort kann man am besten landen."

 

"Stimmt", fuhr Daisy fort, "aber dann sind die beiden ja in größter Gefahr!"

 

"Glaube ich nicht", grinste Elfriede, "jedenfalls nicht, nachdem die Hexe Bekanntschaft mit meinem Bruder gemacht hat!"

 

"Ob sie ihr Haus schon wieder aufgebaut hat?", lachte Daisy.

 

 

 

In diesem Teil des Zauberwaldes waren die Kinder sonst immer vorsichtig und leise geschlichen, doch diesmal liefen sie fast unbekümmert zum Hexenhaus. Nur Elfriede ärgerte sich, weil sie Bruno ständig aus irgend einem Gebüsch zerren musste, wo er irgendwelche interessanten Käfer suchte. Als Letzte betrat sie die Lichtung. Das Hexenhaus lag noch immer in Einzelteilen zerlegt in der Gegend herum, lediglich der Fußboden und ein Teil der Einrichtung standen noch dort, wo sie hingehörten. Mit Erleichterung sah Elfriede, dass das Raumschiff mit ihren beiden Freunden bereits gelandet war. Was sie nun aber sah, versetzte Elfriede so sehr in Erstaunen, dass sie mit offenem Mund stehen blieb und nicht wusste, was sie davon halten sollte. Da saßen Mona und Moyo zusammen mit der Hexe am Küchentisch und spielten Rommee miteinander!

 

"He, he", hörte Elfriede die Hexe lachen, "jetzt habe ich aber gewonnen! Wollen wir noch einmal spielen?"

 



 

"Jetzt müssen wir eine Pause machen", antwortete Mona, "unsere Freunde sind gekommen! Außerdem steht es jetzt Unentschieden, und das ist ein schönes Ergebnis!"

 

Die Hexe nickte, sammelte die Spielkarten ein und lächelte Elfriede und ihren Freunden freundlich zu.

 

"Wie wär's?", fragte sie, "Ich mache uns eine leckere Kanne Kräutertee?"

 

"Ähem, vielen Dank, wir hatten schon Tee getrunken", log Daisy und wandte sich an Mona und Moya: "Sag mal, spinnt ihr? Habt ihr schon vergessen, welchen Stress ihr mit der Alten hattet? Und jetzt sitzt ihr hier und spielt Rommee mit der? Das hätte ganz schön schief gehen können!"

 

"Negativ", erklärte Mona, "das konnte nicht schief gehen. Wir haben mit dem PSI-Scanner vorher die Gegend überprüft."

 

Rosie räusperte sich: "Mit einem Vieh-Brenner? Wozu?"

 

"Typisch, keine Ahnung", trumpfte Bertha auf, "sie hat PSI-Renner gesagt!"

 

"Scanner“, verbesserte Mona, "PSI-Scanner, damit können wir die Gegend auf böse Impulse überprüfen."

 

"Und was bedeutet dieses PSI?", fragte Rosie erneut.

 

"Pannen-Schwein-Indikator", lachte Bertha, "damit kann man solche Rohrkrepierer wie dich rechtzeitig erkennen und flüchten!"

 

"Natürlich, liebste Bertha, wenn Fräulein Klugschwein keine Ahnung hat, zieht sie alles ins lächerliche! Was heißt denn nun PSI?"

 

"Nun, äh, das ist mir im Moment entfallen", stotterte Bertha, "aber ich glaube, das hat was mit Strahlen zu tun."

 

"Mit Strahlen weniger", lachte Mona. "Das P ist der 23. Buchstabe des griechischen Alphabets und wird 'ps' ausgesprochen. Das ist der Anfang des Wortes Psyche. Psyche ist griechisch und bedeutet Seele."

 

 

 

Unsere Freunde blickten auf die Hexe, die grinsend auf ihrem Küchenstuhl saß und vor sich hin sabberte.

 

"Also bei der da wird selbst ein Gehirnscanner nichts mehr finden", grinste Bernie.

 

"Schön", meldete sich nun Elfriede, "da wir das alles geklärt haben, können wir nun zur Sache kommen. Vielen Dank, dass ihr so schnell gekommen seid, Mona und Moyo, es geht nämlich darum, dass..."

 



 

"Wie schnell ist euer Raumschiff?", unterbrach Bruno, der neben dem Schiff von Mona und Moyo stand.

 

"Im Hypermodus erreichen wir fast Lichtgeschwindigkeit", sagte Moyo stolz.

 

"Boi", staunte Rosie, "ist das schneller als ein Düsenjäger?"

 

"Wenn ich fortfahren dürfte", warf Elfriede ein, "wir müssen..."

 

"Nichts ist schneller als das Licht", antwortete Bruno. "Mit rund 300.000 Kilometern pro Sekunde, das ist über 1 Milliarde Kilometer pro Stunde, ist die Lichtgeschwindigkeit die schnellste, die es überhaupt gibt."

 

"Wirklich toll, Bruno", versuchte Elfriede, ihn zu unterbrechen.

 

"Nicht wahr? Das Erstaunliche ist jedoch nicht die Größe, sondern dass der Wert immer gleich bleibt, egal, wie schnell sich die Lichtquelle oder der Beobachter bewegt."

 

"Was heißt denn das nun wieder, wer soll denn das verstehen?", warf Bertha naserümpfend ein.

 

"Vielleicht sollten wir....", weiter kam Elfriede nicht, denn Bruno legte nun erst richtig los: "Was das heißt, wird an folgendem Beispiel klar:

 

Man wirft aus dem Stand einen Apfel mit 30 Kilometern pro Stunde nach vorne. Der Apfel fliegt dann mit 30 Stundenkilometern. Jetzt setzt man sich ins Auto und fährt mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Wieder wirft man einen Apfel nach vorne. Der Apfel flitzt dann mit 50+30=80 Stundenkilometern über die Straße.

 

Soweit so gut. Leuchtet man aus dem Stand mit einer Taschenlampe nach vorne, bewegt sich das Licht mit 300.000 Kilometern pro Sekunde. Nun führt man dieses Experiment wie oben im Auto aus, fährt also mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern und leuchtet mit der Taschenlampe nach vorne. Das Licht rast jedoch nicht mit Lichtgeschwindigkeit +50 Stundenkilometern dahin, sondern nach wie vor mit 300.000 Kilometern pro Sekunde.

 

Es ist außerdem gleichgültig, ob die Lichtgeschwindigkeit vom Auto aus gemessen wird oder vom Straßenrand, der Wert bleibt immer gleich."

 

"Was wir jetzt aber wissen wollen", begann Elfriede erneut, "ist ..."

 

"Genau", unterbrach sie Bruno erneut, "wie groß ist denn die Entfernung von eurem Planeten bis zur Erde?"

 

Moyo überlegte kurz und antwortete: "Fast 60 AE."

 

"vielleicht könnten wir später darüber...", versuchte Elfriede erneut, doch diesmal wurde sie von Daisy unterbrochen.

 


"Was sind denn AE?"

 

Nun meldete sich Bruno wieder: "Das bedeutet astronomische Einheit. Eine astronomische Einheit ist die mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne und beträgt fast 150.000.000 Kilometer."

 

"Sehr schön, Bruno", versuchte Elfriede das Wort zu übernehmen, "das können wir dann ja später ausrechnen. Jetzt wollen wir erst einmal..."

 

"Das wären ja ungefähr 9 Milliarden Kilometer!", rief Bruno begeistert. "Habt ihr Photonenantrieb?"

 

"Genau genommen nehmen wir Ionenantrieb", antwortete Mona.

 

"Wir brauchen nämlich den Repli...", doch weiter kam Elfriede nicht, denn nun fragte Rosie erstaunt: "Idiotenantrieb? Wie funktioniert denn so etwas?"

 

Elfriede verlor langsam die Nerven. Wütend rollte sie mit den Augen, doch bevor sie etwas sagen konnte, setzte Bruno schon zur Antwort an.

 

"Das Grundprinzip eines Ionenantriebs besteht darin, dass ein Stoff ionisiert wird. Ionisieren bedeutet, dass dem Stoff einige Elektronen entzogen werden. Dadurch wird der restliche Atomkern positiv geladen. Ein geladenes Teilchen kann man aber sehr einfach durch ein Magnetfeld beschleunigen. Dies funktioniert ähnlich wie in einem Teilchenbeschleuniger. Schon auf einer kurzen Strecke erreicht das Teilchen eine sehr hohe Geschwindigkeit, die weit höher liegt, als die von chemischen Treibstoffen. Ionenantriebe nutzen als Energiequelle keine chemischen Treibstoffe, sondern elektrischen Strom, der über große Solarzellen oder einen Kernreaktor bereit gestellt werden muss. Die Solarzellen und der Reaktor wiegen dabei in der Regel mehr als der Antrieb. Ist das der Grund, weshalb ihr keine Lichtgeschwindigkeit erreicht?"

 

"Genau das ist der Grund", antwortete Moyo, "wir haben zu viel Masse."

 

"Vielleicht könntet ihr...", doch weiter kam Bruno nicht, denn Elfriede war jetzt der Kragen geplatzt. "Du kannst mit Lichtgeschwindigkeit deinen Hintern fortbewegen und Schnecken sammeln gehen..."

 

"Ich kann keine Lichtgeschwindigkeit erreichen, denn der menschliche Körper kann aufgrund seiner Masse..."

 

"Soll ich es ausprobieren, dich auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, soll ich es?"

 

 

 

Bruno sah das wütende Gesicht seiner Schwester. Er zog es vor, lieber nichts mehr zu sagen und betrachtete interessiert den Waldboden.

 

 

 


"Es geht nämlich um unsere kleinen Freunde, die Hamster", legte Elfriede endlich los. "Sie sind in ein Land entführt worden, dessen Sprache wir nicht sonderlich verstehen. Wir haben aber nur ein Übersetzungsarmband und brauchen mehr davon, denn falls wir uns trennen müssen, dann sollte sich jeder alleine verständigen können."

 

"Verstehe", nickte Mona, "ihr braucht dazu unseren Replikator."

 

Elfriede holte das Übersetzungsarmband aus ihrer Hosentasche. Mona nahm es und betrachtete es genau.

 

"Das sollte kein Problem sein", meinte sie und ging mit dem Armband in ihr Raumschiff. Nach einer Weile kam sie mit den Händen voller Armbänder zurück und überreichte sie Elfriede.

 

"Zehn Stück", sagte sie strahlend, "so viele seid ihr doch jetzt, oder?"

 

"Eigentlich ja", antwortete Elfriede, die ebenfalls vor Freunde strahlte, "doch Norbert darf im Moment nicht raus, er hat Stubenarrest."

 

"Stubenarrest?", wunderte sich Mona, "was ist denn das? Wofür ist das gut?"

 

"Er hat seine Hausaufgaben mal wieder nicht gemacht, und die Lehrer haben sich bei seinen Eltern beschwert. Jetzt darf er sein Zimmer nicht verlassen und muss alles nacharbeiten. Fernsehen darf er auch nicht."

 

"Siehst du", rief Bertha Rosie zu, "ich sag ja immer, dass die Hausaufgaben gemacht werden müssen. Wenn du so weiter machst, dann werden die Lehrer sich auch bei deinen Eltern beschweren!"

 

"Und was ist mit Essen?", fragte Rosie verunsichert.

 

"Na, Essen darf man natürlich, ist doch klar", meinte Susi.

 

"Och, dann ist es ja nicht weiter schlimm", atmete Rosie auf.

 

Dann saßen unsere Freunde noch ein paar Stunden beisammen. Mono und Moya berichteten, dass die Freundschaft zwischen ihnen und den Monstern immer enger geworden war.

 

"Stellt euch bloß vor", stöhnte Moya, "jetzt haben sie mit dem Singen angefangen und machen sogar Singwettbewerbe - entsetzlich!"

 

 

 

Als die Sonne immer tiefer gesunken war und der Horizont sich rot färbte, wurde es Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Noch lange sahen unsere Freunde zu, wie die Rakete immer höher und höher in den Himmel stieg und einen dünnen Kondensstreifen hinter sich her zog.

 

"Tja, ja", lachte nun die Hexe, die ebenfalls den Start der Rakete genau beobachtet hatte, "ihr jungen Leute habt eben nichts als Feiern im Kopf."

 



 

Grinsend verließen die Kinder die Lichtung mit dem Hexenhaus und liefen zurück zur Stadt. Bevor sie einander Tschüss sagten, gab Elfriede jedem noch ein Übersetzungsarmband und sagte: "Denkt daran, die Armbänder Morgen mitzubringen. Wir treffen uns um 10.00 Uhr an der Bushaltestelle. Wenn Professor Hastig mit dem Einstellen des Zauberfläschchens fertig ist, geht es ab nach Schottland!"

 

Dann steckte sie die letzten beiden Armbänder ein und ging wie alle anderen nach Hause.

 

Zuhause angekommen, legte sie das 10. Armband auf ihren kleinen Schreibtisch und legte sich nach dem Abendessen früh ins Bett. Schließlich wollte sie am nächsten Tag ausgeschlafen sein.

 

 

 

 

 

7. Kapitel

 

 

 

 

 

McClown landet

 

 

 

 

 

In der Zwischenzeit hatte McClown drei Probleme:

 


Erstens hatte er keinerlei Ahnung von der Navigation eines Fesselballons, und deshalb trieben sie mal hier und mal dorthin. Zweitens stellte er zu seinem Entsetzen fest, dass die heiße Luft im Ballon langsam abkühlte, und sie immer tiefer über dem Atlantik flogen. Schließlich und endlich ging ihm drittens die ständige Feierei der Hamster gewaltig auf die Nerven. Er wusste, dass man Ballast abwerfen musste, damit der Ballon wieder etwas in die Höhe stieg. Er wusste aber auch, dass nur er und die Hamster an Bord waren. Die Hamster wogen fast nichts, also müsste er schon über Bord springen, aber diese Lösung gefiel ihm überhaupt nicht.

 

McClown hatte in der letzten Stunde mindestens hundertmal nach unten gesehen, und jedes Mal war die Wasseroberfläche näher gekommen. Er sah wieder vom Rand des Korbs hinunter und schätzte, dass es noch 30 Meter bis zum Aufprall waren. Pro Minute sanken sie ungefähr einen Meter. Er mochte nicht daran denken, was dann folgte. Der Korb würde ihnen dann genauso wenig wie die Plane nützen, beides konnte sie nicht lange über Wasser halten.

 

 

 

Der Butler blickte in die Richtung, in der er Schottland vermutete. Der Himmel war bewölkt und es war nebelig - es war unmöglich zu sagen, wie weit es noch war. Er drehte sich um und sah Richtung Island und erkannte sein nächstes Problem: Eine riesige, schwarze Gewitterfront näherte sich von Norden. Das erste Grummeln des nahenden Gewitters war schon zu hören. Na toll, dachte er, es ist wirklich keine langweilige Überfahrt. Er sah zu den Hamstern, die sich erschöpft vom Feiern schlafen gelegt hatten. Wieder sah er nach unten, und wieder war die Wasseroberfläche näher gekommen, als McClown plötzlich ein Licht aufging. Gewitter bedeutet Wind und Sturm, überlegte er. Vielleicht würde der Sturm sie ein Stückchen näher an die schottische Küste bringen. Der Korb begann inzwischen hin und her zu schaukeln, und McClown setzte sich auf den Boden des Korbs neben die schlafenden Hamster. Es donnerte nun recht laut, die ersten Blitze kamen hervor und Regen setzte ein. Der Karton mit den Hamstern zitterte recht heftig, und der Butler dachte traurig daran, dass die armen Hamster froren. Da hatte er eine Idee, er zog sich bis auf Unterhose und Strümpfe aus und stopfte seine Kleidung in den Karton zu den Hamstern. Damit hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn erstens hatten es die Hamster nun warm, und zweitens wurde auch seine Kleidung nicht nass. Wenn der Regen vorbei sein würde und sie noch lebten, würde er trockene Kleidung haben. Ein lauter Donner, gefolgt von einem so hellen Blitz, dass es taghell wurde, riss ihn aus seinen Gedanken. Der Ballon mit dem Korb raste nun mit unvorstellbarer Geschwindigkeit über die Wasseroberfläche und schaukelte kräftig hin und her. Der Sturm brüllte, der Regen peitschte und trotzdem bekam McClown mit, dass die Hamster ihre Feier wieder fortgesetzt hatten. Jedes Mal, wenn der Korb sich stark zur Seite neigte und McClown Angst hatte, herauszufallen, war ein lautes, begeistertes Fiepen der Hamster zu hören.

 


"Ihr glaubt wohl, ihr seid auf dem Dom", schnauzte er, "ihr kleinen Schwachköpfe habt ja keine Ahnung!"

 

 

 

 

 

Fast wäre McClown bei diesen Worten von einer heftigen Regendusche über den Korbrand geschwemmt worden. Er konnte sich gerade noch festhalten, als der gesamte Korb von einer Windböe gepackt und hoch in die Luft, über den Ballon hinweg und wieder zurück geschleudert wurde. Während der Butler nun mit Übelkeit kämpfte, hörte er ein begeistertes: "Uhuj!"* aus dem Karton.

 

Noch bevor er sich fragen konnte, was das wohl heißen sollte, fühlte er, wie seine Stümpfe nass wurden, und schlagartig wurde ihm klar, dass der Korb nun auf der Wasseroberfläche angekommen war. Hin und wieder hob der Sturm den Ballon samt Korb ein kleines Stück über das Wasser, um ihn im nächsten Moment noch tiefer zu drücken. War das das Ende? Ohne nachzudenken nahm McClown den Karton mit den Hamstern und hielt ihn hoch, damit er nicht nass wurde, als ein lautes Knirschen und Knallen das Fauchen des Sturms übertönte. Wie von einer gewaltigen Hand wurde McClown samt Hamsterkarton gepackt und durch die Luft geschleudert. Der Butler hörte noch ein letztes "Iuh!"* der Hamster, dann krachte es noch einmal, und ihm wurde schwarz vor Augen.

 

 

 

Als McClown die Augen langsam wieder öffnete, hatte er keine Ahnung, wie lange er schon auf dem Strand lag. Er sah sich um und wusste sofort, dass er zu Hause war.

 

"Strathy Point", keuchte er, "wir haben es geschafft! Ich kenne diese Stelle, wir sind gerettet!"

 

Er schnappt sich einen der Hamster und tanzte mit ihm über den Strand. Völlig ratlos und verwirrt schaute die restliche Hamsterschar zu. Nachdem er seinen kleinen Tanzpartner wieder abgesetzt hatte, war es McClown, als träfe ihn der Schlag.

 

"Meine Klamotten", rief er entsetzt und starrte auf den Strand. Seine Kleidung war noch vorhanden, aber nicht mehr so, dass er sie anziehen konnte - zerlegt in kleine Stücke, so, dass jeder Hamster nun ein Badelaken für den Strand hatte. Gut, dass McClown kein Hamstisch verstehen konnte, denn die Hamster wunderten sich lautstark über ihn: "Erst tanzt er so komisch und nun liegt er heulend im Strand. Der weiß auch nicht, was er will!"

 

 

 


Nachdem sich der halb nackte Butler wieder beruhigt hatte, überlegte er, dass es besser sei in die nächste Stadt zu gehen und sich neue Kleidung zu besorgen. Bettyhill war die nächste Ortschaft, also sammelte er Hamster und Kleidungsreste in den Karton ein und ging über den Strand ins Landesinnere. Dort angekommen stellte er fest, dass es im gesamten Ort kein Bekleidungsgeschäft gab, also ging er kurzerhand in ein Zeitungsgeschäft und nahm sich dort ein paar Zeitungen. Beim Verlassen des Geschäftes wurde er von einem Verkäufer gestoppt.

 

"Sir, ich fürchte, sie haben diese Zeitungen noch nicht bezahlt!"

 

"Nun, Sir", antwortete McClown, "setzen sie es bitte auf die Rechnung des Lords vom Clan der McShredder!" Dann rannte er fort so schnell er konnte.

 

 

 

Zu seiner grenzenlosen Freude verfolgte ihn der Verkäufer nicht. McClown versteckte sich hinter einigen Felsen am Strand, um sich wieder neu einzukleiden. Eingehüllt in Papierklamotten setzte er seinen Fußmarsch in westlicher Richtung fort. Als es dunkel wurde, erreichte er eine einsame Höhle namens Smoo Cave. Es bliebt ihm nichts Anderes übrig, als in dieser kalten und feuchten Höhle zu übernachten.

 

 

 

Am nächsten Morgen setzte er seine beschwerliche Reise fort. Immer wieder ging sein Blick zum Himmel. Bedrohlich zogen dort oben schwarze Wolken auf. Regen war nun wirklich das Letzte, was McClown in diesem Aufzug brauchen konnte.

 

 

 

 

 

 

8. Kapitel

 

 

 

 

 

Das 'neue' Zauberfläschchen

 

 

 

 

 

Zur gleichen Zeit war die Sonne gerade über Aubachtal aufgegangen. In dem Städtchen regte sich noch nichts. Das heißt, fast nichts, denn im Hause der Familie Bommel herrschte bereits helle Aufregung.

 

"Warum müssen wir denn schon so früh aufstehen? Wir sollen doch erst im 10.00 Uhr dort sein."

 

"Ganz einfach, Bruno, weil wir noch ein paar Sachen einpacken müssen. Außerdem trödelst du immer, und deshalb müssen wir zeitig los."

 

 

 

Elfriede war aufgeregt. Sie war sogar sehr aufgeregt und konnte es gar nicht abwarten, bis es endlich losging. Schon seit 4.00 Uhr konnte sie nicht mehr einschlafen und hatte immer wieder auf ihren Wecker geschaut. Der große Tag war endlich gekommen, und tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf: Ob sie auch wirklich in Schottland landen würden? Wie ging es ihren Freunden, den Hamstern? Würden sie sie wiederfinden?

 

 

 

Elfriede sah zu Bruno hin.

 

"Willst du etwa deine Autos mitschleppen?", fauchte sie ihn an.

 

"Nur ein paar: Den Lamborghini, den Ferrari..."

 

Elfriede verdrehte genervt ihre Augen.

 

"Nimm dieses Armband und binde es dir um, es ist wichtig, falls du dich mit Einheimischen in Schottland verständigen musst."

 

Bruno nahm das Armband und machte es an seinem Handgelenk fest. Elfriede hatte ihres bereits um und sah ihre Puppe Pupsi nachdenklich an.

 

"Ich glaube, Pupsi lasse ich lieber Zuhause, denn die könnte ich unterwegs verlieren. In Schottland soll es Geister geben, und womöglich klauen die auch Puppen oder Autos."

 

Zufrieden sah sie, dass ihr Bruder seine Autos wieder auspackte. Nun hatten die beiden ihre kleinen Rucksäcke mit den nötigsten Sachen gefüllt. Elfriede hatte eine Liste erstellt, und nachdem sie geprüft hatte, ob an Strümpfe, Ersatzschuhe und andere Dinge gedacht worden war, wurde es Zeit für ein letztes Frühstück. Hastig stopfte jeder sein Frühstück in sich hinein, und nachdem sie ihr Geschirr in die Spüle gestellt hatten, ging es endlich los.

 

 

 

Pünktlich erreichten sie die Bushaltestelle. Alle ihre Freunde hatten ebenfalls einen Rucksack auf dem Rücken. Rosies Rucksack war allerdings doppelt so dick wie die der anderen und Bertha spottete sofort: "Hast du Angst, dass du unterwegs verhungerst? Den Kühlschrank hättest du nicht mitzunehmen brauchen!"

 

Glücklicherweise kam in diesem Moment der Bus, sodass unseren Freunden eine Streiterei der beiden Schweinen erspart blieb. Als sie nach kurzer Fahrt an der Haltestelle am Leuchtturm angekommen waren, stürmten alle so schnell aus dem Bus, dass der Fahrer ihnen verwundert nachsah und den Kopf schüttelte. Voller Ungeduld liefen sie zum Leuchtturm des Professors, wobei Rosie allerdings zweimal mit ihrem schweren Rucksack strauchelte und hinfiel. Die Tür zum Leuchtturm stand offen. Da der Fahrstuhl immer noch nicht funktionierte, rannten unsere Freunde die 365 Stufen zum Labor des Professors in Rekordzeit hoch. Ihr Erstaunen und ihre Enttäuschung war groß, als sie niemanden vorfanden. Professor Hastig war fort.

 

"Oh, nein", rief Daisy, "wo steckt der denn? Wir wollen los!"

 

 

 


Niedergeschlagen setzten sich nun alle auf den Fußboden. Keiner sprach ein Wort. So saßen sie ein paar Minuten und starrten ratlos vor sich hin, bis Rosie anfing, ihren Rucksack zu öffnen.

 

 

 

Alle schauten zu, wie sie ein dick mit Käse belegtes Brötchen herausholte.

 

"Wie kannst du nur ans Fressen denken", empörte sich Bertha, "wir haben keine Ahnung wie es weitergehen soll, aber Fräulein Rosie schlägt sich den Bauch voll!"

 

"Na, und", antwortete Rosie schmatzend, "wir hätten auch keine Ahnung wie es weitergehen soll, wenn ich nichts essen würde."

 

Das war logisch und Bertha schwieg. Bis auf Rosies Schmatzen war nun nichts mehr im dem Labor zu hören.

 

 

 

Es war eine inzwischen eine knappe halbe Stunde vergangen, als unsere Freunde die Köpfe hoben und einander fragend ansahen.

 

"Hört ihr auch dieses komische Geräusch?", fragte Bernie.

 

Bevor jedoch jemand antworten konnte, füllte sich der Raum mit Nebel. Das Geräusch, das vorher wie ein leises Pfeifen klang, war nun sehr laut geworden. Erschrocken sprangen unsere Freunde auf, denn der Nebel war nun so dicht geworden, dass man die Hand vor den Augen nicht mehr sehen konnte. Ein Stöhnen war zu hören, und als sich der Nebel wieder auflöste, sahen sie ihn: Professor Hastig. Er war es, der laut gestöhnt hatte. Allerdings sah er völlig verändert aus, sein gesamter Körper war von einer dicken Eisschicht bedeckt, sogar an den Ohren hatte er Eiszapfen.

 

Aus seinen vereisten, fast zugefrorenen Lippen war ein Flüstern zu hören: "Hilfe", dann fiel er der Länge nach hin.

 

"Schnell", rief Elfriede, die sich als Erste wieder gefasst hatte, "holt einen Heizlüfter und Decken!"

 

"Und einen Feudel zum Aufwischen!", rief Bertha.

 

 

 

Unsere Freunde rannten aufgeregt kreuz und quer durcheinander, denn jeder suchte nach irgend etwas, um damit dem Professor zu helfen. Rosie saß noch immer auf dem Boden. Ihre belegten Brote waren wie bei einem Picknick um sie herum verteilt. Sie musste jetzt hilflos zusehen, wie ihr Essen unter den Füßen der aufgeregt hin- und her rennenden Freunde zertrampelt wurde. Verzweifelt sammelte sie ihre Brote wieder ein, bevor sie völlig zermatscht wurden.

 

 

 

Schnell wurde der Professor in Decken eingewickelt und vor den Heizlüfter gelegt. Ganz langsam begann das Eis zu schmelzen. Immer wieder tauschten Elfriede und Daisy die nassen Decken gegen neue, trockene aus, während Bertha jedes Mal den Fußboden wischte.

 



 

Endlich öffnete Professor Hastig seine Augen. Er sah erst auf die Kinder, dann auf den Heizlüfter und sagte schließlich mit matter Stimme: "Das tut gut! Oje, war das kalt!"

 

Mit immer noch zitternden Händen griff er in seine steif gefrorene Jackentasche und rief: "Es ist noch da!"

 

"Was ist noch da, Professor?", fragte Jennie.

 

"Das Zauberfläschchen natürlich, was denn sonst?"

 

"Sie meinen, es hat geklappt?", fragte Elfriede aufgeregt.

 

"Aber ja", strahlte Professor Hastig. "Ich wollte etwas Besonderes erleben und zwar wollte ich genau an den kältesten Punkt der Welt. Das war vielleicht keine so gute Idee, aber egal. Wisst ihr denn überhaupt, wo der kälteste Punkt der Welt ist, und wie kalt es dort ist?"

 

 

 

Er sah unsere Freunde prüfend an. Keiner schien eine Antwort zu wissen, bis Bruno sich aus dem Hintergrund meldete: "Das ist am Südpol, auch Antarktis genannt. Die Antarktis ist der kälteste, windigste und trockenste Kontinent. Hier wurde mit minus 89,2 Grad Celsius die tiefste Temperatur der Erde gemessen. Selbst am wärmsten Sommertag muss mit einer mittleren Temperatur von minus 20 Grad gerechnet werden. In der Zentralantarktis steigt das Thermometer im Jahresmittel kaum über minus 50 Grad."

 

"Am Nordpol ist genauso kalt", meinte Bertha rechthaberisch, doch Bruno wusste es besser: "Nein, in der Arktis ist die Jahresdurchschnittstemperatur um 30° Celsius höher. Ausschlaggebend hierfür ist, dass der Südpol eine große Festlandsmasse darstellt, die im etwa um 1.800 Meter über die Meeresoberfläche ragt. Durch diese höhenbedingte Temperaturabnahme von 1° Celsius pro 100 m ergibt sich in der Antarktis bereits eine um 18° Celsius niedrigere Temperatur als am Nordpol."

 



 

"Das war sehr gut", nickte der Professor anerkennend, "und was für bekannte Tiere gibt es dort?"

 

"Am Nordpol, also in der Arktis, gibt es Eisbären. Eisbären sind in der Regel Einzelgänger. Ausdauernd durchwandern sie die arktischen Inseln und Eisflächen. Dank ihres hoch entwickelten Geruchssinns ..."

 

"Bruno!", warf Elfriede ein, "Wir wollen heute noch nach Schottland!"

 

"...und am Südpol gibt es Pinguine", beendete Bruno schnell seinen Vortrag.

 

"Wenn wir wieder Zuhause sind, Bruno, musst du mir ein paar von deinen Büchern leihen!", meinte Bernie staunend und wandte sich nun, wie alle anderen auch, wieder Professor Hastig zu, der weiter berichtete: "An den kältesten Punkt der Welt wollte ich also. Das Zauberfläschchen kann man nämlich jetzt auch auf die Temperatur einstellen. Deshalb wollte ich mal sehen, ob es funktioniert und habe die tiefste Temperatur gewählt, die es gibt.

 

"Aber Professor", warf Elfriede ein, "wenn wir die Temperatur von Schottland eingeben, können wir genauso gut woanders landen, wo es genauso warm oder kalt ist!"

 

"Nicht, wenn man zusätzlich die Richtung angibt, Elfriede", beruhigte der Professor sie.

 

Plötzlich starrte das Mädchen Professor Hastig an und rief: "Sie stottern überhaupt nicht mehr! Wie kommt das denn?"

 

 

 

Nun fiel es plötzlich auch den anderen Kindern und auch dem Professor selbst auf. Wo war sein Stottern geblieben? Seit einem missglückten Experiment, bei dem sein Labor in die Luft geflogen war, hatte er bekanntlich ja gestottert.

 

Überglücklich rief er aus: "Die Kälte war es, oder das Zauberfläschchen! Ich weiß es nicht, doch das ist mir völlig egal, ich finde das supertoll!"

 

 

 

Der Professor und unsere Freunde konnten sich kaum beruhigen vor Aufregung über diese unerwartete Heilung, doch schließlich rief Elfriede: "Wie wäre es, wir feiern eine Riesenparty, wenn wir wieder zurück sind? Jetzt aber lasst uns endlich starten!"

 

Damit waren natürlich alle einverstanden, und Professor Hastig zeigte den Kindern, wie das Zauberfläschchen eingestellt werden musste.

 

 

 

Dann war es soweit: Unsere Freunde hatten das Gefühl, als würde sich der Leuchtturm plötzlich drehen, immer schneller und schneller. Nebel kam auf und wurde dichter. Schlagartig hörte jedoch das Drehen auf, der Nebel verzog sich. Vorsichtig sahen sich unsere Freunde um, und es verschlug ihnen die Sprache, nur Rosie brachte noch ein "Booooh" hervor.

 

 

 

 

 

9. Kapitel

 

 

 

 

 

McClown kriegt schweinischen Ärger

 

 

 

 

 

In der Zwischenzeit hatte der Butler McClown ein paar neue Probleme: Der heftige Regen hatte seine Papierkleidung völlig aufgeweicht, und ihm war kalt. Die Hamster dagegen lagen eingewickelt in seine ehemaligen Klamotten und waren hungrig. Wo um alles in der Welt sollte er neue Kleidung und etwas zum Essen herbekommen? Kopfschüttelnd setzte McClown seinen Weg nach Süden fort. Hin und wieder kam ein Auto vorbei. Jedes Mal versuchte er, es durch Handzeichen zum Anhalten zu bringen, doch beim Anblick des halb nackten McClowns gaben die Autofahrer jedesmal Vollgas und fuhren schnell weiter. Dem Butler war klar, dass er bei seinem langsamen Tempo sehr, sehr lange bis zum Schloss zurück brauchen würde. Wenn er die ganze Strecke zu Fuß gehen würde, dann bräuchte er einige Wochen. Vorausgesetzt, er würde vorher nicht erfrieren oder verhungern. Völlig mutlos ging er nun an einem Heuwagen vorbei, der am Straßenrand stand.

 

 

 

Plötzlich kam ihm eine Idee. Er drehte sich um und ging zurück zum Heuwagen. Wie es sich für einen Heuwagen gehört, war er mit Heu beladen. McClown nahm den Karton mit den Hamstern und warf ihn auf den Heuberg. Dann kletterte er hinterher. Oben angekommen, schob er das Heu soweit zur Seite, dass er sich mit dem Karton im Heu verstecken konnte. Es piekte von allen Seiten, aber das war ihm nun egal, denn hier war es warm und trocken. Butler und Karton waren jetzt tief im Heu versteckt. Es war dunkel und gemütlich, und das wirkte einschläfernd auf müden McClown. So bemerkte er nicht, dass der Heuwagen weggefahren wurde, während er tief und fest schlief.

 

 

 

Ein heftiger Aufprall riss den Butler aus dem Schlaf. Er hörte das ängstliche Fiepen der Hamster doch er konnte nichts sehen. Alles um ihn herum war schwarz, und seine Augen waren verklebt. Erschrocken wischte er seine Augen und war erleichtert, dass er nun wenigstens wieder sehen konnte. Es dauerte einige Zeit, bis er begriff, was passiert war und wo er sich befand. Sein Gesicht und sein ganzer Körper waren mit schwarzem Schlamm bedeckt. Er lag in einer schmutzigen, stinkenden Brühe.

 

 

 

"Ein Schweinstall", fluchte er, "sie haben mich in einen Schweinestall gekippt!"

 

 

 

 

In der Tat war das Heu als Futter für das Vieh auf einem kleinen Bauernhof bestimmt. Natürlich hatte McClown nicht vorhersehen können, dass jemand den Wagen weiterfahren würde, während er schlief. Er sah sich um. Er war in einer kleinen Scheune; auf der einen Seite befanden sich Schweine, auf der anderen sah ihn eine Kuh mit großen Augen an. Schimpfend erhob er sich aus einem breiigen, stinkenden Schlamm und suchte fieberhaft den Hamsterkarton.

 

Er fand ihn neben dem Schweinetrog, riss er ihn an sich und suchte den Ausgang des Viehstalls. Nicht weit von ihm entfernt entdeckte er eine Holztür und lief darauf zu. Das war ein Fehler, denn McClown rutschte auf einem Kuhfladen aus und fiel direkt vor die Beine einer Kuh. Während er einen Moment benommen liegen blieb, begann das große Tier, ihn mit seiner riesigen Zunge abzulecken. Der Butler stand angewidert auf und flüchtete zur Tür, doch als er sie ein Stück geöffnet und hinausgeschaut hatte, schloss er sie schnell wieder. Nebenan war die Küche, und dort saß die Bauernfamilie beim Abendbrot.

 

Mist, dachte der Butler, denn ihm blieb nichts Anderes übrig, als zu warten, bis die gesamte Familie schlafen gegangen war. Die Kuh war ihm nachgelaufen und begann erneut, an ihm zu schlecken.

 

"Lass das bitte, ich bin kein Kalb", zischte er dem Tier zu, doch die Kuh schien das nicht zu interessieren. McClown flüchtete nun zur anderen Seite des Stalls, wo sich die Schweine aufhielten. Erschöpft setzte er sich dort in eine Ecke. Doch schon nach kurzer Zeit war er von neugierigen Schweinen umringt. Sie schnüffelten an ihm herum, und auch sie begannen jetzt, den armen Butler abzulecken.

 

"Lasst das, ihr Schweine", fauchte McClown, und während er sich einen anderen Platz suchte, wurde ihm klar, warum die Tiere hinter ihm her waren. Salz! Manche Tiere sind ganz wild auf Salz. Er war mit dem Ballon über die Nordsee gekommen, also war der Geruch und der Geschmack von Salzwasser an seinem Körper. In diesem Moment fühlte er wieder die raue Zunge der Kuh in seinem Gesicht, und erneut flüchtete er in eine andere Ecke des Viehstalls. Dort warteten jedoch schon die Schweine auf ihn und grunzten ihn freudig an. Schnell drehte er sich um und ging in die andere Richtung, dort aber wartete schon die Kuh, die freudig mit dem Schwanz wedelte. Fluchend ging McClown zur Tür und lauschte, doch zu seiner Enttäuschung ging die Familie noch nicht ins Bett, sondern fing an, sich mit irgendwelchen Kartenspielen die Zeit zu vertreiben.

 



 

Er drehte sich um: Die Kuh wartete schon auf ihn – wenige Schritte entfernt standen die Schweine und sahen ihn hoffnungsvoll an. Ein paar Minuten lang lief McClown von einer Ecke des Stalls in die andere, doch schließlich gab er auf. Er wehrte sich nun nicht mehr, und als Kuh und Schweine ihn ableckten, es war ihm egal.

 

 

 

"Warum immer ich", stöhnte er, "warum nicht dieser alte, vertrottelte Sack McShredder, der mir das alles eingebrockt hat?"

 

Weder die Kuh noch die Schweine antworteten ihm. Stattdessen leckten sie den armen Butler immer wieder und wieder ab.

 

 

 

Stunden später war es soweit, die Bauernfamilie hatte sich endlich zum Schlafen zurückgezogen. McClown konnte es jetzt wagen, durch die Tür zu schleichen und den Stall zu verlassen. Als er die Küche betrat, merkte er, dass die Tiere ihm folgten. Sofort versuchte er, die Tür schnell hinter sich zu schließen. Er drückte von der einen Seite gegen die Tür und die Tiere von der anderen. Schließlich hatte er es geschafft, und die Tür war zu. Ein Ferkel hatte es jedoch geschafft, sich durch den Türspalt zu quetschen und folgte unauffällig McClown. Vorsichtig schlich der Butler durch die Küche hin zur Hoftür. Als er die Klinke leise herunterdrückte, gefror ihm vor Schreck fast das Blut in den Adern. Er spürte von hinten eine kalte, schnüffelnde Schnauze an seiner Wade.

 

Der Hofhund, schoss es ihm durch den Kopf, und panische Angst erfüllte ihn. Hofhunde sind groß, gemein und gefährlich, dachte er schwitzend, er wird mich beißen und zerfleischen, und dann wird er die Hamster töten. McClowns Beine wurden immer weicher, er fiel schluchzend auf die Knie und wartete auf den tödlichen Biss der Bestie. Nichts geschah und seine Angst wurde immer größer. Er schloss die Augen und wartete weiter, doch es geschah noch immer nichts. Schlotternd vor Angst beschloss nun der Butler, um sein Leben zu betteln. Auf den Knien liegend drehte er sich mit geschlossenen Augen um und wimmerte: "Hab doch Erbarmen mit mir, du bist viel stärker und mächtiger als ich. Ich ergebe mich. Sei gnädig mir mir, du mächtiges, starkes Wesen. Habe Mitleid mit mir und den unschuldigen, kleinen Hamstern!"

 



 

Es geschah noch immer nichts. McClown öffnete vorsichtig ein Auge, um der mörderischen Bestie tapfer ins Auge zu schauen. Vor ihm saß ein winziges, niedliches Ferkel und schaute ihn fragend an. McClown hatte sich noch nie so dämlich in seinem Leben gefühlt. Zutiefst erleichtert nahm er den Hamsterkarton und ging vorsichtig in den Hof hinaus. In südlicher Richtung befand sich ein Wald, der schien das geeignete Versteck zu sein. Nach wenigen Minuten waren er und die Hamster in Sicherheit. Nachdem er sich mit Zweigen und Laub ein Nachtlager gebaut hatte, versuchte er, ein wenig Schlaf zu finden. Es störte ihn etwas, dass die Hamster wieder mit ihrer nächtlichen Party begonnen hatten, doch noch mehr störte es ihn, dass das Ferkel an seinen Füßen lutschte.

 

 

 

Am nächsten Morgen wachte McClown vor Kälte schnatternd auf. Dankbar warf er einen Blick auf das Ferkel, das sich auf seine kalten Füße gelegt hatte und ihm wenigstens etwas Wärme gespendet hatte. Die Sonne schien und der Butler beschloss, den schattigen Wald zu verlassen, um sich in der Sonne etwas aufzuwärmen. Nachdem er die Landstraße erreicht hatte, stellte er zu seiner grenzenlosen Freunde fest, dass es nur noch wenige Kilometer bis zum heimischen Schloss waren. Der Heuwagen hatte ihn anscheinend ein gutes Stück in die richtige Richtung gefahren, erkannte er dankbar. Auf seinem weiteren Weg gelang es ihm, eine Kanne Milch von einem kleinen Hof zu stehlen. Fast hätte ihn eine wütende Bäuerin erwischt, doch McClown hatte Glück. Gegen Mittag erreichte er eine kleine Querstraße; von dort aus führte der Weg weiter in Richtung Schloss. McClown atmete tief durch und rief: "Freunde, nur noch ein paar Stunden, dann haben wir es geschafft!"

 

Er nahm das kleine Ferkel bei den Vorderpfoten und tanzte mit ihm hin und her.

 

"Endlich wieder in einem kuscheligen Bett schlafen", jubelte er, doch das kleine Ferkel sah ihn nur fragend an.

 

 

 

 

 

10. Kapitel

 

 

Schottland

 

 

 

 

Jennie hatte als Erste die Sprache wiedergefunden und rief: "Welch ein wunderschönes Land! Seht doch mal dort unten, ein Wasserfall!"

 

Unsere Freunde standen auf einem hohen Berg und blickten weit in ein Tal hinunter. Auf dem felsigen Berg blühte Heidekraut. Im Tal lag ein großer See, der sich bis zum Horizont zu erstrecken schien. An den Ufern wuchsen hohe Bäume, noch höher als die Tannen im Zauberwald. Etwas weiter unten, am Fuß des Berges, waren Schafe zu sehen, direkt neben einem Wasserfall. In der Ferne waren große Tiere mit einem rötlichen Fell und gebogenen Hörnern zu sehen, die friedlich grasten.

"Ob die gefährlich sind?", fragte Bertha ängstlich.

"Ich glaube nicht", antwortete Elfriede und wandte sich an ihren Bruder: "Sag mal, Bruno, hattest du nicht kürzlich ein Buch über solche Tiere in deinem Zimmer rumliegen?"

Bruno nickte: "Highland Cattle, auch Hochland-Rinder genannt, sind speziell für das Leben in den kargen Highlands, dem bergigen Teil Schottlands, gezüchtet worden. Sie sind sehr lieb, doch wenn man sie anschreit, sind sie traurig. Den Schafen dagegen macht es nicht viel aus, wenn sie angeschrien werden. Je weiter man nach Norden fährt, desto größer ist der Anteil von Schafen mit schwarzen Köpfen, black-headed oder black-faced sheep, in den Herden. Sie weiden frei auf den riesigen Flächen der schottischen Berge. Um die Zugehörigkeit zu einer Herde nachzuweisen, werden sie durch farbige Flecke gekennzeichnet. Die Tiere suchen sich ihr Futter selbst und werden nur zum Scheren in den Stall getrieben. Die Tiere sind manchmal sehr zutraulich."

"Wahnsinn", staunte Daisy, "was mag es noch für Tiere und Pflanzen hier geben?"


Bruno fuhr fort: "Vom Boot oder von der Küste aus kann man Wale, Delfine und Seehunde beobachten, Im Moray Firth gibt es sogar eine Kolonie von Großen Tümmlern. Diese verspielten Tiere kann man regelmäßig ziemlich nah vor der Küste beobachten - tolle Beobachtungsorte sind das wunderbare Fort George, ein Meisterwerk des Festungsbaus aus dem 18. Jahrhundert, bei Nairn, oder Chanonry Point auf der Black Isle.

Die gigantischen Klippen von Orkney, der Insel Handa in West-Sutherland und weiter im Süden am Bass Rock und bei St. Abbs sind in Europa unerreicht, wenn man hautnah sensationelle Einblicke in die Natur bekommen will. Papageientaucher, Basstölpel, Trottellummen, Fischadler, Eissturmvögel und Dreizehenmöwen zu Zehntausenden. Schottland ist wegen seiner Lage auch ein Paradies für Vögel. Es gibt dann natürlich auch Wild, zum Beispiel Rotwildherden, Damwild, Nagetiere wie Schneehasen oder Kaninchen, Füchse, Dachse, Marder und Wildkatzen. Es gibt unglaublich riesige Rhododendronbüsche, leuchtender Stechginster, Moorpflanzen wie Gagelstrauch, Knabenkraut, viele Fleisch fressende Pflanzen, sehr seltene Farne wie der Rippenfarn sowie arktische Lebensräume oder schon Heidelandschaften wie diese hier."

 

Unsere Freunde nickten begeistert, während Bruno ein paar interessante Steine aufsammelte.

 

"Wollen wir weiter ins Tal?", fragte Elfriede, und sofort setzten sich alle in Bewegung. Als sie die Schafe erreichten, würden sie mit einem wilden Blök-Konzert empfangen.

"Ob die wohl immer hier draußen sind? Werden die nie reingeholt?", wunderte sich Rosie und stopfte sich ein Stück Schokolade in den Mund.

"Nur zum Scheren", antwortete Bruno, "und das ist oft eine besondere Veranstaltung. Das Treiben der Schafe besorgen Hunde in Zusammenarbeit mit dem Hirten. Die Hunde erhalten eine spezielle Ausbildung in der Technik des Schafetreibens. Die Schafzüchter wetteifern über die Qualität ihrer Hunde. Es finden deshalb regelmäßig Wettbewerbe für diese Hunde statt, die sheep dog trials, bei denen jeder teilnehmende Hund mit seinem Herrn bewertet wird. Dabei müssen die Hunde vier Schafe in einen Pferch treiben. Ein Hund ist besonders gut, wenn er die Arbeit mit möglichst wenigen Pfeifkommandos seines Herrn schafft. Diese Wettbewerbe werden auch im Fernsehen übertragen; dabei kann man auch als Laie nach kurzer Zeit die Unterschiede in den Fähigkeiten der Hunde erkennen."

 

"Wow", rief Marie, "was dein Bruder alles weiß!"

Elfriede wusste nicht genau, ob sie sich nun ärgern sollte, dass ihr kleiner Bruder mehr wusste als sie, oder ob sie auf ihn stolz sein sollte.

"Wie wär's", schlug sie vor, "wir gehen erst einmal an den See und ruhen uns aus."

In der Tat war der Abstieg für alle recht beschwerlich gewesen. Bertha war ein paar Mal auf Schafscheiße ausgerutscht, deshalb tat ihr nun der Hintern weh und sie mochte nicht mehr laufen.

 

"Es heißt übrigens Loch und nicht See", meldete Bruno sich noch einmal. Elfriede glotzte ihn an, und ihre Freunde grinsten. Elfriede baute sich vor Bruno auf und sagte mit drohender Stimme "Wie wär's, du machst hier den Reiseführer und bringst uns ein bisschen Erdkunde bei? Wenn ich nämlich etwas hasse, ist es Erdkunde..."

"In Ordnung", meinte Bruno, "also, Schottland liegt im..."

"Nein", kreischte Elfriede, "das war doch nur ein Scherz!"

Bruno war jedoch nicht mehr zu stoppen: "Schottland liegt im Norden der britischen Hauptinsel und ist etwa 78.764 km² groß. Bedingt durch die vielen Fjorde liegen die meisten Orte kaum mehr als 80 km von der nächsten Küste entfernt.

Etwa 4,5 % des Landes, also 3.096 km², sind Gewässer. Um genau zu sein, 1.732 Lochs wurden gezählt. Lochs sind, wie schon erwähnt, Seen.

Geprägt wird das schottischen Stammland durch die Grampian Mountains und den Highlands. Der höchste Berg ist der Ben Nevis bei Fort William mit 1.343 m über Normal Null, also dem Meeresspiegel.

Nicht zu vergessen sind die großen Inselgruppen Orkney und Shetland im Norden sowie die Inner- und Outerhebrides an der Westküste mit einer gesamten Fläche von 894 km².

Den heutigen Namen erhielt Scotland von dem im 5. Jahrhundert aus Irland eingewanderten Keltenstamm Scots. Des weiteren wird nicht selten der Name Caledonia verwendet, welcher von den ehemals ansässigen Stamm, der Caledonier abgeleitet wurde."

"Du hast du Einwohnerzahl vergessen", stöhnte Elfriede genervt.

"Ach ja", ergänzte Bruno seinen Vortrag, "heute leben gut 5 Millionen Einwohner in Schottland. Wollt ihr noch etwas über Burgen und Schlösser wissen?"

"Nein!" kreischten die Kinder im Chor.

 

Inzwischen hatten sie das Loch erreicht und ließen sich im Schatten der Bäume nieder.

 

"Es gibt übrigens viele Witze über die Schotten", begann Bruno erneut.

"Na, schön", gähnte Elfriede, "erzähl schon!"



"Warum sind so viele schottische Kirchen rund? Damit sich während der Kollekte niemand in den Ecken verstecken kann."

Die Freunde sahen Bruno verständnislos an, deshalb erklärte er: "Da Schottland ein armes Land ist, gelten seine Bewohner als sehr geizig. Es ist aber ein Vorurteil, denn Schotten sind besonders gegenüber Ausländern, insbesondere gegenüber Deutschen, sehr gastfreundlich und hilfsbereit."

 

"Gastfreundlich?" Rosie war hellhörig geworden, und sie meldete sich zu Wort. "Können wir die Gastfreundlichkeit nicht ein bisschen überprüfen? Ich meine, wir sind doch alle hungrig und so?"

Unsere Freunde holten ihren Proviant aus den Rucksäcken und machten es sich gemütlich.

Jennie zeigte auf das linke Ufer des Lochs: "Dahinten scheint ein Dorf zu sein, vielleicht können wir uns dort erkundigen, ob jemand sagen kann, wer oder was dieser McShredder ist. Bestimmt gibt es dort auch etwas zu Essen."

"Gute Idee", stimmte Elfriede kauend zu.

Sie überprüfte nun das Zauberfläschchen. Der Korken hing diesmal an einem Band am Hals des Fläschchens.

"Der Professor ist ein Genie, diesmal werden wir wohl keine Probleme mit der Rückreise haben, denn den Korken brauchen wir jetzt nicht mehr zu suchen, um nach Hause zu kommen."

"Kann uns das Zauberfläschchen nicht mal eben in das Dorf bringen?", fragte Rosie voller Hoffnung. "Dann brauchen wir nicht zu laufen."

"Auf kurze Entfernungen ist das nicht ratsam", erklärte Bernie. "Wenn wir Pech haben, wird ein großer Umweg daraus."

 

Da inzwischen alle fertig mit dem Essen und Trinken waren, standen sie auf und gingen in östlicher Richtung weiter. Sie kamen auf eine schmale Landstraße. Links und rechts der Straße waren etwa einen Meter hohe, aus Felsen gebaute Mauern, die immer wieder durch Einbuchtungen und Wege unterbrochen waren.

"Das ist bestimmt eine Einbahnstraße hier", stellte Daisy fest.

"Genau", stimmte Bertha zu, "hier passt ja nur ein Auto durch."

"Das sind die Single-Tracks", erklärte Bernie. "Das bedeutet Einspur-Weg. Bei Gegenverkehr muss eines der beiden Autos in eine Einbuchtung fahren. Je nachdem, wer dichter an der Einbuchtung ist, muss ausweichen."

 

Inzwischen hatten sie sich einer kleinen Brücke genähert, die sie nun überqueren mussten. Vor der Brücke waren lange, eiserne Querstangen in die Straße eingelassen. Sie sahen aus wie ein riesiges Siel.

"Aua", schimpfte Bertha, "hier bricht man sich ja die Schweinshaxen! Wozu sind diese Dinger überhaupt da?"

"Vielleicht als Ablauf für Regenwasser", vermutete Elfriede.

Ratlos schauten die Kinder auf die merkwürdigen Stangen. In diesem Moment fuhr ein kleiner Lieferwagen an ihnen vorbei. Der Fahrer winkte den Kindern fröhlich zu und passierte die Brücke. Als er über das merkwürdige Siel fuhr, gab es solch einen Höllenlärm, dass sich alle die Ohren zuhielten.

"Ich hab's", rief Jennie, "diese Gitter sollen Lärm machen, damit der Gegenverkehr gewarnt wird!"

"Alles falsch", meldete sich nun Bruno. "Es handelt sich um so genannte Cattle-Grids. Das sind Viehsperren, damit zum Beispiel die Schafe nicht abhauen können."

Sie gingen weiter über die kleine Brücke und kamen an Kiefern und Birken vorbei. Rechts von ihnen war jetzt das Loch, das in der Sonne wie Diamanten funkelte. Links war ein Zaun, hinter dem sich am Fuße eines Berges eine Wiese befand, auf der Schafe mit ihren Jungen weideten. Es war recht warm, und nach zwei Stunden waren unsere Freunde froh, dass sie sich nun dem Dorf bis auf wenige Meter genähert hatten. Sie kamen jetzt an ein paar kleinen Häusern vorbei, dann an einer Kirche, und schließlich standen sie auf einem kleinen Marktplatz.

"Habt ihr auch so einen Hunger", japste Rosie und setzte sich auf einen großen Stein.

"Allerdings, aber wir müssen erst einmal nach McShredder forschen", stellte Elfriede fest, doch dann erhellte sich ihre Mine: "Bestimmt gibt es hier ein Restaurant oder einen Schnellimbiss oder so etwas. Lasst uns hier eine Pause machen. Bruno kann uns ja alles über das schottische Essen erzählen, was meint ihr?"


"Schaden kann es ja nicht", sagte Bertha leise, und so setzte sich auch Bruno auf einen Stein und begann zu erzählen: "Schottland hat natürlich seine Traditionsgerichte, wie den berühmten Haggis, oder Arbroath Smokies, das ist geräucherter Schellfisch. Berühmt ist auch Hotchpotch, ein Lammeintopf. Gekocht wird in den besseren Restaurants und Hotels jedoch nur nach internationalen Rezepten. Vor allem in großen Städten und feinen Landhotels hat die Kochkunst in Schottland oft Feinschmeckerniveau. In kleineren Städten und auf dem Land ist die Auswahl an Gerichten begrenzt, und frisches Gemüse ist selten, meistens gibt es nur tiefgefrorenes. Das schottische Frühstück ist allerdings sehr reichhaltig und lecker. Neben dem üblichen Ham and Eggs, also Schinken und Eiern, kommen beim Scottish Breakfast meist gegrillte Würstchen, geschmorte Tomaten, gebratene Champignons, Toast in schier unbegrenzten Mengen und Marmelade, sowie auf Bestellung Kippers, das sind warme, geräucherte Heringsfilets, auf den Tisch. Tradition hat auch der Porridge, Haferbrei - sieht aus wie aufgeweichter Pappdeckel und schmeckt auch so. Zusätzlich gibt’s oft noch Cornflakes oder Müsli. Dazu trinkt man guten Tee und mittelprächtigen Kaffee. Das Brot ist sehr weich und schlabberig.

Aus dem Mittagessen, dem Lunch, wird keine große Affäre gemacht. Die ideale und preiswerte Mahlzeit ist das Bar Lunch: Ein Tellergericht wie das ausgezeichnete Ploughman’s Lunch, eine Art Bauernfrühstück, warme Pies – das sind Fleischpasteten oder Sandwiches - bekommt man um die Mittagszeit, zwischen 12 und 14.30 Uhr – aber nur dann! – in den meisten Pubs und Hotelbars. Magenfüllender isst man, wenn man ein Mittagessen im Restaurant oder Hotel ordert. Für noch größeren Hunger steht in guten Gaststätten oder Hotels ein Luncheon Buffet bereit.

Die Hauptmahlzeit des Tages ist das abendliche Dinner. Ab 19 Uhr bis 21 oder 22 Uhr ist Dinnertime. Wild und Meerestiere sind in Schottland besonders zu empfehlen. Hauptlieferanten für Wildbret sind Deer und Grouse, also Hirsch und Moorhuhn.

Nahe an der Küste gibt es natürlich Fisch in allen Variationen. Alles wirklich überdurchschnittlich gut. Lachs und Forelle gibt es reichlich in den Flüssen und Lochs, beziehungsweise auch aus Lachsfarmen. Lachs kommt gegrillt, gekocht oder geräuchert auf den Tisch, Forelle gibt's vor allem blau, gebraten oder gegrillt. Am häufigsten wird Schellfisch in verschiedener Zubereitung gegessen. Lecker ist auch Finnan Haddock: Man reibt Schellfisch mit Salz ein und trocknet ihn am Strand, danach kommt er in den Rauch eines Torffeuers.

Kippers, eine zum Frühstück gereichte Delikatesse: Der in Hälften zerlegte, gesalzene und geräucherte Hering wird ebenfalls warm gegessen. Berühmt sind Kippers aus dem Loch Fyne. Es gibt eine Reihe typischer Suppen wie Cullen Skink, eine Fischsuppe aus geräuchertem Schellfisch, Milch, Kartoffeln und Zwiebeln, oder Hotchpotch, eine Suppe aus Lammfleisch und verschiedenen jungen Gemüsen. Partan Bree ist eine cremige Fischsuppe mit Krebs als Grundlage. Scotch Broth ist eine Gemüsesuppe mit Graupen; königlicher Abstammung soll dagegen Lorraine Soup sein, eine cremige Hühnersuppe mit Mandeln, Zitrone und Muskatnuss, von der es heißt, dass Marie of Lorraine, Mutter von Maria Stuart, sie in Schottland populär gemacht habe."

 

"Ich werde gleich wahnsinnig, ich drehe durch", rief Rosie, "ich brauche was zu Essen!"


"Ich auch!", riefen ihre Freunde im Chor.

"Was ist denn eigentlich dieses Haggis", wollte Bertha nun wissen.

"Haggis ist zwar das »schottische Nationalgericht«, aber keineswegs eine alltägliche Speise. Die kugelförmige Haggis ist ein Schafsmagen, gestopft mit Schafsinnereien wie Herz, Leber und Lunge, gemischt und gewürzt mit Hafermehl, Hammelfett, Zwiebeln, Salz und Pfeffer. Zum drei bis vier Stunden gekochten Haggis gibt’s Kartoffelbrei und weiße Rüben.

Eine besondere Spezialität ist ein Lammfilet, gefüllt mit Haggis..."

 

"Aufhören, Bruno, mir wird übel!" Berthas Gesicht war in der Tat schon etwas grün geworden, und auch den anderen war der Appetit fast vergangen, doch Bruno fuhr unbeirrt fort: "Fehlt noch eines: Der Nachtisch. Typisch schottisch ist der Nachtisch Sticky Toffee Pudding, eine sehr süße Mischung aus Kuchen und Vanillesoße.

Dann gibt es noch den Nachmittags-Tee, genannt Afternoon Tea. Zwischen 15 und 17 Uhr ist Teatime, also Teezeit. Beliebt sind Scones, einfache kleine Kuchen, die aufgeschnitten mit Butter und Marmelade und oft mit Cream, das heißt Schlagsahne, gegessen werden. Außerdem gibt es Gebäck, Sandwiches, belegt mit Ei, Gurken oder Lachs."

Elfriede war in der Zwischenzeit aufgestanden und hatte sich in der Gegend umgesehen. Sie kramte in ihren Hosentaschen und rief: "Ich habe das Geld, das mir Tante Ottilie zum Geburtstag geschenkt hat, bei mir, und da vorne scheint so ein Pupp zu sein!"

"Das heißt Pub", verbesserte Bruno und kümmerte sich nicht um Elfriedes giftigen Blick.

"Egal", fuhr Elfriede fort, "jedenfalls sind dort bestimmt viele Leute, die wir nach McShredder fragen können."

Unsere Freunde nahmen ihre Rucksäcke in die Hand und liefen auf die Ecke eines Gebäudes zu. Dort befand sie die Eingangstür, und es war das Gemurmel von Stimmen zu hören. Es roch nach Essen, und unsere Freunde stürmten in den Pub hinein. Ein Gemisch aus Bier- und Kaffeegeruch kam ihnen nun entgegen, und es war angenehm kühl in dem Raum. Sie sahen sich erst einmal um.

 


Auf der linken Seite des Raumes befanden sich ein paar Tische, etwas weiter hinten stand ein Billardtisch, an dem zwei Männer spielten. Geradeaus war ein abgetrennter Raum zu sehen, in dem ein paar andere Männer mit kleinen Wurfpfeilen auf eine Dartscheibe warfen. Rechts war eine lange Theke, hinter der ein freundlich guckender Mann Gläser spülte. Er hatte wenig Haare aber dafür einen buschigen Schnurrbart. Etwas ängstlich standen unsere Freunde nun im Pub und wussten nicht so richtig, was sie machen sollten, bis einer der beiden Männer am Billardtisch rief: "Hey, neue Gesichter in diesem alten Schuppen! Kommt herein und sagt, wo ihr herkommt!"

"W... wir kommen aus Deutschland und machen hier Urlaub", antwortete Elfriede unsicher.

Jetzt hatten auch die Dartspieler aufgehört zu spielen und waren näher gekommen.

"Aus Deutschland?", rief nun einer der Billardspieler, der einen sehr langen, schwarzen Bart trug. "Hey, John, schenke unseren Gästen mal ein paar Glas Brause ein, die haben bestimmt Durst!"

 

Offensichtlich war der Mann hinter der Theke der Wirt und hieß John, jedenfalls nahm er ein paar Gläser und füllte eines nach dem anderen mit Brause. Dann rief er: "Kommt her und bedient euch, ihr seht wirklich durstig aus!"

"Und sehr hungrig", fügte Rosie hinzu.

"Hast du gehört, John?", rief nun einer der Dartspieler, ein Mann mit einem blauen Overall, der voller Ölflecke war. "Unsere Gäste sind hungrig, hast du noch ein paar Pasteten übrig?"

John nickte und verschwand durch eine Nebentür.

"Hoffentlich bring der uns kein Haggis", flüsterte Elfriede ihrem Bruder zu, doch der glotzte seine Schwester nur an und sagte empört: "Ich hab doch gesagt, dass Haggis keine alltägliche Speise ist. In Pubs gibt es so etwas nie!"

Unsere Freunde hatten sich inzwischen mit ihren Gläsern an einem Tisch neben dem Billardtisch niedergelassen und sahen den Spielern neugierig zu.

 

"Habt ihr schon einmal Snooker gespielt?", fragte der jüngere der beiden Spieler.

"Nein", antwortete Bernie, "wie geht das?"

"Also, das ist ganz einfach: Das Ziel des Spiels besteht darin, die Kugeln in den Taschen des Snookertisches zu versenken. Hierbei bleibt es den Spielern freigestellt, in welche der sechs Taschen die Kugeln gespielt werden. Grundsätzlich muss immer zuerst eine rote und danach eine farbige Kugel gespielt werden. Ein Spieler spielt solange, wie es ihm gelingt, die Kugeln in der zuvor beschriebenen Reihenfolge zu versenken. Die Phase vom ersten Stoß eines Spielers bis zur Abgabe des Spiels an den Gegner bezeichnet man als 'Aufnahme'.



Während die roten Kugeln bis zum Spielende in den Löchern verbleiben, in die sie versenkt wurden, werden die farbigen solange immer wieder auf den Tisch und zwar auf die dort markierten Aufsetzpunkte zurückgelegt, bis sich keine rote Kugel mehr auf dem Tisch befindet. Erst dann werden die farbigen Kugeln in vorgegebener Reihenfolge nach aufsteigender Wertigkeit endgültig versenkt.

Die beim Snookerspiel zu erreichende Höchstpunktzahl beträgt 147 Punkte. Diese wird dann erzielt, wenn ein Spieler fünfzehnmal nach einer roten Kugel die schwarze versenkt, das macht 120 Punkte, und danach alle farbigen Kugeln, also 27 Punkte, in die Taschen spielt.

Sieger wird, wer in einem Spiel die meisten Punkte erzielt. Ein gravierender Unterschied zum Reglement des Pool-Billards besteht darin, dass Fouls durch Pluspunkte, die dem Gegner gutgeschrieben werden, geahndet werden. Diese 'Bestrafung' verleiht dem Snookerspiel einen besonderen Reiz. Einem geübten Spieler ermöglicht eine taktisch kluge Defensivstrategie, entscheidende Fehler des Gegners zu provozieren."

Während Bernies Gesicht immer länger wurde, fuhr der junge Mann fort: "Natürlich sollte man immer dabei achten, dass..."

 

Zum Glück kam endlich John mit einem großem Teller und rief: "Nun lass unsere jungen Gäste mal in Ruhe essen, Angus."

Dann stellte er einen riesigen Teller voller lecker duftenden Pasteten vor die Kinder hin.

Elfriede und ihre Freunde vergaßen ihre Tischmanieren und griffen hungrig mit den Händen zu. Nur Bertha wollte unbedingt Besteck haben und wartete noch, bis der Wirt ihr welches brachte. Zu ihrem Pech waren nun aber alle Pasteten aufgegessen, sodass John lachend in die Küche zurückging und wenig später mit einer neuen Ladung Pasteten kam.

Wieder ließen es sich unsere Freunde schmecken, und nun hielt Elfriede den Zeitpunkt für gekommen: "Kennt jemand den Namen McShredder?", fragte sie. Mit einem Male waren sämtliche Unterhaltungen und alles fröhliche Gelächter in dem Pub verstummt.

 


"Hat hier jemand den Namen McShredder erwähnt?", klang eine krächzende Stimme aus dem Zimmer, in dem Dart gespielt wurde. Eine alter Mann mit einem Schottenrock und einer grünen Schottenmütze auf dem Kopf näherte sich. Er ging zum Tisch, an dem unsere Freunde saßen und krächzte: "McShredder? Das ist der größte Lügensack den ich kenne. Er hat mir, Rufus McHobbel damals eines meiner Schafe gestohlen!"

 

"Das ist ja entsetzlich", meinte Jennie, "wann war das denn?"

"Noch gar nicht solange her", meinte McHobbel, "das war 1935! Eines meiner Schafe hatte sich auf sein Land verirrt, und dieser Mistkerl von McShredder hat es einfach behalten!"

"Stimmt", rief nun der Wirt John lachend, "und er hat noch immer nicht sein Bier von 1950 bezahlt! Aber im Ernst, Kinder, was wollt ihr von ihm?"

Elfriede wusste nicht, was sie nun sagen sollte und druckste: "Äh, wir haben einen Knopf mit der Aufschrift McShredder gefunden und wollen ihn seinem Besitzer zurückbringen!"

"Ihr solltet euch besser fern von ihm halten", schimpfte McHobbel, "das weiß doch jeder, dass es dort spukt! Fragt doch den alten William, er hat es selbst erlebt!"

Er zeigte auf einen alten Mann mit einem Zigarrenstummel im Mund, der an der Theke saß und zustimmend nickte. Langsam nahm er den Zigarrenstummel aus dem Mund und sprach: "Es stimmt. 1946 war es, als ich eines Nachts am Schloss von McShredder vorbeiging. Da sah ich sie durch die Vorhänge!"

"Wen?", fragten unsere Freunde im Chor.

"Baobhan-Sith!" * *(Anmerkung des Autors: gesprochen: buh-van she)

Die Kinder waren enger zusammengerückt, und Elfriede fragte: "Wer ist das?"

 

"Die Baobhan-Sith ist eine böse schottische Fee, die in Gestalt eines jungen Mädchens in grünen Kleidern auftritt. Sie tanzt erst mit ihren Opfern, um sie dann bis zum letzten Tropfen auszusaugen. Getötet werden kann sie nur durch kaltes Eisen."

"G.. gibt es denn noch mehr schottische Gespenster?", fragte Bertha nun mit großen Augen.


"Es gibt sehr viele. Geht man allein nach der Zahl der Gespenster, so wird vielleicht bei der Familie Bowes Lyons, den Grafen von Strathmore, am häufigsten gespukt. Ihr Sitz in der schottischen Grafschaft Angus ist das düstere, bedrückende Glamis Castle, ein bedrohliches Gebäude, das der große Dichter Shakespeare als Schauplatz für seinen Macbeth wählte. Tatsächlich wurde der schottische König Malcolm II. im 11. Jahrhundert auf Glamis erdolcht, und sein Blut soll heute noch den Boden in einem der unzähligen Räume der Burg verfärben. Zu den vielen Geistern von Glamis Castle sollen unter anderem eine Dame in Grau gehören, ein kleiner Negerjunge und ein Graf von Strathmore, der angeblich beim Kartenspiel gegen den Teufel verlor. Ferner soll in der Burg das Gespenst eines schrecklich missgestalteten Kindes spuken, das einst von der Familie in einem Geheimzimmer versteckt gehalten wurde.

Obwohl die Strathmores besonders viele Gespenster-geschichten vorzuweisen haben, sind sie deswegen keinesfalls einzigartig. Bei uns ranken sich unzählige Geistererzählungen um ganze Grafschaften oder bestimmte Gebäude beziehungsweise Familien. Man kann diese ruhelosen Geister als Phantasiegebilde abtun, die an Kaminfeuern entstanden und von Generation zu Generation überliefert wurden. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass Gespenster, die bestimmte Familien heimsuchen, immer wieder über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte von glaubwürdigen Zeugen gesehen worden sind. Manche Geschichten erzählen von Phantomen, die ihren "Gastfamilien" freundlich gesinnt sein sollen oder ihnen im schlimmsten Fall gleichgültig gegenüberstehen. Weit häufiger aber soll das Erscheinen eines solchen Geistes den Tod eines Familienmitgliedes ankündigen."

 

 

"Sagen sie mal, Mister", fragte Bertha misstrauisch, "was haben sie eigentlich Nachts am Schloss von McShredder gesucht?"

 

"Nun, äh, ich, äh, mir fehlte ein Schaf, und ich hatte es gesucht", stotterte William.

 

Die Kinder hatten inzwischen alles aufgegessen, und Elfriede kam auf ihre Frage zurück: "Wo finden wir denn nun diesen McShredder?"

John, der gerade das Geschirr abräumte, antwortete: "Ihr müsst in die Richtung von Killichonan gehen. Haltet euch also an der Nordseite des Lochs. Doch es sind viele Meilen zu laufen. Selbst wenn ihr gleich losgeht, so werdet ihr weit nach Mitternacht dort ankommen."

"Fährt denn kein Bus nach Kille-Kille, oder wie das heißt?", fragte Rosie hoffnungsvoll.

John überlegte kurz, sah auf eine alte, große Uhr, die über der Bar hing und sagte: "Ich glaube, mein Bruder fährt in ein paar Minuten mit dem Postbus los. Er nimmt euch bestimmt ein Stück mit nach Killichonan. Wartet mal eben."



Dann ging er mit langen Schritten zur Tür hinaus. Nach ein paar Minuten kam er zurück und rief den Kindern zu: "Beeilt euch, er fährt schon gleich los!"

Unsere Freunde bedankten sich für das Essen und die Brause, nahmen ihre Rucksäcke und verließen den Pub. Etwa 10 Meter von dem Pub entfernt stand der Lieferwagen, der sie vorhin überholt hatte. Daneben stand ein Mann mit einem karierten Hemd und rief: "Seid ihr die mutigen Deutschen, die ins Spukschloss von McShredder wollen?"

Die Kinder bejahten und gingen zum Wagen. Der Mann hielt ihnen die Wagentür auf und sagte: "Ich heiße übrigens George und bin der Postbote."

Nachdem als letzte Rosie eingestiegen war, schloss George die Türen und ließ den Motor an. Langsam verließ der Lieferwagen das Dorf.

 

Als sie nach kurzer Zeit die Brücke erreichten, gab George kräftig Gas, sodass der kleine Lieferwagen für einen Moment in der Luft schwebte. Beim Überfahren der Cattle-Grids gab es jedes Mal einen Höllenlärm. Die Fahrt brachte unseren Freunde Spaß, doch plötzlich stoppte der Wagen an einem Briefkasten. Neben dem Briefkasten führte ein schmaler Weg zu einem kleinen, weißen Häuschen. George nahm ein kleines Bündel Papier, stieg aus und kam nach kurzer Zeit wieder.

"Ist das die Post?", fragte Marie.

"Richtig", grinste George, "jedes Mal, wenn ich die Post ausfahre, nehme ich übrigens auch Passagiere mit. Freunde von John dürfen allerdings kostenlos mitfahren."

So ging es weiter von Briefkasten zu Briefkasten. Rosie war enttäuscht, dass die schnelle Fahrt laufend durch einen Halt am Briefkasten unterbrochen wurde. Als Bernie auf der rechten Seite der Straße ein großes Schloss entdeckte, rief er aufgeregt: "Sind wir jetzt da?", doch der Fahrer lachte nur und antwortete: "Dies ist ein prunkvolles, altes Jagdschloss, das, was der alte McShredder bewohnt, ist schon recht baufällig."

"Gibt es dort denn wirklich Gespenster?", wollte Rosie nun wissen.

"Ja", entgegnete George mit ernstem Gesicht und drehte sich zu unseren Freunden um, "es gibt dort eines. Wollt ihr seinen Namen wissen?"

Stumm und verängstigt nickten die Kinder.

"Sein Name ist... McShredder!" George lachte so sehr über seinen Witz, dass der Wagen fast ins Schleudern geriet.


"Und der Butler, was ist mit dem?", wollte Elfriede nun wissen.

"Frido McClown?", lachte George, "das ist der harmloseste Mensch, den es gibt. Manchmal frage ich mich allerdings, wie der das bei dem alten Knacker aushält, ständig hat McShredder irgendwelche verrückten Ideen."

Nachdem der Fahrer das gesagt hatte, hielt er den Wagen an und zeigte auf ein Waldstück zur rechten Seite: "Dort müsst ihr dem Pfad folgen, der wird euch direkt zum Grundstück von McShredder führen, viel Spaß!"

 

Die Kinder stiegen aus, und der Postwagen fuhr weiter in westlicher Richtung. Elfriede öffnete ein halb vermodertes, wackeliges Gattertor und ihre Freunde folgten vorsichtig.

"Was mag uns dort erwarten", fragte Jennie, "ich kann die Vögel hier nicht verstehen, das Übersetzungsarmband hilft da auch nicht weiter."

"Lasst uns doch einmal überlegen", schlug Elfriede vor.

"Wir wissen, dass McShredder ein alter Knacker sein soll, der mit seinem harmlosen Diener in einer Bruchbude von Schloss lebt."

"Aber die Leute im Dorf sagen doch, dass es im Schloss Geister gibt!", ergänzte Susi mit ängstlichem Gesicht.

"Aberglauben und irgendwelche Gespenstergeschichten sind weit verbreitet in Schottland, in der Regel gibt es aber keinen Grund..."

"Danke, Bruno", unterbrach ihn Elfriede, "wir wissen weiterhin, dass dieser McShredder verrückte Ideen haben soll. Wenn er aber auf die Idee gekommen ist, die Hamster zu entführen, muss er wirklich ganz schön beknackt sein."

"Vielleicht hatte er nur Langeweile", vermutete Marie. "Bestimmt wollte er die Hamster zum Spielen haben."

"Oder er wollte uns in sein Schloss locken", glaubte Daisy.

"Wir finden das nur heraus, wenn wir ihn uns vorknöpfen", meinte Elfriede ungeduldig und rief: "Wisst ihr, was ich glaube? Die tüteln alle ein bisschen mit ihren Gespenstern. Außerdem klauen sie sich gegenseitig Schafe. So, nun lasst uns endlich losgehen!"

 

Unsere Freunde liefen durch einen verwilderten Garten, der auch schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Hier und da wuchsen ein paar wilde Rosen, umrahmt von hohen Rhododendronbüschen. Weiter ging es an hohen Birken vorbei bis hin zu einer kleinen Anhöhe, auf der eine Ruine stand.



Unsere Freunde blieben stehen und starrten ungläubig auf diese Ruine. Genauer gesagt, war es eigentlich keine richtige Ruine, denn im Inneren waren deutlich Möbel und Tapeten an den Wänden zu erkennen. Das Dach fehlte zwar, die Mauern waren beschädigt, doch das Gebäude schien bewohnt zu sein. Verblüfft schlichen die Kinder langsam näher. Plötzlich erhob sich vor ihnen etwas aus dem Gestrüpp und stürzte sich mit einem lauten Schrei auf sie. Entsetzt warfen sich unsere Freunde auf den Boden, doch schon wenige Sekunden später sagte Bruno: "Eine Ente, ein liebe Ente! Wusstet ihr eigentlich, dass Enten..."

"Klappe, Bruno!" Elfriede ärgerte sich, dass eine harmlose Ente sie und ihre Freunde so sehr in Angst und Schrecken versetzt hatte.

 

Sie waren an der Tür des verfallenen Schlosses angekommen, und als Bernie ein Stück nach rechts ging, um über einen niedrigen Teil der eingestürzten Seitenwand zu klettern, rief Elfriede: "Halt, Bernie, wir wollen doch anklingeln, wenn wir einen echten Lord besuchen, oder?"

Sie schritt zur Tür, hob einen schweren Eisenring, der dort angebracht war und ließ ihn fallen. Der Eisenring fiel scheppernd gegen die Tür. Nichts geschah. Sie probierte es noch einmal, und wieder rührte sich nichts im Schloss.

"Ich will auch mal!", meldete sich nun Rosie. Sie nahm den Eisenring, hob ihn hoch und ließ ihn wieder los. Leider vergaß sie, ihre Finger wegzunehmen, und der Ring klatschte ihr schwer auf die Hand. Rosie sah ungläubig auf ihre schmerzende Hand, holte tief Luft und schrie vor Schmerzen so laut, dass Ihre Freunde sich die Ohren zuhielten.

 

"Nanu", hörten sie eine Stimme krächzen, "seit wann geht denn die Klingel wieder? McClown, bist du das endlich? Komm schon rein, du Tölpel, die Tür ist doch offen!"

 

Langsam, einer nach dem anderen, traten unsere Freunde durch die Tür in die Vorhalle. Dort sahen sie endlich Lord McShredder; er saß wie immer in seinem Lehnstuhl. Als er die Kinder sah, richtete er sich auf und sprach: "Was wollt ihr hier? Bringt ihr vielleicht das Schaf wieder, das mir dieser McHobbel gestohlen hat?"

Elfriede trat vor.

"Sir, wir möchten ein paar Fragen stellen!"


"Ich will keine Waren bestellen", krächzte der Lord, "raus hier!"

"Ich sagte FRAGEN STELLEN", wiederholte Elfriede etwas lauter.

"ich brauche auch kein Wagengestell!"

"F-R-A-G-E-N S-T-E-L-L-E-N!", brüllte Elfriede nun.

"Ah, ihr macht eine Meinungsumfrage", freute sich McShredder. "Macht es euch doch bequem. Möchtet ihr ein paar Kekse? Ja? Dann geht doch bitte mal in die Küche und holt euch welche. Ihr könnt mir auch gleich einen Tee kochen, mein Butler ist noch nicht wieder da und, ich habe seit Tagen nichts gegessen und nichts getrunken."

Daisy, Bernie, Susi und Bertha liefen nun in die Küche, um alles Nötige zu holen.

"Ich glaube das einfach nicht", sagte Bertha als sie die Küche sah. "Wie sieht das denn hier aus? Herr Lord, sie müssten mal aufräumen!"

"Auf Bäumen? Was soll ich denn auf Bäumen, mein Kind?"

Wütend ging Bertha auf den Lord zu und schimpfte: "Solch eine Drecksküche, haben sie schon einmal etwas von Ordnung und Sauberkeit gehört?"

"Ein Orkan im Zauberwald? Wovon redest du?"

"DIE KÜCHE IST VÖLLIG VERDRECKT", brüllte Bertha nun, und ihre Augen funkelten gefährlich.

Lord McShredder sah sie empört an: "Dann hat dieser schlampige McClown vor seiner Abfahrt nicht aufgeräumt. Das werde ich ihm vom Gehalt abziehen. Äh, kleines Schwein, sei doch so gut und räume da mal eben auf, in Ordnung?"

Nun war es mit Berthas Beherrschung vorbei. Mit einem Schrei wollte sie sich auf den Lord stürzen, stolperte jedoch über Bruno, der gerade eine Ameise auf dem Boden entdeckt hatte. Rosie konnte sie gerade noch aufhalten, und Elfriede sagte schnell: "Bertha, mach das bitte. Wir müssen ihn bei Laune halten, damit wir ihn ausfragen können!"

Bertha beruhigte sich etwas, doch als der Lord in diesem Moment seine Pfeife am Tisch ausklopfte, und die Asche auf den Teppich fiel, rannte sie vor Wut laut kreischend in die Küche.

"Es ist schön zu sehen, wenn jemand so voller Freunde an die Arbeit geht", lächelte der Lord. "Wirklich ein nettes Schwein, aber sagt doch mal, woher kommt ihr?"

"Aus Deutschland", sagte Elfriede laut.

"Ah, aus good old Germany", rief der Lord, "sagt mir, wie geht es dem alten Wilhelm?"


"Wilhelm?"

Elfriede sah ihre Freunde ratlos an. "Wer soll denn das sein?"

"Ein Deutscher Kaiser", meldete sich Bruno. "Es gab allerdings zwei, die Wilhelm hießen und zwar Kaiser Wilhelm I. von 1871 – 1888. Der berief übrigens 1862 Bismarck zum Ministerpräsidenten und ließ den alles für ihn machen.

Danach war Kaiser Friedrich III. für 99 Tage dran, dem seine Frau Viktoria sagte, was er zu machen hatte, und deshalb hatte er immer Zoff mit Bismarck.

Der letzte Deutsche Kaiser war Wilhelm II. und zwar von 1888 - 1918, bevor er abdankte."

"Ach so", atmete Elfriede auf. "Dann will er also wissen, wer jetzt der erste Mann in Deutschland ist. Das ist doch der Bundeskanzler, oder?"

"Quatsch", antwortete Bruno ärgerlich, "der erste Mann in unserem Land ist der Bundespräsident!"

Elfriede bekam einen knallroten Kopf, drehte sich zu McShredder um und sagte: "Wilhelm, äh, geht es gut!"

"Er hat einen neuen Hut? Nun, dass ist schön zu hören."

Inzwischen hatten Daisy und Susi ein paar alte Kekse gefunden, und Bernie war dabei, den Gasherd zu reparieren. Bertha schrubbte fluchend die Küche.

 

"Wir haben einen Knopf gefunden", begann Elfriede nun und gab dem Lord den Knopf, den Bruno in Hamsterhausen gefunden hatte. Der Alte betrachtete den Knopf lange, gab ihn dann Elfriede zurück und krächzte verärgert: "Der Knopf gehört meinem Butler, diesem Tunichtgut! Alles lässt er liegen, alles vergisst er! Seht euch mein Schloss an - alles seine Schuld. Der Trottel fährt weg und lässt den Gasherd an. Als ich mir gestern eine Pfeife anzündete, hat es geknallt und das Dach war weg! Das werde ich ihm vom Gehalt abziehen, jawohl!"

"Wann kommt er denn wieder?", wollte Jennie nun wissen.

"Lieder? Der kann nicht singen, der kann gar nichts!"

"Nein", stöhnte Jennie, "ich meine, wann wird er zurück sein?"

"Stimmt genau", röhrte Lord McShredder, "der kann nur verrückt sein!"

"ICH WILL WISSEN, WANN ER WIEDER HIER IST!", brüllte Jennie mit hochrotem Kopf.

"Woher soll ich das wissen? Außerdem brauchst du nicht zu schreien, ich bin ja nicht taub!"

Der Lord zog an seiner Pfeife und rief: "Wo bleibt mein Tee?"


"Der bleibt in der Küche, bis der Boden trocken ist", schimpfte Bertha laut.

"Ich muss doch sehr bitten", krächzte der Lord so laut er konnte, "solch eine Antwort wird normalerweise mit Kerker bestraft!"

Jetzt kam Bertha erst richtig in Fahrt, sie nahm den Schrubber und hielt ihn dem Lord unter die Nase: "Von einem Hamsterräuber lass ich mir so etwas nicht sagen!"

McShredder sah sie empört an.

"Hamsterräuber, ich?"

"Ja, sie, sie Lordschuft, sie. Unsere Freunde einfach zu entführen!"

"Freunde", fragte McShredder verwundert, "wohnt ihr denn auch in Syrien?"

"Quatsch, die Hamster und wir wohnen in Deutschland!"

Der Lord kratzte sich am Kopf, zog erneut an seiner Pfeife und sagte nach kurzem Nachdenken: "Dann hat dieser trottelige McClown wieder alles vermasselt. Ich habe ihm gesagt: McClown, habe ich gesagt, fahre nach Syrien und hole Hamster. Ich habe nicht gesagt: McClown, fahre nach Deutschland und klaue Hamster."

"Und was sollte das Ganze?", fragte Elfriede nun.

"Mein Rheuma", jammerte McShredder, "es war so kalt im Schloss, dass mein Rheuma immer schlimmer wurde. Hamsterfell hilft gegen Rheuma, also sagte ich: McClown, ich brauche Hamsterfell zum Wärmen. Er sollte die Tiere scheren und mir die Wolle bringen."

Das ist ja wohl gründlich schief gegangen", stellte Elfriede fest. "Wo steckt denn ihr Butler? Hat er sich noch nicht gemeldet?"

"Versteckt?", fragte der Lord. "Nein, das glaube ich nicht, er hat sich nur noch nicht gemeldet, wir werden wohl noch auf ihn warten müssen."

 

Inzwischen war es Bernie gelungen, den Gasherd zu reparieren, und Susi brachte dem Lord eine Tasse heißen Tee. Unsere Freunde sahen sich nun in dem Schloss um. Es war weder sonderlich eingerichtet, noch sah es wie ein echtes Schloss aus. Die Fensterscheiben waren aus buntem Glas, und die Küche befand sich in einem halbrunden Raum, dessen Wände mehrere Meter hoch waren. Das Sonderbarste aber war eine verrostete Glocke, die schief an der Decke hing.

"Sagen sie mal, Herr Lord, wie lange bewohnen sie dieses, äh, Schloss schon?"

Lord Shredder sah Elfriede etwas verwirrt an und nuschelte: "Wie lang die Ohren ohne Rost sind? Keine Ahnung, mein Kind."


Das Wappen des Clan McShredder




"Wie lange haben sie das Schloss schon?", fragte Elfriede nun etwas lauter.

 

"Nun, äh, schon recht lange, mein Kind. Warum fragst du?"

"Weil dieses Schloss irgendwie einer Kirche ähnelt", stellte Elfriede mit noch lauterer Stimme fest.

In diesem Moment kam Bruno mit einer Handvoll Schnecken zur Eingangstür herein. Bertha wich entsetzt zurück und rief: "Hau ab mit deinen blöden Regenwürmern."

"Das sind Schnecken, keine Regenwürmer", rief Bruno empört. Dann wandte er sich Elfriede zu. "Bei den Gräbern da draußen sind ganz viele davon, und..."

"Gräber? Sagtest du Gräber?", stieß Elfriede entsetzt hervor.

"Ja, sagte ich. Also, diese lieben Schnecken hier gehören übrigens zu der Familie der..."

"Lord McShredder", rief Elfriede nun, "was geht hier vor?"

Der alte Lord lehnte sich in seinem Lehnstuhl zurück und betrachtete nachdenklich das zerstörte Dach. Dann nahm er einen Schluck Tee und zog an seiner Pfeife.

"Oh, meine Pfeife ist ja ausgegangen!"

"Was geht hier vor?", wiederholte Elfriede laut.

McShredder zündete langsam und umständlich seine Pfeife an und sah die Kinder mit unschuldigem Blick an.

"Na schön", krächzte er, "ich werde es erzählen. Aber ihr müsst versprechen, es nicht weiterzusagen!"

Unsere Freunde nickten zustimmend, er zog erneut an seiner Pfeife, blies den Rauch in den Raum und begann zu erzählen.

 

"Vor nicht allzu langer Zeit, so um 1920 herum, lebte ich als spanischer Ritter in meiner Heimat Andalusien. Eines Tages hörte der spanische König von dem sagenhaften schottischen Loch Ness Ungeheuer. Er befahl mir, Don Shreddo, dieses Ungeheuer nach Spanien zu bringen. So kam ich nach Schottland und machte mich sofort auf die Suche nach einem Monster namens Nessie. Es wurde die schwerste und gefährlichste Jagd meines Lebens, denn bisher hatte ich nur kleinere Drachen bekämpft. Nessie aber war ein riesiges Monster, ein Überbleibsel aus früheren Tagen. Es war eine Mischung aus Tyrannosaurus und Brontosaurus. Wisst ihr überhaupt etwas über Dinosaurier?", fragte McShredder die Kinder.

"Ich kenne nur den Bronchitis, aber der ist gestorben", rief Bertha.

"Genau", grinste Bernie, "der ist am Husten eingegangen!"

 



Alle schauten nun fragend Bruno an, der gerade dabei war, auf dem Teppich ein Schneckenrennen zu veranstalten.

"Dinosaurier sind aufgeteilt in Echsenbecken-Dinosaurier und Vogelbecken-Dinosaurier."

 

Bruno sah seine Freunde und den Lord an: "Wollt ihr wirklich mehr darüber wissen?"

Bevor Bertha etwas sagen konnte, rief der Lord: "Weiter, mein kleiner Freund, aber etwas lauter!"

Brunos Augen glänzten, und er fuhr fort: "Zu den Dinosauriern gehörten Pflanzenfresser und Fleischfresser. Daher werden sie in zwei Unterordnungen aufgeteilt:

Da gab es die Theropoden, auch Säugetierfüßer genannt. Zu ihnen gehörten fast alle Fleischfresser. Die meisten von ihnen liefen auf zwei Beinen. Der bekannteste ist der Tyrannosaurus Rex.

Dann gab es die Sauropodomorpha, auch Echsenfüßer genannt. Das waren fast alles Pflanzenfresser. Oft hatten sie einen langen Hals und liefen auf vier Beinen. Diese Echsenfüßer teilten sich in die Prosauropoden und die Sauropoden. Die Prosauropoden hatten schon einen langen Hals, konnten aber oft noch auf zwei Beinen laufen. Die Sauropoden hatten einen langen Hals und einen langen Schwanz und liefen normalerweise auf allen Vieren. Zu ihnen gehören die riesengroßen Dinosaurier, wie der Brontosaurus.

 

Dann gab es noch die Vogelbecken-Dinosaurier. Das waren ausschließlich Pflanzenfresser und sie besaßen in der Regel einen kleinen Hornschnabel am Unterkiefer. Sie werden in vier Untergruppen aufgeteilt. Zu ihren gehören die Ornithopoden, das sind Vogelfüßer. Weiterhin die Stegosaurier: Diese Pflanzenfresser sahen oftmals gefährlich aus. Sie hatten zwei Reihen aufrecht stehender Knochenplatten oder Stacheln auf dem Rücken und liefen auf vier Beinen. Allerdings gelten sie nicht als besonders intelligent, da sie im Vergleich zu ihrem riesigen Körper nur ein winziges Gehirn hatten. Die letzten beiden Arten sind die Ankylosaurier und die Ceratopier. Beides waren stark bepanzerte Pflanzenfresser. Die Ceratopier, auch Horngesicht genannt, trugen, wie der Name schon sagt, Hörner im Gesicht. Allerdings gab es auch einige Arten, die keine Hörner hatten. Gemeinsam war ihnen jedoch, dass sie alle einen kleineren oder größeren knöchernen Nackenschild - als Verlängerung des Schädels - und eine Art Papageienschnabel besaßen. Auch diese Pflanzenfresser liefen in der Regel auf allen Vieren."

Bruno machte eine Pause und Lord McShredder war beeindruckt: "Na, mein Kleiner, du weißt ja wirklich eine Menge! Wie ist denn dein Name?"

"Er heißt Bruno, und er ist mein Bruder", sagte Elfriede stolz und streichelte Bruno den Kopf.

Bruno duckte sich, denn er war es nicht gewohnt, von seiner Schwester gestreichelt zu werden, ganz im Gegenteil. Schnell bückte Bruno sich und nahm die Organisation seines Schneckenrennens wieder auf, bevor seine stolze Schwester womöglich auf die Idee kam, ihn zu küssen.

 


Mc Gregor

Susi hatte dem Lord inzwischen eine Tasse Tee nachgegossen, und nachdem er an seiner Pfeife gezogen hatte, nahm der Lord seine Erzählung wieder auf: "Nun, ich sollte also das Ungeheuer von Loch Ness zur Strecke bringen. Viele Schotten waren gekommen, um mir bei der Jagd zu helfen, doch einer nach dem anderen floh vor dem grässlichen Monster. Wer nicht rechtzeitig flüchtete, wurde von ihm in die Tiefe gerissen und nie wieder gesehen. Oft genug hatte ich das Monster in die Enge getrieben, doch ebenso oft konnte es mir im letzten Moment entkommen. Inzwischen war ich alleine im Kampf gegen Nessie. Mann gegen Mann, oder besser, Mann gegen Monster. So kämpfte ich Tag für Tag, Monat um Monat und Jahr um Jahr. Der spanische König hatte mich inzwischen vergessen, doch ich kämpfte weiter. Eines Tages, als ich erschöpft am Ufer des Loch Ness saß und daran dachte, den Kampf aufzugeben, setzte sich jemand neben mich. Es war der heilige McGregor, ein Mann der Kirche, der von meinem Kampf gegen das Ungeheuer gehört hatte. Er tröstete mich und sagte, dass es noch niemandem gelungen sei, das Monster zu fangen oder zu verjagen. Er sagte, ich solle aufgeben, es wäre besser so. Ich lehnte ab und schwor, dass ich das Monster besiegen würde. Der heilige McGregor lachte und bot mir eine Wette an. Sollte ich es schaffen, Loch Ness vom Ungeheuer zu befreien, so würde er mir seine Kirche schenken. Sollte das Monster stärker sein, so sollte ich mit Schimpf und Schande zurück nach Spanien fahren. Ich schlug ein und überlegte nächtelang, wie ich das Monster besiegen konnte. Dann kam mir die Idee: Dinosaurier hatten Angst vor Feuer, warum also sollte Nessie nicht auch Angst vor Feuer haben? Ich besorgte mir Fackeln mit Magnesium, die ja bekanntlich unter Wasser brennen, nahm

mein Schwert und stieg Nachts ins Loch Ness. Schnell fand ich das Monster in einer der Felsspalten tief unter der Wasseroberfläche, und ein mörderischer Kampf begann. Die ganze Nacht dauerte der Kampf, und als die Sonne aufging, hatte Nessie aufgegeben und war durch den Kaledonischen Kanal in die Nordsee geflüchtet. Erschöpft nach diesem langen Kampf nahm mich der heilige McGregor mit und schenkte mir diese Kirche. Das Ungeheuer von Loch Ness ist seitdem nicht wieder gesichtet worden. Noch heutzutage suchen Wissenschaftler vergebens nach dem Ungetüm. Jetzt kennt ihr den wahren Grund, warum das Monster von Loch Ness nicht mehr zu finden ist."

Lord McShredder zog an seiner Pfeife und betrachtete sie nachdenklich. Auch unsere Freunde sahen einander nachdenklich an, bis Rosie schließlich rief: "Wann gibt es Abendbrot?"

"In der Küche habe ich ein paar Konservendosen mit gebackenen Bohnen gesehen, sonst ist dort nichts."

"Unsinn", krächzte McShredder, "Franzbrote habe ich nicht, es gibt nur gebackene Bohnen!"

"Wer, bitte schön, soll denn so etwas essen?", fragte Bertha empört.

"Wir haben noch Brote dabei, und die schmecken lecker zu gebackenen Bohnen", schlug Bernie vor.

 

Da im ganzen Haus nichts Besseres zu finden war, mussten sich unsere Freunde wohl oder übel mit Bohnen begnügen. Bernie und Jennie war es sogar gelungen, aus ein paar Mauersteinen so etwas wie einen Kamin zu bauen, und bald saßen alle am Feuer und aßen. Es war so richtig gemütlich und warm am Feuer und die Bohnen schmeckten sogar Bertha. Langsam wurde es jetzt über dem Schloss dunkel, und die Nacht brach an. Unseren Freunden blieb nichts Anderes übrig, als den Lord zu bitten, im Schloss übernachten zu dürfen. Er hatte auch nichts dagegen, und somit zogen sich die Kinder in die oberen Zimmer zum Schlafen zurück. Der Lord hatte ihnen ein leer stehendes Zimmer an der Nordseite gegeben, das glücklicherweise ein fast vollständiges Dach besaß. Unsere Freunde holten ihre Schlafsäcke, die sie schlauerweise mitgenommen hatten, hervor und bereiteten sich ein Nachtlager.

 


Nach und nach schliefen alle erschöpft ein. Rosie jedoch konnte einfach nicht einschlafen. Das lag nicht nur daran, dass es recht kühl war, sondern es lag nur daran, dass noch immer der Geruch von gebackenen Bohnen in der Luft hing. Wehmütig dachte das hungrige Schwein an die leckeren Fleisch- und Gemüsetorten, die es im Pub gegeben hatte.

Der Weg zum Pub war natürlich zu weit, doch der Weg in die Küche nicht. Rosie vergewisserte sich noch einmal, dass ihre Freunde alle schliefen. Dann dann stand sie auf und schlich über den dunklen Flur hin zur Treppe. Es war still und unheimlich in dem nächtlichen Schloss, doch der Geruch, der aus der Küche kam, überdeckte Rosies Ängste. Vorsichtig, Schritt für Schritt stieg sie nun die Treppe hinab und stützte sich an der Wand ab. Die Wand fühlte sich kalt und feucht an, und Rosie dachte an schreckliche Seeungeheuer. Der Mond war inzwischen aufgegangen und warf unheimliche Schatten, als er durch das kaputte Dach schien. Eine Fledermaus erschien für einen kurzen Moment am Himmel, und es schien, als würde sie durch das kaputte Dach ins Schloss hineinstürzen. Rosie bewegte sich mit klopfendem Herzen so schnell sie konnte zur dunklen Küche hin. Inzwischen bereute sie es, nur wegen ein paar kalter Bohnen in dieser unheimlichen Nacht alleine durch das Schloss zu schleichen. Sie hatte das Gefühl, als würde sich in jeder Ecke des alten Gemäuers irgend etwas verstecken. Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter, und zitternd erwartete sie, dass sich jeden Moment ein Monster mit langen Reißzähnen auf sie stürzen würde. Sie hatte fast die Küche erreicht, als sich plötzlich die Eingangstür des Schlosses langsam und knarrend öffnete. Rosies Herz schien vor Schreck stehen zu bleiben. Mit letzter Kraft stolperte sie in die Küche und versteckte sich unter einem Tisch. Sie hielt den Atem an. Ganz deutlich hörte sie nun ein entsetzliches Keuchen. Vorsichtig blinzelte sie in die Richtung, und ihr gefror das Blut in den Adern. Ein Monster kam in das Schloss gekrochen! Jetzt war Rosie endgültig mit den Nerven fertig. Sie schrie, so laut sie konnte. Das Monster wollte sich aufzurichten, doch Rosie griff nach allem, was sie finden konnte: Töpfe, Teller, Besteck, Tassen und warf es mit aller Kraft nach dem Ungeheuer. Sie schrie, und sie warf immer weiter mit allem, was ihr in die Hände kam, bis die Bestie laut aufheulte. Plötzlich war alles um sie herum in ein helles Licht getaucht, und Rosie sah nichts mehr. Das ist das Ende, dachte sie verzweifelt, doch dann hörte sie eine Stimme: "Was ist los, Rosie?"

 


Elfriede und Bernie kamen mit einer Taschenlampe in der Hand die Treppe herunter gerannt, gefolgt von Lord McShredder, der ein Licht in der Hand hielt.

Elfriede und Bernie liefen sofort zu der schreienden Rosie hin, während McShredder mit dem Licht in der Hand auf das Ungeheuer zuging, das bewegungslos neben der Eingangstür am Boden lag.

"Gebt mir mal mehr Licht!", krächzte McShredder. Daisy, die mit den anderen nachgekommen war, brachte eine zweite Kerze. Elfriede sah aufgeregt hin und entdeckte jetzt, dass neben dem bewusstlosen Körper mehrere Töpfe und Pfannen lagen. Rosie hatte in ihrer Angst das Monster erstaunlich gut getroffen, scheinbar war es sogar schwer getroffen.

 

"Willkommen daheim, McClown", hörten die Kinder den Lord jetzt sagen. "So etwas passiert, wenn man nicht anklopft und heimlich hereinschleicht!"

Unsere Freunde kamen jetzt näher und sahen den Butler Frido McClown völlig verschmutzt, nur mit einer Unterhose bekleidet, am Boden liegen. Er hatte am Kopf eine dicke Beule und direkt daneben lag ein großer, verbeulter Topf. Der Lord räusperte sich und sagte: "Ich muss mich für das Aussehen meines Butlers entschuldigen, normalerweise ist er ein ordentlicher Mensch."

"Der arme Kerl", sagte Bertha, "eine richtig fette Beule hast du ihm verpasst, meine liebe Rosie!"

"Aber... aber ich hatte gedacht, das ist ein Monster."

"Na, toll! Erst abschießen und dann fragen! Was, meine liebe Rosie?"

"Aber er hätte ja was sagen können!"

"Wenn man einen Topf an den Birne kriegt, kann man nichts mehr sagen!"

"Unsinn", meldete sich nun Lord McShredder, "er braucht nicht an den Tropf, er braucht nur etwas Ruhe. Ein Butler muss so etwas aushalten!"

"Die Hamster!", keuchte Elfriede aufgeregt, "Wo sind unsere kleinen Freunde geblieben?"

Der Lord sah sie verwundert an: "Warum willst du ihn in die Scheune schieben? Hier gibt es keine Scheune!"

Elfriede rollte genervt mit den Augen. Ihr Blick fiel auf den bewusstlosen Butler. Halb nackt lag er dort auf dem kalten Fußboden des Schlosses.

"Er muss höher gelegt werden, auf dem Boden ist es zu kalt", sagte sie, und McShredder krächzte: "Mit einem Hörgerät durch den Wald toben? Warum? Ich brauche kein Hörgerät, ich habe scharfe Ohren!"

 

Bevor Elfriede vor Wut explodieren konnte, kamen Bernie, Daisy und Jennie ihr zur Hilfe und halfen, den Butler auf ein Sofa zu legen. Als Bertha in der Zwischenzeit die Haustür schließen wollte, stutzte sie und rief: "Da liegt ja ein Paket vor der Tür, holt denn hier keiner mal die Post herein?"


"Paket? Post?", rief Elfriede und stürzte an Bertha vorbei ins Freie. Sie packte den großen Karton und brachte ihn ins Zimmer, während Bertha nun die Tür zumachte. Alle waren jetzt um Elfriede versammelt, als sie den schmutzigen Karton öffnete und zu ihrer grenzenlosen Freude ihre geliebten Hamster sah. Die kleinen Nager sahen schmutzig aus, ihr Fell war zerzaust, und sie waren recht abgemagert. Sie fiepten die Kinder hungrig an, doch ansonsten schienen die kleinen Tiere bei bester Gesundheit zu sein. Elfriede rannte in die Küche und sah sich um. Es gab kein Brot mehr, keine Milch, keine Nüsse und auch kein Obst oder Gemüse, nur gebackene Bohnen. Elfriede zuckte bedauernd mit den Schultern, öffnete eine Dose Bohnen und kippte den Inhalt in einen Teller. Dann nahm sie den Teller und ging ins Wohnzimmer zu den Hamstern zurück. Bertha sah sie ungläubig an: "Willst du die armen Tiere mit diesem Fraß füttern?"

"Tja", grinste Elfriede, "es gibt nichts Anderes. Wenn wir baked beans essen, kann es für die Hamster ja wohl nicht giftig sein, oder? Wir können sie schließlich nicht verhungern lassen."

Bertha sah das ein und beobachtete nun, wie die kleinen Nager sich vorsichtig dem Teller Bohnen näherten. Sie schnüffelten und schnüffelten, bis sie den Teller erreichten, mit ihren kleinen Pfötchen eine Bohne nahmen und probierten. Dann geschah etwas, mit dem die Kinder nicht gerechnet hatten: Die Hamster stürzten sich auf den Teller, und schon nach kurzer Zeit musste Elfriede eine zweite Dose aufmachen.

 

"Es wäre besser, wenn die Hamster nicht soviel von den Bohnen essen würden", meldete sich nun Bruno.

"Was weißt du denn schon von Hamstern?", fragte Elfriede ärgerlich. Bruno überlegte nicht lange und sagte: "Der Goldhamster, auch Mesocricetus Auratus genannt, ..."

"Ja, ja, schon gut", stöhnte Elfriede genervt, "aber wieso gönnst du den kleinen Viechern die Bohnen nicht? Sieh doch mal, Bruno, ich glaube, sie feiern gerade eine Party! Du sieht doch, dass ihnen Bohnen bekommen und dass..."

Elfriede unterbrach ihren Wortschwall und schaute erneut zu den Hamstern hin. Was war das? Ganz deutlich konnte sie hören, dass die Hamster Geräusche von sich gaben. Bertha hielt sich bereits die Nase zu und rief: "Nein, wie ekelig!"

 


Bruno hatte Recht gehabt, denn die Bohnen hatten auf die Hamster eine durchschlagende Wirkung. Den Hamstern gefiel es, denn sie hatten ihren Spaß daran, um die Wette zu furzen. Die Luft im Raum war kaum noch zu ertragen. Es war mittlerweile spät in der Nacht, und unsere Freunde konnten kaum noch ihre Augen offen halten, und so meldete sich Bernie als Erster: "Ich glaube, ich gehe wieder ins Bett.", gähnte er. "Lasst uns den Butler mit einer Decke zudecken. Bestimmt hat er sich bis Morgen früh erholt."

"Bleibt nur noch das Problem mit unseren Stink-Hamstern", überlegte Elfriede. "Ich hatte mich schon darauf gefreut, sie mit ihn unser Zimmer zu nehmen, aber nicht, wenn die Bohnen gefressen haben!"

"Dann bleiben die eben hier beim Lord", meinte Bernie und zeigte auf McShredder, der bereits in seinem Sessel eingeschlafen war und schnarchte. "Der hört das Gefurze ohnehin nicht, und der Geruch kann ihn im Moment nicht sonderlich stören.”

 

So kam es, dass der Karton mit den Hamstern für diese Nacht neben den Sessel von Lord McShredder gestellt wurde, während sich unsere Freunde wieder zum Schlafen zurückzogen. Dann kehrte endlich Ruhe im Schloss ein.

 


Am nächsten Morgen wachte McClown als Erster auf. Erstaunt sah er sich um und begriff, dass er wieder Zuhause war. Sein Kopf schmerzte und er fühlte, dass er eine dicke Beule an der linken Seite des Kopfes hatte. Die Hamster, dachte er und sprang erschrocken auf. Zu seiner großen Erleichterung sah er nun den Karton neben dem schlafenden Lord stehen. Trotz der Kopfschmerzen fühlte sich McClown etwas frischer und besser als in den letzten Tagen. Zu seiner großen Freude konnte er sich nun auch wieder an alles genau erinnern. Ob das von der Beule an seinem Kopf kam? Er ging in das Bad im Keller und befreite sich von dem Schmutz und Dreck der vergangenen Tage. Dann zog er frische Kleidung an und warf einen Blick in die Küche. Bis auf ein paar herumliegende, verbeulte Töpfe sah der Raum völlig aufgeräumt auf. Der Butler kratzte sich am Kopf und überlegte, ob er den alten Lord unterschätzt hatte, denn schließlich hatte der alte Sack noch nie etwas weggeräumt. Danach ging er zur Haustür hinaus, und sein Weg führte ihn nun direkt zu einer Grocery, einem kleinen Krämerladen. Dort kaufte er eine riesige Tüte Brötchen für die Hamster, sowie Brot, Butter, Orangenmarmelade und Tee. Schwer beladen kehrte er nun ins Schloss zurück und marschierte gleich in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Die frischen Brötchen dufteten lecker, und nachdem McClown freudig festgestellt hatte, dass der Gasherd wieder funktionierte, kochte er gleich eine Riesenkanne Tee. Er freute sich schon auf das dumme Gesicht des Lords, als er plötzlich eine heisere Stimme neben sich hörte und erschrak: "Darf ich auch eine Tüte Brötchen haben?"

Rosie stand neben ihm. Der Geruch der Brötchen hatte sie aus dem Bett gelockt. Der Butler drehte sich langsam um und traute seinen Augen nicht. Ein Schwein? Wieso stand da ein Schwein? Er war gestern Abend froh gewesen, dass das kleine Ferkel ihn endlich verlassen hatte, als sie an einem kleinen Bauernhof vorbeikamen, und nun stand schon wieder ein Schwein vor ihm. Allerdings ein viel größeres und es sah recht gierig aus.

"W... wer bist du?", fragte er erstaunt.

"Ich heiße Rosie und bin am Verhungern."

McClown gab Rosie ein Brötchen.

"Darf ich fragen, was ein Schwein im Schloss seiner Lordschaft zu suchen hat?"

"Meine Freunde und ich waren auf der Suche nach unseren entführten Freunden, den Hamstern aus Hamsterhausen ...", und so erzählte Rosie die ganze Geschichte.

 

Mittlerweile waren die anderen Kinder ebenfalls hinzu-gekommen und hörten sich nun an, was Frido McClown von seiner abenteuerlichen Reise zu berichten hatte. Als er fertig war, meinte Elfriede grinsend: "Jedenfalls haben sie dank Rosie ihr Gedächtnis wieder!"

Alle lachten, und dann gab es ein ausgedehntes Frühstück. Der Lord war, nachdem er endlich aufgewacht war, jedoch sehr empört, dass ihm kein neuer Tabak mitgebracht worden war. Nachdem allerdings auch er hörte, was seinem treuen Butler unterwegs alles passiert war, wurde er etwas freundlicher und gestattete, dass McClown erst einmal frühstücken und danach den Tabak holen sollte. Plötzlich klopfte es an der Tür und sofort stand der Butler auf.

 

"Wo steckt dieser McShredder?", hörten unsere Freunde jemanden mit wütender Stimme sagen. "Ich will meine Vorräte wiederhaben, die er gestohlen hat!"

Ein Mann in einer merkwürdigen Tracht trat ein und ging sofort auf den Lord zu: "Mein Name ist Stólpi Vegdraupnir aus Reykjavik!"

"Du hast beim Baden mit einem Tier ein Eis geschleckt?", fragte der Lord verwundert. "Was das nicht alles gibt bei euch Isländern."

Isländischer Hamster mit Kuscheldrachen



Es dauerte etwas, bis dem Lord klar wurde, worum es ging. Nach einigen Minuten verließ Stólpi Vegdraupnir das Schloss mit dem Geld, dass der Lord ihm als Wiedergutmachung gegeben hatte und fuhr nach Island zurück.

 

 

Kurz darauf klopfte es erneut an der Tür, und wieder öffnete der Butler.

"Wo ist der Mistkerl McShredder?", hörten die Kinder jemanden rufen. "Er muss mir die Plane, die Taue und den Korb bezahlen!"

Ein recht großer, wütend aussehender Mann trat ein und baute sich drohend vor dem Lord auf: "Ich bin Raghnak Alsvinnur und will Geld sehen!"

"Häh?", rief der Lord, "Du bist ganz nackt auf dem Flur und willst aufs Feld gehen? Ihr Isländer seid ganz schön komisch!"

Bevor Raghnak Alsvinnur sich auf McShredder stürzen konnte, war McClown dazwischen gegangen und klärte erneut die Lage. Nach kurzer Zeit verließ der Isländer fröhlich pfeifend das Schloss.

"Wir haben fast kein Geld mehr, McClown", krächzte Lord McShredder, "was mag als nächstes passieren?

 

Es klopfte wieder an der Tür. Diesmal recht laut.

"Herein, wenn's kein Isländer ist", rief der Lord. Ein Mann trat ein, unverkennbar ein Schotte. Der Butler führte ihn herein, und der Mann stürzte auf den Lord zu: "Einem Lachlann McGowan stiehlt man nicht ungestraft ein Schwein!"

"Am lachenden Ofen schält man ein straffes Bein?", wunderte sich McShredder. Diesmal allerdings hatte der Butler allerdings erhebliche Mühe, die Hände des Bauern Lachlann McGowan vom Hals des Lords zu lösen. Nachdem der Bauer aber erfahren hatte, auf welchem Bauernhof er sein Ferkel wiederfinden konnte, kehrte wieder Ruhe ins Schloss ein. Zumindest solange, bis es wieder an der Tür klopfte.

 

"Wie wär's, wir bauen eine Drehtür ein", grinste Bernie, als der Butler erneut die Tür öffnete.

"Die Milch! Ich will, dass jemand meine Milch bezahlt!"

Eine wütende Bäuerin trat ein. Auch sie ging direkt zum Lord, der völlig genervt in seinem Sessel saß und sich ärgerte, dass er noch immer keinen neuen Tabak zum Rauchen hatte.

 

"Ich heiße Sarah McConner, mein Herr..."

"Ein Fahrrad im Sommer muss her?", unterbrach sie McShredder. "Was für einen Blödsinn muss ich mir heute noch gefallen lassen?"


Zum Glück konnte der herbeigeeilte Butler auch diese Sache aufklären, und nachdem die Bäuerin das Geld für die gestohlene Milch erhalten hatte, verließ sie zufrieden das Schloss.

 

Nachdenklich saßen nun Lord und Butler im Wohnzimmer. Bruno hatte bereits den Karton mit den Hamstern herbeigeholt, und auch die anderen Kinder begannen jetzt, ihre Rucksäcke zu packen. Alle waren froh, dass es wieder nach Hause ging. Alle, bis auf Elfriede. Ihr tat es leid, die beiden in ihrem kaputten Schloss zurückzulassen. Bestimmt hatten die beiden kein Geld für eine Reparatur und würden im Winter jämmerlich frieren. Sie überlegte, und plötzlich hatte sie eine Idee: "Lord McShredder", rief sie laut, "sie waren doch ein berühmter Mann in Spanien, oder?"

"Ja, das stimmt. Ich besitze immer noch zahllose Ländereien und Häuser dort."

"Und ihr Rheuma, wird das nicht immer schlimmer durch das raue schottische Klima?"

"Nein, nicht prima. Es wird eher schlimmer!"

Elfriede grinste und sprach vorsichtshalber wieder etwas lauter weiter: "Meinen sie, Sir, dass sie diese Schlosskirche wieder aufbauen können?"

"Womit denn? Ich habe ja nicht mal Geld für Tabak!"

"Wie wäre es", fragte Elfriede und trat ganz dicht an den Lord heran, "wie wäre es, sie fahren zurück in das warme Spanien?"

 

McShredder starrte sie einen Moment an, sein Blick glitt auf das kaputte Dach und dann wieder hin zu Elfriede. Dann stand er auf, reckte und streckte sich und rief: "McClown, pack die Koffer, wir fahren nach Hause!"

Verwirrt kam der Butler näher: "Nach Hause, Sir?"

"Sind sie schwerhörig, McClown?"

"Nein, Sir, ich meine nur, Sir, wie sollen wir...."

"Mit dem Schiff natürlich, McClown, wie denn sonst!"

Der Butler überlegte einen Moment, dann sagte er: "Sir, ich kenne da einen Kapitän..."

"Was?", brüllte der Lord, "Sie pennen im Stehen? Packen sie endlich die Sachen, ich will los!"

 


Elfriede war inzwischen zu ihren Freunden gegangen. Fast wäre ihr das Zauberfläschchen vor Lachen aus der Hand gefallen. Sie winkte noch ein letztes Mal dem Lord und seinem Butler zu, doch die waren mit ihrer Streiterei beschäftigt.

 

Gerade wollte Elfriede das Zeichen für den Aufbruch geben, als es mal wieder an der Tür klopfte. McClown kratzte sich am Kopf und ging hin, um zu öffnen.

Guten Tag, Sir,” hörten die Kinder jemanden sagen, “es geht um die Zeitungen, die sie neulich bei mir nicht bezahlt hatten. Dürfte ich eintreten?”

 

"Auf geht's", rief Elfriede ihren Freunden zu, nahm den Korken und stöpselte ihn auf das Zauberfläschchen. Nebel erfüllte nun das Wohnzimmer des alten Schlosses. Elfriede hörte als letztes, wie McShredder seinen Butler anschrie, er solle die Tür zumachen, und nicht jeden hergelaufenen Blödmann in sein Schloss lassen. Dann drehte sich auf einmal alles um unsere Freunde herum – immer schneller und schneller. So ging es ein paar Sekunden, bis der Nebel sich auflöste, und sie wieder im ihrem geliebten Zauberwald waren.

 

Welch ein Abenteuer”, lachte Elfriede und sah ihre Freunde an.

Ja”, stimmte ihr Rosie zu, “und das Essen war oberlecker!”

Alle nickten begeistert. Bis auf Bertha und Bruno. Bruno war bereits wieder auf Schneckenjagd gegangen und Bertha versuchte verzweifelt, ihre Schuhe von Schafscheiße zu säubern.

Meine Mutter glaubt mir nie im Leben, wenn ich erzähle, dass ich nichts dafür kann”, jammerte sie.

Plötzlich gab Elfriede einen leisen Schrei von sich, und alle sahen sie entsetzt an.

Wir haben etwas vergessen”, sagte sie und blickte ihre Freunde geheimnisvoll an. Sie griff in ihre Hosentasche und zog langsam etwas hervor.

Wir haben vergessen, McClown den Knopf wiederzugeben!”

 

Die Hamster wurden noch schnell zum Tunnel nach Hamsterhausen gebracht, und es wurde Zeit für die Freunde, sich voneinander für diesen Tag zu verabschieden. Die Eröffnungsfeier für den Tunnel wurde auf den nächsten Tag verschoben, denn nun ist diese Geschichte zu

 

 

ENDE.

 

 

Nachtrag

 

Sollte der eine oder die andere Zweifel an der Wahrheit dieser Geschichte haben, so lässt sich alles sehr einfach überprüfen. Dazu braucht ihr nur nach Schottland zu fahren.

Zum Beispiel gibt es den Ort, an dem der Butler McClown mit den Hamstern in einem Fesselballon landete, tatsächlich. Es gibt dort auch wirklich einen Strand, der so aussieht, wie ein Strand an einer Mittelmeerinsel. Ihr müsst nur nach Bettyhill fahren. Auch die Höhle, in der McClown eine Nacht verbrachte,gibt es tatsächlich, sie heißt Smoo Cave und befindet sich ganz in der Nähe von Bettyhill. Die Kirche, die McShredder von McGregor bei einer Wetter gewonnen hat? Auch die gibt es, sogar das Grab von McGregor befindet sich dort. Wenn ihr einmal in Schottland seid, seht doch selber nach! Was aus dem Lord und seinem Butler geworden ist? Nun, sie waren tatsächlich mit dem Kapitän, der McClown nach Island gebracht hatte, gefahren. Allerdings waren sie etwas zu weit südlich gelandet und hatten sich in Afrika verirrt. Inzwischen jedoch leben sie glücklich und gesund in Spanien, das heißt, ob auch der Butler wirklich glücklich ist, habe ich leider nicht erfahren können.