Vorwort

Dieses Buch ist für Flecki und Goldi geschrieben, ohne sie würde es keine Hamster und kein Hamsterhausen geben.

Ein besonderer Dank gilt Mamsi, die sich Abend für Abend geduldig die Geschichten anhörte und gegen das Einschlafen kämpfte.

Das Korrigieren eines Buches und die Überprüfung seiner historischen Hintergründe sind das Schwerste. Hier möchte ich mich herzlich für die Mitarbeit einer keltischen Hexe bedanken, ohne die es das letzte Kapitel wohl nicht gegeben hätte.

 

 

1. Kapitel

Heimweh

 

Es war Mittagszeit auf dem abgelegenen Landhaus irgendwo im fernen Spanien. Die hoch am spanischen Himmel stehende Sonne brannte unbarmherzig auf Mensch und Tier. Eine bleierne Schwere lag in der Luft. In der Ferne zogen ein paar Vögel ihre Kreise, und hin und wieder war in der Ferne der stotternde Motor eines Treckers zu hören.

Es war ein friedliches Bild, das sich dem Betrachter bot, doch plötzlich wurde der Frieden von einer lauten Stimme zerrissen. Es war eine Stimme die klang, als wenn ein Reibeisen über raues Metall gezogen würde.

"McClown, sie nichtsnutziger Kerl, wo treiben sie sich wieder herum?"

Das Einzige, was ihm antwortete, war das Tuckern des Treckers in der Ferne.

"MCCLOWN!" brüllte der alte Lord, und seine Stimme überschlug sich.

 

In der Ferne verstarb das Geräusch des tuckernden Motors. Nach wenigen Minuten war ein kleiner Punkt am Horizont zu sehen, der sich, umgeben von einer Staubwolke, mit rasender Geschwindigkeit näherte.

 

"Ging das nicht etwas schneller, McClown?" krächzte Lord McShredder und sah seinen Butler vorwurfsvoll an.

"Nun, Sir, ich, äh..."

Der Butler wurde von einem Hustenanfall unterbrochen und stütze sich auf den Zaun, der das Landhaus umgab. Schweiß lief ihm über die Stirn, und er rang nach seinem schnellen Lauf durch die Mittagshitze nach Luft.

"Sie sind völlig außer Form, McClown," fuhr der Lord fort. "Schauen sie doch bloß mal in den Spiegel! Als wir aus Schottland weg fuhren, waren sie schlank. Und nun? Sie sind fett und bequem geworden, McClown!"

"Sir," entgegnete empört der Butler, "als wir Schottland verließen, hatte ich seit Wochen nichts mehr gegessen!

"Häh?" rief McShredder empört. "Sie waren beim Schrott gießen und haben Knochen gefressen?"

McClowns Gesicht lief rot an.

"Sir," brüllte er, "nachdem ich die Hamster aus Hamsterhausen entführt hatte, war ich total abgemagert und halb verhungert!"

"Halb verhungert?" krähte McShredder. "Da sieht man es doch wieder, sie denken nur ans Essen. Meine Leiden interessieren sie doch überhaupt nicht, sie undankbarer Kerl!"

Er hatte zwar einiges unter seinem Lord zu leiden, doch Frido McClown war ein Butler durch und durch und die Bedürfnisse seines Herren gingen ihm über alles. Sein Herr litt? McClown sah den alten Lord entsetzt an und fragte:

"Sir, welcher Art ist ihr Leiden?"

"Der Bart soll bleiben? McClown, sie reden irre. Die verdammte Sonne bekommt ihnen nicht, sehen sie sich doch einmal an, sie haben einen Kopf wie eine Tomate und sind total verschwitzt!"

"Aber Sir, ich habe den ganzen Tag mit dem Trecker den Acker gepflügt!"

 

"Was?" krähte der Lord entrüstet, "Sie haben den ganzen Tag Gekecker und Gegacker geübt? Mensch, McClown, sie sind ja nur noch ein Schatten ihrer selbst. Fett und fertig sozusagen!"

Der Butler Frido McClown verdrehte seine Augen im Kopf und stöhnte. Die Schwerhörigkeit seiner Lordschaft hatte im fernen Spanien eher noch zugenommen. Wenigstens war sein Rheuma verschwunden, denn das war ja auch ein Grund dafür gewesen, dass sie Schottland verlassen hatten. Der andere Grund war bekanntlich ja der, dass das alte Schloss nach einer Gasexplosion nicht mehr so richtig bewohnbar gewesen war.

 


McClown dachte an seine kleinen Freunde, die Hamster. Er seufzte wieder und dachte mit Wehmut an all die Abenteuer, die er mit den kleinen Pelzträgern erlebt hatte. Ob sich die kleinen, niedlichen Tierchen noch an ihn erinnern würden? Ob sie noch an ihre Landung bei Strathy Point oder an die Übernachtung in den Smoo Caves dachten? Wieder seufzte McClown laut und bemerkte nicht, dass der alte Lord ihn beobachtete.

 

"Mein lieber McClown", riss ihn plötzlich eine bekannte Stimme aus seinen Träumen, "wissen sie, was ihnen fehlt? Sie haben Heimweh!"

Der Butler wusste nicht, was er sagen sollte und außer einem Stammeln brachte er nichts Intelligentes hervor.

"Und wissen sie was, McClown?" sagte Lord McShredder und richtete sich in seinem neuen Rollstuhl auf.

"Auch ich habe Heimweh."

 

Lord und Butler standen nebeneinander und schauten auf den Horizont. Der Butler dachte an die Hamster, während der Lord sich nachdenklich in seinem Rollstuhl zurücklehnte. Übrigens benötigte er diesen Rollstuhl nicht wirklich, doch er fand es recht praktisch, seine täglichen Fahrten damit zu erledigen. Tatsächlich jedoch bestanden diese täglichen Fahrten darin, dass er dreimal am Tag zum Esstisch fuhr und ebenso oft auf Klo. Gemächlich zündete McShredder seine Pfeife an, blies den Rauch in die Hitze der Mittagssonne und sprach:

 

"Wissen sie was, mein lieber McClown? Ich habe es satt. Sonne, Sonne und noch mal Sonne. Ich kann sie nicht mehr sehen, ich will Regen! Tagelang Regen, ich will mit meinem Rollstuhl vom Craig Farr oder von mir aus auch von jedem anderen Berg im strömenden Regen heruntergespült werden. Berge! Wo sind die Berge und Täler, die Bens und Glens, wo die Flüsse und Lochs? Nichts gibt es hier. Nur Sonne und Langeweile."

 

McClown nickte. Die Idee, dass der Lord samt seinem Rollstuhl von einem Berg heruntergespült werden würde, gefiel ihm ausgesprochen gut. Das einzig Unangenehme an der Idee war nur, dass er, Frido McClown, vorher den Lord in seinem Rollstuhl erst einmal den ganzen Berg hinaufschieben musste. Aber dann, ja dann würde er den alten Sack mit Freuden nach unten befördern.

"Ja, Sir, das ist eine sehr gute Idee!" rief er.

"Nicht wahr, McClown! Also sehen sie zu, dass sie die Sachen packen, ein Schiff besorgen, ein paar Brote schmieren, das Landhaus verkaufen und dann ab. In einer Stunde fahren wir!"

Kopfschüttelnd macht sich Frido McClown an die Arbeit.

 

 

Kapitel 2

 

Im alten Schloss

 


Während Lord McShredder und sein Butler unter der heißen Sonne Spaniens litten, regnete es in Schottland. Nebel hing über den majestätischen Bergen, Mensch und Tier hatten es sich in Hütten und Häusern bequem gemacht. Nur die Schafe und die Hochlandrinder standen auf den saftigen Wiesen und ließen gleichmütig den Regen über sich ergehen.

Alles schien friedlich und still. Fast alles, denn in der Nähe von Killichonan war die Hölle los. Dort befand sich nämlich das alte Schloss des Lord McShredder, genauer gesagt, das, was davon übrig geblieben war. Eigentlich war es auch kein richtiges Schloss, sondern eine ehemalige Kirche, die McGregor dem Lord vermacht hatte, nachdem dieser das Monster von Loch Ness durch den kaledonischen Kanal in den Atlantik vertrieben hatte.

Aber was war in der alten Ruine los? Warum flog dort eine Rakete steil in die Luft, drehte sich auf dem höchsten Punkt ihrer Flugbahn und stürzte in die Ruine zurück, genau dorthin, wo sie hergekommen war? Warum waren Schreie zu hören, die nach Panik und Schmerzen klangen? Wer war so blöd, sich selber mit Raketen abzuschießen? Kein Mensch würde so etwas tun, und ein Tier erst recht nicht. Doch Halt, eine Art von Tier würde so etwas tatsächlich fertig kriegen: Hamster. Aber wieso Hamster? Um das zu erklären, müssen wir einen kleinen Blick zurück werfen.

 

Nachdem Elfriede1 und ihre Freunde die entführten Hamster im Schloss wiedergefunden hatten, schien ja alles wieder in bester Ordnung zu sein. Die Hamster wurden nach Hamsterhausen zurückgebracht, der Lord und sein Butler zogen nach Spanien, und alle waren zufrieden. Jedoch fiel in Hamsterhausen nach einiger Zeit auf, dass einige Bewohner den Rückweg nicht geschafft hatten, genauer gesagt: sie waren wohl vergessen worden. Nun fiel dieser Verlust nicht sofort auf, weil die Pelztiere sich auf ihrem ungewollten Ausflug nach Schottland vermehrt hatten, und damit war auch ihre Anzahl eher mehr als weniger geworden. Doch ein paar Dinge fielen ganz gewaltig auf, oder sollte man sagen, es fielauf, dass etwas nicht mehr da war, auf das man gut und gerne verzichten konnte?

 

Die Hamster überlegten lange, was das denn nun war, was ihnen eigentlich nicht fehlte, aber wie immer kamen sie auf kein Ergebnis. Sie bildeten Planungsgruppen und Ausschüsse, die sich mit dem Problem auseinandersetzen sollten, doch es kam immer dasselbe dabei heraus, nämlich nichts.

Als das Jahr zu Ende ging, und Weihnachten kam, fiel ihnen plötzlich auf, dass keine langweiligen Reden gehalten wurde. Da kapierten die Hamster auf Anhieb, dass der Bürgermeister in Schottland vergessen worden war. Als das Fest ungewöhnlich friedlich verlief, und es zu keinen Katastrophen kam, wurde klar, dass Goldi, Flecki, Bauleiter Murksel, Reparaturhamster Tuffi und einige andere wohl ebenfalls nicht mitgekommen waren.

Nun war große Not und Wehklagen in Hamsterhausen. Sofort setzten sich die Hamster zusammen und berieten, was zu machen wäre. Nach einer Woche wurde ein Beschluss gefasst:

 

 




1. Wir haben keine Ahnung, was zu tun ist

2. Es muss weitergehen

3. Wir warten ab

4. Jetzt erst recht

5. So nicht

6. Es werden 3 Wochen Trauer angeordnet

 


Die Punkte 1., 3. und 6. wurden sofort einstimmig angenommen, und viele Hamster begannen sofort mit Urlaubsplänen und Reisevorbereitungen. Die Punkte 2., 4. und 5. wurden noch lange diskutiert und dann mit knapper Mehrheit ebenfalls angenommen.

In der alten Ruine, die an einem wunderschönen See vor sich hin gammelte, herrschte zur gleichen Zeit helle Aufregung, und es war die wütende Stimme von Flecki zu hören:

"Ich habe es dir doch gleich gesagt, du Idiot, dass es keinen Sinn macht, bei diesem Regen eine Signalrakete abzuschießen! Du hättest außerdem das ganze Schloss in Brand stecken können!"

"Auch ich habe bereits mehrfach auf diese nicht unerhebliche Tatsache hinweisen mögen, wobei sich Goldi durchaus der Tragweite seines Tuns hätte bewusst sein sollen, dass es keinerlei..."

 

Der Bürgermeister verstummte, als er die bösen Blicke von Flecki, Goldi, Murksel, Tuffi und den anderen Hamstern sah. Ihm war inzwischen klar, dass seine Reden von Tag zu Tag immer unbeliebter wurden, und er gerade gestern kurz davor stand, im nächsten Loch versenkt zu werden. Er nahm sich insgeheim vor, keine langen Reden mehr zu halten. Doch was sollte so ein Bürgermeister denn sonst machen? Er konnte doch nur Reden halten und die Arbeit den anderen Hamstern überlassen.

 

Er setzte sich auf einen Mauerstein nahe dem Kamin und überlegte. Mensch, Heinz-Georg, sprach er leise zu sich, du hast doch so viel Talent, also mache etwas daraus und bringe uns alle wieder nach Hause. Dann kannst du eine Rede halten und die ganze Geschichte erzählen. Ja, das wäre es - die längste Rede seines Lebens. Und so träumte der Bürgermeister von tollen Reden, Goldi von Raketen und Essen, Murksel davon, das Schloss zu reparieren und Flecki träumte davon, Goldi kräftig in den Hintern zu treten.

Seit vielen Tagen waren diese zurückgelassenen Hamster damit beschäftigt, Ordnung in das Schloss zu bringen und zugleich eine Möglichkeit zu finden, wieder nach Hamsterhausen zurückzukommen. Nachdem jedoch Goldi im Keller ein paar uralte Sylvesterraketen gefunden hatte, war er nicht mehr zu halten, und niemand mehr sicher. Ständig erzählte er davon, dass er Notsignale für die einzige Möglichkeit hielt, Hilfe aus Hamsterhausen zu holen.

 

"Aber Hamsterhausen ist doch viel zu weit weg", versuchten ihm Flecki und Dodo klar zu machen. "Die Raketen können unsere Freunde doch nicht sehen!"

Goldi jedoch hörte nicht auf sie, das heißt, er wollte nicht auf sie hören. Sein Tagesablauf bestand darin, an Raketentriebwerken herumzufummeln, und die anderen Hamster in Angst und Schrecken zu versetzen. Hauptsache es knallte, und Goldi hatte seinen Spaß. Natürlich ging das allen gehörig auf den Keks und so fasste Flecki den Entschluss, dieser Knallerei ein Ende zu bereiten. Wütend nahm sie eine Kanne Tee aus der Küche, ging zu Goldis Raketensammlung und goss den Tee darüber.

"Hoppla, Goldi, mir ist etwas Dummes passiert, nein, wie ungeschickt. Tut mir das aber leid!"

Mit großen Augen starrte Goldi auf die durchnässten Raketen, und ihm schossen die Tränen in die Augen. In diesem Moment kam der Bürgermeister um die Ecke und sah den traurigen Goldi. Endlich konnte er mal jemanden helfen, und so rief er:

"Kein Problem, das haben wir schnell getrocknet!"

 

Dann nahm er den gesamten Stapel an durchnässten Raketen und trug ihn in die Küche. Als er wenige Minuten später wieder in den großen Saal zurück kam, in dem sich die Hamster tagsüber aufhielten, schauten ihn alle gespannt an. Der Bürgermeister genoss den Moment, endlich einmal wieder im Mittelpunkt aller Hamster zu stehen. Er räusperte sich und strahlte in die Runde. Dann begann er zu reden:

"Nun, schnelle Entscheidungen erfordern schnelle Taten, nicht wahr, meine lieben Hamster? Als ich das nasse Bündel sah, und als ich den unglücklichen Hamsterfreund Goldi sah, da wusste ich sofort: hier wird Hilfe gebraucht. Sofort griff ich mit der mir angeborenen Entschlussfreude zu und tat das Richtige. Ja, ich tat das Richtige und half diesem Hamsterfreund. Mir wurde schlagartig klar, dass diesem unglücklichen Wesen und seinem nassen Bündel nur durch äußerste Entschluss..."

 

 

"Ja, ja, ist ja gut", rief Flecki. "Und wo sind die Raketen nun?"

"D... d.... d.... die Ra-Ra-Ra-Raketen?" ächzte der Bürgermeister.

"Ja, die Ra-Ra-Ra-Raketen! Wo sind die nun?" riefen die Hamster wie aus einem Munde.

"I-i-i-m Ba-ba-ba-ba..." Dem Bürgermeister versagte die Stimme.

"Badewanne?" fragte Flecki hoffnungsvoll.

"N-n-nein, im Ba-ba-ba-back, im Ba-ba-back..." stammelte der Bürgermeister.

"Buckingham Palast?" fragte Tuffi mit großen Augen.

"Ofen", stöhnte schwitzend der Bürgermeister, "im Backofen".

 

 

Es war mit einem Schlag still im alten Schloss. Man konnte den eigenen Atem hören. Aus der Küche drang Geruch von angesengeltem Papier. Mit großen Knopfaugen und zitternden Barthaaren standen die Hamster in der großen Eingangshalle und bewegten sich nicht. Dann ein Schrei: "Kinap, Eflih!"2 und die Hamster taten das, was sie am besten können, nämlich voller Panik in Kreise rennen und schreien. Nachdem sie ein paar Minuten rennend und schreiend im Kreise gerannt waren, passierte noch immer nichts. Kein Knall, keine Explosion, nur Ratlosigkeit. Schließlich jammerte Dodo laut:

"Warum macht denn keiner was? Jemand muss den Backofen ausmachen!"

Alle sahen jetzt den Bürgermeister an. Der Bürgermeister guckte ängstlich zurück. Ihm war klar, dass alle Welt nun von ihm erwartete, etwas zu unternehmen. Entschlusskraft und Führungsstärke wurden nun von ihm erwartet, doch am liebsten wäre er schreiend geflüchtet. Mit einem dümmlichen Grinsen bewegte er sich zitternd auf die Küche zu:

"Hä, hä, der Backofen. Nun, dann will ich ihn mal ausschalten!"

Er hatte gerade den Backofen erreicht, da gab es eine gewaltige Explosion.

 

1 (siehe Band III, Hamster in Gefahr)

2 (Hamstisch: Panik! Hilfe!)


 

Kapitel 3

Die Rückreise

 

"McClown, sind sie endlich fertig? Geht das nicht schneller? Muss ich denn immer alles alleine machen?

Lord McShredder war so verärgert, dass er beinahe aus seinem bequemen Rollstuhl aufgestanden wäre, um seinen Butler zu suchen. Verärgert griff er in seine Hosentasche, um etwas Tabak hervor zu holen. Bis auf ein paar Krümel Tabak und Reste von einem Taschentuch fand er nichts, doch was er fand, stopfte er hastig in seine Pfeife.

"McClown! Es ist dringend!"

Hechelnd und keuchend kam der arme Butler angerannt und lief auf den Lord zu.

"Sir, die Käufer für das Landhaus warten!"

"Häh? Die Koffer sollen im Pfandhaus warten? McClown, was erzählen sie wieder für einen Quatsch! Ich habe kaum noch Tabak, und sie machen blöde Witze. Nun gehen sie schon Tabak holen, und stehen sie hier nicht so untätig rum!"



Frido McClown rannte, so schnell er konnte. Weit kam er jedoch nicht, dann hörte er wieder die schnarrende Stimme seines Herrn.

"McClown!"

Er drehte auf dem Absatz um und rannte zurück zu der Stelle, an der er gerade eben noch gestanden hatte. Mit funkelnden Augen lauschte er, was der Lord ihm zu sagen hatte.

"Wenn sie ohnehin schon einen Spaziergang in die Stadt machen, dann bringen sie mir gleich Tee mit. Eine gute Tasse Tee dient nämlich der Beruhigung. Am besten, sie kochen sich danach auch eine Tasse, mein Lieber. Sie wirken schon wieder etwas nervös.

He, McClown, hören sie auf, gegen den Zaun zu treten!"

In der Tat hatte der Butler schon längst die Grenzen seiner Geduld überschritten. Die Koffer waren gepackt, allerdings nicht vollständig. So fehlte beispielsweise die beträchtliche Sammlung von Tabakpfeifen, die sich der Lord zugelegt hatte. Es waren fast 600 Stück. Auch die unzähligen Zeitungen und Illustrierten, die der Lord seit Jahren gesammelt hatte, traten den Rückweg in die Heimat nicht mehr an. Frido McClown hatte ein Brett aus dem Fußboden im Esszimmer herausgenommen und Pfeifen samt Zeitschriften hinein geschoben. Dann nagelte er das Brett wieder fest und war froh, dass er all das Gelumpe nun nicht auch noch nach Hause schleppen musste.

Inzwischen hatte er den kleinen Ort erreicht, der sich nur wenige Minuten zu Fuß vom Landhaus befand. Kurz darauf rannte er zurück, setzte Tee auf, verhandelte mit einem ehemaligen Stierkämpfer, der sich zur Ruhe gesetzt hatte, und verkaufte dem das Landhaus. Dann brachte er Lord McShredder den Tabak, goss den Tee ab und telefonierte. Noch während er die Nummer wählte, hörte er ein krächzendes "McClown, wo bleibt der Tee?" doch das interessierte ihn nun nicht.

Er rief seinen alten Freund, den Kapitän, an. Es war derjenige, der ihn damals nach Reykjavik als blinden Passagier mitgenommen hat. Niemals würde der Butler vergessen können, dass dieser Seemann die Hamster vor dem sicheren Tod gerettet hatte, damals im Sturm, als McClown über einen Tampen gestolpert war. Ach, die lieben, niedlichen Hamster! Die Tränen schossen ihm in die Augen, und er dachte an die stürmische Landung mit dem Heißluftballon in Strathy Point. Immerhin hatte der Kapitän ihm soeben am Telefon zugesagt, sie nach Schottland zurück zu fahren. Im Hafen von Vivero würde er sie in 2 Tagen abholen. Während der Butler noch überlegte, wie sie nach Vivero kommen würden, ging er zu seiner Lordschaft zurück.

 

"McClown, sie pennen ja am helllichten Tag! Jetzt haben sie den Tee vergessen. Wenn man nicht alles selber macht..."



"Häh, Sir, ich habe Schnee gefressen? Was sie nicht sagen..." äffte der Butler die Schwerhörigkeit des Lords nach und wich geschickt der Tabakspfeife aus, die McShredder nach ihm geworfen hatte. Dann machte er sich daran, die Koffer fertig zu packen.

Das wüste Geschimpfe des Lords interessierte ihn nicht, und zufrieden beobachtete der Butler, wie der Lord sich fluchend aus seinem Rollstuhl quälte, um die brennende Pfeife aufzuheben, bevor der Teppich in Flammen aufging. Das Packen der Koffer war schnell beendet, und der Butler hörte den Lord schon wieder krähen:

 

"McClown, wo bleibt das Schiff?"

"Sir," rief McClown, "das Schiff bleibt im Hafen, mit Verlaub."

"In welchen Hafen?" krächzte der Lord.

"In Vivero, Sir."

"Wo liegt das?"

"Hinter Magazos, Sir."

"Aha, und wo liegt Magazos?"

"Hinter Fonterova, Sir."

"Aha, und Fonterova?"

"Ein paar Kilometer westlich, Sir. In Spanien, Sir. Auf der Erde, Sir."

"Aha, und wo liegt..., McClown, ich bin nicht blöd! Natürlich weiß ich, dass wir uns in Spanien befinden. Dann überlegen sie sich mal ganz schnell, wie ich dorthin kommen soll. Es ist nicht sehr gemütlich für mich, wenn sie mich den ganzen holperigen Weg schieben."

"Selbstverständlich nicht, Sir, ich werde mich sofort nach einer Fahrgelegenheit umsehen."

 

 

Die wenigen Einwohner des kleinen Dorfes Fonterova verbrachten ihr Leben in gemütlicher Langeweile. In diesem verlassenen Nest passierte nie etwas, doch an diesem Nachmittag sollte sich das ändern. Während Dorf und Bewohner vor sich hin dösten, näherte sich ein Mann aus östlicher Richtung ihrem Dorf. Er zog einen kleinen Esel hinter sich her. Dieser Esel wiederum zog einen alten Holzkarren. Auf diesem Holzkarren war ein Rollstuhl befestigt. In diesem Rollstuhl saß ein alter Mann. Er rauchte eine Pfeife und schien verärgert zu sein. Ganz deutlich hörten die verschlafenen Dorfbewohner, wie der alte Mann den anderen, der den Esel zog, beschimpfte.

 

 

"McClown, sie hirnrissiger Trottel, warum haben sie kein Taxi bestellt?"

"Sir, es gibt hier keine Taxis, und den Trecker haben wir verkauft!"

"McClown, ich will einen Tee!"

"Es gibt hier keinen Tee, Sir, und bitte hören sie auf zu schreien, der Esel dreht gleich durch!"

"Kein Tee? Sie undankbarer Kerl, McClown!"

 

Die erstaunten Bewohner dieses friedlichen spanischen Dorfes schauten zu, wie der wütende alte Mann, der wie auf einem Thron auf dem Holzkarren saß, seine Pfeife nach dem jüngeren Mann warf. Die Pfeife traf jedoch den völlig unbeteiligten Esel, und die heiße Asche kokelte die Mähne seines Rücken an. Der Esel tat das, was jedes Tier machen würde, wenn es angekokelt wird: es gab einen lauten Schmerzensschrei von sich und rannte los, so schnell es konnte. Begeistert beobachteten die Dorfbewohner das, was sich auf der Dorfstraße tat. Ein Esel, an dessen Mähne ein kleine Rauchfahne zu sehen war, zog mit rasender Geschwindigkeit einen Holzkarren über die holperige Straße hinter sich her. Auf diesem Holzkarren saß noch immer der alte Mann in dem Rollstuhl, doch nun hüpfte er auf und ab und hatte große Mühe, sich festzuhalten. Zu guter Letzt war da noch der Mann , der vorher den Esel gezogen hatte. Er ruderte wild mit den Armen und rannte schreiend hinter dem Holzkarren her.

Die Bewohner des verschlafenen Dorfes sahen der merkwürdigen Reisegruppe noch lange hinterher, solange, bis nur noch eine kleine Staubwolke in der untergehenden Sonne zu sehen war. Einer der Bewohner, ein alter Mann mit wenigen Zähnen, schüttelte den Kopf und sagte zu seinem Nebenmann:

"Gringos!"1



Der Nebenmann, der sich gerade wieder zu einem Nickerchen hinlegen wollte, öffnete kurz die Augen und antwortete:

"Ja, immer in Hektik. Diese Gringos, sie kennen keine Ruhe und Beschaulichkeit."

 

Es dauerte nun nicht mehr lange, bis Lord McShredder und sein Butler Frido McClown am Hafen von Vivero ankamen. Der arme Esel, dem schon die halbe Mähne verglüht war, sprang laut "iaahhhhh" rufend in das Wasser des Hafenbeckens. Der Butler versuchte verzweifelt, den Rollstuhl samt Lord festzuhalten, doch mit einem lauten Platscher fielen alle ins Wasser.

"Dascha ja prima, Jungs, dat ihr schon da seid, dann könn' wir gleich losfahren!"

Der Kapitän lachte, er stand an der Reling seines Schiffes und warf McShredder eine Leine zu. Es dauerte eine Weile, bis der schimpfende Lord an Bord gezogen war. Der Esel schwamm an Land zurück, denn der Holzkarren samt Rollstuhl waren in Einzelteile zerlegt und trieben im Wasser. McClown betrat als letzter das Schiff, denn er hatte die undankbare Aufgabe, die Koffer im Wasser einzusammeln. Nun waren alle an Bord und die Heimreise nach Schottland konnte beginnen.

Das Schiff legte ab, und bald würden sie das alte Schloss wiedersehen.

 

1 (verächtlich: Jemand, der kein Spanier ist)


 

Kapitel 4

Im alten Schloss 2.Teil

 

Das alte Schloss, das im Herzen Schottlands in der Nähe von Killichonan lag, bot einen jämmerlichen Anblick. Den hatte es zwar schon all die Jahre über geboten, doch nun sah es ganz besonders jämmerlich aus. Da, wo einst das geflickte Dach war, an dem eine große Glocke hing, war nun gar kein Dach mehr. Und auch keine Glocke. Schließlich kann sich ein Dach ohne Wände nicht halten, denn Wände hatte das alte Schloss nun auch nicht mehr. Die Hamster hatten wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Jammernd und stöhnend lagen sie inmitten von Trümmerresten auf dem Fußboden der ehemaligen Eingangshalle.

"Herr Bürgermeister?" rief Flecki, die als erste die Lage begriffen hatte. "Los, Goldi, bewege deinen faulen Hintern, wir müssen den Bürgermeister aus den Trümmern befreien!"

Stöhnend erhob sich Goldi, während Bauleiter Murksel einen Teelöffel vom Boden aufhob. Es war übrigens der Lieblingsteelöffel des alten Lords gewesen, mit dem er sich so manches Mal aus reiner Vergesslichkeit den Tabak gestopft hatte. Mit diesem Löffel begannen Murksel und Goldi, einen Weg durch Schutt und Steine zu graben. Tuffi versuchte auch zu helfen, doch der kleine Reparaturhamster richtete wie immer mehr Schaden als Nutzen an. Mehrfach musste Bauleiter Murksel sie unter einem umgekippten Schutthaufen hervorholen. Schließlich fanden sie den Bürgermeister, er hatte eine riesige Beule auf dem Kopf und blinzelte schwach mit den Augen.



Dodo, der ihn als erster entdeckt hatte, rief laut: "Er lebt!" und sofort fingen die Hamster an, zu jubeln und im Kreis zu laufen. In der Mitte saß der Bürgermeister und grinste vor sich hin.

"Alles klar, Herr Bürgermeister?" fragte Flecki und näherte sich vorsichtig dem immer noch grinsenden Bürgermeister. Es dauerte, bis er den Kopf in Richtung Flecki wandte. Die Beule auf seinem Kopf war wirklich nicht zu übersehen, doch er versuchte aufzustehen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder auf seinen kleinen Beinen stand. Dann grinste er und fiel kopfüber mitten in einen Schutthaufen hinein.

"Nö," meinte Goldi, "so richtig fit ist der aber noch nicht."

 

Der Bürgermeister wurde aus dem Schutthaufen gezogen und zunächst einmal in eine Ecke gelegt. Dann machten sich die Hamster daran, den gröbsten Schutt beiseite zu räumen und die sonstigen Schäden zu beseitigen. Alles rannte geschäftig hin und her, doch am Abend waren sie noch kein Stück weiter gekommen.

Als die Nacht hereinbrach, fing es zu allem Übel auch noch an zu regnen und zu stürmen, so dass die armen Tiere froren und eine ungemütliche Nacht unter dem Sessel des Lord McShredder verbrachten. Es war so ungemütlich, dass die Hamster auf eine nächtliche Party verzichteten und statt dessen die ganze Nacht in der Ruine nach Decken oder ähnlichem suchten. Schließlich gelang es Murksel, aus einem alten Teppich ein paar Decken zu machen. Doch auch dann kehrte keine Ruhe ein, denn der Bürgermeister wanderte ständig in den Resten des alten Schlosses herum und erzählte etwas von einer Reise in den Süden. Zwischendurch fiel er in eines der zahlreichen Löcher im Fußboden und musste befreit werden. Endlich, nach einer langen und anstrengenden Nacht brach der Tag an. Als die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen in das alte Gemäuer schienen, wurden die Hamster auch wieder munter und berieten, was zu tun sei. Es war klar, dass sie nicht noch eine Nacht in dieser ungemütlichen Umgebung bleiben wollten. Der Zustand des Bürgermeisters hatte sich noch nicht gebessert, und es ging allen Hamstern inzwischen gehörig auf die Nerven, dass er ständig etwas von Sommer, Sonne, Strand faselte und jeden nach dem nächsten Reisebüro fragte. Die Nerven aller Hamster waren inzwischen reichlich strapaziert.

 

"Wenn der mich noch einmal nach dem Weg zum nächsten Reisebüro fragt, dann bekommt er eine zweite Beule!" schimpfte Flecki.

"Vielleicht würde das seinen Zustand ja bessern," antwortete Goldi, "wir könnten ja eine winzig kleine Explosion..."



Doch weiter kam er nicht. Von allen Seiten trafen ihn wütende Blicke und somit hielt Goldi es für besser, die Klappe zu halten.

"Hier bleiben können wir auch nicht," jammerte Tuffi, "ich mag nicht in Schutt und Asche leben. Das ist so ungemütlich."

"Tja," meldete sich Bauleiter Murksel, "ohne neues Baumaterial können wir nichts machen."

Betretenes Schweigen. Die Hamster zogen sich zu einer Beratung neben den Resten des Kamins zurück. Allerdings fiel ihnen wie so oft rein gar nichts ein. Schweigend standen sie nebeneinander und guckten auf den Boden. Nur der Bürgermeister war bester Laune und sang Lieder vom "weißen Strand am blauem Meer". Es musste etwas geschehen, doch was? Schließlich war es Goldi, der meinte:

"Irgendwie hat der Bürgermeister Recht!"

"Genau," stimmte Muffel zu, "der hat so einen Schaden, der findet alles gut."

"Nein," widersprach Goldi, "wir sollten uns einen wärmeren Ort suchen, denkt doch mal an den Strand von Bettyhill!"

"Genau," jubelte Tuffi, "der Bürgermeister hat bestimmt eine Eingebung und vielleicht sollten wir ihm folgen! Bestimmt ist er jetzt erleuchtet."

Alle jubelten, nur Flecki traute der Sache überhaupt nicht.

"Das ist die blödeste Idee seit Goldis Pfannkuchenmaschine. Wir werden mit diesem Erleuchteten garantiert in der Hölle landen. Oder direkt im Moor. Oder in beidem."

 

Schließlich wurde abgestimmt. Nachdem die Stimmen mehrmals ausgezählt worden waren, stand das Ergebnis fest:

14 Stimmen dafür,

2 Stimmen dagegen und

9 Stimmzettel waren aufgefressen.

 

Somit war die Sache entschieden. Es dauerte einen halben Tag, bis der Bürgermeister verstanden hatte, dass es nun ans Meer gehen sollte. Die Hamster beschlossen, ihn einfach vorweg gehen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass er den Weg finden würde. Tatsächlich marschierte der Bürgermeister fröhlich vorweg. Als sie die Straße erreichten, bliebt er stehen, sah nach links, nach rechts und dann auf den großen See vor ihnen. Dann wandte er sich nach rechts, die Hamster folgten ihm, und die Stelle, wo einst ein Schloss stand, blieb hinter ihnen zurück.

Es würde ein langer Marsch werden, da waren sich die Hamster ausnahmsweise einmal einig. Dennoch waren alle guten Mutes und sogar Flecki gab zu, dass die Entscheidung des Bürgermeisters richtig gewesen war, rechts herum zu gehen. Sie hatte sich vorher eine alte Karte, die im Schloss herumlag, genau angesehen und wusste daher, dass dieses der schnellste Weg zum Meer war. Aber ob der bescheuerte Bürgermeister nun wirklich ein Erleuchteter war, das bezweifelte sie.



Die Hamster waren bereits mehrere Stunden gelaufen, als sie vor sich ein großes, rotes Auto sahen. Es stand mitten auf dem Weg, den sie gehen wollten. Alle schauten auf den Bürgermeister und warteten, was er entscheiden würde. Doch der Erleuchtete stand nur da und grinste dämlich. Goldi stupste ihn an und flüsterte ihm leise zu:

"He, wir wäre es, wir nehmen den Wagen? Ich kann kaum noch laufen,"

"Wir nehmen den Wagen..." wiederholte der Bürgermeister grinsend, ohne dass er überhaupt begriff, was Goldi meinte. Die Hamster waren begeistert. Welch ein Anführer! Ja, das musste ein Erleuchteter sein. Jubelnd stürmten sie durch eine offene Wagentür und machten es sich bequem. Unter dem Beifahrersitz lagen ein paar Ingwerkekse. Nun war Party angesagt. Als nach wenigen Minuten jemand in den Wagen einstieg und den Motor anließ, hielten sich alle ängstlich fest, denn nun begann eine wilde Fahrt. Mit hoher Geschwindigkeit ging es über die schmale Landstraße, die Hamster purzelten kreischend durcheinander und hatten jede Menge Spaß. Nur auf der Stirn des Fahrers bildeten sich Sorgenfalten, denn die Geräusche, die sein Wagen machte, gefielen ihm nicht. "Ich muss den Wagen nächste Woche mal in die Werkstatt bringen", dachte er, "etwas ist mit der Federung nicht in Ordnung. Da quietscht etwas."

Während der Fahrer sich Sorgen machte, und die Hamster fröhlich Purzelbäume schlugen, erreichten sie einen einsamen Bahnhof. Hier war die wilde Fahrt zu Ende. Der Fahrer verließ den Wagen, und für die Hamster bedeutete es nun, weiter zu laufen. Es war inzwischen dunkel geworden und mühsam ging es hinweg über einige Bahngleise. Doch schon nach wenigen Metern legte sich der Bürgermeister einfach hin, gähnte und begann, ein Nickerchen zu machen.

"Der Erleuchtete will, dass wir hier übernachten," rief Tuffi. "Wollen wir ein Lager aufschlagen?"

Bauleiter Murksel sah sich um und sagte zufrieden:

"Unser Standort ist ideal. Wir sind genau zwischen 2 großen Stahlmauern - ich glaube, das nennt man Schienen. Da sind wir prima vor dem Wind geschützt. Auf diesen Holzbrettern, die diese Schienen verbinden, können wir es uns bequem machen. Da wird unser Fell nicht nass."

Alles schien friedlich und ruhig zu sein. Das Wetter war besser geworden und sogar die ersten Sterne waren am Abendhimmel zu sehen. Die Hamster holten ihre Decken heraus, machten es sich bequem und ruhten sich und ihre müden, kleinen Füße aus.

Ihre nächtliche Feier fiel recht kurz aus, denn der lange Weg hatte sie doch sehr erschöpft. Ihr Schlaf wurde jedoch in den frühen Morgenstunden durch ein grässliches Geräusch unterbrochen. Es klang, als würde alles um sie herum zusammenbrechen.



"Ein Ungeheuer, es will uns fressen!" schrien die Hamster und rannten auf den Holzbohlen schreiend im Kreis herum. Ein lautes Zischen und Schnaufen war überall zu hören, dann Stimmen und Kreischen von Metall. Ängstlich scharrten sich die Hamster um den immer noch grinsenden Bürgermeister und jammerten:

 

"Hilf uns, Erleuchteter, ein Ungeheuer will uns fressen!"

 

Der Bürgermeister schien zu bemerken, dass ihn alle ansahen. Für einen Moment war sein dämliches Grinsen verschwunden, dann guckte er in die Runde der verängstigen Hamster und grinste wieder breit. Die Spannung stieg, und alle warteten auf die Worte des Erleuchteten. Nachdem er 5 Minuten vor sich hin gelächelt hatte, sprach er:

 

"Wir nehmen den Wagen..."

"Ich sag es ja, komplett bescheuert ist der," rief Flecki, "wo sollen wir denn nun einen Wagen hernehmen?"

Auch die anderen Hamster wurden unruhig, doch plötzlich rief Tuffi:

"Seht doch mal, das Ungeheuer hat ja Räder!"

 

Nun bemerkten es auch die restlichen Hamster. Tatsächlich, auf den Stahlmauern standen ganz viele Räder hintereinander. Allmählich begriffen die kleinen Nager, dass über ihnen wohl doch kein Ungeheuer war. Goldi erklärte, dass es sich vielleicht um eine Eisenbahn handelte. Nun schöpften die kleinen Tiere wieder Mut. Dodo und Murksel kletterten als erste an einem der Räder hinauf. Als sie oben waren, winkten sie den anderen, ihnen zu folgen. Nach und nach kletterten sie höher und erreichten eine Plattform. Es ging noch höher auf eine weitere Plattform, und schließlich gelangten sie in ein großes Zimmer mit vielen Sitzbänken. Zwischen den Sitzbänken befand sich ein Gang.

"Der Erleuchtete hat uns richtig geführt! Er hat es gewusst!" rief Tuffi entzückt. Dann setzte sich die Eisenbahn in Bewegung.


 

Kapitel 5

Auf See

 

Das Schiff legte ab. Der Kapitän klopfte McClown auf die Schulter und sagte ihm, dass er die Koffer zum Trocknen auf die Heckseite des Schiffes bringen sollte. Der Butler verließ die Kajüte und schleppte einen Koffer nach dem anderen zum hinteren Teil des Schiffes.

"McClown, sind sie endlich fertig? Geht das nicht schneller? Schieben sie mich mal nach vorne, ich sehe nichts!"

In der Tat konnte der Lord recht wenig sehen. In der Eile hatte McClown den Rollstuhl gegen die Wand der Kajüte geschoben, so dass der Lord eben nur noch diese Wand vor sich sah.

"Eine kräftige Brise, was, Sir?" sagte der Butler, als er den Lord zum Bug schob. Dann sicherte er den Rollstuhl mit einem Hebel, damit er nicht wegrollen konnte. Beide schauten nachdenklich auf das Meer.

"Saftiges Gemüse? Was reden sie da, McClown?"



"Sir, ich meinte...," doch weiter kam der Butler nicht. Der heftige Wind blies ihm so stark in Gesicht, dass er glaubte, ersticken zu müssen. McClown hustete und hustete, während er kaum Luft bekam. Röchelnd ließ er sich auf die Schiffsplanken fallen und rang nach Luft.

"Stottern sie nicht herum, McClown, antworten sie endlich! Wo ist das Gemüse?"

"Bri...., Brise ...," weiter kam McClown nicht. Inzwischen hatten sie die Bucht von Biskaya verlassen, und die See war rauer geworden. Der Wind war nun so heftig, dass man kaum noch stehen konnte. Die Wellen waren ebenfalls höher geworden, und gerade, als McClown sich wieder aufgerappelt hatte, ergoss sich eine Woge Wasser über die Reling und warf ihn wieder um. Verzweifelt versuchte der arme Butler, sich an einem Fender festzuhalten, rutschte jedoch ab und prallte gegen den Mast. Tapfer kämpfte er gegen Wind und Wellen an, während er versuchte, den Bug zu erreichen, doch ein Tampen lag im Weg, und McClown klatschte auf die Schiffsplanken, direkt neben dem Rollstuhl des Lords.

"Hören sie auf mit ihren albernen Spielchen, McClown. Ein Butler ihres Formats spielt nicht auf dem Fußboden herum. Wenn sie schon nichts zu tun haben, könnten sie...."

Weiter kam der alte Lord nicht. Voller Wut hatte der Butler nach dem Rollstuhl getreten und traf den Hebel, der den Rollstuhl vor dem Wegrollen sicherte. Kreischend schoss Lord McShredder quer über das Schiff auf die Kabinentür zu. Dann krachte es laut und durch das Heulen des Sturms hörte McClown die laute Stimme des Kapitäns:

"Na, Durchlaucht, is' ihnen das draußen zu kalt geworden?"

An diesem Nachmittag sprachen der Lord und sein Butler nicht mehr miteinander. Dem Kapitän war es egal, denn so konnte er in Ruhe das Schiff durch die raue See steuern. Er hatte seine Pfeife angezündet und blickte hinaus aufs Meer. Dem Lord war übrigens die Tabakspfeife abhanden gekommen. Das kam dadurch, dass er sich durch den Aufenthalt an Deck einen Schnupfen zugezogen hatte, und ihm beim Niesen die Pfeife quer durch die Kajüte geflogen war. Da er mit seinem Butler aber nicht mehr sprechen wollte, konnte er ihm auch nicht sagen, dass er ihm die Pfeife aufheben sollte.

"Wusstet ihr, dass der Golf von Biskaya an einigen Stellen 5.000 Meter tief ist?" versuchte der Kapitän, die beiden aufzumuntern.

McClown schüttelte den Kopf, und der Lord krächzte: "Tatsächlich? Wir sollten McClown mal nachmessen lassen. Wann sind wir endlich da?"

"Tja," brummte der Kapitän, "das kommt darauf an, wie wir um die Scilly-Inseln herum kommen."



"Was ist denn das wieder für ein neumodischer Kram?" schimpfte McShredder.

Der Kapitän zog an seiner Pfeife, nahm sie in die Hand und erklärte:

"Die Scilly-Inseln liegen an der südwestlichen Spitze von Großbritannien. Tja, und die bestehen aus ca. 55 größeren Inseln und mehr als 90 Inselchen, insgesamt aus mehr als 140 Inseln und Felsenriffen. Nur die fünf größten sind bewohnt. Die Inselgruppe liegt ungefähr 45 km südwestlich von Land's End. Der Name "Scilly" bedeutet soviel wie "Sunny Isles". Das heißt soviel wie „sonnige Inseln“. Wegen des Golfstroms haben die Inseln sehr mildes, beinahe subtropisches Klima mit vielen Sonnentagen. Es wachsen da sogar subtropische Bäume. Da könnt ihr Kokosnüsse futtern."

"Und? Wird das gefährlich?" fragte McClown mit großen Augen.

"Also, die Kokosnüsse wohl nicht," lachte der Kapitän. "Die Scilly Inseln sind nun mal wegen der vielen Klippen und Unterwasserfelsen schon immer ein schwieriges Gewässer für die Seefahrt gewesen. Trotz der Leuchttürme, die im 19. Jahrhundert errichtet wurden, sind sie so manchem Schiff zum Verhängnis geworden. Unter ihnen war eines der größten Segelschiffe, und der Welt einziger Siebenmastschoner, die Thomas W. Lawson. Sie sank nach Strandung, Auseinanderbrechen und Kentern im Sturm im Dezember 1907. Nur zwei Mann der Besatzung überlebten. Das Schiffsunglück verursachte eine der ersten Ölkatastrophen, denn der olle Schoner fuhr als Segeltanker."

"Um Gottes Willen!" McClown war vor Schreck aufgesprungen und wollte einen Schritt auf den Kapitän zu gehen, doch da knackte es laut und verdächtig unter seinem Fuß. Die Pfeife des Lords!

Langsam kreuzten sich die Blicke von Lord und Butler, dann schrie der wütende Lord:

"Mit diesem ungehobelten Flegel von Butler will ich keine Minute länger in einem Raum sein. Kapitän, der Mann fliegt sofort über Bord oder ich verlasse die Kajüte!"

"Tja," grinste der Kapitän, "dann wünsche ich ihnen eine angenehme Nacht auf dem Deck, Durchlaucht!"

Wenig später saßen der Kapitän und McClown alleine im Ruderhaus und unterhielten sich bei Tee und Kaffee. Der Butler erklärte dem Kapitän, dass der Lord im Grunde genommen gar kein schlechter Kerl sei. Nur eben reichlich schwerhörig und halsstarrig. Die See war inzwischen ruhiger geworden, doch der Kapitän behielt seine Instrumente genau im Auge, denn sie waren nun unmittelbar bei den Scilly Inseln.

"Wat'n Glück, dat dat nich' pusten deit, mien Jung. Wenn das so bleibt, sind wir fix durch die Inselgruppen durch."

McClown nickte und beobachtete den Kapitän, wie er bedächtig das Steuerrad in den Händen hielt. Hin und wieder musste er den Kurs korrigieren, und das Schiff neigte sich dabei leicht nach Backbord oder nach Steuerbord. Bei jeder Kurskorrektur war ein merkwürdiges Poltern an Deck zu hören.

"Sach' mal, Frido," begann der Kapitän und nahm seine Pfeife aus dem Mund: "Hassu deinen Lord an Deck festgemacht?"

Hastig rannte McClown zur Tür und lief an Deck.

"Sir," hörte der Kapitän ihn rufen, "soll ich ihnen helfen?"

"Verschwinden sie, McClown, ich komme sehr gut alleine klar!"

Nachdem Lord McShredder das gerufen hatte, raste er mit seinem Rollstuhl von Backbord quer über das Schiff nach Steuerbord, denn der Kapitän hatte wieder den Kurs leicht geändert. Der Butler beobachtete mit bangem Gesicht, wie der Lord laut kreischend über das Deck schoss und gegen die Bordwand knallte.

"Sir, soll ich ihnen wirklich nicht helfen, vielleicht...."

"Verschwinden sie, McClown, ich bin kein kleines Kind, das.... aaaaah!"

 

Wieder machte das Schiff eine leichten Schlenker und wieder raste der Lord kreischend mit dem Rollstuhl auf die gegenüberliegende Bordwand zu. McClown ging kopfschüttelnd zurück zum Kapitän.

"Is 'n Dickschädel, dein Chef, was?" fragte der Kapitän und McClown nickte.

Plötzlich hellte sich das Gesicht des Butlers auf, und er grinste den Kapitän an.

"Käpt'n, darf ich auch mal steuern?"

 

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 06-10

Kapitel 6

Im Hamster-Express

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Eisenbahn mit den Hamstern an Bord fuhr durch eine traumhaft schöne Landschaft. Hohe Berge und grüne Täler wechselten einander ab. Hin und wieder begleitete ein kleiner Fluss den stampfenden Zug. Es ging über eine hohe Brücke hinweg durch eine Moorlandschaft, und die Hamster saßen an den Fenstern und staunten.

 



"Wir nehmen den Wagen...." sagte der Bürgermeister lächelnd.

Flecki nahm seine Pfote, seufzte und antwortete:

"Ist ja schon gut, Herr Bürgermeister, wir sind ja im Wagen. Schauen sie ein bisschen aus dem Fenster, es ist sehr schön da draußen."

Während der Bürgermeister die vorbeihuschende Landschaft dämlich angrinste, begannen die ersten Hamster, sich zu langweilen. Goldi hatte aus einem Nachbarwaggon eine ganze Packung Ingwerkekse geklaut, während Bauleiter Murksel zusammen mit dem Reparaturhamster Tuffi eine große Flasche über den Boden rollte.

"Das haben wir gefunden!" rief er stolz. "Das scheint irgendein Apfelsaft zu sein, jedenfalls ist da ein Apfel drauf!"

Nun war Party angesagt. Es gab die schon erwähnten Kekse und dazu das lecker schmeckende Getränk. Schade war eigentlich nur, dass die Hamster nicht wussten, dass das Getränk gar kein richtiger Apfelsaft war. Das Wort "Cidre" hatte sie auch noch nie gehört. Natürlich wusste jeder in Schottland, dass dieser Cidre ein leckeres Getränk war. Nur eben ein alkoholisches, doch das wussten die kleinen Hamster nicht. Jedenfalls noch nicht.

Eine Hamsterparty findet immer nach dem gleichen Muster statt, und das lautet: fressen, abhängen, tanzen und nochmal fressen. Der Zug hatte inzwischen Fort William weit hinter sich gelassen, und auf der linken Seite war Loch Eil in Sicht gekommen.

Ein phantastisches Bild bot sich hier dem Betrachter, doch leider bekamen die Hamster von der schönen Aussicht überhaupt nichts mit. Purzel und Tuffi versuchten, auf der leeren Cidreflasche zu tanzen und überrollten mehrere Hamster, die sich zu einem Nickerchen hingelegt hatten. Flecki knapperte an einem Ingwerkeks und sah zu, wie Goldi an der Notbremse herumturnte und zum wiederholten Male rief:

"Achtung, hier kommt Superhamster!"

Dann ließ er sich mit einem lauten Schrei fallen. Diesmal landete er jedoch nicht auf dem weichen Polster der Sitzbank, sondern es krachte laut.

"Wo is'n Superhamster geblieben?" lallte Bauleiter Murksel und hatte dabei erhebliche Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten.

"Ach, der," antwortete Flecki gelangweilt. "Superhamster ist im Aschenbecher gelandet und steckt fest."



Während der Zug weiter durch eine wunderschöne Landschaft fuhr, war es einigen Hamster gelungen, die Heizung so weit aufzudrehen, dass in dem Zugabteil fast tropische Temperaturen herrschten. Der Bürgermeister saß auf dem Gitterrost der Heizung und sang schon wieder Lieder vom heißen Strand und vom Meer. Ein paar Hamster verspürten nun Lust aufs Meer und begannen, die Klospülung der Toilette des Abteils umzuleiten. Schon nach wenigen Minuten hatte der begeisterte Bürgermeister das Meer, von dem er sang, direkt vor sich.

"Wir sind am Ziel!" rief er freudig und wollte vorsichtig eine Pfote in das Wasser tauchen. Leider kam ihm jedoch Superhamster, der sich aus dem Aschenbecher befreit hatte, dazwischen. Der Bürgermeister beugte sich gerade ein Stück vor und sah den von oben kommenden Goldi nicht. Gemeinsam klatschten sie in das Klowasser.

Nun gab es kein Halten mehr für die durchgeknallten Hamster. Einer nach dem anderen kletterte auf die Notbremse und sprang in das lauwarme Klowasser hinein. Während Flecki der kleinen Tati und dem Reparaturhamster Tuffi beibrachte, wie man aus einer Klopapierrolle ganz viele kleine Papierschnipsel macht, kam es zu einem abrupten Ende der Party.

Inzwischen waren nämlich recht viele Hamster auf die Notbremse geklettert und schaukelten dort vergnügt hin und her. Durch das Gewicht wurde nun die Notbremse ausgelöst, die Lokomotive fuhr plötzlich langsamer, und die Luft war erfüllt vom grässlichen Kreischen der Ränder. Da der Zug sich gerade in einer großen Linkskurve befand und sich somit nur mit mäßiger Geschwindigkeit bewegt hatte, kam er nach kurzer Zeit zum Stehen. Jeder Hamster, der sich nicht festhalten konnte, wurde nun entweder ins Wasser oder auf eine der Sitzbänke geschleudert. Dann war alles still. Ängstlich kletterten die Hamster auf die Fensterbänke. In der Ferne sahen sie eine große Brücke, die aus Steinen gebaut zu sein schien. Doch dann hörten sie etwas, was ihnen einen Riesenschreck einjagte: laute Stimmen, Rufen und das Getrampel von Füßen.

Nachdem die kleinen Nagetiere eine Weile im Kreis gelaufen waren und voller Panik geschrien hatten, kamen sie endlich auf die Idee, zu flüchten. Es war schließlich nicht auszudenken, was wohl passieren würde, wenn der Schaffner sie hier erwischte.

"Schnell, wir müssen aus dem Zug bevor die uns erwischen!" rief Flecki.

"Wie denn?" jammerte Tuffi. "Wo ist der Bürgermeister?"

Der Bürgermeister hatte gerade ein kleines Nickerchen gehalten und war durch den Ruck des bremsenden Zuges von der Sitzbank gefallen. Nun trieb er halb benommen im Wasser direkt auf die Toilette zu. Als er dort angekommen war, beschloss er, auch einmal aus dem Fenster zu gucken, um zu sehen, ob sie schon am Meer waren. Dabei verlor er jedoch das Gleichgewicht und fiel ins Klo. Fragend standen die anderen Hamster um die Klomuschel herum und wussten nicht so recht, was sie mit dieser Botschaft des Erleuchteten anfangen sollten.

"Das ist genial!" rief Goldi plötzlich.

Alle sahen ihn verwundert an.

"Das ist doch klar," fuhr Goldi fort. "Toiletten in Eisenbahnen haben immer eine große Öffnung nach draußen. Ich glaube, das ist so eine Art Notausgang. Man muss nur den großen Hebel dort oben drücken, und schon öffnet sich die Ausstiegsluke nach unten."

Mit Jubelgeschrei sprangen die Hamster nun einer nach dem anderen ins Klo - dem Bürgermeister hinterher. Als alle seine Freunde in der Klomuschel gelandet waren, sprang Goldi auf den großen Hebel. Dann sprang auch er seinen Freunden hinterher.

Es wurde ein sehr, sehr langer Sprung. Die Hamster hatten das Gefühl, ihr Sturz würde nie ein Ende nehmen. Sie stürzten in einen kleinen Fluss, der sich von Norden her durch ein Tal namens Glen Finnan schlängelte.



Halbtot vor Angst waren sie in das Wasser gestürzt, doch das eiskalte Wasser machte sie sofort wieder hellwach. Sie waren nun wirklich keine guten Schwimmer, doch sie hatten Glück. Da es in den letzten Tagen viel geregnet hatte, trieben viele Baumreste in dem Fluss, und somit konnten sich die Hamster an dem Treibholz festhalten.

Sie trieben Richtung Westen, durch das Loch Shiel, immer weiter, bis sie in dunkler Nacht Shiel Bridge erreichten. Dort kletterten sie völlig ausgemergelt und halb verhungert aus dem Wasser und schauten auf eine lang gestreckte, flache Brücke.

"Sehr toll, das hat Spaß gemacht, Erleuchteter," schimpfte Flecki, "und was nun?"

"Wir nehmen den Wagen...." sagte der Bürgermeister lächelnd.


 

Kapitel 7

Auf See II

 

Der Kutter mit dem Kapitän und seinen Passagieren hatte vor wenigen Stunden die Insel mit dem Namen Isle of Man passiert. Ein wunderschöner Anblick, wenn da nicht das ständige Gemecker des Lords gewesen wäre. Inzwischen hatte er sich jedoch etwas beruhigt, denn die letzte Nacht hatte bei ihm Spuren hinterlassen. Er verfluchte seine Dickköpfigkeit, die ihm eine äußerst ungemütliche Nacht auf dem Deck beschert hatte. Wenigstens hatte sein Butler die Tabakspfeife notdürftig zusammengeklebt und Lord McShredder genoss die Aussicht auf dem Deck. In der Ferne kam Land in Sicht.

"He, ist das da vorne Land? Sind wir endlich da?" rief er und stieg aus seinem Rollstuhl, um besser sehen zu können.

"Noch nicht ganz," antwortete der Kapitän, "das ist Islay.1 Es ist die südlichste Insel der Inneren Hebriden. Gleich dahinter kommt Jura. Tja, Herrschaften, da würde ich gerne wohnen."

"Wieso?" riefen Lord und Butler wie aus einem Munde.



 

Der Kapitän nahm die Pfeife aus dem Mund.

"Wisst ihr, Jungs, für so'n ollen Schipper ist dat n' scheunen Platz. Abseits aller Touristenpfade. Wusstet ihr, dass diese beiden Inseln nur 5 Minuten mit dem Schiff voneinander entfernt liegen und dabei doch total unterschiedlich sind? Jura ist eine wilde, ungezähmte Insel. Nur 200 Menschen leben dort - ansonsten ist die Insel völlig unbewohnt. Dort gibt es nur eine Straße, aber dafür einen schneeweißen Sandstrand. Wusstet ihr beiden, dass George Orwell dort sein Meisterwerk, das berühmte Buch "1984" geschrieben hat?"

Lord und Butler schüttelten die Köpfe und so fuhr der Kapitän fort.

"Die Insel Islay ist dagegen vergleichsweise lieblich und war einst die wichtigste aller schottischen Inseln. Von hier aus herrschten die Häuptlinge von Clan Donald über ein Königreich, das die Hebriden und das gesamte westliche Hochland einschloss. Islay war auch ein wichtiges Zentrum des frühen Christentums, davon habt ihr doch bestimmt schon gehört, oder?"

Lord und Butler schüttelten wieder die Köpfe, und so fuhr der Kapitän fort.

"Tja, und danach werden wir uns Mull nähern, das ist die größte der Inneren Hebriden. Sie liegt unmittelbar vor der schottischen Westküste. Dabei fahren wir dicht an der Insel Staffa vorbei. Da sind kleine Quarzitberge und die Zeichen früherer vulkanischer Aktivität zu sehen. Basaltsäulen gibt es dort und die prachtvolle Höhle Fingal's Cave gilt als geologisches Weltwunder. Und auch hier ist ein Meisterwerk geschrieben worden, nämlich der Komponist Mendelssohn Bartholdy2 hat hier die Idee zu seiner Hebriden Ouvertüre bekommen, die kennt ihr doch, oder?"

Lord und Butler schüttelten erneut die Köpfe und Lord McShredder krächzte leise:

"Mit leeren Magen kann man ja nicht denken, und wenn man nicht denken kann, dann kann man auch nichts wissen."

"Sir, wir haben gebackene Bohnen, die werde ich lecker zubereiten," schlug der Butler vor und rannte zur Kajüte.

"Häh," grübelte der Lord, "nacktes Wohnen wird er beim Bäcker zureiten? Dieser McClown wird immer verrückter."

Wenig später saßen alle in der Kombüse und schaufelten halb verhungert die Bohnen in sich hinein. Seeluft macht Appetit, doch Frido McClown hatte ein Problem. Während er noch vor wenigen Minuten die Bohnen zubereitet hatte, hatte er wieder an seine kleinen, niedlichen Freunde gedacht. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem die Hamster das erste Mal Bohnen gegessen hatten, und wie anschließend die Luft im Schloss nicht mehr zum Atmen taugte. Während er diesen Gedanken nachhing, vermisste er seinen Lappen, mit dem er den schmutzigen Herd gereinigt hatte. Seitdem war nun dieser dreckige Lappen nicht mehr aufgetaucht, und der Butler befürchtete das Schlimmste, als der Lord plötzlich während des Essens hustete und ihn ansah:



"Köstlich McClown, wirklich köstlich. Das war eine gute Idee mit der Frikadelle. Allerdings finde ich sie etwas zu scharf gewürzt!"

Der Kapitän konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und als das Essen beendet war, sprach er:

"Nu' sünd wi an Mull vo'bi, weet ji dat?"

Lord und Butler schüttelten die Köpfe und der Kapitän ergriff das Wort:

"Der kleine Fleck da Achtern war Staffa, das bedeutet, wir nähern uns dem Ende der Reise. Wenn wir ans Festland wollen, bleibt uns nur noch die Möglichkeit, auf der Halbinsel Ardnamurchan zu landen. Das liegt auf der gleichen Höhe wie Killichonan, und es ist nicht weit entfernt von eurem Schloss."

"Dann werden wir zu Fuß weiter gehen?" fragte McClown entsetzt und dachte daran, dass er den meckernden Lord schieben und die Koffer auch noch irgendwie befördern musste.

"Tja, dichter ran kann ich mit meinem Kutter nicht gehen, da sind zu viele Fähren und ich kenne deren Fahrpläne nicht. Deshalb werden wir an der Nordspitze landen. Aber die Halbinsel wird euch gefallen, denn dieser abgelegene Teil der Highlands hat eine Fülle spannender Landschaften. Da gibt es den 'Singenden Sand' von Gortenfern, es gibt uralte Ruinen von Schlössern wie Castle Tioram, und..."

Der Kapitän machte ein bedeutungsschwere Pause.

"Es gibt dort Vulkane."

Der Lord und sein Butler starrten den Kapitän mit offenen Mündern an.

"Jawohl, meine Herrschaften, Vulkane. Ben Hiant, den man über das Landesinnere umrunden muss, ist so ein alter Vulkan. MacLean's Nase, die Klippe bei Kilchoan ist sozusagen nur noch das Innere des Vulkans, der Kegel selbst ist mit der Zeit erodiert. Hier und da wird das vulkanische Gestein durchzogen von Mineralien, von Blei, Kupfer, Strontium und Halbedelsteinen. Edelsteine, meine Herren! Tja, Autos gibt es da kaum, aber Fähren gibt es jede Menge, auch nach Mull. Im Sommer gibt es sogar eine Autofähre zwischen Kilchoan und Tobermory."

Während nun alle schweigend dasaßen, sah McClown etwas Helles in Fahrtrichtung.

"Käpt'n," rief er aufgeregt, "das sieht ja aus wie der Strand von Bettyhill!"

 

Der Kapitän nahm seine Pfeife aus dem Mund und lachte.

"Tja, aber nur fast, lieber Frido. Dieser ist eine ganze Ecke größer und schöner. Meine Herrschaften, wir sind am Ziel. Willkommen in Sanna Bay!"

1 (ausgesprochen: Eila)

2 (geboren in Hamburg, lebte von 1809-1847)


 

Kapitel 8

Kilchoan

 

"Wir nehmen den Wagen?" Flecki war kurz davor, durchzudrehen.

"Herr Bürgermeister, darf ich sie darauf aufmerksam machen, dass weit und breit keine Straße, geschweige denn irgend ein Wagen vorhanden ist? Es ist stockdunkle Nacht und alle Menschen schlafen jetzt! Also, Herr Bürgermeister?"

Der Bürgermeister grinste und guckte die Sterne an.

"Wir nehmen den Wagen..."


"Argrrrr, ich haue ihm die Glocke vom Hals! Der ist doch komplett durchgeknallt!" schrie Flecki und wollte sich über den grinsenden Bürgermeister hermachen, doch Bauleiter Murksel und Reparaturhamster Tuffi konnten die tobende Flecki festhalten.

"Vielleicht verstehen wir ihn falsch," überlegte Tuffi. "Er denkt bestimmt auf einer ganz anderen Ebene als wir."

"Das stimmt," lachte Goldi. "Erinnert ihr euch noch an seine Weihnachtsrede, nachdem er den Weihnachtsbaum an die Birne bekommen hatte?"

"Hi, hi, " gluckste Flecki, "und als die Gulaschkanone ihn in die Erde versenkt hatte..."

Der Bürgermeister glotzte weiterhin die Sterne an und grinste dämlich.

"Möchte wissen, was der da oben so toll findet," wunderte sich Purzel. "Da ist doch bestimmt kein Wagen."

"Höchstens der große Wagen," sagte Goldi und lachte wieder. "Vielleicht können wir ihn mit einer Rakete dorthin schicken."

"Der große Wagen?" rief Tuffi aufgeregt. "Aber das ist es doch! Wir müssen dem großen Wagen folgen. Der Erleuchtete nennt uns die Himmelsrichtung, in die wir gehen müssen!"

 



Nun folgte eine kurze Diskussion innerhalb der Hamsterschar. Es wurde beschlossen, lieber einem blöden Plan zu folgen, als gar keinen Plan zu haben.

Auf ihrem Weg in westlicher Richtung waren die Hamster froh, endlich wieder auf trockenem Gelände zu sein. Es war recht angenehm, auf dieser Strecke zu laufen, denn sie war wenig befahren. Die Hauptstraße verlief nun in südlicher Richtung, und der große Wagen leuchtete am westlichen Teil des Himmels.

"Wenn die Straße nicht bald eine Rechtskurve macht, landen wir nie am Meer," jammerte Dodo.

"Stimmt," sagte Flecki, "jedenfalls folgen wir auf diesem Weg nicht dem bekloppten Wagen. Wo sind wir überhaupt?"

"Ich glaube, auf dem Ortschild stand etwas wie El Caracha,1 oder so ähnlich," meinte Dodo.

Es war recht kühl in dieser Nacht, und zu allem Übel gesellte sich ein feiner Regen dazu. Die Hauptstraße machte noch immer keine Anstalten, endlich nach rechts abzubiegen, also bogen die Hamster an der nächsten Seitenstraße rechts ab, und nach ein paar Hundert Metern sahen sie ein Gebäude auf der rechten Seite des Weges. Beim Näherkommen entpuppte es sich als eine Kirche. 4 Fenster und ein winziger Turm, nicht viel größer als ein Schornstein, das war alles, was diese kleine, graue Kirche zu bieten hatte. Den Hamstern war es egal, sie fanden schnell einen kleinen Eingang und waren froh, im Trockenen zu sein. Es war kalt und unheimlich, doch draußen war es noch kälter und unheimlicher.



Die Nacht war kurz und wenig erholsam, denn der Bürgermeister hatte mehrfach Lieder von Sonne und Strand angestimmt.

"Wenn wir nicht bald am Strand sind, drehe ich durch." Doch nicht nur Flecki war sauer auf den Bürgermeister. Alle hatten Ränder unter den Augen und hätten den Bürgermeister am liebsten mit einer Kanone in Richtung Meer geschossen.

"Wir brauchen dringend etwas zum Essen," bemerkte Goldi, "wir haben seit einer Stunde nichts mehr gegessen."

"Weil du Vielfraß alles aufgesogen hast, was noch da war," schimpfte Flecki. "Nun können wir zusehen, wo wir bleiben."

Die Lage war ernst. Außer Torfmoos und Wellengräsern gab es nichts, und Heather, wie das schottische Heidekraut genannt wird, mochten die Hamster überhaupt nicht.

Guter Rat war nun teuer, und nach einer kurzen Besprechung fassten die Hamster den Entschluss, zurück zur Hauptstraße zu gehen. Schließlich war da ja eine kleine Stadt, und wo eine Stadt ist, gibt es auch etwas zu fressen. Nur dem Bürgermeister passte dieser Plan nicht, er schrie laut, dass er ans Meer wolle. Schließlich packten ihn Murksel und Dodo bei den Hinterpfoten und schleiften ihn mit. Dadurch dauerte es natürlich etwas länger, bis sie den Ort erreicht hatten.

"Und nun?" Flecki sah sich um. "Da vorne sind ein paar kleine Geschäfte, doch Geld haben wir nicht."

"Wir könnten einen Überfall machen," schlug Goldi vor. "Das ist nur Mundraub und wird nicht so hart bestraft."



"Wirklich toll," spottete Flecki, "und wie wollen wir mit unseren kurzen Pfoten so schnell wegkommen?"

"Wir nehmen den Wagen..."

"Klappe, Bürgermeister!" schrie Flecki und rannte kreischend im Kreis herum. "Ich drehe gleich durch, wenn der Kerl noch ein Wort sagt."

"Na ja," meldete sich Purzel, "da vorne steht ein Lieferwagen, aber einen Raubüberfall mache auch ich nicht mit."

"Wie wäre es, wir arbeiten mal zur Abwechselung?" meldete sich nun Reparaturhamster Tuffi.

Dieser Vorschlag wurde mit Begeisterung angenommen, obwohl keiner der Hamster auch nur die geringste Ahnung davon hatte, wie sie mit Arbeit Geld oder Futter verdienen sollten. Nun musste eine Entscheidung getroffen werden, in welchem der Geschäfte sie ihre Arbeitskraft anbieten sollten. Bauleiter Murksel schlug vor, es in dem kleinen Laden für Ersatzteile zu versuchen. Flecki und Tuffi waren für den Blumenladen, Goldi für den Bäcker und der Bürgermeister für Sonne, Meer und Strand. Die Mehrheit war für Goldis Vorschlag, und da er den Vorschlag gemacht hatte, sollte er auch das Bewerbungsgespräch führen.

"Wenn es nicht klappt, dann nehmen wir Plan B." sagte Goldi mit fester Stimme.

"Plan B?" fragte Flecki.

"Plan B," bestätigte Goldi. "Wir klauen ein Stück Kuchen und verschwinden.“

So betraten sie den Bäckerladen, während sie den immer noch heftig protestierenden Bürgermeister hinter sich herschleiften. Es war nicht einfach, die schwere Eingangstür mit vereinten Kräften aufzuschieben. Als sie auch das geschafft hatten, erklang das helle Geräusch einer Glocke, und eine ältere Dame trat hinter den Verkaufstresen. Zunächst blickte sie verwundert auf die Tür, die sich wie von Geisterhand öffnete, doch dann fiel ihr Blick auf den Boden. Erstaunt richtete sie ihre Brille zurecht und betrachtete die Hamster.

"Ach, wie niedlich! Was wollt ihr denn hier?"

Flecki schubste Goldi vor den Verkaufstresen.

Da stand Goldi nun vor der Verkäuferin und versuchte sich an die Worte erinnern, die Elfriede2 ihm vor langer Zeit einmal beigebracht hatte. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Was, wenn die nette Verkäuferin ihn fragte, welche Arbeit die Hamster denn machen könnten? Nix, würde er zugeben müssen. Also, gleich Plan B? Nein, es war unmöglich, auf den Tresen zu springen und den Kuchen zu nehmen. Da hatte Goldi die rettende Idee. Mit riesig großen Kulleraugen trat er dicht vor die Verkäuferin und zeigte auf seinen Bauch. Dazu gab er ein leises, klagendes Fiepen von sich und zeigte immer wieder auf seinen hungrigen Magen. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten.



"Oh je, du armes, armes, kleines, süßes Tierchen! Hunger hast du also! Komm her, ich gebe dir etwas."

Der Verkäuferin standen die Tränen in den Augen. Sie nahm ein paar Stücke Kuchen und verteilte sie großzügig unter die Hamster, wobei Goldi natürlich das größte Stück erhielt. Dann kraulte sie den kauenden Goldi und hielt anschließend die Tür ihres Ladens auf, als die Hamster mit dem Kuchen das Weite suchten.

"Alle Achtung, wenn es ums Fressen geht, bist du unschlagbar," sagte Flecki zu Goldi, als sie wieder auf der Hauptstraße waren.

Somit hatten die Hamster wieder ein Problem glänzend gelöst, doch da tauchte schon das nächste auf. Der Himmel war in der letzten Stunde recht dunkel geworden, und nun fielen die ersten dicken Regentropfen.

"Wollen wir jetzt in den Wagen?" fragte Tuffi.

Dieses Mal gab es keine langen Diskussionen, und einer nach dem anderen kletterte schnell auf die überdachte Ladefläche. Der Regen prasselte auf die Plane des Lieferwagens, während die Hamster im Trockenen saßen und Kuchen futterten. Es war urgemütlich hier drinnen, und als auch der letzte Krümel vertilgt war, fiel ein Hamster nach dem anderen in den Schlaf.

Das Prasseln des Regen hatte schon lange aufgehört, als die schlafenden Hamster unsanft aus dem Schlaf gerissen wurden.

"Eflih, ein Erdbeben, Kinap!" tönten die Schreie der Hamster,

"Ruhe bewahren," rief Bauleiter Murksel, "ihr wisst doch, was ihr bei Gefahr zu tun habt!"

Sofort begannen die Hamster kreischend im Kreis zu laufen. Was das Laufen betrifft, hatten sie allerdings beträchtliche Schwierigkeiten, denn der Boden unter ihren kleinen Pfoten rüttelte und bewegte sich heftig. Immer wieder fielen die kleinen Tiere kreuz und quer übereinander, bis sie endlich auf die Idee kamen, herauszufinden, was denn überhaupt los war.

"Der Lieferwagen ist einfach losgefahren!" rief Tuffi entsetzt.

"Hö, hö," grinste der Bürgermeister, "wir nehmen den Wagen... Sommer, Sonne, Strand, da wo ich die Sonnenblumenkerne fand..."

"Wo mögen wir hinfahren?" fragte Tuffi und spähte durch einen Riss in der Plane nach draußen. "He, da ist ein Schild. Ich glaube da steht Kilchoan drauf."

Jetzt waren die Hamster nicht mehr zu halten, und jeder versuchte, einen kleinen Riss in der Plane zu finden um hinaus zu schauen. Eine phantastische Landschaft war dort draußen. In der Ferne war ein hoher Berg zu sehen, der wie ein Vulkan aussah. Zur anderen Seite war das Meer zu sehen. Rumpelnd und polternd fuhr der Lastwagen an einem Schild vorbei, auf dem der Name Sanna stand, bis er urplötzlich zum Stehen kam.

 



Vorsichtig lugten die Hamster unter der Plane hervor. Sie befanden sich auf einem kleinen Parkplatz. Der Fahrer stieg aus und lief in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dort befand sich eine Telefonzelle. Ein kleiner Fluss war zu erkennen, er schien direkt zum Meer zu führen. Dünen und Seegras waren zu sehen. Nun gab es kein Halten mehr für die Hamster, sie liefen, so schnell ihre kleinen Pfoten sie trugen, durch die Dünen. Als letzter folgte der grinsende Bürgermeister, der mal wieder ein Lied vom Meeresstrand grölte. Als sie den Strand erreichten, ließen sie sich erschöpft in den warmen, sauberen Strand fallen und guckten neugierig auf das Meer. In der Ferne näherte sich ein Schiff.

1 (Acharacle)

2 (siehe Band II, Hamster, Hexen und Australien)


 

Kapitel 9

McClown dreht durch

 

Lord McShredder war außer sich vor Wut, während McClown versuchte, ihn zu beruhigen.

 

"Sir, darf ich sie darauf hinweisen, dass es nicht meine Schuld war, dass ihre Pfeife ins Wasser gefallen ist?“ rief McClown und hatte erhebliche Mühe, dem Fender auszuweichen, den der Lord nach ihm geschleudert hatte.

 

Der Kapitän stand hinter dem Steuerrad und schüttelte den Kopf. Noch vor wenigen Minuten hatte der Lord aufgeregt am Bug gestanden und Anweisungen gegeben, wie das Schiff zu steuern sei. Der Kapitän hatte die Anweisungen einer solchen Landratte schlichtweg ignoriert, und als McClown dem Lord zurief, er solle den Kapitän bei der Landung nicht stören, pöbelte McShredder los. Dabei war ihm allerdings die Pfeife aus dem Mund gefallen.

"Es ist alles ihre Schuld McClown, also holen sie gefälligst meine Pfeife aus dem Wasser!“

"Aber, Sir, hier gibt es vielleicht Ungeheuer!“ jammerte der Butler.

"Ach was,“ lachte der Kapitän, "hier gibt es höchstens Wale, Delphine oder Orkas. Doch nun, Herrschaften, festhalten. Wir legen an!"

 

Die Hamster waren auf das, was sich da auf dem näherkommenden Schiff abspielte, aufmerksam geworden. Sie standen auf ihren kleinen Hinterpfoten und reckten ihre Hälse, so weit es ging, in die Luft. Ihre Barthaare zitterten vor Aufregung und ihre Knopfaugen starrten auf das, was sich dort abspielte. Sie sahen zwei Männer, einen jüngeren und einen älteren, die beide bis zu den Hüften im Wasser standen. Der ältere versuchte, den jüngeren zu verprügeln, was allerdings misslang, da der jüngere zum Strand hin flüchtete. Das Schiff ankerte etwa 30 Meter vor dem Strand, und der Kapitän setzte ein kleines Beiboot aus, in das er die mitgenommenen Koffer warf.

Der Butler Frido McClown erreichte keuchend den Strand von Sanna Bay, ließ sich erschöpft in den Sand fallen und schloss die Augen. Er empfand ein tiefes Glücksgefühl, endlich wieder in Schottland zu sein. Ganz, ganz weit in der Ferne hörte er die zeternde Stimme seines Herren und ahnte, dass sich nun der Lord mit dem Kapitän über die Höhe der Fahrtkosten unterhielt.

"Du kanns' dien Kuffer in Scilly Islands afholen, wenn du mi nich betolst!" hörte der Butler die feste Stimme des Kapitäns und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bestimmt würde der Kapitän mit dem knauserigen Lord spielend fertig werden, und ..."

"Ollah!"1



McClown riss die Augen auf und drehte seinen Kopf ganz, ganz langsam zur Seite. Es dauerte einige Sekunden, bis er begriff. Hamster? Aber wie und woher, wieso waren hier Hamster am Strand? Noch dazu ganz gewisse Hamster, die doch eigentlich gar nicht hier sein durften? Alles um den Butler herum schien sich zu drehen, das Meer, der Strand, die Dünen und irgendwo ein Lord, der neben einem Beiboot im Wasser stand und seinen Namen rief. Der überglückliche Butler nahm sich den ersten besten Hamster, hob ihn hoch und tanzte mit ihm über den feinen Sand, während sein Herz jubelte. Dann setzte er den Hamster ab.

 

"Ich komme gleich wieder," sagte er und lief zum Lord, um ihm zu helfen, das Boot mit den Koffern an Land zu ziehen.

"Und ich könnte kotzen," schimpfte Flecki, "mir ist ganz schlecht von diesem blöden Karussell fahren."

"Und ich fürchte, wir haben ein Problem," meinte Goldi. "Die kommen aus dem Urlaub zurück oder so. Die wissen noch nicht, dass ihr Schloss zu einer Tiefgarage umgebaut wurde."

"Der alte Lord wird uns das Fell über die Ohren ziehen, wenn er das raus kriegt," fürchtete Purzel.

"Am besten, wir stellen uns doof," schlug Goldi vor.

"Oder noch besser wäre," meldete sich Flecki, "wir lassen den Bürgermeister für uns sprechen. Wozu ist er denn Bürgermeister?"

 

Dieser Vorschlag wurde begeistert angenommen. Natürlich würde Lord McShredder die Hamster nicht selber fragen, dazu war er zu schwerhörig. Außerdem beherrschte er die hamstische Sprache nicht, also würde sein Butler für beide Seiten den Übersetzer spielen. Im schlimmsten Falle würde daher der Butler die Schläge kriegen, und der war es ja schließlich gewohnt. Nun waren die Hamster etwas erleichterter, und es dauerte nicht lange, bis Lord McShredder den Strand erreicht hatte und sie entdeckte.

 

"McClown, hier sind Ratten am Strand!"

"Sir, mit Verlaub, das sind Hamster!"

"Na, schön, McClown. Sehen sie mal zu, dass sie die Koffer und meinen Rollstuhl an Land kriegen, und dann hätte ich gerne eine Tasse Tee," krächzte der Lord und setzt sich mitten zwischen die Hamster. Dann nahm er seine Pfeife heraus, warf sie in den Sand und begann, umständlich nach seinem Feuerzeug zu suchen.

"Toidi!"2 schrie Goldi und sprang schnell zur Seite, bevor die Pfeife ihn erwischte.



"Das schreit nach Rache," schimpfte Dodo. Goldi nickte, lief ein Stück auf die Dünen zu und riss ein paar Gräser aus. Dann lief er um den Lord herum, der noch immer sein Feuerzeug suchte, und stopfte die feuchten Gräser in die Tabakspfeife. Zu guter Letzt setzte er sich auf den Kopf der Tabakspfeife und ließ den Gräsern noch schnell ein paar Hamsterködel folgen.

Inzwischen hatte der Butler alle Koffer auf den Rollstuhl gelegt und an Land geschoben. Nun legte er sich erschöpft in den Sand. Der Lord hatte mittlerweile sein Feuerzeug gefunden und wollte gerade nach seiner Pfeife greifen, als er die ersten Tropfen eines beginnenden Regens auf seinem Gesicht spürte.

 

"Sir, wir sollten zusehen, dass wir ins Trockene kommen," gab sein Butler zu bedenken und zeigte auf den Himmel. "Dort braut sich ein Gewitter zusammen."

"Selbstverständlich, McClown. Also setzen sie mich in meinen Rollstuhl und sehen sie zu, dass sie Land gewinnen!"

"Sir, wie sollen wir die Koffer..." begann der Butler, doch der Lord unterbrach ihn.

"Schnick-Schnack, McClown, sie sind immer nur am Jammern. Selbstverständlich helfe ich ihnen beim Tragen der Koffer. Ich nehme einen Koffer auf den Schoß und sie den Rest. So schwer kann das doch nicht sein."

Verärgert klemmte der Butler sich 4 Koffer - jeweils zwei auf jeder Seite - unter die Arme und schob so gut es ging den Lord durch den tiefen Sand.

"Geht das nicht etwas schneller, McClown? Wollen sie, dass ich nass werde?"

"Nun, Sir," ächzte McClown, der unter der Last der Koffer und der Schwierigkeit, einen beladenen Rollstuhl durch den Sand zu schieben, fast zusammenbrach, "wenn sie bitte kurz einmal aufstehen würden, Sir, dann ginge es besser."

"Aufstehen? Ich? McClown, sie sind ein fauler Sack. Sie geben sich keine Mühe!"

Die Hamster, die der Unterhaltung interessiert zugehört hatten, waren stehen geblieben. So, wie auch der Butler jetzt stehen geblieben war. Sein Gesicht war knallrot vor Wut und Anstrengung, und seine Augen waren weit geöffnet.

"Ich glaube, jetzt geht es los," sagte Flecki. "Wir sollten es uns gemütlich machen und zugucken."

 

Dann ging alles blitzschnell. Der Rollstuhl mit dem Lord schien plötzlich über den riefen Sand zu fliegen. Mit aller Kraft schob der wütende Butler den Lord samt seinem Gefährt hinauf auf die nächste Düne. Auf der Kuppe stoppte er abrupt, und der Lord flog kreischend durch die Luft. Dann nahm Frido McClown einen Koffer und schleuderte ihn nach seinem Herrn. Der erste Koffer ging noch knapp an dessen Kopf vorbei, doch schon der nächste traf den flüchtenden Lord an der Schulter. Laut kreischend und ohne eine Spur von adeligem Benehmen rannte Lord McShredder um sein Leben.

 

"Ich gebe mir Mühe, Sir," brüllte Frido McClown, "sehen sie nicht, wie ich mir Mühe geben, ihre dämliche Birne zu treffen?" und rannte hinter dem Lord her.

Die Hamster ihrerseits gaben sich Mühe, mit ihren kleinen Beinen dem rasenden Tempo zu folgen. Begeistert verfolgten sie, wie der Butler fast mühelos die schweren Koffer nach dem Lord warf.

"Schnell, auf die Düne, da können wir besser zugucken," rief Flecki, während sich der Lord in seiner Not in der Telefonzelle beim Parkplatz versteckte.

"Kommen sie raus und kämpfen sie wie ein Mann," brüllte der Butler und schleuderte weiterhin einen Koffer nach dem anderen auf die Telefonzelle. Bei jedem Treffer wackelte sie bedenklich, während sich der Lord mit ängstlichem Gesicht von Innen gegen die Tür stemmte und sie zudrückte.

"Komm raus, du Feigling," grölte McClown, doch der Lord dachte nicht daran.



Die Hamster genossen das Schauspiel von der Düne aus. Sie beobachteten, wie der Butler sich auf einen der Koffer setzte, um einen Moment nach Luft zu schnappen.

"Können wir dem netten Mann nicht helfen?" fragte Tuffi.

"Genau," sagte Goldi, "schließlich hat uns dieser Butler schon oft Futter gegeben. Aber wie können wir helfen?"

"Wir nehmen den Wagen..."

Die Hamster sahen den grinsenden Bürgermeister an und befürchteten, dass er nun ganz durchgeknallt war.

"Den Wagen? Aber natürlich," rief Tuffi, "der Erleuchtete hat Recht. Seht doch, da steht der Wagen!"

Nun begriffen auch die restlichen Hamster. Der Rollstuhl! Mit lautem "Uhuj"3 kletterten sie alle auf den Rollstuhl und schaukelten hin und her. Ganz langsam neigte sich der Stuhl. Genau in diesem Moment nutzte Lord McShredder die Waffenpause dazu, sich mit zitternden Händen seine Pfeife anzuzünden. Eine kleine Beruhigung würde ihm gut tun, so dachte er. Hastig sog er an dem Mundstück der Pfeife, während er beobachtete, wie sein Butler Frido McClown die Koffer einsammelte, um einen neuen Angriff gegen ihn und die Telefonzelle zu starten. Dann sah er noch etwas. Etwas, was ihn noch mehr beunruhigte. Sein Rollstuhl kam wie von Geisterhand gesteuert die Düne herabgeschossen - genau auf seine Telefonzelle zu! Auch der Butler sah, was als Nächstes kommen würde und grinste. Das fröhliche Fiepen der Hamster war inzwischen in Panik umgeschlagen, als sie die Telefonzelle samt McShredder auf sich zukommen sahen.

 

"Abspringen, schnell abspringen!" schrie Bauleiter Murksel, und ein Hamster nach dem anderen hüpfte vom rasenden Rollstuhl herunter und landete im weichen Dünensand. Nur der Bürgermeister blieb gemütlich auf dem gepolsterten Sitz des dahinrasenden Fahrzeugs und grölte ein Lied vom 'Strand und Meer'.

 

Inzwischen hatte Lord McShredder ein weiteres gewaltiges Problem: sein Magen spielte verrückt und alles in seinem Kopf schien sich zu drehen. Ihm war, als kreisten Tausende von Koffern um seinen Kopf, und seine Knie waren weich wie Pudding. Ob sein Tabak schlecht geworden war? Er spukte die Pfeife aus, stützte sich mit beiden Händen an der Glasscheibe der Telefonzelle ab und sah den rasenden Rollstuhl auf sich zu kommen. Dann geschahen zwei Dinge kurz hintereinander. Als erstes übergab sich der Lord, und die Innenseite der Glastür wurde mit einem Schwall grünen Schleims bedeckt. Dann knallte der Rollstuhl an die Telefonzelle, der Bürgermeister flog vom Sitz und klatschte gegen die Außenseite der Glastür. Ganz langsam rutschte er nun die Glasscheibe hinunter, während sich McShredder auf der anderen Seite der Scheibe wieder und wieder übergab. Schließlich brach mit einem lauten Scheppern die Telefonzelle in sich zusammen. Unter dem Jubel der Hamster setzte Frido McClown nun seinen Beschuss mit den Koffern fort. Der Bürgermeister hatte sich inzwischen unter den Rollstuhl gerettet. Sein dümmliches Grinsen war nach dem Klatscher an die Scheibe verschwunden, und er jammerte leise. Gerade hatte der Butler unter dem Jubel der Hamster einen besonders guten Treffer in den Nacken des sich übergebenden Lords gelandet, als dieser mit gurgelnder Stimme rief:

"Gnade, McClown, Gnade!" Der Lord übergab sich erneut. "Sie können die Koffer auf dem Rollstuhl befördern, ich gehe zu Fuß!"

"Schön, Sir, dass das geklärt ist," erwiderte der Butler und ging zur zerschmetterten Telefonzelle. Dann hob er den Türgriff mit dem Rest dessen, was einst eine Tür war, hoch und sprach:

"Bitte, Sir, nach ihnen".

1 (Hamstisch: Hallo)

2 (Hamstisch: Idiot)

3 (Hamstisch: Juhu)


 

Kapitel 10

Übernachtung

 

Der Regen war inzwischen heftiger geworden. Mensch und Tier sehnten sich nach einem trockenen, warmen Plätzchen. Besonders Lord McShredder sehnte sich nach einer Dusche und einer Tasse Tee. Letzteres, um seinen Magen zu beruhigen. Das ungewohnte Gehen bereitete ihm zusätzliche Probleme. Auf ihrem Weg entlang der Küste erreichten sie den kleinen Ort Portuairk. Zu ihrer großen Freude fanden sie eine kleine Teestube, ein gemütliches, kleines Häuschen mit Schieferdach und einem recht großen Schornstein. Drinnen war es urgemütlich und durch das Fenster war das Meer zu sehen.

"Willkommen im Hause McHubble," begrüßte sie ein alter Mann. Er trug einen Kilt, stützte sich auf einen Stock und sah die Neuankömmlinge scharf an. Besonders genau musterte er Lord McShredder, der wirklich keinen vorteilhaften Anblick bot.

"Hat hier jemand den Namen McHubble erwähnt?" krähte der Lord.

"Sir, wenn ich etwas sagen dürfte," mischte sich der Butler ein.

"Ruhe, McClown, das ist meine Sache!" fauchte der Lord und wandte sich dem Wirt zu.

Die Hamster waren in der Zwischenzeit auf einen der Tische gesprungen. Dort lagen ein paar Reste alter Brotkrumen, und nachdem sich jeder etwas genommen hatte, machten sie es sich bequem und betrachteten neugierig, was nun passierte. Lord McShredder hatte sich von seinem Stuhl erhoben. Reste von grünen Schleim tropften von seinen Kleidern auf den Holzfußboden, sein Gesicht war blass und die Haare total zerzaust, doch seine Streitlust schien wieder geweckt worden zu sein. Er trat vor den Wirt.

"Wo ist mein Schaf, das du mir neulich gestohlen hast, du Lump?"1

"Sir, wenn ich zu bedenken geben dürfte, das war 1935, und das Schaf ist bestimmt schon lange..."



"McClown, ich weiß, wann das war! Das ändert nichts an der Tatsache, dass McHubble ein elender Dieb ist!"

Der Lord wandte sich wieder an den Wirt.

"Also, McHubble, du Lump, wo ist es?"

"Ein Dieb? Du wagst es, einen McHubble einen Dieb zu nennen? Es war mein Schaf und es hat sich auf deinem Grund und Boden verlaufen. Ich habe es mir nur wiedergeholt!"

"Wiedergeholt? Gestohlen hast du es, du elender Schurke!" kreischte McShredder.

Sein Butler hatte es sich inzwischen gemütlich gemacht, saß zusammen mit den Hamstern am Tisch und lauschte der Diskussion zwischen McShredder und McHubble. Zwischendurch gelang es dem Butler, beim Wirt eine Tasse Kakao und recht viele Kekse für sich und die Hamster zu bestellen. Während McHubble in die Küche ging und das Gewünschte brachte, stritt er sich lautstark mit dem Lord. Frido McClown und die Hamster waren begeistert, denn sie hatten zu essen, zu trinken und dazu lautstarke Unterhaltung. Nachdem es nach einer halben Stunde immer noch keine Ergebnisse innerhalb der Diskussion gab, rief der Lord: "McClown, wir gehen! In diesem Haus bleibe ich keine Minute länger!"

"In Ordnung, Sir," entgegnete der Butler kauend und steckte schnell die letzten Kekse ein, die die Hamster übrig gelassen hatten. Dann wandte er sich an McHubble.

"Was schulden wir ihnen, Sir?"

"Nichts! Ich nehme kein Geld, das aus dem Hause McShredder stammt!"

Somit verließen sie das kleine Haus und machten sich auf den Weg. Frido McClown und die Hamster waren satt und guter Dinge, lediglich Lord McShredder wirkte müde und hungrig.

"McClown, wir sollten irgendwo einkehren, wir könnten eine Kleinigkeit gebrauchen."

"Sir, wenn ich zu bedenken geben dürfte," antwortete der immer noch kauende Butler, "dass wir erstens nicht sonderlich hungrig sind, und zweitens der nächste Stopp in Kilchoan vorgesehen ist."

"Ist das noch weit?" stöhnte der Lord.

"Nicht sehr weit," antwortete der Butler, und sein Blick fiel auf die schlafenden Hamster. Er hatte die müden Tierchen in einen der Koffer auf dem Rollstuhl gesetzt und zwar in den mit der sauberen Unterwäsche des Lords. Zwischen Kofferklappe und Koffer hatte er eine Socke des Lords gesteckt, damit die Hamster genug Luft bekamen. Zufrieden betrachtete Frido McClown, wie seine kleinen Freunde sich unter die Wäsche kuschelten und schliefen.

 


Sie hatten den kleinen Ort Archnaha schon lange hinter sich gelassen und erreichten eine kleine Brücke. Zu ihrer linken war eine Bergkette und ihrer rechten Seite befand sich ein Wald. Nach drei weiteren Meilen hatten sie Kilchoan erreicht und steuerten direkt auf eine Herberge zu, in der sie übernachten wollten. Der Lord war auf den letzten Metern leider zusammengebrochen und daher hatte McClown ihn ausnahmsweise auf die Koffer gelegt. Er schob den Rollstuhl vor die Rezeption und drückte auf eine Klingel, die sich dort auf dem Tresen befand. Nach einer Minute erschien eine recht energisch aussehende, dicke Frau und musterte erst den Butler und dann das, was sich auf dem Rollstuhl befand.

"Das ist hier keine Müllabfuhr, Sir. Wenn sie ein Zimmer möchten, müssen sie das da vor der Tür lassen."

"Das da, gnädige Frau," sagte der Butler mit ruhiger Stimme, "ist der Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness und zugleich Herzog von Spanien."

"Was sie nicht sagen," entgegnete die dicke Frau, "wann hat er denn mit dem Seeungeheuer gekämpft? Gerade eben?"

Die dicke Frau stellte sich als Mrs McMyer vor und zeigte dem Butler den Weg zur Unterkunft. Sie erklärte ihm, dass es um diese späte Uhrzeit kein warmes Essen gäbe, bot ihm aber an, ein paar belegte Brote zu schmieren. Dankend nahm der Butler an und brachte erst die Hamster samt Koffer und dann den Lord in das Zimmer. Wenig später erschien Mrs McMyer und brachte die versprochenen Brote. Nachdem er eines der Brote gegessen hatte, legte er den Hamstern ebenfalls ein belegtes Brot in den Koffer und ein weiteres neben den schlafenden Lord. Dann legt auch er sich schlafen, doch schon nach kurzer Zeit wurde er aus seinen Träumen gerissen.

"McClown, was ist das für ein Lärm?" Der Lord stand neben seinem Bett und schaute fragend auf die Koffer.

"Nun, Sir, das, äh, sind die Hamster. Es sind Nachttiere, wissen sie, sozusagen nachtaktiv,äh, besonders in der Nacht."

"Das höre ich, McClown. Schieben sie diese Partygesellschaft bitte umgehend vor die Tür!"

Seufzend nahm McClown den Koffer und trug ihn vor die Tür ihres Zimmers. In der Zwischenzeit nahm der Lord endlich ein Duschbad. Der Butler legte sich auf das Bett und aß ein belegtes Brot. Zu allem Überfluss fing der Lord unter der Dusche an zu singen, während die Hamster lautstark ihre Party vor der Zimmertür feierten. Einige der Partyteilnehmer waren aus dem Koffer geklettert und sahen sich in der kleinen Pension um. Unten, in der Eingangshalle, befand sich ein Kamin. Flecki und Tuffi stellten fest, dass sich aus den Brennholz eine prima Wippe machen ließ. Goldi und Bauleiter Murksel hingegen bauten eine Rampe, mit der man prima Holzscheite durch die Eingangshalle schießen konnte. Es war ganz einfach: auf die eine Seite der Rampe wurde ein Holzscheit gelegt, auf die andere wurde zu zweit aufgesprungen, und schon flog der Holzscheit in hohem Bogen durch den Raum. Natürlich erwischte es hin und wieder einen der anderen Hamster, aber das tat der guten Stimmung keine Abbruch. Dodo und Purzel war es sogar gelungen, die Tür der großen Pendeluhr zu öffnen, und nun schaukelten sie fröhlich am Pendel hin und her. Der Bürgermeister, der noch immer nicht ganz klar im Kopfe war, stand neben der Klingel auf dem Empfangstresen. Er war von Goldi als Schiedsrichter eingesetzt worden. Seine Aufgabe bestand darin, jedes Mal eine Pfote in die Luft zu heben, wenn ein Holzscheit die Klingel traf.

"Wozu soll denn der Bürgermeister jedes Mal anzeigen, wenn Du getroffen hast? Das hörst du doch!" fragte Flecki.



"Na ja," druckste Goldi, "aber es quiekt immer so nett, wenn ich den Bürgermeister treffe."

Der Butler bekam von all dem nichts mit. Er schnarchte zufrieden vor sich hin. Währenddessen beschloss der Lord, mangels Seife seine Duschsitzung zu beenden. Zwei Stück Seife waren ihm bereits abhanden gekommen, wobei das eine im Abfluss feststeckte und dafür sorgte, dass das Wasser mittlerweile über den Rand der Duschwanne geschwappt war. Das wäre alles nicht passiert, wenn sein Butler seine verzweifelten Rufe gehört hätte. Doch der schlief tief und fest. Inzwischen lief das übergeschwappte Wasser bereits unter der Zimmertür hindurch bis auf den Flur. Von dort aus fand es weiter seinen Weg die Treppe hinunter, wo es von den feiernden Hamstern jubelnd als neue Abwechselung begrüßt wurde. Nun war Wildwasserfahrt angesagt, wobei jeder Hamster einen kleinen Holzscheit nahm und sich in die Fluten stürzte.

Mrs McMyer schlief unruhig. Das tat sie immer, wenn sich neue Gäste in ihrem Hause befanden. Schon mehrfach hatte sie in dieser Nacht merkwürdige Geräusche gehört, und ein paar Mal war ihr, als hätte jemand die Klingel an der Rezeption betätigt. Zudem war da noch ein plätscherndes Geräusch, das sie sich nicht erklären konnte. Da sie ohnehin nicht mehr einschlafen konnte, beschloss sie, nach dem Rechten zu sehen.

Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie sich der kleinen Eingangshalle näherte, und die merkwürdigen Geräusche lauter wurden. Es klang wie leises "Uhuj!"; zwischendurch war Quieken und das Geräusch der Klingel zu hören. Mit klopfenden Herzen und unbändiger Wut im Bauch blieb sie stehen. Sie hörte das Plätschern des Wassers direkt vor sich - doch da war plötzlich noch ein Geräusch. Es war ein lautes Geräusch, dass alle anderen übertönte. Ein lautes "Hilfe, McClown!" war zu hören, gefolgt von einem noch lauteren Krachen.

Was Mrs McMyer natürlich nicht wissen konnte, war, dass Lord McShredder soeben das zweite verlorene Stück Seife wiedergefunden hatte. Als er nämlich aus der Dusche stieg, trat er genau auf eben dieses Stück Seife und schoss mit dem eben erwähnten Hilfeschrei durch die Tür. Die Tür gab zwangsläufig nach, und der Lord setzte seine Reise über die Treppe bis nach unten fort. Mrs McMyer erreicht in diesem Moment den Ort des Geschehens und traute ihren Augen nicht. Badende Hamster! Ein nackter Lord kam mit einem Schwall Wasser die Treppe herunter gerutscht! Eben flog auch noch ein Holzscheit dicht an ihrem Kopf vorbei! Mrs McMyer holte tief Luft. Dann schrie sie so laut, dass sogar Frido McClown aus dem Schlaf gerissen wurde.

"Raus! Sofort!"

Wenige Minuten später standen Lord McShredder mit seinem Butler samt Gepäck auf der Straße. Aus den Koffern drang das leise Schnarchen der Hamster. Lord McShredder atmete die klare Nachtluft ein und reckte seine Glieder.



"Ausgezeichnet, mein lieber McClown, die herrliche Nachtluft wird uns gut tun. Wir werden auch nicht weit laufen müssen, denn dieses Gebiet kenne ich wie meine Westentasche. In dieser Richtung liegt Mingary Castle, dort werden wir übernachten."

 

1 (siehe Band III "Hamster in Gefahr“)

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 11-15

 

Kapitel 11
Im Vulkan


Schweigend ging es durch die dunkle Nacht. Sie kamen an einer kleinen Kirche vorbei und erreichten schließlich den Ortsausgang.

 

"Hier muss es gleich sein," krächzte der Lord, als sie einen kleinen Fluss passierten.

Drei Meilen später waren sie immer noch nicht am Ziel.

"Wie ihre Westentasche, Sir, nicht wahr, Sir?" knurrte McClown.

Der Lord antwortete nicht, sondern hielt seinen Blick starr nach rechts gerichtet.

"Hier muss es sein, McClown, ich habe es ja gleich gewusst. Ein alter Pfadfinder wie ich findet sein Ziel sogar nachts. Oder im Nebel. Manchmal sogar nachts im Nebel. Folgen sie mir, McClown!"

Der Weg wurde beschwerlicher und es ging steil bergauf.

"Sir, sind sie sicher, dass wir auf einen Berg steigen müssen?"

"Unsinn, McClown, hier gibt es keine Zwerge, das sind alles Märchen!"

"B-e-r-g, Sir!"

"Nein, McClown, auch auf Bergen gibt es keine Zwerge. Aber wissen sie was, McClown? Mingary Castle liegt hinter einer kleinen Anhöhe, also sind wir ganz bestimmt auf dem richtigen Weg."

 

Während der Butler schweigend den Rollstuhl mit den Koffern schob, wachten die Hamster durch die laute Unterhaltung auf. Vorsichtig spähten sie aus der Öffnung des Koffer hinaus in die dunkle Nacht. Direkt vor ihnen sahen sie einen hohen Berg, der sich bis in den Himmel zu erheben schien. Ängstlich verkrochen sie sich wieder zwischen der Unterwäsche, während das Keuchen von Lord und Butler immer lauter wurde.

"Sir, könnte es sein, dass wir uns verlaufen haben?"

"Ausgeschlossen, McClown, ich kenne das Gebiet hier wie meine Westentasche. Wir müssen gleich da sein."



Nach einer weiteren Stunde steilen Anstiegs wurde das Gelände schlagartig flach. Der Himmel war bedeckt, so dass keine Sterne leuchteten und kein Mond ihnen den Weg weisen konnten. Nur Stille und Dunkelheit umgaben sie. Nirgendwo war ein Licht oder sonst ein Zeichen von Häusern zu sehen, geschweige denn, von Mingary Castle. Lord und Butler hielten sich beide am Rollstuhl fest, während sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen.

"Sir, ist es noch weit bis Mingary Castle?"

Es dauerte eine Weile, bis der Lord antwortete.

"Mein lieber McClown, sie sind einfach viel zu ungeduldig. Vielleicht hat sich in den letzten Jahren der Straßenverlauf geringfügig geändert. Allerdings, wenn ich das Gebiet nicht so gut kennen würde, könnte man glatt meinen, wir sind auf dem Ben Hiant."

"Ben Hiant, Sir?"

"Ein alter Vulkan, McClown. Wer da hineinstürzt, sieht das Tageslicht nie wieder."

Lord und Butler blieben plötzlich erschrocken stehen und sahen einander an, so gut es jedenfalls in dieser Dunkelheit ging. Dann kippte der Rollstuhl nach vorne, und schreiend fielen die beiden hinterher. Aus einem der Koffer war ein leises "Uhuj!" zu hören, dann war alles still.

Es dauerte eine Weile, dann war aus dem Dunkeln eine wütende Stimme zu hören.

"Wie ihre Westentasche, Sir? Wie ihre Westentasche, Sir? Waren das ihre Worte?"

"Man kann sich ja mal irren! Hören sie auf mich zu treten, McClown, man tritt keine alten Leute!"

Der Butler versuchte, sich zu beruhigen und klar zu denken. Sie waren abgestürzt, also galt es zunächst, die Schäden und Verletzungen zu überprüfen. Nach einigem Suchen fand er den Koffer mit den Hamstern und stellte fest, dass alle wohlauf waren. Dann half er Lord McShredder auf die Beine.

"Wo mögen wir sein?" überlegte er laut.

"Wir sind im Inneren des Vulkans Ben Hiant," krähte der Lord. "Ich kenne das hier wie meine W...., ich meine, ich bin ziemlich sicher."

"Dann sind wir wohl verloren," murmelte der Butler und setzte sich auf den kalten Boden. Er überlegte lange, dann stand er wieder auf und begann, an den Felswänden zu schnüffeln.

"McClown, sind sie komplett übergeschnappt?"

"Nein, Sir, ich suche Fumarolen."

"Wie können sie jetzt ans Essen denken, während ich hier in der Kälte sitze?"

"Fumarolen sind Öffnungen, Sir, aus denen vulkanische Gase an die Oberfläche dringen. Das habe ich mal in einem Buch gelesen. Meine Überlegung, Sir, ist die folgende: wenn wir solch eine Gasquelle anzünden, wird es vielleicht weithin sichtbar sein. Dann wird man uns finden. Solange es dunkel ist, kann man selbst ein Streichholz über weite Strecken erkennen, also müssen wir schnell handeln."

Der Lord holte seine Pfeife heraus, und nachdem er sie umständlich gereinigt und neu gestopft hatte, zündete er sie an. Er lauschte dem klagenden Fiepen der Hamster, die schon wieder hungrig waren. Währenddessen war der Butler fündig geworden.

"Gas, eindeutig Gas," rief er und lief zu den Koffern und begann, einen nach dem anderen zu durchwühlen. Zwischendurch durchsuchte er seine Hosentaschen, dann wieder die Koffer, und schließlich gab er entnervt auf.

"Wir haben die Streichhölzer an Bord gelassen, Sir."

Er sah Lord McShredder hoffnungsvoll an.

"Oder haben sie, Sir, Streichhölzer dabei?"

"Nein, McClown, ich habe auch keine Streichhölzer."



Die Antwort des Lords schien den Butler in tiefe Ratlosigkeit zu stürzen. Er begann, den Boden zu untersuchen. Stein für Stein hob er auf und schlug sie aneinander, doch nach einigen Versuchen gab er enttäuscht auf und setzte sich hin.

"Wenn wir wenigstens Feuersteine hätten, Sir, dann könnten wir damit Funken machen und das Gas entzünden."

Der Lord nickte verständnisvoll und zog an seiner Pfeife. Dann setzte tiefes Schweigen ein, nur das Scharren der hungrigen Hamster auf der Suche nach Nahrung war zu hören. Nach etwa einer halben Stunde Schweigen ertönte eine krächzende Stimme:

"Ich verstehe ja nichts von diesen Formularen, oder wie die heißen, McClown, aber könnten wir vielleicht mein Feuerzeug nehmen? He, McClown, warum rammen sie ihren Kopf gegen die Felswand?"

Nachdem der Butler sich wieder beruhigt hatte, nahm er das Feuerzeug und untersuchte die Felswände noch einmal. Dann holte der aus einem der Koffer eine alte Zeitung, zerknüllte sie und überlegte.



"Sir, es ist besser, wenn sie und die Hamster sich im hinteren Teil dieser Höhle verstecken. Es könnte recht heiß werden."

Tatsächlich wirkte der Schlund des Vulkans wie eine runde Höhle. Es war, als säße man in einem umgedrehten Eimer, nur dass oben eine Öffnung war. Hin und wieder war das Funkeln der Sterne zu sehen, anscheinend war Wind aufgekommen und hatte die Wolken vertrieben. An einer Stelle der Höhle jedoch war eine große Nische in der Wand, und dort hatten die Hamster es sich bereits gemütlich gemacht.

McClown untersuchte den Rollstuhl und zu seiner großen Freude war er zwar zerkratzt, ansonsten aber völlig intakt. Der Butler nahm die Hamster und setzte sie vorsichtig in ihren Übernachtungskoffer. Dann legte er die Koffer wieder auf den Rollstuhl, schob ihn vor die Nische und ging dorthin, wo die zerknüllte Zeitung lag. Mit dem Feuerzeug zündete er nun das Papier an, legte es dorthin, wo das Gas aus der Wand trat und ging mit schnellen Schritten zur Nische zurück. Dort setzte er sich neben den Lord. Gespannt verfolgten sie, wie die Flammen immer höher stiegen. Mit einem Fauchen entzündete sich das Gas und es wurde taghell in der Höhle. Es war ein phantastischer Anblick, und der Plan des Butler schien zu funktionieren, doch dann geschah etwas Unerwartetes. Mit einem weiteren Fauchen schoss eine zweite Feuersäule aus der Wand, dann eine dritte.. , eine vierte, bis die ganze Höhle in Flammen zu stehen schien.

"Recht heiß, McClown, was?" tönte die ängstliche Stimme des Lords. "Wir werden gekocht wie Porridge!"

"Sir, da waren mehr Fumarolen als ich dachte. Wir müssen hier raus!"

Verzweifelt hämmerte der Butler mit den Fäusten an die Wand, die sich hinter ihnen befand. Allerdings schien die Wand nicht sonderlich dick zu sein, denn es klang, als wäre sie an dieser Stelle nur wenige Zentimeter dick. Auch der Lord hatte das bemerkt und half dem Butler, gegen die Wand zu treten oder mit den Fäusten zu schlagen. Es wurde immer heißer und die Luft dünner, Gesteinsbrocken fielen aus dem Vulkankegel herab; der ganze Vulkan schien zu brennen. Lord und Butler schwitzen und keuchten und trommelten verzweifelt gegen die Wand. Dann gab die Wand nach, und ein schwarzes Loch gähnte sie an. McClown packte den Lord und legte ihn auf die Koffer. Dann gab der dem Rollstuhl einen Tritt und sprang in die Dunkelheit. Hinter sich hörte er noch das Brüllen der Flammen und das Zusammenstürzen des Vulkans. Dann hörte er gar nichts mehr.


 

 

Kapitel 12

MacLean’s Nose

 

"McClown, wo haben sie mein Feuerzeug gelassen?"

 

Die Stimme schien von weit aus der Ferne zu kommen. Langsam öffnete der Butler die Augen und setzte sich aufrecht hin. Sein Kopf dröhnte und seine Kehle schien wie zugeschnürt. Er hustete und rang nach Luft. Dann sah er Lord McShredder und den Rollstuhl mit den Koffern. Aus einem der Koffer schauten zu seiner grenzenlosen Freude die Hamster neugierig heraus. Ihre Barthaare zitterten und sie schienen nach wie vor hungrig zu sein. Aber warum war es so hell? Dort, wo der Lord saß, war deutlich ein Gang zu sehen, der steil nach unten führte. Der Butler drehte sich um und erschrak. Nicht weit von ihnen entfernt sah er eine Feuersbrunst, die den Vulkan zu verbrennen schien. Genau dort, wo sie sich eben noch befunden hatten! Dann war da noch etwas.... Seine Hose! Seine Hose brannte! Frido McClown sprang auf und klopfte schreiend die Flammen an seinem Hintern aus.

"McClown, hören sie endlich mit ihrem blöden Herumgehopse auf. Ich habe ihnen eine Frage gestellt!"



Der Butler griff in die angesengelte Hosentasche, zog das Feuerzeug hervor und schleuderte es in Richtung Lord. Der kreischte laut auf und fiel rückwärts in den dunklen Gang. Erschrocken sah McClown auf, starrte ins Dunkle und lauschte. Er hörte Jammern und Klagen, Poltern und Rumpeln und immer wieder laute Hilfeschreie. Nach und nach erstarben die Geräusche, und Minuten später war nichts mehr zu hören außer dem den Fauchen des nahen Feuers. Ein paar Hamster waren aus dem Koffer gestiegen und guckten neugierig in den dunklen Gang.

"Nun, meine lieben Freunde," wandte sich der Butler an die Hamster, "wie gut, dass Lord McShredder schon vorgegangen ist, um den Gang zu erkunden. Scheinbar geht es recht steil abwärts, wir müssen uns also gut festhalten."

Begeistert kletterten die Tierchen wieder in den Koffer.

"Alles festhalten," grölte Goldi, "jetzt kommt 'ne Achterbahn!"

Es wurde höchste Zeit, denn langsam näherte sich von der Feuerseite her ein Rinnsal aus geschmolzenen Gestein.

"Festhalten!" schrie der Butler und sprang auf den Rollstuhl. Dann schossen Hamster und Butler auf ihrem Gefährt durch eine enge Höhle. Hin und wieder prallten sie links und rechts an eine Wand, Funken sprühten, McClown schrie, und die Hamster jubelten. Der Rollstuhl schoss steil abwärts, raste durch eine lang gestreckte Linkskurve und ging in eine scharfe Rechtskurve über. Plötzlich ging es steil nach oben, kurz darauf war alles still, keine Poltern der Räder war zu hören, und sie schienen für einen Moment zu schweben.

"Festhalten!" schrie McClown wieder, dann setzte der Rollstuhl krachend auf und schoss durch die Finsternis. Die Jubelschreie der begeisterten Hamster waren auf einmal lauter geworden, und als McClown sich verwundert umdrehte, erkannte er den Grund. Sie hatten bei der rasenden Fahrt eines der Räder verloren und zogen nun eine Funken sprühende Spur hinter sich her.

"Ihr kleinen Schwachköpfe," schimpfte der Butler, "das ist überhaupt nicht lustig! Wir werden alle draufgehen!"

Es wäre besser gewesen, Frido McClown hätte seine Augen nach vorne gerichtet. Flecki jedenfalls hatte die Gefahr erkannt, fuchtelte mit ihren Pfoten und zeigte nach vorne, auf etwas, was sich sehr schnell näherte.

"Nichts da," rief ihr der Butler zu, "es gibt nichts zu Fressen, da kannst du noch so lange betteln, du kleines, verfressenes..."

Weiter kam McClown nicht. Ein herab hängender Tropfstein, auch Stalaktit genannt, erwischte ihn am Kopf und ließ denselben auf einen der Koffer klatschen. Die Hamster sahen mit großen Augen, wie der Butler stöhnend den Kopf hob. Er hatte Glück gehabt. Sehr großes Glück sogar, denn er war weich in der Schmutzwäsche gelandet. Dann fing Tuffi an, laut zu lachen und zeigte auf den Butler. Der begriff überhaupt nichts mehr. Sein Kopf schmerzte, ihm war schwindelig und er sah keckernde Hamster vor sich. Dann nahm er einen merkwürdigen,ekelhaften Geruch wahr und übergab sich fast. Er befühlte seinen Kopf und stellte fest, dass er sich eine dicke Beule eingehandelt hatte. Die Hamster kugelten sich vor Lachen und Frido McClown tastete weiter vom Hinterkopf bis hin zu seiner Stirn. Er fühlte Stoff und griff danach. Verschwommen erkannte er die stinkende Unterhose von Lord McShredder, drehte sich schnell von den Hamster weg und erbrach sich in Fahrtrichtung. Das war dumm, sehr dumm sogar, denn durch den starken Fahrtwind bekam er die ganze Ladung wieder ins Gesicht. Angewidert warf er die ekelige Unterhose weg und hielt sich krampfhaft am Rahmen des Rollstuhls fest, denn nun folgte erneut eine scharfe Kurve. Dann krachte es, Staub wirbelte auf und sowohl Hamster, als auch Koffer und Butler flogen in hohem Bogen durch die Luft. Es klatschte laut, und die wilde Fahrt war zu Ende.

"Schön, dass sie endlich kommen, McClown", tönte eine krächzende Stimme aus der Dunkelheit. "Holen sie doch gleich einmal eine Kerze aus dem Gepäck!"



Wenige Minuten später saßen sie im Schein der Kerze beisammen und überprüften ihre Lage. Der Gang hatte sich zu einem kleinen Saal verbreitert. Sie hatten zwar nichts zu essen, doch wenigstens hatten sie genug zu trinken, denn durch das herabtropfende Wasser hatte sich ein kleiner See gebildet. Nicht weit von der Stelle, an der sie saßen, führte der Gang weiter. Der Rollstuhl war jedoch beschädigt und das bedeutete, dass sie die Koffer nun selber tragen mussten. Keiner hatte auch nur eine entfernte Ahnung, wie weit es noch bis an die Erdoberfläche war. Falls sie überhaupt jemals wieder ans Tageslicht kommen würden. Plötzlich hob der Butler den Kopf und lauschte.

"Sir, ich höre ein Geräusch aus der Richtung, aus der wir gekommen sind. Rettung ist nah!"

Er lief zurück zum Gang und begann zu rufen. Niemand antwortete, doch das Geräusch wurde lauter. Sogar Lord McShredder hörte es jetzt.

"Hierher," brüllte McClown, "hier sind wir!"

"Irgendwie erinnert mich das Geräusch an etwas," krähte der Lord, "ich komme bloß nicht mehr darauf..."

Der Butler rief und rief, das Geräusch wurde lauter und lauter. Die Hamster hatten sich wieder in ihrem Koffer verkrochen, so, als ahnten sie die nächste Katastrophe. Dann knallte es laut, ein Schmerzensschrei und ein Gurgeln war zu hören, dann war alles still.

"Nun ist es mir wieder eingefallen, McClown. Das klang wie ein Rad von meinem Rollstuhl. Schön, dass jetzt alle Räder wieder beisammen sind, nicht wahr?"



Nach über einer Stunde war das Rad wieder am Rollstuhl befestigt, und die Reise konnte weitergehen. Auch McClown ging es nun wieder besser und konnte schmerzfrei atmen, nachdem ihm das verloren gegangene Rad mit voller Wucht in den Magen geflogen war. Alle waren froh, dass der weitere Verlauf des Weges nur wenig abschüssig war, so dass sie gefahrlos vorwärts kamen.

"Wo führen die uns jetzt bloß wieder hin?" schimpfte Flecki und warf einen Blick auf den Bürgermeister. Doch der sagte nichts. Überhaupt hatte er schon sehr lange nichts mehr gesagt. Nach seiner Bekanntschaft mit der Telefonzelle wusste er nicht mehr, was eigentlich los war. Ein paar Male hatten jemand ihn mit "Erleuchteter" angeredet, doch er hatte keine Ahnung, wieso und warum. Als Flecki ihn nun anblickte, hatte er das Gefühl, als müsse er eine Erklärung abgeben.

"Nun, äh," begann er unsicher. "Aufgrund der gegebenen Tatsachen hinsichtlich der mir vorhandenen Erkenntnisse kann ich diese Frage nur eindeutig dahingehend beantworten, dass die näheren Umstände nicht außer acht gelassen werden sollten. Dieses ist ein unumstößliche Tatsache, auf die von mir schon mehrfach hingewiesen wurde. Des weiteren..."

"Hurra," rief Flecki und stupste Goldi an. "Er ist wieder der alte!"

Nach und nach hatte es auch der letzte Hamster mitbekommen, und vor lauter Aufregung merkten die kleinen Tierchen gar nicht, dass es inzwischen heller geworden war.

"Prächtig, prächtig, mein lieber McClown. Wir sind in MacLean’s Nose angekommen. Ich kenne dieses Gebiet wie meine Westentasche!"


 

 

Kapitel 13

Die Küche ist geschlossen

 

Auf ihrem Weg in östlicher Richtung kamen unsere Freunde gut voran. Die Sonne hatte inzwischen die Nacht verscheucht, und sogar der Butler pfiff fröhlich ein Lied. Sie befanden sich auf einer schmalen Straße, die links und rechts durch eine meterhohe Mauer begrenzt war.

"Wissen sie, McClown, es ist wirklich schade, dass wir Mingary Castle nicht gesehen haben. Es ist ein imposantes Bauwerk. Ah, sehen sie dort vorne den großen roten Stein? Das ist Cladh Chirain, hier wurde der heilige St. Chiarain begraben."

"Oh, Sir, geschah das kürzlich? In den Zeitungen stand nichts davon."

"Nun, McClown, das war im Jahre 549. Vielleicht sollten sie sich in Glenmore ein wenig bilden, dort ist ein Museum für Naturgeschichte. Übrigens werden wir schon in wenigen Minuten dort sein."

Neben dem Monument machten sie eine kurze Pause. Der Butler holte eine trockene Scheibe Brot aus der Tasche, zerbröselte sie und verteilte alles unter die Hamster. Bis auf eine kleinere Klopperei teilten sich die Tierchen die Brosamen friedlich und zogen sich auf einen Verdauungsschlaf in den Koffer zurück. Der Lord hatte in der Zwischenzeit die Gegend genau betrachtet und sich entschieden, dem Straßenverlauf zur linken Seite zu folgen, um den kürzesten Weg in die nächste Stadt zu nehmen.

Einige Stunden später befanden sie sich mitten in einem Wald.



"Sir, könnte es sein, dass wir wieder im Landesinneren sind?"

Der Lord sagte nichts, sondern betrachtete ein paar Pilze am Waldboden. Der kleine Weg, dem sie bisher gefolgt waren, war in den letzten Minuten immer schmaler geworden und endete an dieser Stelle. Vorsichtig schob McClown den Rollstuhl durch matschiges, unwegsames Gelände. Links und rechts von ihnen befanden sich ein paar kleinere Seen. Mühsam überquerten sie einen winzigen Fluss und kurz darauf hatten sie den Wald wieder hinter sich gelassen.

"Netter Wald, Sir, da kommen einem die wenigen Minuten doch fast wie einige Stunden vor."

Der Lord sagte immer noch nichts, sondern blickte stur geradeaus. Es war eine wunderschöne Gegend, die sie durchwanderten, jedoch wollte bei keinem der beiden eine echte Begeisterung darüber aufkommen. Ein unwegsames, steiniges Gelände lag vor ihnen. Wenigstens blieb der Rollstuhl nun nicht mehr stecken und es ging etwas schneller voran. Zwischendurch konnten sie von einer Anhöhe aus das Meer sehen. Stunden später kamen ein paar Häuser in Sicht.

"Sir, ein Ortsschild, irgendetwas mit einem G am Anfang.."

"Glenmore, mein lieber McClown, Glenmore. Wie ich schon sagte, es konnte nicht mehr weit sein. Ein alter Pfadfinder findet eben immer sein Ziel"

Nach einigen weiteren Minuten stand der Butler vor dem Ortsschild.

"Das ist Gortenfern, Sir Pfadfinder. Vielleicht sollten wir uns eine Karte besorgen."

"Reden sie keinen Unsinn, McClown, wir sollten uns jetzt eine Unterkunft für die Nacht suchen."

Der Lord hatte Recht, denn die Sonne versank langsam am Horizont. Schweren Schrittes näherten sie sich einem Gasthaus. Der Butler nahm den Koffer mit den Hamstern, öffnete die Tür und ließ Lord McShredder den Vortritt. Das Gasthaus war leer, und sie setzten sich an den nächstbesten Tisch.

"Willkommen im Hause McPhee, meine Herren," ertönte eine tiefe Stimme. Schlurfend näherte sich ein alter Mann. Sein langer Bart gab ihm ein recht wildes Aussehen, und seine Augen blitzen sie interessiert und neugierig an. Er nahm einen Stuhl und schob ihn an den Tisch. Dann setzte er sich umständlich und sprach:

"Willkommen in Gortenfern, was so viel wie das 'Kornfeld der Ähren' bedeutet."


"Wir hätten gerne etwas zu essen," begann der Butler.

"Natürlich," sprach Mr McPhee. "Sicherlich kommt ihr aus Kilmory, nicht wahr? Kilmory bedeutet übrigens Kirche der heiligen Mary, interessant, wie?"

"Nein, Sir," entgegnete McClown, "wir kommen aus Killichonan und sind am Verhungern."

"Hochinteressant, hochinteressant," entgegnete McPhee und kratzte sich aufgeregt am Kopf. "Das klingt so ähnlich wie Kilchoan, findet ihr nicht auch? Übrigens bedeutet Kilchoan so viel wie Kirche von St. Congan."

"Sir, wir haben seit unserer Landung in Sanna Bay kaum etwas gegessen und würden wirklich gerne..."

"Sanna Bay?" unterbrach McPhee ihn. "Sanna bedeutet sandig, hättet ihr das gedacht? Bei uns in Gortenfern gibt es sogar singenden Sand, ist das nicht interessant?"

"Sicher Sir, doch zunächst würden wir gerne etwas essen, denn..."

"Wart ihr schon in Ockle oder in Swordle?"

"Nein, Sir, wir würden gerne etwas essen!"

Die Stimme des Butlers war nun lauter geworden. Im Hintergrund war das klagende Fiepen der hungrigen Hamster zu hören. Selbst der Lord rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her.

"Nun, Ockle bedeutet hoch, und Swordle bedeutet Feld voller Gräser..."

"Essen, essen! Wir wollen was zu essen haben!" grölte McClown den Wirt an.

"Moment, Sir," entgegnete der, "wussten sie schon, was Acharacle bedeutet? Das heißt eigentlich Ath Tharachail und bedeutet ..."

Weiter kam Mr McPhee nicht, denn Frido McClown hatte sich auf ihn gestürzt. Polternd stürzten sie mit dem Stuhl nach hinten. Der Butler hatte den Wirt am Bart gepackt und brüllte ihn an, dass er endlich etwas zu essen haben wolle.

"Essen, Sir," ächzte Mr McPhee und versuchte, sich zu befreien, "Essen gibt es Heute nicht. Mittwochs ist die Küche geschlossen."

Butler und Lord sahen einander an. Die Hamster, die eben noch jubelnd McClown angefeuert hatten, waren verstummt. Die Worte des Wirts lagen schwer wie Blei in der Luft. Es war still in dem kleinen Gasthaus. Eine Fliege zog einsam ihre Kreise durch den Raum. Ganz langsam erhob sich Frido McClown. Das Blut hämmerte durch seine Schläfen und sein Magen knurrte. Sein Blick fiel auf den Tresen. Säuberlich nebeneinander standen dort ein paar Gläser. Davor standen mehrere Barhocker in Reih und Glied. Hinter dem Tresen befand sich eine Vitrine mit Flaschen. Daneben war eine Tür mit der Aufschrift "Küche". Die Buchstaben schienen vor seinen Augen zu tanzen und er glaubte zu sehen, dass der Buchstabe 'K' ihn hämisch angrinste.

Schreiend rannte der Butler zum Tresen, ergriff den nächsten besten Barhocker, und drosch auf das Schild ein.

"Dir wird dein blödes Grinsen schon vergehen," brüllte er und hieb weiter auf das Schild ein. Schon zeigte sich die ersten Risse in der Tür, als der Hocker zerbrach. Wütend lief McClown um den Tresen herum und nahm den nächsten Barhocker. Schon war er wieder auf dem Weg zur Küchentür, als sein Blick auf die Gläser fiel.

"Euch werde ich es zeigen, was es heißt, einen Frido McClown dämlich anzugrinsen," keuchte er und fegte mit einem gezielten Schlag sämtliche Gläser vom Tresen. Dann machte er sich wieder über die Tür her.

"Haben sie ihren Butler schon lange?" fragte Mr McPhee den Lord.


"Bange? Nein mir ist nicht bange," antwortete McShredder. "Dieser McClown benimmt sich manchmal wie ein Bauer, aber ansonsten ist er ein liebenswerter Mensch."

Der liebenswerte Mensch hatte inzwischen die Küchentür zu Kleinholz verarbeitet und stand schwer atmend neben den Resten des Türrahmens. Dann sprach er leise mit flackernden Augen:

"Sir, die Küche hat soeben geöffnet..."


 

 

Kapitel 14

Am singenden Strand

 

"Das war ein teures Essen, mein lieber McClown", sagte der Lord und zählte das verbliebene Geld in seiner Brieftasche. "Es war sicherlich nicht verkehrt, auf eine Übernachtung bei diesem McPhee verzichtet zu haben. Wer weiß, was sonst noch alles passiert wäre."

Der Butler antwortete nicht, sondern schob den Rollstuhl über die holperige Straße. Ihm war nicht nach Unterhaltung zumute, dazu war sein Bauch viel zu voll. Es war schon erstaunlich, wie viel ein Mensch in so kurzer Zeit in sich hinein stopfen kann. Und erst die Hamster! Aus einem der Koffer drangen ihre leisen Verdauungsgeräusche an sein Ohr. Nun galt es, einen halbwegs gemütlichen Ort zum Übernachten zu finden, und für diesen Zweck hatten sie den Strand vorgesehen. Kurz bevor sie einen kleinen Wald erreichten, bogen sie deshalb links zum Strand ab. Schnell fanden sie einen Platz, der ihren Vorstellungen entsprach und bauten ihr karges Nachtlager auf. Da der Strand von Gortenfern tief in einer Bucht liegt, waren sie vor Sturm und böigem Wind geschützt.

"Mein lieber McClown," begann der Lord und drehte sich langsam zu seinem Butler um. "Es wäre wohl nicht verkehrt, wenn sie ihre kleinen, äh, Freunde ein wenig von uns entfernt nächtigen lassen. Wir wollten doch eine ruhige Nacht verbringen, oder?"

McClown seufzte und stellte den Koffer mit den Hamstern ein paar Meter weiter weg. Dann holte er aus einem der anderen Koffer für sich und für den Lord ein Handtuch als Bettdecke für die Nacht. Noch lange betrachtete er den Sternenhimmel, während zu seiner linken Seite der Lord bereits schnarchte. Dann fielen auch ihm die Augen zu.

"Das kann doch wohl nicht wahr sein," schimpfte Flecki. "Hier ist ja absolut nichts los! Wie sollen wir jetzt Disco machen?"

"Wir könnten eine Sandburg bauen und sie wieder kaputt kloppen," schlug Goldi vor.

"Der Sand ist viel zu fein, hier lassen sich nicht einmal Tunnel graben," stellte Bauleiter Murksel enttäuscht fest.

"Vielleicht hat der Erleuchtete eine Idee?" fragte Tuffi hoffnungsvoll.




Der Bürgermeister wirkte ratlos. Warum sollte ausgerechnet ihm etwas einfallen? Schließlich war er für die Reden und nicht für Ideen zuständig. Dass er allerdings mit Erleuchteter angesprochen wurde, tat ihm gut.

"Nun, es ist eine unumschränkte Tatsache, dass wir alle hier und jetzt und überhaupt uns in einer Situation befinden, die strategisches Handeln und Entschlossenheit verlangt. Das sind die Tatsachen, liebe Hamsterfreunde! Nur durch eine gemeinsame, individuelle Initiative, die nicht nur von jedem Einzelnen ausgehen sollte, sondern auch muss - ich wiederhole: muss - kann diese Situation dahingehend gemeistert werden..."

Der Bürgermeister unterbrach seine geistreiche Rede. Sein Fell sträubte sich. Auch die anderen Hamster hatten es gehört. Da war ein Geräusch! Ein Geräusch, dass ihnen das Fell zu Berge stehen ließ. Es war stockdunkle Nacht und irgendwo sang jemand! Das war kein fröhliches Lied, es klang gleichmäßig und klagend und schien von allen Seiten zu kommen.

"Los, tu was, Bürgermeister, handel strategisch," rief Goldi.

Der Bürgermeister glotzte nur mit riesengroßen Knopfaugen. Er blähte seine Hamsterbacken vor Angst auf und begann zu zittern.

"Da," rief Tuffi, "gleich hat er wieder eine Erleuchtung!"

Flecki wollte gerade bemerken, dass er wahrscheinlich nur Schiss hatte, da rief der Bürgermeister: "Kinap, bringt euch in Sicherheit!"

Sofort begannen alle Hamster mit einer wohl überlegten Rettungsaktion, die sich schon oft in Gefahrensituationen bewährt hatte: sie rannten schreiend im Kreis herum. Nachdem sie eine halbe Stunde lang laut "Eflih" schreiend im Kreis herum getobt waren, fielen sie erschöpft in den Sand. Das unheimliche Singen war noch immer da!

Die armen kleinen Tierchen waren jetzt viel zu erschöpft, um weiter zu fliehen, und so versuchten sie, sich in den Sand einzugraben. Auch das funktionierte nicht so richtig.

"Vielleicht sollten wir uns einfach ergeben," jammerte Dodo.

"Oder verhandeln," schlug Flecki vor. "Los, Bürgermeister, verhandel mal!"

Der Bürgermeister war inzwischen grün vor Angst, als Goldi ihn mit einem Tritt nach vorne schickte. Da stand er nun, und hinter ihm waren seine Hamsterfreunde gespannt, wie der Erleuchtete diese Situation meistern würde.

"Äh, Dongs, äh, Dings, äh, liebes Dings, wir alle wissen, eine Situation in der gemeistert, äh gedongst, ich meine, gedingsverhandelt werden sollte. Wenn du dingst, äh dongs was ich meine, äh, gesagt zu haben."



Nach diesen Worten drehte sich der Bürgermeister blitzschnell um und verschwand in der Gruppe der Hamster.

"Großartig, wirklich ergreifend. Jetzt sind wir bestimmt gerettet," spottete Flecki.

"Vielleicht hilft uns der nette Butler?" meinte Tuffi und zeigte auf den schlafenden Frido McClown.

Ihre Hamsterfreunde nickten begeistert. Unter der Decke des netten Butlers war bestimmt noch Platz für ein paar verängstigte, kleine Hamster. Mit einem lauten "Arruh!"1 liefen sie auf den schlafenden Frido McClown zu.

1 (Hamstisch: Hurra)


 

 

Kapitel 15

Kentra Bay

 

"McClown, sehen sie mal zu, dass sie ein Feuer in Gang kriegen! Mir ist kalt!"

 

Die Sonne war soeben aufgegangen, und es schien ein wunderschöner Tag zu werden. Hätte es zumindest werden können, dachte der Butler, als er langsam die Augen öffnete. Es war herrlich warm unter dem Handtuch, viel zu kuschelig um aufzustehen. Langsam drehte er sich um und hörte zu seiner großen Verwunderung ein empörtes Fiepen. Er drehte sich zur anderen Seite um - wieder ein empörtes Fiepen. Ganz vorsichtig hob er das Handtuch hoch und siehe da: die Hamster blinzelten ihn verschlafen an.

 

"Ha, McClown", lachte der Lord in diesem Moment. "Singender Strand, welch ein Blödsinn, den dieser McPhee erzählt hat. Ich habe prächtig geschlafen. Wer mag nur diesen Unsinn glauben?"

"Nun, Sir, da wüsste ich schon jemanden," antwortete McClown und zeigte auf die Hamster.

"Sie glauben doch nicht, McClown, dass es Tiere gibt, die so blöd sind, dass sie sich vor solch einem Quatsch fürchten?"

"Nun, Sir, ich denke, es gibt tatsächlich solche Tiere."



Der Butler deckte die frierenden Tiere wieder zu und machte sich daran, Feuerholz zu suchen. Er brauchte auch nicht weit zu laufen, denn der angrenzende Wald bot genug für ein üppiges Lagerfeuer. Nach kurzer Zeit saßen Mensch und Tier am lodernden Feuer und wärmten sich auf. Was allerdings fehlte, war ein Frühstück, und so machten sie sich auf den Weg. Über einen schmalen, aber gut befestigten Fußweg kamen sie in den kleinen Ort Arivegaig. Ein Blick genügte, um festzustellen, dass es hier kein Frühstück geben würde, also zogen sie enttäuscht weiter. In den letzten beiden Stunden war die Sonne höher am Himmel gestiegen und verbreitete ihre wärmende Kraft über die kleine Schar. Inzwischen waren sie auf eine größere Straße gelangt und kamen an eine Brücke.

"Sir, sehen sie! Ist das nicht ein wunderschöner Anblick?"

"McClown, mein Magen hat keine Augen für so etwas! Sehen sie, dort hinten ist eine Gaststätte!"

Sie passierten die Brücke und erreichten die Gaststätte "Shiel Bridge Inn". Der Butler schob den Rollstuhl samt Koffern in eine Ecke neben den Tresen und setzte sich mit dem Lord an einen Tisch am Fenster. Als das Essen kam, nahm er einen Teil davon beiseite, legte es auf einen kleinen Teller und stellte es neben den Koffer mit den Hamstern, die sich sofort laut fiepend und hungrig darüber hermachten. Dann setzte sich McClown wieder zum Lord an den Tisch und ließ es sich schmecken.

"Was ist denn das für ein Fraß?" schimpfte Flecki und beäugte argwöhnisch das, was der Butler ihnen gebracht hatte.

"Porridge mit gebackenen Bohnen," antwortete Goldi mit vollen Backen, "einfach lecker."

Bauleiter Murksel war mit Dodo und Purzel zusammen aus dem Koffer gestiegen, um am Frühstück teilzunehmen, als ihm vor Schreck das Blut in den Adern gefror.

"Eine Ka-Ka-ka.....!"

Weiter kam er nicht, und weiter brauchte er auch nicht zu sprechen, denn seine Hamsterfreunde hatten die Gefahr erkannt. Eine große, schwarze Katze näherte sich langsam. Tuffi und Tati kletterten als letzte in den schützenden Koffer. Zwar waren sie nun erst einmal in Sicherheit, doch da der Deckel nicht ganz geschlossen war, konnten sie sehen, wie die Katze auf den Sitz des Rollstuhls gesprungen war. Mit klopfenden Herzen und ohnmächtiger Wut mussten sie nun beobachten, wie ihr Frühstück in kurzer Zeit aufgeschlabbert wurde.

"Du mieses, fieses Katzenvieh, ich mach dich fertig!" schrie Goldi und wollte sich auf die Katze stürzen, doch Flecki und der Bürgermeister hielten ihn zurück.



"So wird das doch nichts, wir müssen strategisch vorgehen," schimpfte Flecki.

"Gut," fauchte Goldi, "dann haue ich dem Vieh strategisch eine rein, es hat unser Essen gestohlen! Wenn wir bloß eine Rakete hätten..."

"Wir sollten uns auf unsere eigenen Stärken besinnen, denn wie ich schon früher bereits mehrfach gesagt habe..."

"Ach," unterbrach Flecki den Bürgermeister. "Welche Stärken wären das denn?"

Als dem Bürgermeister daraufhin nichts einfiel, setzten sich die Hamster zu einer Beratung zusammen. Wie immer kam dabei nicht viel heraus, lediglich Dodo und Murksel waren der Ansicht, dass dieser übermächtige Feind nur eine Schwachstelle hatte: Wasser. Wo sollten die Hamster Wasser her kriegen? Tuffi und Tati riefen aufgeregt, dass sie beim Hereinkommen in das Gasthaus gesehen hatten, dass auf dem Tresen neben ihnen mehrere Flaschen standen.

"Das ist ein Fall für Superhamster," stellte Dodo fest.

Goldi fühlte sich auf einmal gar nicht mehr wohl in seinem Fell. Verlegen sortierte er seine Barthaare und starrte mit großen Augen auf die große, schwarze Katze, die es sich auf einem der anderen Koffer bequem gemacht hatte.

"Superhamster, Superhamster, Superhamster!" riefen nun alle im Chor, während es Goldi unter seinem Fell immer heißer wurde.

"Nun kannst du mal zeigen, ob du außer Fressen auch etwas Nützliches kannst," spottete Flecki und die anderen fingen wieder mit ihren Superhamster-Gesängen an.

Goldi stellte sich auf die Kante des Kofferrands und spähte hinaus. Dann drehte er sich langsam um und wollte gerade sagen, dass Superhamster seinen Rücktritt erklärt, als er von der Leiste abrutschte und mit einem gellenden Schrei verschwand.

"Welch ein Held!" rief Tati. Alle Hamster sahen mit großen Knopfaugen schweigend zu. Auch die Katze war für einen Moment verwirrt und zögerte, doch dann ging sie zum Angriff über. Den kleinen Moment ihrer Verwirrung hatte Goldi genutzt und war auf den Tresen geflüchtet. Es war sehr glatt dort und er hatte Mühe, auf seinen kleinen Beinen zu bleiben. Mit einem mächtigen Satz schoss die Katze hinterher, landete vor Goldi, kam jedoch ins Rutschen, schoss an ihm vorbei und über den Tresen hinweg direkt in eine Batterie von Whiskyflaschen hinein. Es klirrte und schepperte und die Katze lag in einer Whiskypfütze.

"Ole!" klang es aus dem Koffer.




Wütend nahm die Katze erneut Anlauf, doch Goldi sprang zur Seite, und sie schlidderte wieder über den gesamten Tresen, während aus dem Koffer ein erneutes "Ole!" zu hören war. Diesmal knallte sie gegen eine Flasche mit Cidre, die daraufhin mit einem Knall zersprang, während im Hintergrund das nächste "Ole" der begeisterten Hamster zu hören war. Goldi wartete mit zitternden Barthaaren auf den nächsten Angriff, doch sein Gegner schien verwirrt zu sein. Die Siegesgewissheit schien einen starken Knacks bekommen zu haben, hinzu kamen leichte Anzeichen von Trunkenheit. Ungebrochen jedoch war der Jagdinstinkt, und die Katze stürzte sich fauchend und torkelnd auf ihre Beute. Die Beute dachte jedoch nicht daran, sich fangen zu lassen sondern flüchtete durch eine offene Klappe in der Wand zur Küche.

"Superhamster, mach sie fertig!" tönte es aus dem Koffer, während ein lautes Scheppern in der Küche nun die Ankunft der Katze verkündete. Goldi war auf dem hinteren Rand eines Eimers mit flüssiger Seife gelandet und sah etwas Großes, Schwarzes auf sich zu fliegen. Vor Schreck blieb er wie gelähmt sitzen, doch der Sprung war zu kurz, es platschte und der Eimer fiel samt Angreifer um. Während der kleine Hamster sich schnell auf die Spüle rettete, sah er hinter sich seinen Gegner, der nun ein weiteres Problem bekommen hatte und sich kaum noch auf den Pfoten halten konnte. Die Katze sah blind vor Wut den kleinen Hamster, wie er an einem Geschirrhandtuch hochkletterte. Ein mächtiger Sprung folgte, Goldi quiekte vor Schreck laut auf und sah knapp neben sich seinen Gegner mit dem Kopf an die Kachelwand knallen und bewusstlos auf der Spüle liegen bleiben.

"Daneben, daneben, das Katzenvieh springt immer daneben!" sang Goldi und sah sich bereits als Sieger. Dann hob er den kleinen Kopf und schnüffelte. Gut roch das hier, sogar sehr gut. Er lief zum Herd und sah sich um. Mehrere Töpfe standen dort und aus dem größten strömte ein wunderbarer Geruch. Der Hamster sprang auf einen kleineren Topf und dann auf den Rand des größten. All seine Wünsche waren soeben wahr geworden: ein ganzer Topf mit Gemüse nur für ihn alleine! Gierig schaufelte er mit seiner Pfote eine Ladung nach der anderen in sich, als es plötzlich über ihm dunkel wurde. Im nächsten Moment flog die Katze dicht über ihn hinweg in die heiße Gemüsesuppe. Voller Panik sprang Goldi hinunter, kletterte über die Spüle und hechtete durch die offene Klappe hinaus. Dann machte er, dass er zurück zum Koffer kam, wo er von seinen Hamsterfreunden jubelnd begrüßt wurde.

Lord McShredder und sein Butler hatten sich während des Essens mehrfach über den Lärm in der angrenzenden Küche gewundert. Selbstverständlich hatten sie keinen Moment daran gedacht, dass die Hamster daran beteiligt gewesen sein könnten. Der Lord zahlte die Rechnung, während McClown den Rollstuhl mit den Koffern zur Ausgangstür der Gaststätte schob. Während der Butler nun an der Tür wartete, hatte McShredder etwas entdeckt. Er sah in der Ecke eine große, schwarze Katze liegen, die sich mit glasigen Augen das schmutzige Fell leckte. Sie sah erbärmlich aus. Der Lord schüttelte den Kopf und rief dem Besitzer der Gaststätte zu:




"Hey, Barkeeper, sie sollten der armen Katze mal etwas Bewegung und frische Luft gönnen!"

Dann ging er hinter seinem Butler zur Tür hinaus, und sie setzten ihre Re ise fort.

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 16-20

 

Kapitel 16

Calum Cille


Auf ihrem Weg in östlicher Richtung waren sie bereits viele Stunden gelaufen, als sie den kleinen Ort Dalelia erreichten. Bis auf ein paar kleine Häuser hatte dieser kleine Ort nichts zu bieten, also zogen sie enttäuscht weiter. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel und alle sehnten eine kleine Rast herbei, als sie zu ihrem Schrecken feststellten, dass plötzlich der Weg zu Ende war. Lord und Butler standen ratlos vor einem großen See und guckten ungläubig in die Fluten.

"Das ist wohl der Loch Shiel, Sir."


"McClown, ich weiß, was ein Loch ist, und schielen tue ich auch nicht! Was erlauben sie sich? Besorgen sie uns gefälligst ein Boot!"

Achselzuckend sah sich der Butler um. Vor ihm war ein kleiner Bootsanleger zu sehen. Vorsichtig betrat er ihn und schaute über das Wasser. Ein paar Hundert Meter weit entfernt war bereits das andere Ufer zu sehen. Fast zum Greifen nahe, dachte er und machte sich auf die Suche nach irgendetwas, was sich zur Überfahrt eignen würde. Weit und breit war kein Wald zu sehen, und so musste McClown sehr weit laufen, bis er zwei kleine Holzstämme gefunden hatte. Nach zwei Stunden stand er völlig erschöpft wieder vor dem Lord.

"Sehr schön, McClown, die Ruder hätten wir also. Fehlen nur noch die Kajüte und der Rest des Bootes."

"Nun, Sir," begann der Butler verlegen, "mehr werden wir nicht bekommen. Wir könnten an jedes Rad des Rollstuhls einen Stamm als Schwimmer befestigen. Sie und die Hamster steigen auf und ich schiebe."

"Ausgezeichnete Idee, McClown," rief der Lord. "Sollte ich jemals zu Geld kommen, kriegen sie das Gehalt für die letzten Jahre! Dann los, worauf warten sie?"

Wenig später hatte der Butler die Stämme seitlich an den Rädern des Rollstuhls befestigt, und das merkwürdige Boot war fertig. Die Reise konnte beginnen. Die Hamster waren neugierig aus ihrem Koffer gekrochen und hatten es sich bequem gemacht, denn eine Seereise mit einem Katamaran wollten sie natürlich an Deck genießen. Flecki hatte die Koffer durchwühlt und Strümpfe gefunden. Die vordersten Spitzen hatte sie abgeschnitten und verteilt. Somit trug jetzt jeder Hamster einen Sonnenhut. Lord McShredder saß halbwegs bequem auf seinem Koffer und betrachtete das nicht weit entfernte Ufer, während sein Butler keuchend das Gefährt ins kalte Wasser schob.

 

"Na, los, McClown, sie Glückspilz, " krähte der Lord. "Wenn ich etwas jünger wäre, würde ich auch gerne baden!"

Ein Knurren war alles, was er als Antwort bekam, denn der Glückspilz hatte beträchtliche Mühe, den Kopf über Wasser zu halten, während er vorsichtig die beiden Holzstämme anschob.

Wider Erwarten erreichten sie das Ufer ohne Probleme, abgesehen davon, dass McClown das eine und andere Mal Wasser schluckte.

"Ich weiß nicht, warum sie sich beschweren, McClown. Es ist klares, gesundes Wasser!"

 

Der Butler antwortete nicht, sondern begann, die beiden Stämme von den Rädern zu lösen. Auch die Hamster sahen sich neugierig um, und ihnen fiel sofort das viele Grün um sie herum auf. Bestimmt würde es hier etwas zu Essen geben. Inzwischen war McShredder ein Stück vorausgegangen und stand vor mehreren merkwürdigen Steinen. Sie hatten die Form von Kreuzen. In der Ferne war ein kleines Haus mit einem kleinen Turm zu sehen.



"Anscheinend eine Kapelle, Sir," bemerkte der Butler, der nun neben dem Lord stand.

"Häh? Eine Forelle, McClown? Ihnen ist wohl zu viel Wasser ins Gehirn gelaufen, das ist eine kleine Kirche! Sehen sie doch mal die vielen steinernen Kreuze, die hier sind."

"Sir," sagte der Butler nun mit lauterer Stimme, "könnte es sein, dass wir uns auf einem Friedhof befinden?"

"Tja," entgegnete McShredder nachdenklich, "das könnte tatsächlich so sein."

Schweigend liefen die beiden auf die kleine Kapelle zu. Vor einer Holztafel mit einer fast verblichenen Inschrift blieben sie stehen. Der Butler trat ganz dicht an die Tafel und las mit lauter Stimme vor:

"Kapelle von Eilean Fhianain. Die älteste Kapelle mit dem ältesten Friedhof von ganz Großbritannien. Sogar der heilige St. Columba, genannt Calum Cille, war hier. Er wurde im Jahre 575 auf der Insel Iona begraben. Noch heute pilgern viele Menschen an sein Grab."

"McClown, wissen sie, was Eilean bedeutet?"

"Natürlich, Sir, das bedeutet soviel wie Insel."

"Nun, McClown, was fällt ihnen denn so auf, wenn sie sich umschauen?"

"Also, Sir, ich sehe die alte Kapelle, viele Steine, alte Kreuze und um uns herum Wasser."

"Wasser, McClown?"

"Ja, Sir, Wasser, äh, Wa.. Wa.. wieso Wasser? Aber Sir, wir sind ja auf einer Insel!"

"Sehr gut, McClown, genau das bedeutet das Wort Eilean."

 

Der Butler setzte sich fassungslos auf einen Stein und vergrub seinen Kopf in den Händen. Sie waren auf einer Insel gelandet! Sein nächster Gedanke galt den Hamstern, und er machte sich auf den Weg zurück zum Rollstuhl. Dort angekommen sah er seine kleinen Freunde gemütlich auf dem steinigen Strand in der Sonne liegen. In der Ferne sah er im Wasser die beiden Baumstämme treiben. Wütend schrie McClown auf und stampfte mit den Füßen. Wie sollten sie nun von der Insel wieder herunterkommen? Die Hamster sahen ihn verwundert an, als er schreiend und stampfend am Ufer tobte und Steine nach den treibenden Holzstämmen warf. Schließlich beruhigte er sich, sammelte alle Hamster ein und setzte sie in den Koffer zurück. Dann schob er den Rollstuhl mühsam über das unwegbare Gelände bis hin zur Kapelle, wo der Lord inzwischen auf einer Bank saß und eine Pfeife rauchte.

 

"Wissen sie was, mein lieber McClown? Wir werden uns hier ausruhen. Das Dach der kleinen Kapelle wird uns vor Wind und möglicherweise Regen schützen."

"Sir, wer oder was ist der Heilige Calum Cille?"

"Sie kennen Calum Cille nicht, McClown?



Lord McShredder zog an seiner Pfeife und betrachtete nachdenklich ein steinernes Kreuz.

"Calum Cille wurde eigentlich St. Columba, oder auch der gutmütige Calum Cille genannt. Er war der berühmteste der keltischen Heiligen. Er war als irischer Missionar über die Halbinsel Ardnamurchan in das heidnische Schottland gekommen. Noch bis in die heutige Zeit, mein lieber McClown, wird er in den Highlands verehrt. Der Donnerstag in der zweiten Juniwoche ist nach ihm benannt und jeder Donnerstag - traditionsgemäß bekannt als Tag Calum Cilles - wird als guter Tag betrachtet. Sehen sie sich weiter um, McClown. Dort hängt eine uralte keltische Bronzeglocke, sehen sie weiter hinten die Grabsteine? Sie haben den Heiligen noch kennengelernt."

Ehrfürchtig schaute der Butler auf die keltischen Überbleibsel der Vergangenheit. Dann fiel sein Blick auf den Lord, dem die Pfeife aus dem Mund gefallen, und der in der angenehmen Wärme der späten Mittagssonne eingeschlafen war. McClown warf einen weiteren Blick auf seine kleinen Hamsterfreunde, doch auch die schnarchten friedlich vor sich hin. Dann fielen auch ihm die Augen zu und er schlief tief und fest ein.


 

 

Kapitel 17

McDudle

 

Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als Frido McClown durch laute Geräusche geweckt wurde. Erschrocken sprang er auf und sah einen Mann auf sich zukommen. Nun konnte er sehen, was die lauten Geräusche verursacht hatte. Der Mann hatte in seiner linken Hand einen großen Stock, mit dem er sich bei jedem Schritt abstützte. Neben diesem Stock fiel besonders sein struppiges Aussehen auf.

Instinktiv warf der Butler einen Blick in die Richtung der Hamster. Was er sah, beruhigte ihn, denn ihre neugierigen Näschen gucken aus dem Koffer. Der Mann war inzwischen näher gekommen und hatte den Butler erblickt. Er griff sich an den Kopf und richtete seinen dunklen, schmutzigen Hut. Wenn doch bloß der Lord endlich wach werden würde, dachte McClown, denn ihm war die Sache unheimlich. Dieser merkwürdige, zerlumpte Mann auf einem einsamen Friedhof auf einer ebenso einsamen Insel. Das war bestimmt der Geist der Toten, die hier begraben waren! Einen weiteren Schritt zurück konnte er nicht, denn hinter ihm war ein großes Grabkreuz, stellte der Butler fest. Wenigstens kann ich jetzt nicht vor Schreck umfallen, dachte er.

"Ich habe kein Boot gesehen, wie seid ihr denn hierher gekommen? Oder haben euch die Geister getragen?" sprach der Mann mit einer Stimme, die für einen Geist eigentlich recht angenehm und freundlich klang.

"W-Wir sind mit einem Rollstuhl gekommen," antwortete der Butler wahrheitsgemäß.

"Finnegan McDudle," sagte der Mann und streckte ihm die Hand entgegen. "Ich bin der Friedhofswärter. Weißt du, ich komme recht oft hierher, um nach dem Rechten zu gucken, und heute - also meine Frau - das musst du wissen, mein Freund, die hat mal wieder ihre geschwätzigen Nachbarinnen zu Besuch. Tja, und da habe ich mir gedacht, Finnegan, dachte ich mir, guck' doch mal nach, ob auf dem Friedhof alles klar ist. Wie heißt du denn überhaupt, mein Freund?"

"F-Frido McClown und das ist der Lord McShredder, der..."

"Wunderbar, mein lieber Frido," fuhr McDudle fort. "Also, du weißt ja, wie das so ist, wenn die Frauensleute zusammen sitzen und Tee trinken. Die ziehen über alles her, und weißt du, über wen ganz besonders? Natürlich über mich! Da habe ich mir gedacht, Finnegan, dachte ich mir, hau' bloß ab. Also habe ich gesagt, dass ich noch arbeiten muss. Sag' mal, wie war dein Name?"

"Frido McClown"

"Ja, richtig, Frido. Wie konnte ich das vergessen! Also da habe ich mir das Boot geschnappt und bin ein bisschen herumgefahren. Natürlich bin ich nicht gleich nach Polloch gefahren, Finnegan McDudle ist ja nicht blöd, musst du wissen. Nein, hierher bin ich gefahren. Um sie reinzulegen! Wäre ich direkt nach Polloch gefahren, hätten die Frauen das doch mitgekriegt! Und was meinst du, wie die sich dann mal wieder das Maul zerrissen hätten! Also, mein lieber.... Wie war dein Name noch einmal?"

"Frido McClown," antwortete der Butler ein bisschen genervt.

"Also, mein lieber Frido, in Polloch ist nämlich eine nette Gaststätte und da wollte ich, na, du weißt schon, mir n' paar gemütliche Stunden machen. Das ist doch besser, als wenn du dir zu Hause das Gezeter und Geschludere anhören musst. Tja, schlau muss man sein, deshalb mache ich einen kleinen Umweg über diese Insel und dann, mein lieber.... äh, wie war dein Name noch einmal?"

"Immer noch McClown," stöhnte der Butler.

"Also dann, mein lieber McClown, dann ruder ich rüber nach Polloch. Das ist zwar eine recht lange Strecke, aber auf der Hinfahrt habe ich Rückenwind, weißt du? Aber eines weißt du nicht. Die Rückfahrt ist noch schneller, weil nachts kein Wind mehr da ist. Nur noch Strömung! Ganz fix bin ich wieder zu Hause. Tja, und in Polloch, da mach' ich ein Fass auf. Dann können die mich alle mal. Weißt du, was meine Frau immer sagt, mein lieber, äh, wie war dein Name noch mal?"

"Finnegan McDudle", antwortete der Butler ungerührt.

"Richtig, mein lieber Finnegan, die sagt nämlich immer zur mir, Finnegan, sagt die, du wirst dich noch einmal um den Verstand saufen. Die hat doch keine Ahnung! Als wenn so ein büschen Whisky was ausmacht. Aber wenn ich dann wieder da bin, dann sind auch die ganzen Tratschtanten wieder weg und ich habe meine Ruhe. Aber genug geredet, jetzt erzähl mir mal wer du bist und wie dein Freund da hinten heißt."

 

 

Frido McClown stöhnte hörbar auf. Sein Blick fiel auf den Koffer mit den Hamstern, die alle neugierig aus der Kofferöffnung guckten und sich prächtig amüsierten. Dann ging er zum Lord, klopfte ihm auf die Schulter und rief: "Sir, wir haben Besuch!"

Langsam öffnete der Angesprochene seine Augen, reckte sich und sah verwirrt auf den Neuankömmling.

"McClown, wollen sie keinen Tee für mich und unseren Gast kochen?"

"Sir, wir haben keinen Tee."

"Keinen Tee, schade," seufzte der Lord und ging auf McDudle zu.

 

 

"Mein Name ist Lord Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness und Herzog von Spanien. Mit wem habe ich die Ehre?"

"Dudle, Sir, Finnegan McDudle."

"Was erlauben sie sich," krähte der Lord. "Wieso reden sie mich mit "du" an?"

"Das ist doch sein Name, Sir," versuchte der Butler zu erklären.

"Er heißt Du, McClown? Seltsam."

"Nicht Du, Sir, sondern Dudle."

"Aha." Langsam verstand der Lord und wandte sich wieder an den Friedhofswärter. "Können sie uns von dieser Insel herunterbringen, Mr Dudle?"

McDudle grinste breit. "Kein Problem, Sir, ich fahre nach Polloch. Es wird höchste Zeit für mich, eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen, wenn sie wissen, was ich meine."

"Der Mann hat Recht, McClown. Wir fahren mit und werden auch eine Kleinigkeit zu uns nehmen."

"Sir, ich möchte aber keinen Whisky..."

"Whisky? McClown, was ist mit ihnen los? Sie sollten sich mal ein Beispiel an diesem höflichen und intelligenten Mann nehmen! Los, packen sie unsere Sachen ins Boot!"

Eine halbe Stunde später saßen alle im Boot von Finnegan McDudle und ließen die Insel hinter sich.


 

 

Kapitel 18

Polloch

 

Tatsächlich trieb der Wind wie versprochen das kleine Boot von Finnegan McDudle schnell voran.

"Dort vorne links, das ist die Insel Camas Drollaman," rief McDudle und hörte einen Moment mit dem Rudern auf. "Jetzt wird uns der Wind direkt nach Ceanna Garbh treiben. Von dort aus sind es nur noch 2 Meilen bis Polloch zu laufen."

"Sagen sie, guter Mann," meldete sich nun der Lord, "müssen wir dann etwa zu Fuß weiter gehen?"

"Besser ist das schon, Sir, äh, wie war noch ihr Name?"

"Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness und Herzog von Spanien, guter Mann."

"Tja, Mr Lord, also meine Frau sagt da immer, also, Finnegan sagt sie, Finnegan, du musst dich mehr bewegen. Sie ist nämlich selber fett wie so 'ne olle Wachtel, wenn sie wissen was ich meine." Er zwinkerte verschwörerisch mit seinem rechten Auge, während Lord McShredder ihn ungläubig ansah.

"Wieso liegt das raue Finnland in Schweden?" fuhr der Lord McDudle an. "Und von welcher Schachtel sprechen sie?"

"Tja, so genau weiß ich das auch nicht, Mr...., äh wie war doch noch ihr Name?"

"Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness, guter Mann."




"Also, Mr Ness, wir müssen also laufen. Mit dem Boot komme ich nicht über die Sandbänke. Also, meine Frau sagt dann immer, und sie sagt viel, müssen sie wissen, Finnegan, sagt sie, wir müssen uns mehr bewegen. Tja, und deshalb bin ich immer viel unterwegs, mein guter Freund. Immer nach Polloch und zurück."

Der Lord schüttelte verständnislos den Kopf. "Sie haben Brot in den Schränken, sagt ihre Frau? Guter Mann, was meinen sie damit?"

"Tja, keine Ahnung, woher soll ich das wissen, Mr..., wie sagten sie, war ihr Name?"

"Lord McShredder von Killichonan, Mann."

"Richtig," antwortete Finnegan McDudle, "aber das sagten sie bereits, glaube ich. Aber in Polloch, da mache ich ein Fass auf und ihr seid alle eingeladen, wenn sie wissen, was ich meine, Mr. Killichonan."

"Lord McShredder, Mann!" brüllte der Lord und schaute McDudle wütend an.

"Aber nein, Mister, das verwechseln sie. Mein Name ist Finnegan McDudle. Das weiß ich genau, denn ich habe ein sehr gutes Namensgedächtnis. Wissen sie, Finnegan, sagt meine Frau immer..."

Es krachte laut als das Boot plötzlich auf Grund lief. McClown, der am Heck des Bootes gestanden hatte, fiel auf den Rollstuhl. Der Rollstuhl fiel auf den Lord und der wiederum fiel auf McDudle. Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen hatten, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

"Ceanna Gharb heißt diese Landspitze. Meine Frau sagt immer..."

"Klappe, McDudle!" brüllte McShredder.

Nachdem Finnegan McDudle das Boot an Land gezogen hatte, kümmerte sich der Butler um die Hamster. Zu seiner großen Freude waren sie wohlauf, das heißt, fast alle. Einer der Hamster war ein bisschen grün um die Nase herum und schien die Seefahrt nicht so gut überstanden zu haben. Der Rest jedoch schaute neugierig zu, wie McClown den Rollstuhl an Land schleppte, und die kleine Schar sich auf den Weg nach Polloch machte. Schweigend gingen sie über einen recht breiten Fußweg, bis ein Schild auftauchte.

"Wir sind da," meldete sich der Friedhofswärter. "Da vorne ist unser Ziel. Rechts geht es übrigens zu den alten Strontiumminen. Wusstet ihr das? Strontium, äh, Finnegan, sagt meine Frau immer..."



"Klappe, McDudle," riefen Lord und Butler im Chor. Noch ein paar Schritte und sie standen in der Ortsmitte.

"Das soll Polloch sein?" fragte der Lord ungläubig. "Zwei Häuser und eine Scheune? Wo sollen wir denn hier etwas Essbares bekommen, McDudle?

"Och," druckste Finnegan McDudle, "mein Kumpel Mc Moonshine hat da so etwas selbst Gemachtes, wenn sie wissen, was ich meine, Mr Schrecker."

"McShredder," verbesserte der Lord. "Nun, gegen selbst gekochtes Essen haben wir nichts einzuwenden, oder McClown?" und sah zu seinem Butler.

"Sir," begann der Butler vorsichtig, "wenn ich das richtig verstehe, wird uns dieser Kumpel Mc Moonshine nichts Essbares vorsetzten."

"Nicht?" entgegnete McShredder entrüstet. "Aber er hat uns doch zum Essen eingeladen, oder McDudle?"

"Essen, Mr Schreck? Nein, nein, ich sagte: ein Fass aufmachen, sie wissen doch. Obwohl meine Frau immer sagt..."

"McClown, wir gehen!"

Wütend drehte sich der Lord um ging schnellen Schrittes in die entgegen gesetzte Richtung.

"Interessant, nicht wahr, Sir?" sagte der Butler, als sie an einem wunderschönen See namens Loch Doilet vorbeigingen. "Ich meine, der Name von diesem Kumpel des Friedhofwärters, Mc Moonshine. Wussten sie, Sir, dass die Leute, die früher heimlich Schnaps brannten, den Spitznamen "Moonshine-Männer" hatten?"


 

 

Kapitel 19

Am Lagerfeuer

 

Ihre Lage war alles andere als beneidenswert. Noch vor wenigen Minuten waren sie frohen Mutes gewesen, als sie Kinlochan erreichten. Dort angekommen, stellten sie zu ihrer großen Enttäuschung fest, dass es hier genauso viel wie in dem Dorf Polloch gab: nämlich nichts. Keine Gaststätte, kein Geschäft, um etwas einzukaufen, rein gar nichts. Wenigstens besaßen sie nun ein paar Kartoffeln, die der Butler einem Bauern abgekauft hatte.

"Sir, wir hätten fragen sollen, ob wir in seiner Scheune übernachten können!"

"McClown, glauben sie, ein Lord schläft in einer Scheune? Bei den Schweinen? Nein, wir werden unter freiem Himmel übernachten."

Der Butler schwieg und gab dem Lord insgeheim Recht. Er dachte an sein Abenteuer mit den Hamstern,1 als sie zunächst in Bettyhill und dann in einem Schweinestall gelandet waren. Nein, nie wieder in einer Scheune übernachten, dachte er im Stillen und folgte Lord McShredder über einen Waldweg entlang einem kleinen Fluss. Nachdem der Fluss einen Knick nach rechts gemacht hatte, blieb der Lord stehen.

"Hier werden wir übernachten, McClown. Als alter Pfadfinder weiß ich, dass so ein Fluss genau das Richtige ist. Der gibt nämlich nachts die Wärme ab, die er am Tag gespeichert hat. Nachdem ich jetzt für alles gesorgt habe, könnten sie sich auch mal nützlich machen, McClown. Machen sie ein Feuer und bereiten sie die Kartoffeln zu, ich kann ja nicht alles machen!"



Murrend machte sich McClown an die Arbeit, während der Lord sich hinsetzte und seine Pfeife stopfte. Neben ihm in einem der Koffer auf dem Rollstuhl warteten die Hamster ungeduldig auf Futter.

"Hoffentlich beeilt der sich mit dem Essen machen," knurrte Goldi, "der Futterservice lässt wirklich sehr zu wünschen übrig in letzter Zeit."

"Und jetzt fängt der Alte auch noch wieder an zu qualmen," jammerte Flecki. "Gerade jetzt, als mir nach der blöden Bootsfahrt endlich besser wurde."

Dodo und Tati waren aus dem Koffer gestiegen, den Rollstuhl hinunter geklettert und sahen sich um. Außer Gras, Bäumen und ein paar Steinen war hier nichts Interessantes zu sehen. Ein kleiner Brombeerstrauch lud zum Naschen ein, doch ein kurzer Test ergab, dass die Früchte entsetzlich sauer schmeckten. Wenigstens gelang es ihnen, eine Kartoffel zu stibitzen, und sie kletterten mit ihrer Beute in den Koffer zurück. Rohe Kartoffeln waren aber auch nicht das Maß aller Dinge und so saßen die Hamster an der Kofferöffnung, schauten hungrig hinaus und warteten auf bessere Zeiten.

"Ach, wenn wir doch wenigstens in der Schule wären," jammerte Tati, "dann gäbe es wenigstens etwas zu essen."

"Sogar den Unterricht bei der blöden Frau Fabsney2 würde ich jetzt mitmachen," ergänzte Flecki und fuhr fort. "Die grinst nämlich immer so blöd und stellt so viele doofe Fragen."



"Aber die Sache mit dem Leim war doch klasse, oder?" mischte sich Goldi ein.

"Das war ganz schön fies von dir," meinte Tuffi. "Aber immerhin hast du uns dadurch vor einer Klassenarbeit gerettet. Das war echt witzig, als sie sich auf das Pult gesetzt hatte, auf das du vorher den Leim geschmiert hattest."

"Hi, hi," gackerte jetzt Flecki, "als sie dann wieder aufstehen wollte, hörte sie schlagartig auf zu grinsen. Dann geriet sie in Panik und hat laut nach dem Direktor gerufen, als sie merkte, dass sie am Pult festhing und nicht mehr los kam."

Die Hamster keckerten vergnügt vor sich hin, und Flecki fuhr fort.

"Und dann wollte sie zum Direktor und hat das ganze Pult hinter sich hergezogen. Im Türrahmen ist sie dann stecken geblieben und hat gekreischt wie eine blöde Rennmaus!"

"Dann, hi, hi," Goldi konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, "dann kam der Direktor und wollte sie befreien. Leider ist er dann auch am Leim hängen geblieben und kam auch nicht mehr frei."

"Aber das Schärfste war," lachte Tati, "dass wir dann nach Hause gegangen sind, weil wir dachten, wir hätten jetzt schulfrei. Aber immerhin haben wir die HAMFE3 informiert."

"Das hättet ihr besser nicht gemacht," warf Bauleiter Murksel ein. "Diese Idioten haben nämlich die halbe Schule unter Wasser gesetzt und eine tragende Wand eingerissen. Mein Reparaturteam und ich brauchten eine Woche, um die Schäden zu reparieren."

Währenddessen beobachtete der Lord die Versuche seines Butlers, das Essen am Lagerfeuer zuzubereiten.



"McClown, warum haben wir eigentlich kein Zelt?"

"Nun, Sir, das liegt wohl daran, dass uns noch keines zugelaufen ist," antwortete der Butler ärgerlich und pustete kräftig auf seine Hand, die er sich soeben an einem heißen Stein verbrannt hatte. Immerhin lagen die Kartoffeln nun schon seit einer Stunde zwischen heißen Steinen, die er ins Feuer gelegt hatte.

"Sir, ich denke, die Kartoffeln sind gar und wir können mit dem Essen..."

Frido McClown unterbrach seinen Satz und sah sich verwundert um. Noch bevor er das Wort "Essen" ausgesprochen hatte, waren die Hamster in Windeseile angelaufen gekommen und standen nun mit großen Augen vor ihm. Auch der Lord legte seine Tabakspfeife zur Seite und setzte sich näher ans Feuer. McClown piekste nun eine heiße Kartoffel nach der anderen mit einem sauberen Stock auf, und schälte sie mit seinem Taschenmesser. Damit die halb verhungerten Hamster nicht zu lange warten mussten, bis die heißen Erdfrüchte abgekühlt waren, trug der Butler eine Handvoll Kartoffeln zum Fluss und hielt sie ein paar Minuten in das kalte, klare Wasser.

"McClown, das sind die köstlichsten Kartoffeln, die ich je gegessen habe!"

McShredder hatte eine dicke Kartoffel mit dem Mundstück seiner Tabakspfeife aufgespießt und ließ es sich schmecken.

"Übrigens sollten sie nun daran denken, ein Nachtlager herzurichten."

"Äh, Sir, wie soll ich das ohne Betten oder Matratzen machen?"



"Ganz einfach, McClown. Wie ein alter Pfadfinder. Sie suchen einen geeigneten Platz. Es dürfen keine Baumwurzeln aus der Erde gucken und der Boden muss trocken sein. Dann säubern den Boden von Steinen und pflücken Blätter und kleine Zweige. Das wird die Unterlage. Je mehr sie pflücken, desto weicher und bequemer werden sie schlafen, McClown. Nun fangen sie schon an, ich werde mich derweilen um das Lagerfeuer kümmern."

Der Butler zog murrend ab, während der Lord sich am Feuer wärmte und in die Flammen schaute. Die Hamster waren satt, sehr satt sogar, und der eine oder andere hatte erhebliche Mühe, wieder in den Koffer zum Schlafen zu klettern. Wenig später hatte der Butler zwei Lager zum Schlafen vorbereitet. Lord und Butler machten es sich bequem und deckten sich jeder mit einem Handtuch zu. Dann war alles ruhig bis auf das laute Schnarchen von Lord McShredder.

1 (Buch III: Hamster in Gefahr)

2 (Lehrerin an der Tabsi-Husen-Schule von Hamsterhausen)

3 (Hamstische Feuerwehr)


 

 

Kapitel 20

Scotstown

 

Nach einer recht kühlen Nacht wachten Lord und Butler wie gerädert auf. Nicht nur, dass das Rascheln ihrer Matratzen sie während der Nacht mehrfach gestört hatte, nein, auch die vielen kleinen Insekten waren ihnen auf die Nerven gegangen.

"Sir, noch eine Nacht im Freien und ich kündige!"

"Häh, was erlauben sie sich, McClown? Wieso wollen sie nackt im Freien sündigen? Reden sie keinen Unsinn, sondern kochen sie lieber einen Tee. Der wird unsere Lebensgeister wieder wecken."

"Sir, wir haben nach wie vor keinen Tee, wenn ich..."

"Sehen sie sich um, McClown, überall blüht und wächst es um uns herum! Sehen sie dort den Brombeerstrauch? Nehmen sie ein paar Blätter, machen sie ein Feuer und kochen sie Wasser! Warum klappt hier eigentlich nichts ohne mich?"

Der Butler machte sich an Werk, doch schon nach ein paar Minuten gab es ein neues Problem.

"Sir, die Blätter habe ich und das Feuer ist an. Worin soll ich das Wasser kochen, Sir? Hä, hä, wir haben nämlich keinen Topf, falls es Euer Unersetzlichkeit entgangen sein sollte."

"Lassen sie dieses anzügliche Grinsen, McClown! Auch dafür weiß ein alter Pfadfinder wie ich einen Rat!"

Der Lord griff umständlich in seine Hosentasche und holte seine Tabaksdose hervor, öffnete sie und schüttete den Inhalt in ein altes Taschentuch. Dann gab er dem Butler mit den Worten "Hier McClown!" die Dose.

Nach ein paar Minuten und nachdem er sich mehrfach die Finger verbrannt hatte, brachte Frido McClown den Tee. Während die Hamster sich weigerten zu probieren, schlürften der Lord und sein Butler nacheinander aus der Tabaksdose etwas, was nach Abfall roch und nach Tee schmeckte.

"Köstlich, McClown," rief der Lord. "Nun können wir frisch und gestärkt den Weg nach Scotstown antreten."

"Scotstown, Sir?"

"Scotstown, McClown. Habe ich ihnen es nie erzählt? Nun, vor nicht allzu langer Zeit war ich auf der Suche nach Gold und Silber. Meine Reise führte mich nach vielen vergeblichen Versuchen an den Fluss Strontian. Dort wurde ich fündig. Ein weißes, silbrig glänzendes Metall fand ich dort."

"Silber, Sir?"

"Das dachte ich zunächst auch, McClown. Dann stellte sich jedoch heraus, dass es Strontium war, nicht ganz so wertvoll, aber immerhin. Ich gründete die blühende Stadt Scotstown. Sie wuchs und wuchs, doch schon bald konnte ich die Stromkosten nicht mehr bezahlen. Also verkaufte ich die Stadt und zog weiter. Scotstown ist eine große, reiche Stadt in der viele Geschäfte und Restaurants sind. Bestimmt kennt man mich heute immer noch und wird uns willkommen heißen. Dadurch können wir das Geld für eine Übernachtung sparen."

Der Butler packte nun alle Sachen ein und hatte erhebliche Mühe, die protestierenden Hamster, die nach Frühstück verlangten, in den Koffer zu sperren. Eines der Tiere biss ihm sogar in den Finger, so dass er fluchend hinter dem Tier her rannte.

"McClown, hören sie auf, mit den Hamstern herumzualbern! Wir müssen weiter."

Lord McShredder kümmerte sich nicht um das Geschimpfe seines Butlers sondern ging langsam voran. Nach einer Weile folgte ihm Frido McClown mit dem Rollstuhl und den Hamstern.



"Dem habe ich es gezeigt, was?" tönte Goldi. "Habt ihr gehört, wie der gejammert hat?"

"Musstest du denn gleich so grob zu ihm sein?" fragte Tati. "Das war genauso fies wie damals, als deinetwegen alle Lehrer für eine Woche mit einem Nervenzusammenbruch zuhause bleiben mussten."

"Ooooch, das war doch nur ein kleiner Scherz," versuchte Goldi, sich herauszureden.

"Scherz?" mischte sich nun Flecki ein. "Die waren gerade mitten in der Zeugniskonferenz. Dann hast du eine Handvoll Knallfrösche durch das offene Fester geworfen! Die waren so etwas von tüttelig und durcheinander, die haben gedacht, es ist Ostern und sie müssen Eier suchen"

"Immerhin hast du in Mathe eine Drei bekommen, weil die Lehrerin anschließend nicht mehr so genau wusste, wer du bist," sagte Goldi mit unschuldigem Gesichtsausdruck zu Flecki.

"Pst, seid mal leise, der Alte erzählt gerade etwas vom Essen!" rief Dodo und alle starrten wie gebannt nach vorne.

"Genau, McClown, wie ich schon sagte: ein blühende Stadt. Natürlich werden wir uns dort auch den Bauch vollschlagen und uns so richtig amüsieren. Ich gebe ihnen sogar einen Tag frei, na, was sagen sie?"

Der Butler schien nicht sonderlich überzeugt zu sein und betrachtete eindringlich das Ortsschild mit der Aufschrift 'Scotstown'. Es sah etwas schief und halb verrottet aus. Die Straße war so holperig, dass er höllisch aufpassen musste, dass der Rollstuhl nicht umkippte. Es standen wenige Bäume in diesem Gebiet, und der böige Wind blies Lord und Butler den Staub ins Gesicht. Hin und wieder sah man zerfallene Häuser oder kaputte Holzhütten am Wegesrand. Kein Mensch, kein Tier war zu sehen. Nachdem sie ein paar Minuten durch diese Einsamkeit gewandert waren, sahen sie ein weiteres Schild mit der Aufschrift: "Sie verlassen jetzt Scotstown - auf Wiedersehen".

"Blühende Stadt, Sir? Amüsieren, den Bauch vollschlagen, Sir?" krähte der Butler, packte den Rollstuhl, nahm Anlauf und schob ihn auf den Lord zu. Laut kreischend drehte der sich um und rannte so schnell er konnte vor dem Rollstuhl weg. Die Hamster waren natürlich von der rasenden Fahrt begeistert und vergaßen für einen Moment ihren Hunger.

"Viele Geschäfte und Restaurants, Sir?" brüllte der Butler dem flüchtenden Lord hinterher. "Man wird sie willkommen heißen, sagten sie das nicht, Sir?"

"Ich gebe zu, McClown," keuchte der Lord, während er so schnell rannte wie er konnte, "es mag sein, dass sich die Struktur des Ortes geringfügig geändert hat. Das ist doch nicht meine Schuld!"

"Ha," erwiderte der Butler keuchend, "einen Tag frei nehmen, Sir? Ja, das mache ich. Und wissen sie, was ich an diesem freien Tag mache? Ich gehe auf die Jagd, und zwar auf die Monsterjagd!"



Der Lord kreischte laut auf und verdoppelte seine Anstrengungen zu fliehen, als der Rollstuhl ihn leicht berührte.

"McClown, so nehmen sie doch Vernunft an," krächzte der Lord erschöpft, als sie eine kleine Stadt erreichten. Die Einwohner dieser Stadt schauten dem merkwürdigen Treiben der Neuankömmlinge verwundert zu. Vorbei ging die wilde Jagd an einem Campingplatz bis hin zu einem großen weißen Haus mit der Aufschrift "Hotel", das direkt hinter einer scharfen Kurve lag. Der Butler war vorsichtig durch diese Kurve gefahren, damit das Gefährt mit den Hamstern nicht umkippte, und diesen kleinen Vorsprung nutzte der Lord, um durch die Eingangstür in das Hotel zu flüchten.

"Kommen sie heraus, Sir," brüllte der Butler keuchend und schwitzend.

Nach einer Weile öffnete sich die Eingangstür und McShredder guckte ängstlich hervor.

"McClown," rief er ebenfalls keuchend, "gehen sie zwei Schritte vom Rollstuhl weg, dann komme ich heraus!"

Der Butler ließ den Rollstuhl lässig los und ging zwei Schritte zur Seite, jedoch ohne den Lord aus den Augen zu lassen.

"Mein freier Tag ist noch nicht zu Ende, Sir," rief er drohend.

"Seien sie doch vernünftig, McClown, es ist doch nicht meine Schuld, dass Scotstown in solch kurzer Zeit heruntergewirtschaftet wurde. 1927 war noch alles bestens!"

"Mir egal, Sir, ich will essen und endlich wieder vernünftig schlafen! Die Hamster hungern auch!"

Ein lautes, zustimmendes Fiepen war aus dem Koffer zu hören. Der Lord überlegte, dann sagte er mit widerstrebender Stimme: "Na schön, McClown, wir werden in diesem Hotel übernachten!"

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 21-25

Kapitel 21

Im Hotel 1. Teil

 

 

 

"Ist das nicht wunderbar, Sir, in einem echten Hotel zu übernachten? Ein Dach über dem Kopf und ein weiches Bett zu haben? Warmes Essen und..."

"...und alles bezahlen müssen," fügte der Lord völlig niederschlagen hinzu.

 

Sie standen in der Eingangshalle des Hotels und sahen sich um. Ein langer, roter Teppich führte geradeaus weiter zu einer breiten Treppe. Verschiedene Gemälde mit Bildern von schottischen Landschaften und Schlössern hingen an einer Holzwand zur linken Seite, ein Empfangstresen aus poliertem Holz befand sich auf der rechten Seite. Hinter dem Tresen stand ein Mann in Uniform, der sie zunächst nicht beachtete. Der Butler schob den Rollstuhl mit den Koffern und den Hamstern auf die linke Seite und betrachtete interessiert die Gemälde, während die kleinen Tiere neugierig aus dem Koffer guckten und sich ebenfalls umschauten. Der Lord war inzwischen zu dem Portier hinter dem Empfangstresen gegangen und wartete. Der Portier rümpfte mehrfach seine Nase, gerade so, als ob ein unangenehmer Geruch in der Luft wäre. McShredder trommelte mit seinen Fingern auf dem Tresen, während der Portier in einem Buch - offensichtlich ein Gästebuch - blätterte. Schließlich holte der Lord seine Pfeife heraus und wollte sie anzünden.

 

"Sir, das Rauchen ist hier verboten!"

"Ach?" krächzte McShredder. "Ist es auch verboten, Gäste zu bedienen?"

"Haben sie reserviert, Sir?" fragte der Portier ohne aufzublicken.

"Reserviert? Junger Mann, Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness und Herzog von Spanien braucht nicht zu reservieren! In allen Hotels der Welt hält man die beste Suite für mich frei!"

Im Hintergrund bekam der Butler einen Hustenanfall, während der Portier nun aufblickte.

"Verzeihen sie, Sir, aber ihr Äußeres...."

"Man beurteilt einen Menschen niemals nach seinem Äußeren, junger Mann, merken sie sich das! Ich könnte dieses winzige Hotel kaufen, und sie an die Luft setzen. Ist ihnen das klar?"

"Natürlich, Sir, selbstverständlich, Sir," erwiderte der Portier kleinlaut. "Wünschen sie einen Familienraum mit Bad und Dusche oder ein Doppelzimmer?"

"Sie haben immer noch nicht verstanden, junger Mann, ich bin Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Herzogs von Spanien und das Seeungeheuer von Loch Ness, äh, umgekehrt. Ist ihnen das ebenfalls klar? Selbstverständlich bekommen wir ihre beiden besten Einzelzimmer. Das größere natürlich für mich! Falls es in diesem heruntergekommenen Laden so etwas Ähnliches wie Essen gibt, dann bringen sie mir auch gleich die Speisekarte auf unsere Zimmer. Schließlich sind wir keine billige Kost gewohnt!"

 

Hätte der Lord sich in diesem Moment umgedreht, dann hätte er gesehen, wie sich sein Butler vor Lachen bog.

 

"Jawohl Sir, äh, Lord McShredder von Killichonan, Bezwinger des Seeungeheuers von Loch Ness und Herzog von Spanien, selbstverständlich. Wie darf ich Euer Durchlauchtigkeit anreden, wenn ich mir diese unangemessene Frage erlauben darf?"



"Ich gewähre ihnen diese Frage und ich gewähre ihnen weiterhin, mich untertänigst mit Sir Lord von Killichonan anzusprechen."

"Selbstverständlich, Sir Lord von Killichonan, darf ich ihr Gepäck nach oben bringen?" fragte der Portier mit zitternder Stimme. Sein hochmütiges Benehmen hatte er nun völlig abgelegt. Schweißperlen waren auf seinem geröteten Gesicht zu sehen.

"Nein. Um das Gepäck kümmert sich mein Diener. Sie tragen mich auf mein Zimmer!"

"Natürlich, Sir, sofort, Sir Lord von Killichonan," stotterte der Portier, lief um den Tresen herum und ging auf den Lord zu. Dann legte er einen Arm hinter dessen Schultern und den anderen hinter die Kniekehlen. Als er den Lord sicher im Griff hatte, schleppte er ihn keuchend die große Treppe hinauf.

"Habt ihr das gehört," rief Bauleiter Murksel begeistert, "wir übernachten hier!"

"Ja, und er hat etwas von Speisekarte gesagt," ergänzte Goldi.

"Hauptsache, wir müssen nicht wieder im Dreck übernachten. Ich will auch mal ein sauberes Klo!" fügte Flecki hinzu und hielt sich fest, denn in diesem Moment hatte der Butler ihren Koffer ergriffen und trug ihn die Treppe hinauf.

"Haben sie überhaupt keine Ausbildung gehabt, junger Mann?" hörten die Hamster in diesem Moment eine ihnen sehr vertraute Stimme schimpfen. "Wollen sie mich etwa vor der Tür stehen lassen, sie ungehobelter Flegel?"

"Aber Sir Lord von Killichonan, ich hatte keine Hand mehr frei zum Öffnen der Tür. Wie sollte ich denn die Tür öffnen, wenn ich sie trage, Sir?"

"Ein Portier von Format hätte das mit den Zähnen oder mit dem Knie gemacht, sie erbärmlicher Anfänger!"

"Jawohl Sir Lord von Killichonan, ich werde mich in Zukunft bemühen."

Sie standen nun im Zimmer und der Lord sah sich mit kritischem Blick um. Er ging mit gemächlichen Schritten zum Fenster, schob die weiße Gardine beiseite und sah hinaus. Dann strich er über den Stoff der Gardine und warf einen Blick auf das riesige Bett. Sein Blick glitt weiter auf einen Mahagonischrank bis hin zum einem goldenen Kronleuchter, der das Zimmer mit gleichmäßigem Licht durchflutete.

"Das soll ihr bestes Zimmer sein?" fragte der Lord und sah den Portier scharf an.

"Jawohl, Sir Lord von Killichonan. Das ist unsere Luxussuite. Ist etwas nicht in Ordnung?"



"Nicht in Ordnung? Es ist eine Katastrophe, sie Nichtsnutz. Die Vorhänge passen nicht zum Kronleuchter! Der Teppich ist durchgelaufen. Zeigen sie mir mal das Badezimmer!"

Wenige Sekunden später standen sie im angrenzenden Badezimmer. Es war in mattes Licht getaucht, ein Flokatiteppich lag auf den Fliesen. Die Wasserhähne der riesigen Badewanne waren mit Gold verziert.

"Portier," erklang die schnarrende Stimme von McShredder, "sagen sie mal, fällt ihnen nichts auf?"

"S... Sir?"

"Seife! Es fehlt ein zweites Stück Seife! Soll ich zum Baden und zum Händewaschen etwa dieselbe Seife benutzen? Raus mit ihnen, sie Lusche!"

Der Portier machte, dass er fort kam. Vor der Tür des Lords blieb er kurz stehen und atmete tief durch. Dann ging er den Gang weiter entlang und klopfte an die Tür, in dem Frido McClown untergebracht war.

"Sir, hier ist der Portier," rief er leise. Kurz darauf öffnete sich die Tür und der Butler sah ihn strahlend an.

"Haben sie einen Wunsch Sir? Sind sie mit dem Zimmer zufrieden, Sir? Wie darf ich sie anreden, Sir?"

Für einen kurzen Moment sah McClown den Portier verwirrt an, denn er war es nicht gewohnt, mit 'Sir' angeredet zu werden.

"Nun," begann er, "wenn sie mir eine Schale mit ungesalzenen Erdnüssen bringen würden, wäre ich soweit zufrieden. Sie können mich Sir Frido nennen."

Der Portier nickte und war froh, endlich gehen zu dürfen.

"Wird sofort erledigt, Sir Frido."

 

 

 

Kapitel 22

Im Hotel 2. Teil

 

Es dauerte nicht lange, und der Portier lieferte die Speisekarte bei Lord McShredder und eine Schale ungesalzene Erdnüsse bei Frido McClown ab. Dann ging er zurück in die Eingangshalle und griff zum Telefon. Er wählte eine Nummer, die er nur im Notfall benutzen durfte. Dieses war ein Notfall und es bedurfte der Hilfe des Hoteldirektors. Der Hoteldirektor wohnte nicht weit entfernt in dem kleinen Ort Liddesdale, auf der anderen Seite des Loch Sunart. Der Direktor fiel aus allen Wolken, als sein Portier Lachlan Mac Fish ihm mitteilte, dass vornehmer Besuch zu Gast in seinem Hotel war.

"Lachlan," sagte er atemlos vor Aufregung am Telefon, "äußerste Diskretion und erfüllen sie den Herrschaften jeden Wunsch, verstanden? Ich werde morgen so früh es nur geht vorbeikommen und ihnen helfen. Für heute brauchen die Herrschaften bestimmt Ruhe. Denken sie daran, Lachlan, ein Lord hat immer Recht, verstanden?"

"Natürlich, Sir, aber könnten sie nicht schon heute kommen?"

"Lachlan, seien sie nicht albern. Sie schaffen das schon."

Typisch, dachte der Portier, immer muss ich die Arbeit machen, und er geht zum Angeln. Na ja, bis morgen werde ich das schon schaffen.

'"Hey, Dings, äh, Potter!" riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. "Bringen sie mir bitte gewaschenen Salat und 25 Waschlappen!"



"Jawohl, Sir Frido," rief er erstaunt. Verwundert kratzte er sich am Ohr. Dass jemand gerne gewaschen Salat isst, war nichts Ungewöhnliches, doch wozu brauchte jemand 25 Waschlappen? Natürlich konnte er nicht ahnen, dass die Waschlappen als Badelaken für die Hamster bestimmt waren. Die kleinen Tiere waren nach der langen Reise so verschmutzt, dass sie dringend eine Wäsche brauchten. Was lag da näher, als die Badewanne zur Badeanstalt umzubauen? Der Butler konnte schließlich immer noch das Waschbecken benutzen.

"Potter?"

"Ja, Sir Frido?"

"Haben sie kleine Holzbretter?"

"Ja, Sir Frido, kleine Servierbretter habe ich."

"Gut, Potter, bringen sie mir 25 Stück!"

"25, Sir?

"25, Potter!"

Der Portier Lachlan Mac Fish beeilte sich, den Wünschen dieses merkwürdigen Gastes nachzukommen. Der Butler hingegen genoss es sehr, endlich einmal bedient zu werden. Als der Portier den Salat, 25 Waschlappen und 25 kleine Servierbretter an der Zimmertür des Butlers abgeliefert hatte, hörte er eine schnarrende Stimme:

"He, Zimmerservice, ist das Essen fertig?"

Der Portier beeilte sich und lief schnell zur Zimmertür des Lords.

"Sir Lord von Killichonan, haben Euer Durchlaucht gerufen?"

"Einen Durchlauf? Was soll ich mit einem Durchlauf, Mann? Ich habe Hunger, wo bleibt das Essen?

"Verzeihung, Sir Lord von Killichonan, das Dinner nehmen sie bitte in der Lounge ein."

Die Tür sprang auf, und Lord McShredder stand wutschnaubend vor dem Portier.

"Was erlauben sie sich, warum soll ich dünner werden?"

 

Lachlan Mac Fish wurde allmählich klar, dass der Lord hochgradig schwerhörig war, und deshalb wiederholte er schnell mit lauter Stimme: "Dinner, Sir, das Dinner. Haben Euer Lordschaft schon gewählt?"



"Lachs mit Pfifferlingen und Chips!" entgegnete der hungrige Lord und konnte ein Sabbern kaum unterdrücken.

"Sehr wohl, Sir Lord von Killichonan," antwortete der Portier und ging zurück zur Zimmertür des Butlers.

"Sir, was wünschen sie zu speisen?"

"Haggis und Chips. Bringen sie es mir bitte aufs Zimmer," ertönte die Stimme McClowns.

"Ähem, in 25 Schälchen, Sir Frido?"

"25 kleine und eine große, Potter!"

 

Der Rest des Tages verlief in ruhiger und gefräßiger Atmosphäre. Das heißt, für den Portier war es weder ruhig noch gefräßig. Es war schlichtweg die Hölle. Mal verlangte McShredder nach neuem Tabak oder nach einer Zeitung, die der Portier erst aus dem Nachbarort holen musste, mal benötigte McClown dringend Sonnenblumenkerne, die von einem nahe gelegenen Bauernhof besorgt werden mussten. Völlig nervös und mit den Nerven total herunter stand der arme Lachlan hinter dem Empfangstresen und wartete zitternd darauf, die Worte "Zimmerservice!" oder "Potter!" zu hören. Und er bekam sie oft zu hören, sehr oft sogar. Nachdem er kurz vor Mitternacht dem Lord noch eine Tasse Tee mit Keksen, eine große Portion Haggis und dem Butler einen Liter Milch sowie 25 Eierbecher und 50 Kekse gebracht hatte, schlief er schluchzend hinter seinem Tresen vor Erschöpfung ein.

 

Aus dem Zimmer des Lords waren jetzt nur noch Schnarchgeräusche zu hören. Ansonsten schien es still in dem Hotel zu sein. Ging man jedoch an die Zimmertür des Butlers, so waren hier jede Menge merkwürdige Geräusche zu hören. Planschen, Knabbergeräusche, merkwürdige Laute wie ''Eippij!''1 und ein leises Schnarchen, das von Frido McClown stammte. Bei den Hamstern war jedoch noch Party angesagt. Während einige Nager am Rand der Badewanne saßen und Kekse knabberten, planschten die anderen mit Surfbrettern im Wasser. Nur der Bürgermeister stand vor dem großen Badezimmerspiegel und übte eine Rede.



Neben der Wanne waren Flecki und Tati damit beschäftigt, den Fußboden mit Klopapier auszulegen. Goldi hatte einen kleinen Treteimer entdeckt und lud einen Hamsterfreund nach dem anderen ein, sich doch 'bitte mal eben' auf den Deckel zu stellen. Dann sprang er auf das Fußpedal und mit einem lauten "Eflih"2 flog der jeweilige Hamsterfreund in hohem Bogen durch die Luft. Im günstigsten Fall endete der Flug in der Badewanne.

Erst, als die Sonne ihre ersten Strahlen schickte, war überall Ruhe in dem kleinen, vornehmen Hotel eingekehrt. Der Portier lag noch immer völlig erschöpft hinter seinem Empfangstresen und rieb sich die müden Augen. Für ihn war es nun an der Zeit, aufzustehen und das Frühstück zuzubereiten. Mürrisch ging er in die Küche und schloss gleich wieder seine Augen, als er die Berge von schmutzigem Geschirr sah. Seine Lordschaft und der Butler hatten sich das Beste vom Besten servieren lassen und das gleich in doppelter und dreifacher Ausgabe. Hinzu kamen die unzähligen kleinen Geschirrteile wie Eierbecher, Holzbrettchen, Teelöffel und kleine Teller, über deren Sinn und Zweck sich Lachlan Mac Fish nicht den allerkleinsten Reim machen konnte. Nach einigen Stunden hatte er die Küche wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht und deckte den Frühstückstisch. Dann weckte er die Herrschaften.

1 (Hamstisch: Jippie)

2 (Hamstisch: Hilfe)


 

 

Kapitel 23

Im Hotel 3. Teil

 

"Guten Morgen, Sir Lord von Killichonan. Haben Euer Durchlaucht gut geruht?"

 

Der Portier stand stocksteif neben dem Frühstückstisch, als sich Lord McShredder näherte. Ein paar Meter dahinter folgte ihm gähnend sein Butler.

 

"Reden sie nicht so geschwollen, Sklave, wo ist der Kaviar?"

"Äh, Sir, sie erwähnten nichts von Kaviar..."

"Ich erwähnte nichts von Kaviar, sie Lümmel? Der Lord von Killichonan speist jeden Morgen Kaviar! Schreiben sie sich das hinter die Ohren!"

"Ja- jawohl Sir," stammelte der Portier und lief in die Küche, um Kaviar zu holen.

"Äh, Sir, wie schmeckt eigentlich dieser Kaviar?"

"Keine Ahnung, McClown, aber probieren wollte ich so etwas schon immer mal," entgegnete der Lord und fügte hinzu: "Hoffentlich ist der nicht so fett. Auf jeden Fall werde ich nur ein kleines Stück davon probieren."

Kurz darauf kam der Portier mit einer kleinen Schale Kaviar und stellte sie vor den Lord.

"Der Kaviar, Sir Lord von Killichonan!"


Während der Portier machte, dass er schnell wieder in seiner sicheren Küche verschwand, betrachtete der Lord neugierig das Schälchen mit dem schwarzen Inhalt. Er nahm einen kleinen silbernen Löffel und probierte vorsichtig. Dann spuckte er die kleinen, schwarzen Kugeln quer durch den Raum und schimpfte: "Ungenießbar, McClown, total versalzen. Geben sie es den Hamstern zum Spielen!"

Nach diesem unerfreulichen Ereignis wandten sich die beiden wieder ihrem reichhaltigen Frühstück zu und ließen es sich schmecken. In der Zwischenzeit war unbemerkt ein Mann durch die Eingangshalle gekommen und ging auf sie zu.

"Guten Morgen, die Herrschaften, es ist mir eine besondere Ehre und Freude, sie in meinem Hotel begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es fehlt ihnen an nichts, und sie sind zufrieden!"

"Kein Eis!" krähte McShredder.

"Sir?" fragte der Hoteldirektor fassungslos.

"Es fehlt das Eis! Machen sie sich mal nützlich, und bringen sie mir Himbeereis, anstatt mich beim Essen zu stören!"



"Und für mich noch eine Extraportion Chips!" rief McClown dem fassungslosen Direktor hinterher, der nun tatsächlich in die Küche ging, um seinen Portier zu suchen. Er fand ihn bei der Geschirrspüle.

"Lachlan, ist alles in Ordnung mit ihnen?" rief er, doch schon im nächsten Moment sah er seinen völlig entnervten Angestellten und wusste, dass gar nichts in Ordnung war. Ein Schatten seiner selbst war er, der Portier, zitternd und nervös stand er nun vor dem geöffneten Kühlschrank und hielt seinen Kopf in das Gefrierfach.

"Ich halte das nicht mehr aus, Chef," jammerte er und schlug mit der Faust gegen die Kühlschranktür.

"Aber, aber, Lachlan, so schlimm kann das doch nicht sein!"

"Nein, Chef, es ist eher schlimmer! Die ganze Nacht habe ich das Wasser in der Badewanne laufen hören, das ganze Hotel stinkt nach verdammten Tabak, und rumgemeckert haben die bis Mitternacht! Chef, ich gehe!"

"Lachlan, nein, das können sie nicht machen, ohne sie bin ich erledigt!" Der Hoteldirektor war leichenblass geworden.

"Nein, Chef, ohne mich. Entweder die gehen oder ich. Das ist mein letztes Wort!"

Der Portier trat die Tür des Kühlschranks zu und ging zum Empfangstresen, um seine Sachen zu packen.

Der Direktor dieses ehrwürdigen Hotels war in einer schlimmen Lage. Wenn er die beiden Gäste hinaus schmeißen würde, dann ginge ihm viel Geld verloren. Andererseits, wenn sein Portier kündigen würde, dann gäbe es keinen Hotelbetrieb mehr.

Er rückte seinen Schlips zurecht und ging langsam an den Frühstückstisch, wo Lord McShredder und McClown saßen und mit aufgestützten Ellenbogen ihren Tee schlürften. Sie hatten beide ihre Füße auf die Nachbarstühle gelegt. Es sah wirklich nicht sonderlich vornehm aus.

"Gentlemen," begann der Hoteldirektor vorsichtig, "es gibt ein kleines Problem."

"Von wegen klein," grölte der Lord, "ein großes Problem! Wo bleibt mein Eis?"



"Ein Eis werden sie selbstverständlich sofort bekommen, Sir, es ist leider ein Problem aufgetaucht, das ihre sofortige Aufmerksamkeit erfordert."

"Soll das heißen, sie haben kein Himbeereis mehr? Dann bringen sie mir Erdbeere, aber dalli!" krähte der Lord und klopfte seine Pfeife in der Kaviarschale aus.

"Es geht leider um mehr, als um ein Eis, Sir. Sie müssen leider unser Hotel verlassen."

"Verlassen?" Der Lord nahm seine Pfeife und zeigte auf den Hoteldirektor. "Machen sie sofort, dass sie in die Küche kommen, und holen sie mir ein Eis, sonst kaufe ich dieses mickerige Hotel und entlasse sie."

"Auch gut, Sir," entgegnete der Direktor ruhig. "An welche Summe dachten sie denn?"

Lord McShredder wurde blass und legte seine Pfeife auf den Tisch.

"Nun, äh, eine Menge, oder? Ich bin der Lord von Killichonan, der Herrscher vom Loch Ness Monster, äh, und ich könnte ihnen ein Schloss anbieten, das, äh, gerade renoviert wird."

"Vielen Dank, Sir, das wird nicht nötig sein. Geben sie mir bitte das Geld für eine Übernachtung in der Luxus-Suite. Zahlen sie getrennt, meine Herren?"

Er sah Frido McClown fragend an. Der jedoch schüttelte mit dem Kopf und zeigte auf den Lord.

"Er hat uns eingeladen!"

"Uns, Sir?" fragte der Direktor erstaunt. "Wen denn noch?"

"Äh," überlegte der Butler, "ich meine mich und die, äh, die Koffer."

"Die Koffer, ich verstehe. Nun, Sir Lord, dann werden sie die Gesamtrechnung übernehmen. Mein Portier wird sie ihnen gleich bringen. Die Koffer tragen wir ihnen gerne vor die Tür. Haben sie sonst noch Wünsche?"



Lord und Butler waren nun völlig ratlos und sagten nichts mehr. Der Hoteldirektor ging zu seinem Portier, der im Hintergrund mit wachsender Freude dem Gespräch gelauscht hatte. Er hatte bereits hatte ein großes Blatt Papier hervorgeholt und begann zu schreiben.

"Sir, sie haben doch wohl genug Geld dabei?" stellte der Butler dem Lord die Frage aller Fragen.

"McClown, sehe ich etwa aus wie ein mieser Hühnerdieb? Selbstverständlich hat ein Lord immer genug Geld dabei! Sehen sie lieber zu, dass sie unauffällig die Reste von dem Essen einpacken, wir müssen schließlich sparen!"

"Sparen, Sir? Aber ich denke..."

"185 Pfund, Sir. Wenn ich bitten darf, in bar."

Der Hoteldirektor legte Lord McShredder einen Zettel vor die Nase, auf dem viele Worte und noch mehr Zahlen standen. Mit einem Gesicht, als hätte er gerade seine Pfeife verschluckt, nahm der Lord die Rechnung in die Hand. Der Butler konnte genau sehen, dass das Gehirn des alten Gauners fieberhaft am Arbeiten war. Zwar hatte McClown keine Ahnung, was nun kommen würde, aber er hatte das ungute Gefühl, dass gleich irgend etwas Unangenehmes passieren würde.

"Ist das alles?" krähte McShredder und warf die Rechnung auf den Tisch. "Diese läppische Rechnung ist alles? Guter Mann, soviel erhält bei mir der Postbote als Trinkgeld! Da bin ich ganz andere Rechnungen gewohnt! Ich werde diese lächerliche Summe bei meinem nächsten Besuch bezahlen. McClown, wir gehen!"

Der Direktor trat an den Lord heran und legte ihm die Hand auf die Schulter.

"Sie werden noch nicht gehen, Sir, denn leider muss ich auf sofortige Bezahlung bestehen."



"Wollen sie einem Lord drohen?" fragte McShredder entrüstet. "Wenn ich sage, ich zahle bei nächsten Mal, dann können sie sich darauf verlassen. Ist das klar, junger Mann?"

"Völlig klar, Sir." Der Hoteldirektor dreht sich zum Portier um. "Lachlan, bitte seien sie so gut, und rufen sie die Polizei!"

Einen Moment stand der Portier wie versteinert da, doch dann griff er lächelnd zum Telefon. Auch der Lord schien nun den Ernst der Lage zu begreifen und rief: "Halt! Ich zahle!"

Sofort waren alle Augen auf ihn gerichtet. Seufzend griff er in seine Hosentaschen, wühlte eine Weile darin herum und machte ein erstauntes Gesicht. Dann schaute er unter den Frühstückstisch, unter den Stuhl und schließlich begann er, den Teppich in der Eingangshalle hochzuheben.

"Sir, was machen sie da?" fragte der Hoteldirektor verwundert.

"Ich suche mein Geld. Vor ein paar Minuten habe ich es noch gehabt."

"Vielleicht haben sie es in ihrem Zimmer gelassen, Sir."

"Nein, nein. Ich habe es eben noch gehabt. Es ist weg."

Der Direktor sah erst den Lord, dann den Butler und schließlich seinen Portier an. Dann ging er langsam im Raum hin und her. Er überlegte lange und sprach: "Nun, Sir, ich möchte einen Lord nicht der Lüge bezichtigen, und ich möchte einen Lord nicht im Gefängnis sehen müssen. Sie verstehen aber, Sir, dass auch ich Geld zum Leben brauche. Selbstverständlich muss auch mein Angestellter sein Gehalt von mir bekommen. Daher schlage ich ihnen vor, dass sie sich das Geld von Freunden schicken lassen, oder," er machte eine Pause und sah den Lord nachdringlich an. "Oder, sie werden es abarbeiten!"

Lord McShredder saß recht verlegen auf seinem Stuhl und spielte mit seiner Pfeife. Freunde, die ihm Geld schicken würden? Das konnte er vergessen, er hatte keine Freunde. Schließlich stand er auf.

"Ein Lord bettelt seine Freunde nicht an, selbst wenn die mit Begeisterung helfen würden. Diese läppische Summe werden mein Butler und ich mit Freuden abarbeiten!"


 

 

Kapitel 24

Im Hotel 4. Teil

 

"Mit Freuden, Sir," knurrte Frido McClown, "sagten sie mit Freuden? Seit vorgestern schuften wir von morgens bis abends."

"McClown, sie sind auch immer unzufrieden. Wir haben ein Dach über dem Kopf und warmes Essen, so ein bisschen Arbeit wird sie schon nicht umbringen."

Der Lord saß auf einem alten Farbeimer und sah zu, wie sein Butler den letzten Teil der Rückwand des Hotels mit weißer Farbe strich. Die Vorderseite hatten sie am gestrigen Tage bereits vollständig gestrichen, und das Hotel erstrahlte in neuem Glanz. McClown hatte aber im Moment keinen Sinn für solche Schönheiten, denn inzwischen war dem Lord eingefallen, dass er aufgrund seines Rheumas dringend eine längere Pause brauchte. Nun konnte er die gesamte Arbeit alleine machen.

"Sir, wenn wir hiermit fertig sind, müssen wir das Dach reparieren und anschließend alle Zimmer streichen. Ich kann nicht mehr."

In diesem Moment kam der Portier mit einer großen Schüssel und stellte sie vor dem Lord ab.

"Kartoffeln, Sir. Trotz ihres Rheumas dürften sie wohl in der Lage sein, diese Kartoffeln zu schälen. Machen sie es bitte ordentlich."



Der Lord nahm das Küchenmesser, das der Portier ihm gereicht hatte in die Hand und betrachtete es. Nachdem der Portier das Zimmer verlassen hatte, schleuderte er es quer durch den Raum.

"Sie haben recht, McClown. Diese Arbeit ist eines Lords unwürdig. Im Gegensatz zu ihnen bin ich jedoch mit einer Menge Gehirn ausgestattet und habe bereits einen Fluchtplan ausgearbeitet."

"Einen Fluchtplan, Sir?"

"Einen Fluchtplan, McClown. Morgen früh um 7.47 Uhr fährt ein Bus nach Corran, den werden wir nehmen. Von Corran aus nehmen wir die Fähre und verschwinden."

"Aber, Sir, wie sollen wir denn unauffällig durch die Eingangshalle flüchten?"

"Sehen sie, McClown," krähte der Lord, "sie denken eben nur mit den Füßen und nicht mit dem Kopf. Deshalb sind sie auch nur ein Butler und kein Lord. Sehen sie zu, dass unser Rollstuhl über Nacht draußen stehen bleibt, ohne, dass das auffällt. Lassen sie sich etwas einfallen. Nach dem Frühstück werden wir fliehen."

Es war in der Tat nicht weiter schwierig für den Butler, sich etwas einfallen zu lassen. Nachdem er den Rollstuhl reichlich mit Farbe bekleckert und anschließend mit einem übel riechenden Reinigungsmittel bearbeitet hatte, konnte er ihn zum Ausdünsten vor der Eingangstür stehen lassen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.

So saßen die beiden am Abend in dem kleinen Zimmer, das ihnen vor zwei Tagen zugeteilt worden war. Es lag direkt neben der Küche und war recht karg eingerichtet. Zwei Betten und ein alter Schrank waren alles, was ihnen zur Verfügung stand. Das Essen war knapp bemessen und McClown argwöhnte, dass es sich um die Essenreste der wenigen Gäste des Hotels handelte. Er hatte es gründlich satt, auch nur einen Tag länger unter diesen Umständen arbeiten zu müssen. Sicher, er war es gewohnt, unter dem Lord von morgens bis abends zu arbeiten, jedoch nie so hart wie in diesem Hotel. Bis spät in die Nacht musste er gestern das Geschirr spülen und als er damit fertig war, hatte er die Malerpinsel zu reinigen, bevor er völlig erschöpft ins Bett fiel. Zu diesem Zeitpunkt schnarchte Seine Durchlaucht bereits, denn der Lord hatte sich wegen seines Rheumas nur mit den nötigsten Arbeiten abgegeben. Der Butler seufzte tief und ging zu den Koffern mit seinen kleinen Hamsterfreunden.

"Keine Sorge, meine kleinen Freunde," flüsterte er. "Morgen Früh sind wir wieder frei!" Dann drehte er sich auf die Seite und schon nach kurzer Zeit war auch er eingeschlafen.

"Was soll denn das nun schon wieder," schimpfte Tati, "warum kümmert sich hier keiner um uns? Den ganzen Tag hängen wir hier herum und keiner ist für uns da!"



"Und Essen gibt es auch kaum noch," beschwerte sich Goldi. "Wir sollten machen, dass wir hier verschwinden!"

"Nicht richtig zugehört eben, oder?" meldete sich Flecki. "Der nette Mann hat doch gerade eben gesagt, dass wir morgen früh wieder frei sind."

"So ist es," bestätigte der Bürgermeister. "Liebe Hamster, morgen werden wir wieder frei sein. Wir werden wieder uns selbst gehören, wie die alten Kelten sagten. Natürlich wird der eine oder andere nun fragen: was heißt denn frei? Nun, meine lieben Freunde, das bedeutet nichts Anderes als eben frei sein. Wie ich eingangs schon erwähnte..."

"Wer kommt mit in die Küche?" unterbrach Goldi den Redefluss des Bürgermeisters. "So ein kleiner Snack wäre doch jetzt genau das Richtige, oder?"

Als sich der Bürgermeister umsah, war er alleine im Raum. Jedenfalls war er der einzige Hamster im Raum, denn in den Betten lagen McShredder und McClown, die sich dem Schlaf der Gerechten hingaben. Achselzuckend drehte sich der allein gelassene Bürgermeister zu den beiden Schlafenden um und tippelte ein paar Schritte näher. Als er zwischen den Betten stand, breitete er die Arme aus und sprach:

"Meine Herren, sicherlich interessiert es sie zu erfahren, wie meine Einstellung in meiner verantwortungsvollen Position des Bürgermeisters zu den Dingen im Besonderen und im Allgemeinen ist. Ich freue mich, dass sie so zahlreich versammelt sind, und ich versichere ihnen, dass sie ihr Kommen nicht bereuen werden, da ich, wie sie sicherlich schon...."

Während der Bürgermeister also froh war, endlich vor einem Publikum zu reden, das nicht flüchten konnte, waren die anderen Hamster bereits in der Küche angekommen. Die spiegelglatte Spüle lud zu einer Rutschpartie ein. Mit einem fröhlichen "Uhuj!" rutschte ein Hamster nach dem anderen mehrere Meter über die glatte Oberfläche hinein in das Waschbecken. Als auch der letzte in das Waschbecken hineingefallen war, gab es ein Problem.



"Und was nun?" erkannte Bauleiter Murksel als erster das Problem. "Wie kommen wir nun wieder heraus?"

Schweigen und lange Gesichter waren die Antwort. Sie waren gefangen, und das durch ihre eigene Dummheit. Verzweifelt versuchten die Hamster, an der glatten Fläche des Beckens hoch zu krabbeln, jedoch ohne Erfolg. Sie probierten es damit, dass einer auf den anderen stieg, doch der Boden des Waschbeckens war einfach zu glatt. Immer wieder rutschte der unterste Hamster weg und alle purzelten durcheinander. So verbrachten sie eine langweilige Nacht in einem langweiligen Waschbecken.


 

 

Kapitel 25

Die Flucht

 

Es wurde gerade hell, als der Butler durch das laute Schnarchen des Lords geweckt wurde. Er rieb sich die Augen und schlagartig war ihm bewusst, dass heute endlich Schluss sein würde mit mit all den Sklavenarbeiten. Verwundert schaute er auf den Fußboden und entdeckte einen der Hamster, der offensichtlich irgend etwas erzählte. Der Butler schüttelte verwundert den Kopf, packte den protestierenden Hamster und setzte ihn in den Koffer. Ein Schreck durchfuhr ihn: wo waren denn die restlichen Hamster geblieben? Er sah unter den Betten nach, durchwühlte den Schrank, doch die Hamsterschar blieb verschwunden. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es kurz nach 5.00 Uhr war. McClown beschloss, jetzt schon mit der Vorbereitung des Frühstücks für die Hotelgäste zu beginnen. Es wäre sicher nicht verkehrt, etwas Zeit für die Fluchtvorbereitungen zu gewinnen. Ganz leise, um Lord McShredder nicht unnötigerweise zu wecken und in unsinnige Diskussionen zu verwickeln, öffnete er die Zimmertür und ging in die angrenzende Küche. Als erstes füllte er den Wasserkessel, setzte ihn auf den Herd und holte aus dem Küchenschrank Tee und Teefilter hervor. Verärgert bemerkte er, dass die Teekanne noch nicht gereinigt war und ging zum Waschbecken. Als er dort ankam, traute er seinen Augen nicht.

"Na, ist eure Party ins Wasser gefallen?" Der Butler bog sich vor Lachen. "Habt ihr euch denn wenigstens gut amüsiert?"



Er packte die frustrierten Hamster und trug sie behutsam die Treppe hinauf. Dabei kicherte er immer wieder leise vor sich hin und hatte große Mühe, nicht laut loszulachen. Vorsichtig öffnete er die Tür, trug die Hamster hinein und setzte die Tiere in den Koffer zum Bürgermeister, der noch immer seine Rede hielt. Dann ging er leise kichernd wieder in die Küche zurück.

"Wenn der noch ein Wort gesagt hätte, dann hätte ich ihn fertig gemacht," tönte Goldi und hob drohend seine Pfote.

"Am besten, wir reden nicht mehr davon," meinte Purzel. "Wir sind ja wirklich eine Schande für die gesamte Hamsterschaft."

"Genau," gähnte Flecki. "Lasst uns jetzt schlafen gehen. Für heute haben wir uns genug blamiert"

Während die Hamster sich schlafen legten, bereitete der Butler in der Küche das Frühstück vor. Er war froh, dass dieses Hotel zur Zeit nur wenige Gäste beherbergte. Es waren nur zwei weitere Gäste mit Frühstück zu versorgen, dachte der Butler beruhigt und bereitete den Kaffee für Zimmer 4 vor. In diesem Raum befand sich ein merkwürdiger Professor, der den ganzen Tag entweder irgendwo in der Gegend herum wanderte oder Bücher in seinem Zimmer las. Dann war da noch Zimmer 8, das von einem Ehepaar bewohnt war. Auch die waren den ganzen Tag unterwegs und bereiteten McClown keinerlei Probleme. Allerdings stand die Ferienzeit unmittelbar bevor, und er wusste genau, dass bald jede Menge Gäste kommen würden. Nein, sie mussten verschwinden und zwar je eher, desto besser. Er sah auf die Küchenuhr, es war inzwischen kurz nach 6.00 Uhr. Das Kribbeln in der Magengegend wurde immer stärker, und der Butler überlegte, wie sie die Koffer möglichst unauffällig aus dem Hotel schaffen konnten. Er hatte noch keine Ahnung wie, und genau das bereitete ihm nicht unerhebliche Sorgen. Und wenn sie die Koffer einfach zurück ließen? Nein, auf keinen Fall, dachte er mit grimmigen Gesichtsausdruck, niemals würde er die armen, kleinen Hamster im Stich lassen.

"Sie sehen aber nicht besonders fröhlich aus, Sir Frido, guten Morgen!" erklang neben ihm die Stimme des Portiers, der die Küche betreten hatte, um nach dem rechten zu sehen. McClown gegenüber war Lachlan Mc Fish sogar recht freundlich, denn er betrachtete den Butler als einen Gleichgesinnten. Lord McShredder hingegen piesackte er, wo immer und sooft es ging. "Denken sie bitte daran, nachher den Müll vor die Tür zu stellen, damit die Müllabfuhr ihn mitnimmt!"

"Mach' ich," brummte McClown und füllte das Kaffeepulver, das er soeben vor Schreck verschüttet hatte, in den Filter zurück. Plötzlich schoss ihm eine Idee durch den Kopf. Der Müll! Er ging in den hinteren Teil der Küche und fand die beiden großen Mülltonnen, die für die heutige Leerung vorgesehen waren. Er sah hinein und stellte fest, dass noch genug Platz vorhanden war, genug Platz für die Koffer.



Der Butler lief so schnell es ohne aufzufallen ging, aus der Küche hinaus und wieder in das Zimmer hinein, in dem der Lord immer noch friedlich, aber laut, vor sich hin schnarchte. Frido McClown nahm einen Koffer nach dem anderen und trug ihn in die Küche. Der Portier war nicht zu sehen, und mit klopfendem Herzen legte der Butler die Koffer in die Mülltonnen. Dann nahm er den kleinen, grünen Eimer, in dem die Speisereste gesammelt wurden und verteilte sie so in den Tonnen, dass die Koffer nicht mehr zu sehen waren. Als er wieder auf die Uhr blickte, stellte er mit Schrecken fest, dass es bereits kurz vor 7.00 Uhr war. Er beeilte sich, die Frühstückstische zu decken, stellte schnell die beiden Mülltonnen vor die Eingangstür des Hotels, weckte schließlich den Lord und erzählte ihm, wo die Koffer verblieben waren.

"McClown, ich sehe, dass sie von mir gelernt haben," flüsterte der Lord wenig später am Frühstückstisch und blickte sich immer wieder vorsichtig um, ob auch niemand in der Nähe war. "Es ist jetzt 7.25 Uhr, wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, räumen sie schnell ab und gehen in die Küche zurück. Wir werden 10 Minuten brauchen, um zur Bushaltestelle zu kommen, wo der Bus um 7.47 Uhr nach Corran abfährt."



"Ja, Sir," entgegnete der Butler aufgeregt und stopfte sich das letzte Stück Brot in den Mund. "Ich fange jetzt mit dem Abräumen an."

"Gut, McClown," erwiderte McShredder, "ich gehe jetzt ins Zimmer und ziehe meinen Maleranzug an. Dann gehe ich nach Draußen und warte auf sie."

Nachdem der Butler das Geschirr in die Küche getragen hatte, schaute er noch einmal auf die Uhr. Es war jetzt 7.35 Uhr, nun war es soweit! Er nahm den kleinen, grünen Eimer und tat so, als wolle er noch Müllreste in die draußen stehenden Mülltonnen bringen. Der Portier war gerade in die Küche gegangen, wahrscheinlich wollte er nachsehen, ob alle Zutaten für das Mittagessen vorhanden sind, dachte der Butler und ging schnell zur Hoteltür hinaus. Dort stand der Lord und machte ein nachdenkliches Gesicht. Die Mülltonnen! Wo waren die Mülltonnen mit den Koffern? Die Koffern waren nicht so wichtig, aber wo waren die armen Hamster?

"Bravo, McClown, die Müllabfuhr hat soeben unsere Koffer abgeholt."

"Wohin, Sir?" Der Butler war den Tränen nahe.

"Nun, McClown, die werden wohl zur Müllverbrennungsanlage nach Glasgow gebracht."

"Können wir die denn noch einholen, Sir?"

Lord McShredder überlegte.

"Los, McClown, nehmen sie den Rollstuhl und geben sie Gas. Wir müssen jetzt erst einmal den Bus erwischen!"



Der Lord setzte sich in den Rollstuhl und der Butler schob. Es gab keine Diskussionen darüber, dass der Lord geschoben wurde, denn erstens konnte er nicht besonders schnell laufen, und zweitens war die Straße abschüssig, so dass sie sehr schnell vorwärts kamen. Mit rasender Geschwindigkeit ging es durch eine Rechtskurve, und schon kam die Innenstadt von Strontian in Sicht. Keuchend schob der Butler, so schnell es auf der holperigen Straße ging. Immer wieder blickte er sich um, doch es waren keine Verfolger in Sicht. Ein Lord in einem Maleranzug auf einem Rollstuhl, der von seinem Butler, der wie ein Koch angezogen war, in einem Höllentempo durch die Innenstadt geschoben wurde. Welch ein Bild, dachte McClown und sah erleichtert, dass sich die Bushaltestelle nur noch wenige Meter vor ihnen befand.

Der Bus wartete bereits, der Lord stieg aus dem Rollstuhl und kletterte in den Bus hinein. Erschöpft setzte er sich auf eine Bank. Der Busfahrer war von seinem Fahrersitz aufgestanden und half dem Butler, den Rollstuhl in den Bus zu tragen. Danach setzte er sich wieder ans Steuer und drehte sich zu McClown um:

"Brauchen sie noch eine Fahrkarte, Sir?"

Der Butler schüttelte den Kopf. Er brauchte keine Fahrkarte, er brauchte den Koffer mit dem Hamstern.

Dann setzte sich der Bus in Bewegung.

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 26-30

 

Kapitel 26

Corran

 

 

 

 

 

 

 

"Sir, ich wiederhole meine Frage nur ungern, aber was ist mit dem Müllwagen?"

"McClown, ich sagte doch, die fahren nach Glasgow."

"Das sagten sie, Sir."

"Und wir fahren jetzt nach Corran, McClown."

"Das weiß ich, Sir."

"Dort hin muss man eine Fähre nehmen."

"Auch das weiß ich, Sir."

"Es gibt nur diesen Weg nach Glasgow."

"Das wusste ich nicht, Sir."

"Sehen sie, McClown, das sind die feinen Unterschiede zwischen Lord und Butler. Wir werden den Müllwagen spätestens auf der Fähre eingeholt haben, und dann können sie die Koffer aus dem Müll heraus holen."

"Warum ich, Sir? Vom Müllgeruch wird mir immer schlecht."

"Wegen der feinen Unterschiede, McClown. Sie sind eben nur ein Butler, also werden sie den Müll durchwühlen."



Mürrisch sah der Butler aus dem Fenster. Selbst die wunderschöne Landschaft entlang des Glen Tarbert konnte ihn nicht aufheitern. Sie erreichten Inversanda und der Blick auf die Bucht war gigantisch. Der Butler wartete ungeduldig auf die Weiterfahrt des Busses, denn bisher war der Müllwagen noch immer nicht in Sicht gekommen. Durch jeden Stopp verlieren wir wertvolle Minuten, dachte er. Die Fähren gingen alle 20 Minuten über den Loch Linnhe, so viel war klar. Was aber, wenn der Müllwagen mit den Koffern schon auf der Fähre war, und sie selbst erst die nächste erwischen würden. McClown begann zu schwitzen bei dem Gedanken, dass seine lieben, kleinen Hamsterfreunde in einer Müllverbrennungs-anlage enden würden. Sie erreichten Gearradh und zu seinem Entsetzen hielt der Bus für ein paar Minuten an. Entlang des Lochs ging es nun zügig weiter, und der Butler schöpfte wieder Mut. Dann folgte ein weiterer Stopp an einem Schild mit der Aufschrift Sallachan und er merkte, dass er anfing zu zittern. Endlich ging die Fahrt weiter und als der Bus ein letztes Mal bei Clovullin anhielt, verlor er die Nerven, als er im Geiste Flammen und Hamster vor sich sah.

"Nein!" schrie er und warf sich auf den Boden des Busses.

Der Fahrer dreht sich entsetzt um und starrte, wie alle anderen Fahrgäste auch, auf den am Boden liegenden Butler und rief: "Ist ihnen nicht gut, Sir? Brauchen sie einen Arzt?

"Fahren sie," stöhnte McClown, "fahren sie schnell zur Fähre, es geht um Leben und Tod!"

Fahrer und Fahrgäste starrten ihn mit großen Augen ungläubig an.

"Er braucht Seeluft," krähte in diesem Moment Lord McShredder. "Ein bisschen frische Luft, dann geht es ihm wieder besser."

Der Fahrer nickte und gab Gas.

"Danke, Sir, das war eine gute Idee mit der Seeluft."

 

"Da gibt es nichts zu danken, McClown. Wollen sie denn, dass die Leute denken, ich hätte einen Idioten als Butler?"

"Nein, Sir, sicherlich nicht."

McClown stand auf und flog im selben Moment mit einem Schrei wieder auf den Boden, denn der Fahrer hatte das Ziel erreicht und bremste scharf.

"Wir sind da, Sir!" rief er laut und sprang nach hinten, um den beiden zu helfen, den Rollstuhl aus dem Bus zu tragen. Dann schob der Butler im Laufschritt den Rollstuhl in Fahrtrichtung weiter, bis ein Schild mit der Aufschrift Ardgour Ferry zu sehen war. Die Fähre lag am Ende eines langes Bootsstegs und der Butler verdoppelte seine Anstrengungen, doch es war zu spät. Die Leinen waren bereits losgemacht worden, und das kleine Fährschiff entfernte sich.

"Nein!" schrie der Butler und warf sich auf die Holzplanken des Anlegers und trommelte mit den Fäusten.

 

 

"Das hatten wir schon mal, McClown. Sie sind etwas launisch in letzter Zeit. Sie müssen lernen, sich zu beherrschen, McClown."

"Aber, Sir, die Hamster, die Hamster..."

"Ja, und, McClown? Die sind im Müllwagen, und der Müllwagen ist auf der Fähre. Schreie ich deswegen herum, McClown?"



Der Lord holte seine Pfeife hervor, zündete sie an und zeigte auf den Anleger.

"Wussten sie, McClown, dass diese Art von Bootssteg auch Jetty genannt wird?"

 

Der Butler schwieg. Ihm war nicht nach Gesprächen zumute. Er sah, dass die Fähre inzwischen wieder auf dem Rückweg war. Er wusste auch, dass nun fast alles verloren war, insbesondere die Hamster waren verloren. Diese unschuldigen Tiere! Bei lebendigen Leib im Feuer verbrannt! Er dachte an all die Abenteuer mit seinen kleinen Freunde und dass es so grausam enden sollte.

 

"Nein!" schrie er und warf sich schluchzend aufs Neue auf die Holzplanken des Anlegers.

"McClown, das wird allmählich langweilig, ständig wiederholen sie sich! Stehen sie lieber auf und reißen sie sich zusammen, die nächste Fähre ist da!"

In der Tat dauerte die Überfahrt an dieser Stelle nur wenige Minuten. Die kleine Fähre legte an, eine Rampe wurde herunter gelassen, und die beiden stiegen ein. Während der Butler auf der Überfahrt trübsinnig ins Wasser starrte, stritt sich Lord McShredder mit einem der Bediensteten um den Fahrpreis. Erst, nachdem der Lord gedroht hatte, die Fähre zu kaufen und alle an die Luft zu setzten, kehrte Ruhe ein. Sie verließen die Fähre und setzten sich auf eine Bank neben einem Schild mit der Aufschrift "Corran Ferry". Der Lord aber hatte sich noch immer nicht beruhigt.

"Geld wollte er, hören sie, McClown? Dieser Halsabschneider! Fußgänger und Fahrräder sind kostenlos, das weiß ich genau. Und was sagt dieser Pirat? Ein Rollstuhl hat vier Räder und ist kein Fahrrad, hat er gesagt, McClown! Na, dem habe ich es aber gegeben."

"Sie sind etwas launisch in letzter Zeit. Sie müssen lernen, sich zu beherrschen, Sir," murmelte McClown.

"Häh, haben sie etwas von Daunen gesagt, McClown?"

"Nein, Sir, ich habe nur an die Hamster gedacht."

Den misstrauischen Blick des Lords ignorierte Frido McClown und betrachtete trübsinnig die Landschaft. Plötzlich hellte sich seine Mine auf. Mit einem Satz war er hochgesprungen und stand vor dem Lord.

"Welcher Tag ist Heute, Sir?"

"McClown, ich weiß, dass sie fertig sind und Urlaub brauchen, aber..."

"Sonnabend. Es ist Sonnabend, Sir!"

McShredder sah seinen Butler verwirrt an, doch dann dämmerte ihm, worauf er hinaus wollte.

"Stimmt, McClown. Die Hamster landen also erst am Montag im Feuer, denn am Wochenende ist alles geschlossen."

"Das haben sie wirklich schön gesagt, Sir," knurrte der Butler und fuhr fort. "Also wird der Müllwagen unterwegs bestimmt eine Pause einlegen. Sir, wir müssen weiter nach Glasgow!"

Er packte den Rollstuhl und schob so schnell er konnte. Kurz darauf hörte er in weiter Ferne hinter sich eine ihm gut bekannte Stimme: "McClown! Sie haben mich vergessen!"

 

 

 

 

 

 

Kapitel 27

Die Gaststätte

 

Auf ihrem Weg in südlicher Richtung auf der A82 hatten sie gerade einen kleinen Fluss überquert, als der Butler keuchend stehen blieb.

"Ob die Polizei schon hinter uns her ist, Sir? Ich meine, wenn der Hoteldirektor merkt, dass wir verschwunden sind, wird er bestimmt die Polizei rufen."

"Typisch, McClown, sie können einfach nicht nachdenken!"

"Sir?"

"Natürlich wird die Polizei auf der Strecke nach Killichonan suchen, McClown. Na und? Wir sind auf den Weg nach Glasgow, oder? Außerdem, McClown, denke ich nicht, dass dieser Hoteldirektor einen Lord anzeigen wird."

Der Butler war nun etwas beruhigt, denn wenn die Polizei sie verhaften würde, dann hätte das das Ende der Hamster bedeutet. Nach einer weiteren Meile erreichten sie den kleinen Ort Onich. Es war ein Ort wie viele andere, wenn da nicht etwas gewesen wäre, was ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Am Ende dieses Ortes befand sich eine Gaststätte, in der man offensichtlich auch übernachten konnte, zumindest wies ein Schild darauf hin. Einige Buchstaben an diesem Schild waren im Laufe der Jahre schon etwas blass geworden, doch es war nicht das Schild, das Lord und Butler erstarren ließ. Neben dem Schild stand ein großer Wagen - der Müllwagen!



Mit einem heiseren Schrei rannte der Butler auf den Müllwagen zu und versuchte, die hintere Luke zu öffnen.

"Abgeschlossen, Sir," stöhnte er enttäuscht. "Wir müssen die Müllmänner suchen. Bestimmt sind sie in dem Gasthaus abgestiegen."

"Moment, McClown," warf der Lord ein. "Nicht so vorschnell. Warum sollte jemand die Luke zu einem Müllwagen abschließen? Wenn sie mich fragen, die Sache stinkt. Wir müssen vorsichtig zu Werke gehen."

Langsam näherten sich die beiden der Gaststätte. Es war ein flacher Bau und das Mauerwerk wies viele rissige Stellen auf. Die Fenster waren schon lange nicht mehr geputzt und die Gardinen vergilbt. An der Eingangstür hingen ein paar alte, halb abgerissene Zettel, die vor langer Zeit einmal eine Bedeutung besaßen. Vorsichtig drückte der Butler die Türklinke herunter und öffnete die schwere Eingangstür. Der Lord folgte ihm vorsichtig. Sie betraten einen dunklen Raum, in dem mehrere runde Tische standen. An einem Tisch im hinteren Teil des Raumes saßen die beiden Müllmänner und unterhielten sich lautstark. Hinter der Theke war niemand zu sehen, und auch ansonsten befand kein weiterer Gast in diesem ungemütlichen Raum. Auf dem Tisch der beiden Männer lag Besteck, also war der Wirt offensichtlich in der Küche und bereitete ein Essen für sie vor. Gerade als Lord und Butler sich an einen Tisch setzten wollten, lauschten sie unwillkürlich dem Gespräch der beiden Männer und schon die ersten Worte versetzten sie in totale Panik.

"Tja, da wurde ich ja echt sauer, weissu? Voll zugetreten habe ich und er flog durch die Luft klatschte voll gegen das Holz. Dann blieb er liegen und ich hinterher, weissu? Dann hab' ich nochmal zugetreten und das wars dann."

Er haute mit seiner riesigen Faust auf den Tisch und brüllte: "Ich kanns nu' mal nicht ab, wenn man mich ausspielt, weissu? Wenn mir einer dämlich kommt und nervt, dann ticke ich aus!"



"Völlig richtig," stimmte ihm sein Kumpel zu.

"Du hättest mal hören soll, wie das klatschte, als er gegen das Holz flog! Ich dachte, gleich platzt er wie eine reife Melone, weissu?"

Der Lord und sein Butler schauten einander mit bleichen Gesichtern an.

"Raus hier, McClown," keuchte McShredder und lief zur Tür hinaus.

Der Butler warf einen letzten Blick auf die beiden Männer und zu seinem Schreck sah ihn einer der beiden an. Es war der mit der riesigen Faust.

"He, du," rief er quer durch den Raum. "Soll ich dir auch mal..."

Doch der Butler war schon in Windeseile dem Lord durch die Tür gefolgt und konnte den Rest der Worte nicht mehr hören. Der Müllmann mit der riesigen Faust drehte sich zu seinem Kumpel um und sagte: "Schade, ich hätte dem gerne auch erzählt, wie ich am letzten Wochenende das entscheidende Tor geschossen habe, weissu?"

Während in der Gaststätte weiter über Fußball gesprochen wurde, herrschte vor der Gaststätte Ratlosigkeit und blankes Entsetzen.

"Das sind Tiere, Sir, wenn wir die fragen, ob wir den Müllwagen durchwühlen dürfen, bringen die uns um!"



"Sie haben recht, McClown, das sind keine Menschen. Ich fürchte, wir müssen auf die Koffer verzichten."

"Nein, Sir, nein. Denken sie doch mal an die armen, kleinen, wehrlosen Hamster. Sollen die denn im Feuer sterben?"

"McClown, sie können nicht mehr klar denken. Überlegen sie doch mal, die Hamster sind vielleicht schon erstickt."

Der Blick des Butler fiel auf den Müllwagen und er sah, dass das Fenster der Fahrerseite halb geöffnet war. Vorsichtig näherte er sich der Fahrertür, obwohl die Gaststätte sich nun auf der anderen Seite des Wagens befand und keine Gefahr bestand, von den beiden Müllmännern gesehen zu werden. McClown kletterte auf die Türschwelle des schweren Wagens und sein Herz jubelte: die Wagenschlüssel steckten!

"Sir, schnell, kommen sie!" rief er mit gedämpfter Stimme dem Lord zu, der sich nun neugierig näherte. Der Butler zeigte ihm, was er entdeckt hatte und flüsterte ihm zu, er solle einsteigen.



"McClown, ohne meinen Rollstuhl können sie das vergessen! Ein guter Butler lässt den Besitz seines Herren nicht zurück, also lassen sie sich etwas einfallen, oder wir bleiben hier!"

Der Butler überlegte angestrengt. Im Fahrerraum war nicht genügend Platz und die Luke für den Transportraum war verschlossen. McClown fackelte jedoch nicht lange, sondern schob den Rollstuhl hinter den Müllwagen, hob ihn etwas hoch und hängte ihn an den Griff der Transportluke.

"Das sollte reichen. Bitte steigen sie ein, Sir."

Lord McShredder stieg nur zögernd ein, denn ihm war nicht wohl bei dieser Sache. Einen Müllwagen zu entführen war bestimmt nicht eines Lords würdig. Ebenso wenig würdig wäre es aber auch, von der Polizei wegen Zechprellerei verhaftet zu werden. Dieses Fahrzeug bot die Chance, so schnell wie möglich aus der Gegend zu verschwinden, bevor die Polizei sie fand. Bestimmt würden die beiden Besitzer noch eine ganze Weile brauchen, bis sie merkten, dass ihr Wagen fort war. Vielleicht würden es sie erst am nächsten Tag merken, falls sie in der Gaststätte übernachteten.

"Fahren sie, McClown!"

Vorsichtig setzte der Butler den schweren Wagen zurück auf die Straße und folgte dann hoppelnd dem Schild in Richtung Glencoe.

 

 

 

Kapitel 28

Glencoe

 

"Ich ertrag das nicht mehr. Ich will hier raus!" Flecki hatte sich schmollend in die äußerste Ecke des Koffers zurückgezogen und eine Socke über die empfindliche Nase gestülpt.

"Es ist eine Schande," pflichtete ihr Tati bei. "Wir waren so schön sauber und glänzend nach dem Bad. Jetzt sehen wir aus wie die Schweine!"

"In der Tat, liebe Hamsterfreunde, wir sollten eine Abordnung bilden und uns bei der Reiseleitung beschweren. Nur das direkte Gespräch kann eine Besserung bringen, denn wie ich schon mehrfach darauf hingewiesen habe..."

"Eye, die Banane hier ist noch recht frisch," unterbrach Goldi den Bürgermeister. "Möchte jemand ein Stück?"

Keiner antwortete und der Grund war offensichtlich. In einem Müllwagen gibt es Abfall jeder Art, und so mancher Hamster sah seine Chance gekommen. Überall waren kleine Stände eröffnet worden, und es wurden vielerlei Sachen angeboten. Neben einem Stand mit Ersatzteilen gab es einen Stand mit Antiquitäten und etwas weiter weg war eine Imbissbude, in der es Essensreste gab. Doch leider war dieser kleine Markt recht schnell beendet, denn als der Müllwagen sich in Bewegung gesetzt hatte und losfuhr, purzelten alle Stände durcheinander. Daraufhin entstand eine große Streiterei darum, wem denn nun welche Sachen gehören und es kam zu den ersten Schlägereien. Bauleiter Murksel versuchte zu schlichten, doch nachdem ihn eine Zitronenschale am Kopf traf, machte er, dass er davon kam. Nun sah der Bürgermeister seine Stunde gekommen, kletterte auf den höchsten Müllberg und rief:



"Liebe Hamsterfreunde, ich denke, es ist an der Zeit, dass wir innehalten und uns besinnen. Toleranz und Nächstenliebe, meine lieben Freunde ist nicht nur das Maß aller Dinge, sondern auch..."

Weiter kam er nicht. Hatte ihn der Kaffeefilter am Anfang seiner Rede noch verfehlt, so traf ihn nun eine halb verfaulte Tomate mitten im Gesicht. Tapfer stand er auf und wollte seine Rede fortführen, doch das verhinderte ein gezielter Apfel, der ihn endgültig von den Pfoten haute. Nun gab es kein Halten mehr, und eine wilde Schlacht begann; es flogen Lebensmittel, kleinere Möbel und alles, was sich sonst noch zum Werfen eignete. Alle Hamster waren außer Rand und Band, das heißt natürlich, fast alle Hamster, denn Flecki und Tati saßen noch im Koffer und beäugten kopfschüttelnd das Geschehen.

"Ungeheuerlich, einfach unfassbar," schimpfte Flecki. "Schau mal," sagte sie zu Tati, "jetzt macht sogar der Bürgermeister mit. Es ist eine Schande!".

Sie wandte sich zu Tati um, doch die war verschwunden. Wenig später jedoch konnte Flecki genau beobachten, wie Tati von hinten Bauleiter Murksel eine vergammelte Mohrrübe an den Hinterkopf warf, woraufhin der vorwärts den Müllhaufen hinunterrollte. Flecki war entsetzt, steckte den Kopf aus der Kofferöffnung und schrie, so laut es ging: "Ihr solltet euch alle schämen! So benimmt sich ein Hamster nicht!"



Im nächsten Moment traf sie eine Bananenschale am Kopf und sie flog kopfüber aus dem Koffer. Das war Goldis Geschoss. Voller Rachegedanken griff sie nach einem alten Bleistift und versuchte, Goldi in den Hintern zu pieken, als plötzlich der Müllwagen scharf bremste, alle Hamster durcheinander purzelten und die Schlacht beendet war.

"McClown, warum bremsen sie wie ein Idiot, wollen sie, dass mir das Gebiss herausfällt?"

"Entschuldigung, Sir, ich kenne doch den Weg nicht."

Sie hatten vor wenigen Minuten den Loch Leven überquert, waren nach einer langen Linkskurve der A82 gefolgt und hatten nun den Ort Glencoe erreicht.

"Links, rechts oder geradeaus, Sir?" fragte der Butler.

McShredder überlegte.

"Wir bleiben links, McClown. Die Polizei wird glauben, dass wir auf der Hauptstraße bleiben, um schneller vorwärts zu kommen."

"Welche Polizei, Sir," entgegnete der Butler grinsend. "Die Polizei, die uns wegen Zechprellerei sucht, oder die, die uns wegen Autodiebstahl sucht?"

Lord McShredder hielt es für überflüssig, auf diese Frage zu antworten. Sie waren nun auf eine kleine Nebenstraße gekommen und der Loch Leven begleitete sie zu ihrer linken Seite.

"Sir, ich habe vorhin ein Schild gesehen, auf dem stand: Hunde und Campbells müssen draußen bleiben. Was ist ein Campbell, Sir?"

Der Lord sah den Butler an, als habe er etwas sehr, sehr Dummes gesagt.

"McClown, sie wissen nicht, wer die Campbells waren?"

"Nein, Sir, sollte ich?"

"McClown, sie sind ein Bauer und werden immer ein Bauer bleiben. Also, vor kurzem, es war 1692, fand hier das berühmt-berüchtigte "Glencoe Massacre" statt, von dem jedes zweite Volkslied in Schottland handelt. Die Anhänger des Campbell-Clans hatten den halben MacDonald-Clan unter Ausnutzung deren Gastfreundschaft abgemurkst. Haben sie davon noch nie gehört, McClown?"

"Nein, Sir, zu der Zeit habe ich jedenfalls noch nicht gelebt."

Plötzlich stoppte der Butler und sah erstaunt auf die Straße.

"Sir, wenn wir hier der Straße weiter folgen, fahren wir auf der anderen Seite des Lochs wieder zurück!"

 

Der Lord überlegte und holte seine Pfeife heraus. Während er sie anzündete, zeigte er auf einen nahe gelegenen Waldweg und wies den Butler an, den Müllwagen dort zu parken. Dann stiegen die beiden aus und betrachteten die Luke des LKWs. Wie sollten sie die schwere Luke ohne Werkzeug öffnen? Zwar hatten sie unter dem Beifahrersitz einen Werkzeugkasten gefunden, der jedoch war abgeschlossen.




Niedergeschlagen und ratlos setzten sich beide wieder in das Fahrerhäuschen. Langsam senkte sich die Sonne über den Bergen und während der Lord seine Schuhe auszog, um sich für die Nacht vorzubereiten, fiel McClowns Blick auf die Wagenschlüssel, die noch im Anlasser steckten. Schlagartig wurde ihm klar, dass sie sich einiges hätten sparen können, wenn sie ein kleines bisschen schlauer gewesen wären.

 

 

 

Kapitel 29

Kinlochleven

 

Während Lord McShredder seine Schuhe wieder anzog, hatte sein Butler die Wagenschlüssel an sich genommen und war zur Heckluke des Müllwagens gelaufen. Er war so aufgeregt, dass er mehrere Versuche benötigte, die verschiedenen Schlüssel auszuprobieren. Er stieß einen heiseren Freudenschrei aus, als sich einer der Schlüssel mühelos in das Schloss schieben ließ. Mit klopfendem Herzen drehte er den Griff herum und drückte die Luke nach oben. Müll und Unrat fielen ihm vor die Füße, und als die Luke ganz geöffnet war, hielt er den Atem an und blickte in das Innere des Müllwagens. Jede Menge Müll und Unrat befanden sich dort, genau, wie er es erwartet hatte

Sein Blick huschte nervös hin und her, doch dann atmete er tief durch, als er seine kleinen Hamsterfreunde sah. Sie blinzelten neugierig ins Helle und sahen recht verkommen aus, denn ihr Fell war verschmutzt und mit Dreck verklebt. Nun sah er auch die Koffer, die sich offensichtlich während der Fahrt geöffnet hatten, und deren Inhalt sich irgendwo verstreut im Müll befand. Der Butler nahm zunächst den Koffer der Hamster und untersuchte ihn. Er schien noch heil zu sein, und so nahm McClown ein Taschentuch und säuberte ihn, so gut es ging. Dann stellte er ihn auf den Boden und hob einen Hamster nach den anderen aus dem Müll und setzte sie zurück in ihre Behausung.



Die ganze Zeit über hatte er nicht gemerkt, dass Lord McShredder dicht neben ihm stand, den Hals streckte und in den Müll guckte, als suche er etwas. Erst, als der Lord sich fluchend am Lukendeckel festhielt, weil er sonst in den Dreck gefallen wäre, bemerkte McClown ihn.

"Sir, ist alles in Ordnung?"

"Sicher, McClown, aber sicher. Alles klar."

Der Butler wandte sich wieder den Hamstern zu und versuchte, ihr Fell vom gröbsten Unrat zu befreien. Gerade wollte er vorsichtig einen alten Kaugummi aus dem Fell eines seiner kleinen Freunde entfernen, als ein kaputter Karton aus dem Wagen fiel und neben ihm landete. Er drehte sich um und sah den Lord im Müll wühlen.

"Sir, kann ich ihnen helfen?"

"Nein, nein, McClown, ich, äh, gucke nur."

Kopfschüttelnd wandte sich der Butler dem sich heftig wehrenden Hamster zu und befreite ihn von der klebrigen Masse. Zufrieden stellte er den Koffer beiseite, als er leise Schritte hörte. Verwundert sah er sich um. Wo war der Lord? McClown stand auf und ging zur rechten Seite des Müllwagens. Dort sah er ihn kniend über einen der anderen Koffer gebeugt. Langsam schlich der Butler näher, bis er ihm über die Schulter blicken konnte. Da war die Brieftasche, die der Lord angeblich im Hotel verloren hatte!

"Sir, sie sind ein elender Gauner!" brüllte McClown und wollte sich auf den Alten stürzen. Leider lag der geöffnete Koffer im Weg und der Butler fiel der Länge nach vor die Füße des Lords. Wütend biss er ihm in den Fuß und McShredder gab ein lautes Geheul von sich.

Die Hamster waren durch den Lärm neugierig geworden, standen wenige Meter von den beiden entfernt und feuerten den Butler wie üblich an.

Der Lord hüpfte jammernd auf einem Bein und versuchte zu fliehen, doch Frido McClown war schneller. Mit einen Hechtsprung flog er hinterher, packte den Fuß den Lords und biss ihn ein zweites Mal. Wimmernd brach der alte Gauner zusammen, während die Hamster begeistert nach einer Zugabe verlangten.

"McClown", jammerte McShredder, "es ist nicht so, wie sie glauben!"

"Was, Sir, glaube ich denn? Dass wir hungern und leiden mussten, weil sie zu geizig waren, Essen zu kaufen? Dass wir im Hotel schuften mussten, damit sie ihr Geld sparen? Dass die Polizei hinter uns her ist, weil sie nur an ihr Geld denken? Ihretwegen wären die armen, unschuldigen Hamster fast im Feuer gelandet!"

Der Butler schlich um den am Boden liegenden Lord wie ein Tiger um die Beute herum, bereit, im nächsten Moment zuzustoßen.

"McClown, ich habe das Geld nur für den Notfall gespart, für uns alle!"

"Vielleicht auch für Begräbnisfeier der Hamster, Sir, sozusagen eine Feuerbestattung, Sir?"

"McClown, mein guter, ich verspreche, dass wir von nun an in Hotels übernachten. Oder Bed and Breakfast, das ist vielleicht doch etwas günstiger," fügte er den letzten Satz schnell hinzu.

"Na, schön, Sir," keuchte McClown, "und was ist nun mit dem Wagen? Die beiden Typen werden uns umbringen, falls uns die Polizei nicht vorher erwischt."

Der Lord zuckte mit den Schultern.

"Dann werde ich ihnen sagen, was zu tun ist, Sir. Ich möchte nicht der Rache dieser brutalen Typen ausgeliefert sein. Stecken sie genug Geld unter den Sitz, dass wird die beruhigen, und rufen sie in der Gaststätte an."



"Äh, McClown, die werden meine Stimme erkennen und uns alle umbringen!"

"Ihre Stimme, Sir? Die haben die doch noch nie gehört! Zufällig war ich bereits einmal in Kinlochleven und daher weiß ich, dass sich am Ortseingang eine Telefonzelle befindet. Dort parke ich den Wagen und wir suchen die Telefonnummer der Gaststätte in Onich. Dann rufen sie den Wirt an und erzählen ihm irgend etwas von einem Notfall. Das Geld unter dem Sitz wird die beiden Brutalotypen schon beruhigen."

"Schön, McClown, aber was ist, wenn die Polizei schon auf uns wartet?"

"In Kinlochleven gibt es keine Polizeistation, Sir. Es ist eine kleine, ruhige Stadt am Ende des Loch Leven, deshalb heißt es auch 'Kopf vom Loch Leven'. Wussten sie übrigens, dass dort die Eröffnungsszene von dem Film 'Rob Roy' gedreht wurde? Und dass König Edward VII dort 1909 in dem Hotel Marmore Lodge übernachtet hat?"

Lord McShredder schüttelte den Kopf. Er wirkte nun recht niedergeschlagen, doch dem Butler war das ziemlich egal. Sie gingen nun zurück zum Müllwagen, wobei der Lord wehleidig humpelte und suchten nach ihren Koffern und Kleidungsstücken. Leider waren ihre Sachen dermaßen verdreckt, dass sie bis auf den Koffer der Hamster nichts mehr gebrauchen konnten. Als das erledigt war, fuhren sie an den Ortsanfang von Kinlochleven, fanden die besagte Telefonzelle und parkten dort den Wagen.

Sie hatten Glück und fanden schnell die Nummer der Gaststätte in Onich, woraufhin McShredder wie versprochen sofort anrief und dem Wirt eine haarsträubende Geschichte erzählte. Der Butler hatte große Mühe, nicht laut loszulachen, als der Lord erzählte, dass der Müllwagen im Interesse der nationalen Sicherheit vom Geheimdienst entführt worden war. Es handelte sich um eine Mission auf höchster Geheimhaltungsstufe, über die er am Telefon nichts Weiteres sagen könne und dürfe. Weiterhin erklärte er dem völlig verstörten Wirt, er solle das den beiden Fahrern erklären und ihnen mitteilen, wo sie ihr Fahrzeug gegen eine Entschädigung abholen könnten.

McClown war nun sicher, dass die beiden Müllmänner für sie keine Gefahr mehr darstellten, und so setzten sie ihre Reise fort.

 

 

 

Kapitel 30

Die Treppe des Teufels

 

Sie hatten die Telefonzelle bereits weit hinter sich gelassen und kamen an ein Informationsbüro für Touristen. Leider hatte es schon geschlossen, doch ein Schild mit der Aufschrift "West Highland Way" erweckte die Aufmerksamkeit Lord McShredders.

"McClown, trödeln sie nicht, hier müssen wir entlang!"

Der Butler fluchte, denn der Rollstuhl ließ sich nur noch schwer schieben, da die Räder verbogen waren. Die Fahrt mit dem Müllwagen war ihm nicht bekommen.

"Sir, das blöde Ding lässt sich nicht mehr rollen!"

"Unsinn, McClown, schieben sie mal etwas flotter, dann geht das wieder."

Fluchend mühte sich der Butler ab, das bockige Gefährt über eine kleine Straße zu wuchten, als der Lord plötzlich stehen blieb und auf einen breiten Fußweg deutete.

"Darf ich vorstellen, McClown, das ist der berühmte West Highland Way!"

Keuchend blieb Frido McClown stehen und blickte auf den steinigen, etwa zwei Meter breiten Weg.

"Berühmt?" schnaufte der Butler. "Dieser Trampelpfad?"

"Geschichte, McClown, dieser Weg hat Geschichte geschrieben. Es ist ein alter Handelspfad, der natürlich auch für militärische Zwecke genutzt wurde."

"Die üblichen Kloppereien zwischen den Clans, vermute ich, Sir?"

"McClown, sie reden, wie sie es verstehen! Dieser Weg ist 152 Kilometer lang und reicht von Fort Williams bis Glasgow. Der Film 'Braveheart' wurde übrigens auch hier gedreht. Jedes Jahr gibt es hier im Juni das West-Highland-Rennen. Man muss die gesamte Strecke in einer bestimmten Zeit schaffen."

"Und wie steht der Rekord, Sir?" fragte McClown mit gelangweilter Miene.

"Bei 16 1/2 Stunden. Wussten sie, McClown, dass Taschenlampe, Kompass, Karte, Trillerpfeife und Regenzeug mitgenommen werden müssen? Nur wer das dabei hat, darf mitlaufen. Natürlich empfiehlt es sich auch, Klopapier mitzunehmen."

"Natürlich, Sir, auch Essen und Trinken?"



"Selbstverständlich McClown, aber ein echter Sportler darf sich auf solch einer Strecke nicht vollfressen, falls sie daran denken. Jedenfalls, die Regeln besagen, dass man die Strecke innerhalb von 35 Stunden geschafft haben muss, egal, ob man läuft, geht oder hüpft. Notfalls kann auch gekrochen werden."

"Prima, Sir," grinste der Butler, "das wäre doch etwas für sie!"

Der Lord drehte sich beleidigt um und sah auf das majestätische Tal namens Glencoe.

"Sir, auf diesem Holperweg kann ich den Rollstuhl nicht mehr schieben. Ich fürchte, wir müssen ihn hier stehen lassen."

 

Da der Lord immer noch beleidigt war und nicht antwortete, schob er den Rollstuhl bis dicht an den West Highland Way und malte sich das Gesicht der Leute aus, die das Gefährt finden würden. Ein Rollstuhlfahrer, der zu Fuß solch einen langen Weg weitergegangen war! Grinsend folgte er dem Lord in die Abendsonne, während die Hamster in dem Koffer, den er nun in der Hand trug, tief und fest eingeschlafen waren.

Es war eine fantastische Landschaft, durch die sie nun wanderten, vielleicht sogar der schönste Teil ihrer Reise. So liefen sie fast zwei Stunden, bis die Sonne langsam hinter den hohen Bergen verschwand. Plötzlich wurde der Weg sehr steil. Mühsam kletterten die beiden bergauf, während die Berge in der anbrechenden Nacht um sie herum einen unheimlichen Eindruck machten.

"Das, McClown," keuchte Lord McShredder, "ist 'die Treppe des Teufels', oder auch 'Devils Starcase' genannt. Vielleicht haben sie es schon bemerkt, dass hier keine Vögel mehr singen. Es ist ein unheimlicher Ort und niemand hält sich hier lange auf."

"Aber Sir," lachte der Butler, "ich sehe aber ein paar Vögel herumfliegen, vielleicht haben die nur ihre Melodie vergessen."

"McClown, das sind keine Vögel. Das sind Fledermäuse."

"Sir, die Hamster mögen keine Fledermäuse."



"Dann wird es eben heute eine Ausgangssperre für ihre Tiere geben, McClown. Wir wollten uns jetzt aber eine geschützte Ecke zum Schlafen suchen."

Der Butler sah sich um. Nackter Felsen wohin er auch sah. Die Berge um sie herum wirkten unheimlich und selbst der Himmel hatte etwas Bedrohliches an sich. Wind war aufgekommen, und das war ungewöhnlich. Sogar die Hamster verhielten sich auffallend still, da war kein Kratzen am Kofferdeckel und kein ungeduldiges Fiepen zu hören. Selbst Lord McShredder wirkte besorgt und blickte sich ständig um. Immer wieder schaute er ängstlich nach links und rechts, so, als erwarte er jeden Moment, dass sich etwas aus den Felswänden lösen und auf sie stürzen würde. Da! Ein Geräusch, direkt vor ihnen! Lord und Butler blieben eng aneinander gedrängt stehen.

 

"G-ganz ruhig, McClown, d-das war nur ein Stein, der von der Felswand heruntergekullert ist."

"G-gewiss, Sir, alles klar."

"K-kein Grund zur Panik, McClown."

In diesem Moment huschte etwas Großes, Schwarzes ganz dicht über ihre Köpfe.

"Aaaaah, McClown, der Teufel will uns holen, laufen sie!" schrie der Lord und rannte mit einer Geschwindigkeit los, die der Butler ihm niemals zugetraut hätte.

"Warten sie, Sir," kreischte McClown, "lassen sie mich nicht alleine mit diesem Ungeheuer!"

Kreischend liefen die beiden Männer die letzten Stufen der 'Treppe des Teufels' hinauf. Als sie die Kuppe des Berges erreicht hatten, rannten sie mit noch höherer Geschwindigkeit den Berg hinunter und blieben erst nach einem Kilometer auf einem Parkplatz völlig erschöpft stehen. Wenige Meter vor ihnen war eine breite Straße, die A82.

"Sir," keuchte der Butler, noch immer schwer atmend nach ihrer Flucht, "könnte es sein, dass das gar kein Ungeheuer war?"



"Eine Fledermaus," keuchte McShredder, "eine verdammte Fledermaus war das, McClown!"

 

Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 31-35

Kapitel 31

Kings House Hotel

 

 

Die nächste halbe Stunde sprach keiner ein Wort. Es war ihnen ganz einfach zu peinlich, dass eine winzige Fledermaus sie so sehr in Angst und Schrecken versetzt hatte. Sie liefen nun am Fuß eines Berges, der sich links von ihnen hoch in den Himmel erhob. Rechts von ihnen war die Landstraße, hinter der sich wiederum ein noch höherer Berg befand. Irgendwann machte der Pfad einen Schlenker nach links und die Landstraße war irgendwo in der Ferne verschwunden.

 

"Sir, vielleicht hätten wir ein Auto anhalten sollen," gab der Butler zu bedenken.

"Ein Polizeiauto womöglich, was McClown?"

"Natürlich nicht, Sir, ich dachte nur..."

"Falsch, McClown. Sie denken eben nicht. Sie denken eben nur an das nächste Essen und an nichts Anderes. Sie denken sozusagen nur von Fressnapf zu Fressnapf."



Der Butler presste seine Finger noch fester um den Griff des Koffers, in dem er die Hamster trug. Während er noch überlegte, ob der Koffer auseinander fallen würde, wenn er ihn dem Lord in den Nacken werfen würde, fuhr McShredder fort.

"Sehen sie, McClown, ich denke eben vorausschauend und strategisch. Sicherlich hilft mir meine adelige Herkunft dabei, denn ein Bauer wäre zu solchen Gedanken niemals fähig."

Angestrengt schaute der Butler an den Wegesrand in der Hoffnung, einen Stein, oder noch besser, einen dicken Knüppel zu finden.

"Wie auch immer, McClown, dank meiner weisen Voraussicht werden wir heute Nacht in einem weichen Federbett schlafen, nachdem wir fürstlich gespeist haben."

Der Butler ließ den großen Stein fallen, den er gerade aufgehoben hatte.

"Sir?"

"Sie sind überrascht, McClown? Aber genau das habe ich erwartet. Es ist etwas mehr als eine Meile, bis wir Kings House erreichen, ein Hotel, in dem schon Könige übernachtet haben. Ich denke da nur an König James VI oder Bonnie Prince Charles, McClown. Die kennen sie doch sicherlich, oder?"

"Nicht persönlich, Sir."

"Nun werden sie mal nicht albern, McClown! Ah, sehen sie, dort vorne ist das Hotel."

Tatsächlich kam nun auf der rechten Seite ein lang gestrecktes, weißes Gebäude mit einem schwarzen Dach in Sicht. Ungeduldig bogen die beiden in eine breite Seitenstraße, überquerten eine kleine Brücke und sahen beim Näherkommen das große, hölzerne Eingangsschild des Hotels.

"Sir, wenn ich sie bitten darf, auf ihr Geld zu achten," bemerkte Frido McClown spöttisch. "Es wäre doch schade, wenn es wieder verloren ginge."

Der Lord erwiderte nichts auf die Frechheit seines Dieners, sondern ging in die Eingangshalle hinein. Niemand war zu sehen. Ein kurzer Blick auf die große Uhr über dem Empfangstresen zeigte, dass es bereits kurz nach Mitternacht war.

"Hallo, Portier!" rief Lord McShredder mit krächzender Stimme.

Ein Rumpeln und Stolpern war zu hören und kurz darauf öffnete sich eine Tür am Fuß der großen Treppe, die offensichtlich zu den Gästezimmern führte. Eine junge Frau trat auf die beiden Neuankömmlinge zu und sah sie verwundert an.

"Guten Abend, Gentlemen," begrüßte sie die beiden und strich ihre Schürze glatt. "Mein Name ist Lisa McGyer, wie kann ich ihnen helfen?"

"Ein Doppelzimmer, gute Frau," entgegnete der Lord.



"Sehr gerne, Sir," antwortete Lisa McGyer und hob den Kugelschreiber auf, der ihr herunter gefallen war. "Auf welchen Name Sir?" fragte sie und hielt sich den schmerzenden Kopf, den sie sich beim Bücken gestoßen hatte.

"Sir Lord McShredder von Killichonan, der Herzog von Spanien und Bezwinger des..."

"Entschuldigung, Sir, der Schredder von was?" fragte die junge Frau und lächelte verlegen.

"Von Killichonan," entgegnete der Lord ruhig. "Herzog von Spanien und Bezwinger des Loch..."

"Entschuldigung, Sir," unterbrach Lisa McGyer erneut den Lord und bückte sich nach dem Kugelschreiber, der ihr aus der Hand gefallen war. Dann setzte sie wieder zum Schreiben an und lächelte den Lord erneut verlegen an. "Spanien, und wie dann weiter?"

"Bezwinger des Loch Ness Monster."

"Oh, Gott," schrie die junge Frau auf, trat einen Schritt zurück und warf eine Blumenvase um. "Das Monster? Und sie haben es überlebt, Mr Shredder?"

"McShredder, junge Dame, McShredder von Killichonan. Dieser, äh, Herr neben mir ist mein Butler Frido McClown."

Sie zeigte dem Butler ihr schönstes Lächeln und sah ihn lange an.

"Frido," sagte sie und ließ den Blick nicht von ihm. "Das ist ein schöner Name. Ich heiße Lisa und bin die Tochter des Hotelbesitzers."

"Es ist wirklich ein schönes Hotel," stammelte der Butler und erwiderte schüchtern ihren Blick.

"Danke, Herr Frido," entgegnete Lisa McGyer leise und hob das Gästebuch auf, das sie versehentlich vom Tresen gefegt hatte. "Auch die Aussicht ist sehr schön, Herr Frido. Am Tag jedenfalls, im Moment ist ja alles dunkel."

"Ähem," räusperte sich der Lord etwas ungehalten. "Wir würden gerne etwas essen, nachdem sie uns das Zimmer gezeigt haben, gute Frau."

"Natürlich, Mr Shredder, bitte folgen sie mir."

Sie lief um den Tresen herum und stolperte über den Koffer mit den Hamstern, den der Butler dorthin gestellt hatte. Sofort stand McClown an ihrer Seite und half ihr hoch.

"Danke, Sir Frido," sagte sie lächelnd und strich sich durch das zerzauste Haar. "Wie ungeschickt von mir."

"Nein, nein, Miss Lisa, es war meine Schuld. Ich habe den Koffer hier stehen lassen."

Lord McShredder stand inzwischen an der nach oben führenden Treppe und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den glatt polierten Holzfußboden. Es dauerte eine Weile, bis die beiden anderen ihn bemerkten, und es endlich die Treppe hinauf ging. Oben angekommen, half der Butler Lisa McGyre auf die Beine, nachdem sie an der letzten Stufe gestolpert war. Dann ging es links durch einen schwach beleuchteten Gang weiter. Die junge Frau rüttelte an der Tür und drehte sich mit einem Lächeln zu McClown um.

"Ich habe leider den Schlüssel vergessen. Bitte warten sie einen Moment, Sir Frido."

Sie lief zur Treppe zurück, während sie sich zum Butler umdrehte und ihm weiterhin zulächelte. Es knallte kurz und McClown verzog das Gesicht, als die junge Frau gegen den Pfosten der Treppe geknallt war. Wenige Minuten später jedoch kam sie humpelnd mit dem Schlüssel zurück, und nachdem ihr zweimal der Schlüssel beim Öffnen aus der Hand gefallen war, konnten Lord und Butler endlich in das Zimmer.

 


 

 

Kapitel 32

Kings House Hotel 2. Teil

 

"Das Essen, junge Frau, was ist damit," krächzte Lord McShredder, nachdem er sich in dem gemütlichen Zimmer umgesehen hatte.

"Die Küche ist leider geschlossen, Mr Schredder, das tut mir wirklich sehr leid. Möchten sie vielleicht eine Tüte Chips?"

"Haben sie das gehört, McClown? In allen Hotels der Welt würde sich jeder Koch freuen, für mich mitten in der Nacht..."

"Haben sie vielleicht eine winzige Kleinigkeit für uns zu essen, Miss Lisa?" fragte der Butler und sah die junge Frau mit leicht gesenktem Kopf an. "Wir sind weit gelaufen und meine Hamster sind fast verhungert..."

Er biss sich auf die Zunge und verfluchte seine Worte, die ihm so unbedacht herausgerutscht waren. Wie konnte er nur etwas von den Hamstern in seinem Koffer verraten? Er wusste, dass Tiere in Hotels nicht geduldet wurden.

Mit großen Augen sah ihn nun die junge Frau an und hauchte: "Hamster? Wie lieb! Sind die in dem Koffer? Ja? Ich werde auch nichts verraten. Für jemanden, der Hamster mag, habe ich immer etwas zu essen. Wie wäre es mit Häggis und Chips?"

"Das wäre wunderbar, Miss Lisa. Wenn sie noch ein paar Kekse für die Hamster hätten."



"Für mich bitte Lachs mit frischen Kartoffeln," krähte der Lord, doch Lisa McGyer sah ihn nur erstaunt an.

"Tut mir leid, Sir. Für sie sind nur noch ein paar Chips über, das Häggis ist für Sir Frido reserviert," antwortete sie und lief die Treppe hinunter. Nachdem sie sich von ihrem Sturz an der lezten Stufe wieder hochgerappelt hatte, drehte sie sich noch einmal um und rief: "Das Essen wird in ein paar Minuten in dem Esszimmer am Ende des Flurs serviert!"

 

Die beiden gingen wieder in ihr Zimmer und während der Butler den Koffer vorsichtig in eine Ecke stellte, holte der Lord seine Brieftasche hervor und zählte das Geld. Dann begaben sie sich in den hinteren Teil des Ganges und fanden einen großen, länglichen Raum mit mehreren kleinen, runden Tischen vor. Beeindruckt blickten sie auf das riesige Fenster, das am Tage bestimmt einen grandiosen Blick auf die Landschaft gewähren würde. Ein Poltern, begleitet von einem Schmerzensschrei kündigte das Nahen der Tochter des Hoteldirektors an. Sie rieb sich das Knie, das ihr offensichtlich weh tat, und brachte das Besteck.

"Einen kleinen Moment noch, Sir Frido, ich bringe ihnen gleich das Essen," hauchte sie und verschwand wieder.

Wenige Zeit später war ein lautes Klirren zu hören und Lord McShredder, der gerade mit den Salzstreuern spielte, hob den Kopf und fragte: "Haben sie das gehört, McClown? Hat es nicht geklingelt?"

Doch der antwortete nicht, sondern blickte erwartungsvoll zur Tür. Tatsächlich kam nun die junge Frau schwer atmend herein und lächelte verlegen: "Tut mir leid, Sir Frido, das Essen dauert noch einen kleinen Moment." Dann drehte sich sie um, rannte gegen den Türpfosten, lächelte noch einmal in Richtung des Butlers und verschwand im Flur. Frido McClown hob den Kopf, lauschte und zählte leise: "Eins, zwei, drei, vier, fünf," und drehte sich zur Tür um. In der Ferne war ein Poltern zu hören.

"Sie ist soeben an der letzten Stufe der Treppe angekommen, Sir."

Der Lord spielte weiter mit den Salzstreuern, während Frido McClown dem immer lauter werdenden Knurren seines Magens lauschte. Im nächsten Moment wurde das Knurren seines Magens durch ein Scheppern an der Tür übertönt. Miss McGyer betrat den Raum.

 

"Ihr Haggis, Sir Frido," sagte sie mit einem breiten Lächeln, während sie eine Spur von brauner Soße hinter sich her zog, die ein gleichmäßiges Muster auf dem Boden hinterließ. Der Lord erhielt eine Tüte mit Chips, die er mit einem mürrischen Augenaufschlag quittierte.

"Die Tüte mit den Keksen stelle ich dann vor ihre Zimmertür, Sir Frido. Wenn sie mit dem Essen fertig sind, lassen sie bitte alles stehen, ich räume es später weg," sagte sie lächelnd und ging zur Tür hinaus.



"Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs," zählte McClown mit vollem Mund. Er hob verwundert den Kopf.

"Vielleicht ist sie an der Türklinke hängen geblieben, als sie die Kekse vor unserem Zimmer abgestellt hat," brummte der Lord.

McClown atmete erleichtert auf, als er kurz darauf das vertraute Poltern, verbunden mit einem Schmerzensschrei, hörte.

"Sie ist angekommen, Sir," sagte er und wendete sich wieder seinem Essen zu. Er tat so, als würde er die gierigen Blicke des Lords überhaupt nicht bemerken und ließ es sich schmecken.

Lord McShredder erhob sich.

"Ich, äh, gehe dann schon mal ins Bett,"

"Moment, Sir," rief der Butler und schob sich die Reste seines Essens hinein. "Ich komme besser mit, sonst fehlt womöglich hinterher das Essen für die Hamster."

 

Wie versprochen stand eine große Tüte mit Keksen vor ihrer Zimmertür. McClown nahm sie und betrat hinter dem Lord das Zimmer. Lord McShredder hielt sich nicht lange mit Waschen und ähnlichem unnützen Zeug auf, sondern legte sich gleich in das einladende Bett. Wenigstens hat er seine Schuhe ausgezogen, dachte McClown, während er die Hamster fütterte. Gierig rissen ihm seine kleinen Freunde die Kekse aus den Händen und verschwanden einer nach dem anderen in ihrem Koffer. Nun fielen auch dem Butler die Augen zu, und er wollte sich gerade ins Bett legen, als es an der Tür klopfte. Verwundert stand er auf, öffnete sie und vor ihm stand Lisa McGyre und sah ihn mit großen Augen lächelnd an.

"Verzeihen sie die Störung, lieber Sir Frido, hoffentlich haben sie noch nicht geschlafen."

"Nein, nein, Miss Lisa," brummte McClown, "was kann ich für sie tun?"

"Ach, ich wollte nur fragen, was sie zu frühstücken wünschen."

"Gebackene Bohnen mit Wurst," kam gähnend die Antwort.

"Gerne, Sir Frido. Dann also bis morgen und schlafen sie gut"

McClown setzte sich auf das einladende Bett und betrachtete den weißen Stoff, der als Verzierung an der Kopfseite des Bettes angebracht war. Er hatte gerade seinen linken Schuh ausgezogen, als es wieder an der Tür klopfte. Dieses Mal wollte Lisa McGyre wissen, ob der Butler am liebsten Tee oder Kaffee hätte. Nachdem sie ihm erneut gute Nacht gewünscht hatte, zog er nun den rechten Schuh aus, als es wieder an der Tür klopfte.

"Wenn sie noch einen Wunsch haben, Sir Frido..."



"Danke, Miss Lisa, einen Wunsch habe ich noch."

"Ja?" erwiderte sie erwartungsvoll, reckte den Hals und lächelte ihn an.

"Bitte lassen sie mich jetzt schlafen, Miss Lisa, ich bin müde."

"In Ordnung, Sir Frido. Wenn etwas ist, rufen sie einfach."

Endlich durfte nun auch der Butler einschlafen, selbst die Knabbergeräusche der Hamster und das Schnarchen des Lords konnten ihn dabei nicht stören.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, als es schon wieder an der Tür klopfte. Verägert wollte er schon aus dem Bett springen, da bemerkte er, dass die Sonne bereits in das Zimmer schien.

"Wer ist da?" rief er und im selben Moment wurde ihm klar, wie dumm seine Frage war.

"Hier ist Lisa, Sir Frido. Ihr Frühstück wartet schon lange auf sie. Möchten sie jetzt kommen?"

"Ich bin gleich, da, Miss Lisa," rief er. Dann stand er auf, gähnte herzhaft und gab dem schnarchenden Lord einen Tritt in den Hintern, so dass er fast aus dem Bett fiel.

"Haben Euer Lordschaft gut geruht?" fragte er höflich und wartete, bis der Lord aus dem Bett gekrochen kam. "Sir, das Frühstück wartet auf uns."

Mit einem Satz war der Lord an der Tür und riss sie auf. McClown stürmte hinterher und als er auf den Gang kam, sah er schon von weitem Miss Lisa lächelnd am Tisch auf sie warten. Der Lord erreichte den Frühstückstisch als erster und setzte sich sofort auf den gedeckten Platz, an dem eine kleine Vase mit einer Blume auf dem Tisch stand.

"Entschuldigung, Mr Shredder, das ist der Platz für Herrn Frido. Sie sitzen auf der anderen Seite."

Mürrisch stand der Lord auf und setzte sich auf den leeren Platz gegenüber, während sein Butler sich hinsetzte und kurz an der Blume schnüffelte. Lächelnd sah ihm die junge Frau zu, wie er sich das Frühstück schmecken ließ.

"Ahem," meldete sich nun der Lord, "wenn ich auch etwas Frühstück haben dürfte..."

"Ach, natürlich, Mr Shredder, wie konnte ich nur! Warten sie, ich sehe nach, ob es schon fertig ist."

Dann verschwand sie und ließ den Lord niedergeschlagen und hungrig zurück.


 

 

Kapitel 33

Frühstück für den Lord

 

"McClown, hätten sie wohl ein Brötchen für mich übrig," bettelte der hungrige Lord und blickte schmachtend auf das ihm gegenüber stehende, reichhaltige Frühstück.

"Tut, mir leid, Sir, die Brötchen sind bestimmt abgezählt. Miss McGyre wird gewiss gleich kommen."

In diesem Moment trat die bewusste junge Dame mit einem Tablett in das Zimmer, verhakte sich jedoch mit ihrem Fuß an der Teppichkannte und das Frühstück des Lords lag auf dem Boden.

"Nein, wie ungeschickt von mir!" Sie schaute McClown verlegen an. "Haben sie alles, was sie brauchen, Sir Frido? Soll ich ihnen noch etwas bringen?"

"Wenn sie noch etwas Kaffee hätten..."

"Kommt sofort, Sir Frido," antwortete sie und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. "Ihr Frühstück kommt auch gleich, Mr Shredder."


 

 

Sie hob das Tablett vom Boden auf und stellte die heruntergefallenen Sachen unter den gierigen Blicken des Lords wieder darauf und ging zur Tür hinaus.

 

"Darf ich mal von ihrem Brötchen abbeißen, lieber McClown," bat der hungrige Lord erneut den Butler, "nur ein winziges Stück!"

"Geduld, Sir, die junge Dame tut doch, was sie kann."

"Tja," kam die brummige Antwort, "das fürchte ich auch, McClown."

 

Nachdem sich ihr Kommen durch Poltern und Klirren schon von weitem angekündigt hatte, betrat die bewusste junge Dame den Raum und brachte dem Butler den gewünschten Kaffee.

 

"Lassen sie es sich schmecken, Sir Frido. Möchten sie noch etwas Nachtisch?"

"Haben sie vielleicht etwas Eis, Miss Lisa?"

"Aber sicher, Sir Frido, Vanille, Erdbeere oder Schokolade?"

"Vielleicht später, Miss Lisa."

"Ähem, mein Frühstück..."



"Kommt sofort, Mr Shredder, ist gleich da," antwortete Lisa McGyre und lief mit dem Tablett durch die Tür. Ein Scheppern verriet, dass sie im Flur angekommen war.

"McClown, darf ich die Krümel von ihrem Teller..."

"Nichts da, Sir. Die sind für die Hamster. Und nehmen sie die Finger von den Blumen, die sind nicht zum Essen da!"

 

Wieder war ein Klirren, begleitet von einem lauten Fluchen zu hören, und schlagartig schöpfte der Lord neuen Mut. Dieses Mal betrat sie das Esszimmer vorsichtig und drehte sich elegant um die Türklinke herum, bliebt jedoch mit dem Band ihrer Schürze an der Klinke hängen und begleitet von dem entsetzten Aufschrei McShredders klatschte das Tablett mit dem Frühstück auf den Teppich. Einen Moment herrschte atemlose Stille in dem Raum, dann hechtete der Lord mit einem heiseren Schrei auf das am Boden liegende Frühstück und schob gierig in sich hinein, was er zu fassen kriegte. Es war ein peinlicher Moment, als die wenigen Gäste mit weit aufgerissenen Augen auf das starrten, was sich dort am Nachbartisch, oder besser gesagt, am Boden abspielte. Es dauerte eine Weile, bis sich Miss McGyre wieder gefasst hatte.

 

"Mr Shredder, was machen sie da?"

"Frühstücken," krähte der Lord im vollem Mund und schob sich eine Handvoll Porridge in den Mund. Er hob kurz den Kopf, sah nun, dass alle auf ihn starrten und fuhr fort: "Köstlich, möchte jemand probieren?"

"Nein, danke, Sir. Wenn es ihnen recht ist, werde ich mich um die, äh, Koffer kümmern."

Das Grunzen des Lords nahm der Butler als Zustimmung und ging den Gang zurück zum Zimmer, während die junge Frau ihm folgte.

"Sir Frido, bleiben sie noch etwas länger bei uns?"

"Leider nicht, Miss Lisa, wir sind schon recht spät dran, und haben noch einen langen Weg bis zum Schloss Killichonan vor uns."

"Das ist schade, Sir Frido, vielleicht sehen wir uns einmal wieder," lächelte sie, drehte sich um und blieb mit dem Gesicht am Türpfosten hängen. Dann lief sie zur Treppe und am Poltern und Kreischen kurz darauf konnte der Butler deutlich hören, dass sie die letzte Stufe erreicht hatte. Völlig gedankenverloren stand er nun im Flur und bemerkte nicht, dass McShredder inzwischen neben ihm stand.

"Alles klar, McClown?"

"Sir, können wir noch ein paar Tage bleiben?"

"McClown, kommen sie zu sich! Wir sind läppische 20 Meilen von zu Hause entfernt, wir haben es fast geschafft!"



"Aber, Sir..."

"Nichts aber, McClown, kommen sie jetzt!"

Als der Butler immer noch keine Anstalten machte, den Koffer und ihre wenigen verbliebenen Habseligkeiten zu holen, sagte Lord McShredder leise zu ihm: "20 Meilen, McClown. Für einen jungen Spund wie sie ist das doch ein Klacks. Wenn ich ihnen einen Tag Urlaub gebe, dann..."

Mit einem Satz war der Butler im Zimmer verschwunden, hatte den Koffer mit den Hamstern geholt und stand strahlend vor dem Lord.

"Sir, worauf warten wir?"


 

 

Kapitel 34

Black Corries Lodge

 

Sie hatten das Hotel bereits einige hundert Meter hinter sich gelassen und liefen nun ein Stück in nördlicher Richtung.

Es war beiden schwergefallen, das Kings House Hotel zu verlassen. Dem Lord, weil er sich unter den wachsamen Augen von McClown von seinem Geld trennen musste, als er die Rechnung beglich, und dem Butler, weil ihm die tolpatschige Tochter des Hoteldirektors nicht mehr aus dem Sinn ging.

"Sir, wir gehen ja wieder den gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind," bemerkte der Butler.

"Richtig, McClown, sie denken ja sogar mit. Sehen sie den schmalen Weg dort vorne? Das ist der Weg nach Black Corries Lodge, den werden wir nehmen."

"A-aber, Sir, dann laufen wir direkt auf das Moor zu!"

"Das Rannoch Moor, McClown, und?"

"Es ist gefährlich Sir, es gibt Geschichten, dass dort der Geist von Sir Malcom spukt! Er ist nach einer verlorenen Schlacht in das Moor gegangen und nie wieder aufgetaucht."

"Vermutlich ersoffen, McClown."

"A-aber, Sir, nachts kann man die Lichter der Toten sehen, wenn sie durch das Moor marschieren!"

"Irrlichter, McClown, völlig harmlos. Was mir Sorgen bereitet, ist der alte McPomm."

"McPomm, Sir?"

"McPomm, McClown, der verrückte Fraser McPomm. Mit ihm kann keiner in Frieden leben."

"Das heißt, sie kennen ihn, Sir."

"Sehr lange. Er ist ein durch und durch schlechter Mensch. Er hat mich schon damals in der Schule nie abschreiben lassen."

Der Butler antwortete nicht, sondern grinste nur. Schweigend gingen sie weiter, während der Boden unter ihren Füßen immer schwerer und matschiger wurde. Der kleine Fluss, der sie die letzten Stunden auf der rechten Seite begleitet hatte, machte nun einen Knick nach links. Über einen winzigen, halb verfallenen Steg ging es jetzt über den Fluss, der an dieser Stelle nur noch die Größe eines Rinnsals hatte. McClown packte den Koffer mit den Hamstern so fest er konnte und erreichte glücklich die andere Uferseite, wo der Lord bereits auf ihn wartete. Der morastige Weg war nun noch schmaler geworden, und eine kleine Hütte lag vor ihnen. Eine beunruhigende Stille lag auf diesem Gebiet. Nur das quietschende Geräusch ihrer Schuhe in dem matschigen Gras war zu hören. Plötzlich zerriss ein lauter Knall die Stille. Der Butler warf sich blitzschnell zu Boden, während der Lord aufrecht und ruhig stehen blieb.

"Stehen sie auf, McClown, und machen sie sich hier nicht zum Affen," zischte McShredder ihm zu.

Frido McClown erhob sich zitternd, und sein Blick war auf einen Mann gerichtet, der sich von der Hütte her näherte. Er sah recht verwahrlost aus mit seinen zerschlissenen Mantel. Sein langes, wirres Haar wurde durch einen alten Schlapphut halbwegs unter Kontrolle gehalten und sein langer, ungepflegter Bart sah aus, als ob noch die Reste seines letzten Mittagessens darin waren. Er hielt ein Gewehr in den Händen und zielte auf sie.



"Keinen Schritt weiter!" rief er mit fester Stimme. "Was wollt ihr?"

"Durchgang wollen wir," antwortete der Lord ruhig.

Der Mann kam näher und musterte zunächst den Butler, der von oben bis unten mit Schlamm bedeckt war. Dann fiel sein Blick auf den Lord und seine Augen weiteten sich.

"McShredder, du Lump, wenn du noch einen Schritt weiter gehst, wird es dein letzter sein! Verschwinde, sonst mache ich dir Beine!"

Er drehte sich um und ging zur Hütte zurück.

"W-wir sollten umkehren, Sir, der Weg durch das Moor ist zu gefährlich."

"Unsinn McClown, wir müssen uns nur überlegen, wie wir an diesem McPomm vorbei kommen. Am besten warten wir, bis es dunkel ist und schleichen einfach an seiner Hütte vorbei. Leider gilt auch hier das schottische Wegerecht, und niemand kann ihn zwingen, uns über sein Land gehen zu lassen."

Enttäuscht seufzte der Butler tief auf und ging ein paar Schritte zurück an eine Stelle, an der ein riesiger Baumstamm auf der Erde lag. Er ließ sich darauf nieder und legte den Koffer mit den Hamstern neben sich. Deutlich hörte er das Kratzen seiner kleinen Freunde, die es satt hatten, in einem engen Koffer eingeschlossen zu sein. Frido McClown öffnete den Deckel ein Stück und sofort näherten sich viele kleine rosa Näschen und schnupperten. Was sollte er tun? Sollte er seine kleinen Freunde hier im Moor herumlaufen lassen? Noch dazu in der Nähe eines schießwütigen Idioten? Während er noch überlegte, nahmen ihm die Hamster die Entscheidung ab. Einer nach dem anderen kletterte aus dem Koffer und am Hosenbein des verdutzten Butlers hinunter in das hohe Gras. McClown zuckte mit den Schultern und legte den Koffer in das Gras.



"Falls es euch zu kalt und zu nass wird, meine Freunde, dann könnt ihr in den Koffer zurück gehen. Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt! Es ist gefährlich hier im Moor und passt auf, denn der böse Mann dort hinten in der Hütte hat ein Gewehr! Bleibt in der Nähe und lauft nicht so weit weg und denkt daran..."

"Mit wem sprechen sie, McClown?" fragte Lord McShredder, der sich neugierig genähert hatte.

"Äh, mit den Hamstern. Sie brauchen etwas Auslauf. Bitte passen sie auf, wo sie hintreten, Sir."

"Wir müssen versuchen, etwas zu schlafen, McClown. Übrigens sollten sie sich bei der nächsten Gelegenheit waschen. Ein guter Butler läuft nicht herum wie ein Schwein."

"Ja, Sir, mache ich," knurrte Frido McClown und rieb sich mit einem Taschentuch so gut es ging das Gesicht sauber. Dann legte er sich genau wie der Lord halbwegs bequem auf den Baumstamm und schloss die Augen.


 

 

Kapitel 35

Hamsterfeier

 

 

"Sagt mal, sollen wir jetzt Gras fressen, oder was?" schimpfte Flecki lautstark.

"Schmeckt gar nicht so schlecht," antwortete Goldi über beide Backen kauend und zeigte mit der Pfote auf die Hütte von Fraser McPomm. "Da hinten ist bestimmt eine Futterstation."

In der Zwischenzeit hatte Bauleiter Murksel die Umgebung untersucht und kam zu dem Schluss, dass das Gelände für eine Feier zu feucht und matschig war. Der Bürgermeister versuchte, auf einen kleinen Hügel zu steigen, um ein paar Worte an das Hamstervolk zu richten, doch nach mehreren Rutschpartien gab er frustriert auf.

Währenddessen näherten sich Tati, Tuffi und Teeblättchen bereits der Holzhütte, dicht gefolgt von Goldi, Dodo und Trampel. Vorsichtig schauten sie sich um. Es gab drei Fenster und eine Tür, wobei die Tür verschlossen und die Fenster für die Hamster unerreichbar waren. Bauleiter Murksel war inzwischen ebenfalls eingetroffen und prüfte das Holz der Außenwände.

"Schade, dass wir keinen Pümpel dabei haben," sagte er leise.

ein Pümpel

"Wozu denn einen Pümpel?" fragte Teeblättchen erstaunt.

"Weil wir das immer so machen," antwortete Murksel.

Dann untersuchte er fachmännisch die Hütte weiter, bis er plötzlich stehenblieb und gegen die Außenwand trat. Das Holz knirschte und er rief:

"Ich brauche einen dicken, kräftigen Hamster!"

Dodo trat näher.

"Los," feuerte Bauleiter Murksel ihn an, "immer schön gegen die Wand rennen!"



Einige Stunden und viele blaue Flecken später hatte Dodo es geschafft: ein kleines Stück der Holzverkleidung war abgesplittert. Ein Hamster nach dem anderen kletterte nun in die Hütte hinein. Es war inzwischen dunkel geworden und sie sahen sich vorsichtig um. Neben einem uralten, runden Ofen aus Eisen stand ein Bett, in dem jemand laut schnarchte. Neben dem Bett stand ein Gewehr und neben dem Gewehr lag eine riesige Schachtel voller Munition. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Tisch, zugemüllt mit Essenresten und weiterer Munition. Ein angrenzender Schrank erweckte die Neugier der Hamster. Sie zogen und drücken an der Tür bis sie sich quietschend öffnete.

 

"Socken mit Schottlandmuster," rief Flecki begeistert. "Daraus machen wir ein paar schöne Umhänge und veranstalten Hamster-Highland-Spiele!"

Begeistert kamen Tati, Tuffi und Teeblättchen hinzu und machten sich ans Werk, die Socken von Fraser McPomm zu zerlegen.

Ihre Freunde hatten in der Zwischenzeit einen Karton mit Lebensmitteln entdeckt und bereiteten das Festessen vor. Viel war es nicht, aber alle fanden, dass es für eine Feier reichen würde.

 

Goldi und Bauleiter Murksel untersuchten derweil die Munition, denn zu einer gelungenen Feier gehört auch ein Feuerwerk, wie Goldi erklärte. Bauleiter Murksel hatte schwere Bedenken hinsichtlich der hamstischen Vorschriften, denn diese Munition war ihm unbekannt. Goldi jedoch überzeugte den Bauleiter, dass eine Patrone wie die andere sei, und so machten sie sich ans Werk. Unter dem Bett lag ein Messer, dass für diesen Zweck genau richtig war, und nun wurden die Patronen fachmännisch aufgeschnitten und das Pulver zunächst auf den Fußboden geschüttet. Trampel war in der Zwischenzeit beauftragt worden, Tassen und Gläser zu sammeln um das Schießpulver hineinzufüllen. Bauleiter Murksel überprüfte noch einmal, ob alle notwendigen Sicherheitsbestimmungen eingehalten worden waren.

 

"Die Munitionskästen befinden sich zu dicht bei den Feuerwerkskörpern," wies er Dodo und Goldi an, "ihr müsst die Munition woandershin bringen!"

"Kein Problem," meinte Goldi, "sollen wir die Kisten mit der Munition neben den runden Tisch in der Ecke stellen?"

"Ja," meinte Bauleiter Murksel und betrachtete fachmännisch den alten Heizofen, "dieser eiserne Tisch ist nicht brennbar, da kann nichts passieren."



Flecki, Teeblättchen, Tati und Tuffi hatten die ersten Socken zu bequemen Umhängen verarbeitet und verteilten sie. Die Hamster waren begeistert und die Feier konnte beginnen. Das Essen war auf kleine Pappschachteln verteilt, und der Bürgermeister stellte sich davor, räusperte sich und sprach: "Liebe Hamsterfreunde, ich freue mich, das Essen zu eröffnen und möchte bei dieser Gelegenheit..."

Weiter kam er nicht, denn nach dem Wort 'Essen' stürzten sich alle auf das Futter und der Bürgermeister wurde umgerissen. Stöhnend rappelte er wieder auf und brachte sich vor der hungrigen Meute in Sicherheit. Überall war zufriedenes Schmatzen zu hören und jemand rief: "Wo ist die Musik? Dodo, mach doch mal die Schranktür auf und zu!"

Dodo stopfte sich schnell noch etwas Futter nach, lief zum Schrank und schob die Tür auf und zu. Sie gab ein schreckliches, quietschendes Geräusch von sich, doch die Hamster waren begeistert und starteten einen Tanzwettbewerb. Goldi sah nun auch den Zeitpunkt für sein Feuerwerk gekommen, und mittels einer Schachtel Streichhölzer, die er neben dem Ofen gefunden hatte, zündete er nun das Pulver in den Tassen und Gläsern an. Schnell trat er zurück und bewunderte mit seinen Hamsterfreunden, wie sich das Pulver mit einem Zischen in eine Flamme verwandelte.

 

In diesem Moment erwachte Fraser McPomm. Noch halb benebelt vom Tiefschlaf drehte er sich um. Da tanzten seine Socken auf dem Tisch und aus dem Fußboden sprühte Feuer! Laut schreiend sprang er aus dem Bett und landete mit seinen nackten Füßen in Goldis Feuerwerk. Ein höllischer Schmerz durchfuhr ihn und er stürzte quer durch den Raum. Völlig verwirrt hielt er sich an dem heißen Ofen fest, der nun krachend umfiel und die Munition in Brand steckte. Es knallte, Geschosse flogen dicht an ihm vorbei, er sah seine Schranktür wie von Geisterhand auf und zu gehen, tanzende kleine Tiere auf dem Boden und tanzende Socken auf dem Tisch. Verzweifelt schüttelte er seinen Kopf und hielt sich die Hände vor die Augen. Vorsichtig blinzelte er zwischen den Finger hindurch, doch sie waren noch immer da, diese schrecklichen Dinge! Dann streifte ein Geschoss seine Nasenspitze und Fraser McPomm verlor entgültig die Nerven. Laut kreischend stürzte er zur Tür hinaus und rannte um sein Leben.

 

 Die Rückkehr (nach Schottland) - Kapitel 36-42

Kapitel 36

Im Moor

 

"Haben sie das gehört und gesehen, Sir?" fragte der Butler und sah dem schreienden McPomm hinterher.

"Natürlich, McClown, ich bin ja nicht blöd." Lord McShredder setzte sich aufrecht auf den Baumstamm und sah, wie der flüchtende Mann irgendwo am Horizont in der Ferne verschwand. "Was immer da auch los ist, er läuft nach Norden. Das ist gut, denn in die Richtung müssen wir nicht."

"Sir, die Hamster sind verschwunden!" Frido McClown zeigte auf den leeren, geöffneten Koffer und sah den Lord entsetzt an.

 

Beide starrten mit großen Augen auf die von Fraser McPomm verlassene Hütte. Sie sah aus wie ein schweizer Käse, aus dessen Löcher Rauchwolken stiegen.

 

"Nun, McClown," sagte der Lord und zeigte auf die Hütte, "ich schätze, dass ihre kleinen Freunde dahinterstecken. Packen sie unsere Sachen und folgen sie mir. Wir werden nachschauen."

 

Hastig klaubte der Butler die wenigen Sachen zusammen, die ihnen noch geblieben waren. Der Lord hatte die Hütte bereits erreicht und betrachtete die offen stehende Tür, aus der Rauch quoll. Dann schaute er vorsichtig in die Behausung hinein, und sein Blick fiel auf das verlassene, zerwühlte Bett. Auf dem Boden standen rauchende Tassen und Gläser, Wände und Dach waren offenbar von Schüssen zersiebt. Sein Blick fiel auf den offenen Schrank. Ein Hamster hing an dem Griff der offenen Schranktür und sah den Lord verlegen an. Als er zum Tisch schaute, hob McShredder die Augenbrauen und konnte nicht so recht glauben, was er da sah.

"Ich glaube, Sir," sagte sein Butler, der inzwischen neben dem Lord stand, "wir sehen gerade das Ende einer Hamsterparty."

"Sehr schön, McClown, aber warum haben die sich Socken über das Fell gezogen?"

"Das, äh, Sir, gehört wohl zur Party dazu. Bestimmt irgendeine hamstische Sitte"

"Hamstische Sitte, McClown? Und die Einschusslöcher?"



"Nun, Sir, sicherlich gibt es auch dafür eine Erklärung."

"Und warum hängt da ein Hamster an der Schranktür?"

"Sicherlich ein hamstisches Spiel, Sir!"

"Und warum, McClown, schleppt der Hamster dort vorne eine Patronenhülse mit sich herum?"

"Er spielt doch nur, Sir."



"Er spielt, McClown? Hat er auch mit McPomm gespielt?“ Der Lord blickte nachdenklich auf den Hamster und fuhr grinsend fort: “Dann möchte ich ihm gratulieren, ein braver, kleiner Kerl!"

Der Butler atmete auf. Es wäre auch schlimm gewesen, wenn der Lord wegen dieses kleinen Zwischenfalls auf die Hamster wütend gewesen wäre und sie womöglich hier zurück gelassen hätte.

Schnell legte Frido McClown den Koffer auf den Tisch und sammelte die Hamster ein. Da die Sonne inzwischen aufgegangen war, ließen es sich die kleinen, nachtaktiven Tiere auch gefallen. Etwas Schlaf konnte nun nicht verkehrt sein.

"Sehen sie zu, McClown, dass sie noch etwas Essbares in dieser heruntergekommenen Hütte finden," krächzte der Lord und ging durch die Tür hinaus ins Freie.

Der Butler packte gerade ein paar Brote ein, als der Lord wieder in die Hütte kam und ein paar Geldstücke auf den Tisch legte.

"Von solch einem Halunken wie McPomm werde ich nichts geschenkt nehmen!" schimpfte er und rannte wieder zur Tür hinaus.



Grinsend lief der Butler hinter ihm her und folgte ihm auf dem unebenen, matschigen Weg. Wie schon auf den letzten Kilometern mussten sie immer wieder kleinere Flüsse überqueren. Es war nicht einfach, denn so manches Mal war nur ein rutschiges Brett als Brücke vorhanden.

"Wie lange müssen wir noch über Flüsse balancieren, Sir?" jammerte der Butler, der so manches Mal große Mühe hatte, dass ihm der Koffer mit den Hamstern nicht aus der Hand fiel.

"Nicht mehr lange, McClown."

"Das ist schön, Sir. Wird der Weg dann wieder bequemer?"

"Nein, McClown, dann ist gar kein Weg mehr da."

"Aber, Sir, das wird dann ja nicht besser, oder?"

"Habe ich auch nicht behauptet, McClown. Sie wollten nur wissen, wie lange wir noch über Flüsse balancieren müssen."

Der Lord blieb einen Moment stehen, schaute angestrengt nach vorne und fuhr fort. "Bald müssen wir durch die Flüsse zu Fuß hindurch oder überweg springen."

 

Der Butler sagte nichts mehr. Es war ihm egal, dass sie auf einem schlammigen, rutschigen Weg liefen und seine Kleidung total mit Dreck verschmiert war. Seine Gedanken waren weit weg im Kings House Hotel, und er dachte an Lisa McGyre. Grinsend stellte er sich vor, wie es wohl wäre, wenn sie mit auf diesen Weg gekommen wäre. Wie oft hatten sie die junge Frau wohl aus einem Fluss oder Schlammloch herausziehen müssen? Plötzlich riss ihn ein Schuss aus den Gedanken.

 

"Sir, ist das McPomm?" rief er erschrocken.

"Hab ich ihnen schon mal gesagt, dass sie erst nachdenken und dann plappern sollen, McClown?" schimpfte der Lord verärgert.

"Warum, Sir? Was ist, wenn er in die Hütte zurückgegangen ist und sein Gewehr geholt hat?"

"Dann, McClown, würde er hinter uns herumballern. Diese Schüsse aber kamen aus der Richtung, in die wir gehen müssen, nämlich aus dem Moor."

"Aber was mag das bedeuten, Sir?"

Der Lord sah seinen Butler an, als hätte der etwas sehr, sehr Dummes gesagt.

"McClown, haben sie schon einmal etwas von einer Jagdgesellschaft gehört?"

"S-sie meinen, Sir, diese miesen Menschen, die auf Tiere schießen? Auf wehrlose Tiere?"

"Nun, McClown, im allgemeinen sind Kaninchen, Fasane und ähnliches unbewaffnet."

In diesem Moment waren im Hintergrund wieder Schüsse zu hören. Vorsichtig gingen die beiden weiter durch das Moor. Nun hieß es, besonders vorsichtig zu sein, wenn sie nicht von einer verirrten Kugel getroffen werden wollten.


 

 

Kapitel 37

Der Prinz

 

Vorsichtig schlichen die beiden durch das Moor. Es war mühsam, vorwärts zu kommen, denn ihre Füße sanken bei jedem Schritt tief in den schwammigen Untergrund ein. Während Sie also sehr langsam vorankamen, waren immer wieder Schüsse zu hören. Bald tauchten in der Ferne zwei Gestalten auf. Der Lord und sein Butler McClown gingen direkt auf sie zu, immer vorsichtig darauf achtend, auf halbwegs festen Boden zu treten. McShredder lief erstaunlich schnell auf diesem matschigen Untergrund und erreichte als erster den Mann, der für die Knallerei verantwortlich war. Der Butler hatte mit dem Koffer einige Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, und als er sich den beiden näherte, vernahm er die lauten Worte des Mannes mit dem Gewehr.

 

"Sir, sie stören meine Jagd. Bitte entfernen sie sich!"

 

Am Gesichtsausdruck des Lords konnte McClown sehen, dass ihm diese Art der Begrüßung überhaupt nicht gefiel. Sein Gesicht verfärbte sich leicht, doch äußerlich blieb er ruhig als er erwiderte: "Ihre Jagd? Hören sie, junger Mann, nehmen sie gefälligst ihre Kopfhörer ab, wenn sie mit mir sprechen!"

"Das sind keine Kopfhörer, Sir, das sind meine Ohren," antwortete der Mann sichtlich verärgert. "Wenn sie nun verschwinden würden, damit wir unsere Jagd fortsetzen können!"



Lord McShredder dachte nicht daran zu verschwinden. Er zeigte auf die Gestalt neben dem Mann und fragte: "Sagen sie mal, warum haben sie ihr Pferd denn so unmöglich angezogen?"

Die riesigen Ohren des Mannes begannen wild zu zucken, sein Gesicht verfärbte sich tiefrot und er rief empört: "Sir, das ist kein Pferd, das ist meine Frau! Sie heißt Camilla!"



"Ach, tatsächlich," entgegnete der Lord spöttisch, "und sie, haben sie auch einen Namen, oder darf ich sie Dumbo nennen?"

"Dumbo? Ich bin kein verdammter Elefant mit großen Ohren, ich bin ein Prinz! Mein Name ist Charles und ich werde mich bei meiner Mutter, der Königin, beschweren!"

Er hatte sein Gewehr auf den Boden gelegt und stand nun direkt vor dem Lord, der ruhig antwortete: "Ein echter Prinz läuft nicht bei jeder Kleinigkeit zu seiner Mama. Wer auf Tiere schießen kann, sollte sich auch selbst wehren können, nicht wahr, Dumbo?"

 

Während im Hintergrund der Prinz laut schrie und pöbelte, dass sein Name nicht Dumbo sei, beobachtete McClown die Hamster, die vom Lärm geweckt aus dem Koffer kletterten. Das Gewehr des pöbelnden Prinzen schien einige von ihnen magisch anzuziehen und der Butler glaubte, ein leises, aufgeregtes Fiepen zu hören.

 

"Goldi, bist du sicher, dass das die gleiche Munition ist?"

"Klar, Dodo, mach doch mal die Kiste mit den Patronen auf und gib mir ein paar."

Trampel und Bauleiter Murksel kamen nun dazu und halfen Dodo.

"Was soll das denn werden, wenn's fertig ist?" fragte Murksel und reichte Goldi eine Patrone.

"Das wird Goldis Prototyp, so etwas wollte ich schon immer ausprobieren. Leider hatte ich vorhin keine Zeit mehr!"

Ein paar Schritte weiter beobachtete Frido McClown, wie eine Patrone nach der anderen im Gewehrlauf verschwand. So langsam ahnte er, was die Hamster da wieder planten.

"Das wird ein Prototyp für ein Notsignal," erklärte Goldi seinen Hamsterfreunden, als der Lauf des Gewehrs mit Munition vollgestopft war.



"Eine ausgezeichnete Idee, schließlich müssen wir auch an das Morgen denken, das dem heutigen Tag folgt," gab der Bürgermeister von sich. "Es zeichnet den wahren Hamster aus, dass er in..."

"Vielleicht sollten wir wieder in den Koffer gehen," gab Flecki zu bedenken. "Ich meine, wenn wir noch ein Morgen erleben wollen, sollten wir in Sicherheit gehen!"

Auch Bauleiter Murksel war der Ansicht, dass es nun erforderlich sei, einen größeren Sicherheitsabstand einzuhalten, und so marschierten die Hamster zurück in den sicheren Koffer.

Der Butler schloss kopfschüttelnd den Koffer und nahm ihn wieder an sich. Dann ging er dort hin, wo es sehr laut war, nämlich zu der Diskussion zwischen Lord McShredder und dem Prinzen.

"Jedenfalls lasse ich mich nicht von ihnen von der Jagd abhalten, Sir," hörte er den Prinzen brüllen, dessen Ohren und Gesicht knallrot vor Wut waren, und der sein Gewehr wieder vom Boden aufhob.



"Sir," flüsterte der Butler seinem Lord in das Ohr, "Ich glaube, es macht keinen Sinn, mit dem zu reden, Sir. Ich habe mal gelesen, dass dieser komische Prinz gesagt hat, dass er eher das Land verlassen würde, als mit der Jagd aufzuhören!"

 

Zusammen mit McShredder beobachtete er nun, wie der Prinz das Gewehr an seine Wange legte und auf irgend etwas in der Ferne zielte. Dann knallte es, nein, es war eine regelrechte Explosion. Aus dem Gewehrlauf schoss ein Feuerstrahl wie aus einer Rakete heraus, und der Prinz flog laut kreischend in die Luft. Höher und höher flog er, drehte sich schreiend im Kreis und verschwand in der Ferne.

 

"Sie haben recht, McClown, er verlässt tatsächlich das Land!"

 

Lord und Butler grinsten einander an. Camilla hatte die Verfolgung aufgenommen und laut "Charlie, Charlie!" rufend rannte sie durch das Moor. Immer wieder blieb sie im Schlamm stecken, fiel hin, krabbelte ein paar Meter auf allen Vieren, stand wieder auf und fiel doch wieder hin.

"Ich schätze, Sir, ein Schlammbad wird ihr guttun."

"Stimmt, McClown, sie sieht bereits jetzt schon viel besser aus als vorher."

Hier gab es nun nichts mehr für die beiden zu tun, und sie setzten das letzte Stück ihrer Reise fort.


 

 

Kapitel 38

Die Teestube

 

Zu ihrer großen Erleichterung wurde der Boden wieder fester. Sie liefen am Fuße eines Berges und in ihrer Laufrichtung befand sich ein See.

"Der Loch Laidon, McClown! Er ist fast 10 Meilen lang. An seinem Ende erwartet uns eine schöne Tasse Tee."

"Sie meinen den Tea Room auf dem kleinen Bahnhof bei Rannoch Station, Sir?" fragte der Butler aufgeregt.

"Genau den meine ich, McClown. Es wäre auch nicht schlecht, wenn wir es heute noch bis zum Schloss schaffen, damit wir frische Kleidung anziehen und eventuell ein Bad nehmen."

Schweigend liefen sie weiter und der Butler überlegte, ob es im Schloss wohl noch eine Möglichkeit gab, warmes Wasser aufzubereiten, oder ob sie womöglich in den kalten Fluten des Loch Rannochs baden müssten. Inzwischen befanden sie sich in einem Tannenwald und vom Loch Laidon war nichts mehr zu sehen. Es war herrlich, nach all den Mühen und Anstrengungen wieder die frische, heimische Waldluft einzuatmen. Sie erreichten einen Wanderweg und kamen nun wieder schneller voran. Zu ihrer Rechten war auch wieder der Loch Laidon aufgetaucht und in weiter Ferne war eine Eisenbahnbrücke zu erkennen auf der sich ein Zug befand, der eine Rauchfahne hinter sich herzog.



"Das muss der Zug nach Fort William sein, Sir. Wäre es nicht schön, wenn die lieben, kleinen Hamster auch einmal mitfahren könnten?"

"Reden sie doch keinen Unsinn, McClown. Hamster würden niemals mit der Bahn fahren."

"Aber wie mögen die bloß nach Sanna Bay gekommen sein, Sir? Das frage ich mich schon seit langem"

"Mit einem Schiff natürlich, McClown, wie denn sonst?"

 

Der Butler betrachtete nachdenklich die Tannen. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass seine kleinen Freunde den weiten Weg von Hamsterhausen bis zur Westküste Schottlands mit einem Schiff zurückgelegt hatten. Wozu auch, was wollten sie da? Nein, es musste eine andere Erklärung für das Erscheinen der Hamster geben.



"Sir, sind sie sicher, dass bei unserer Abreise nach Spanien wirklich keine Hamster mehr im Schloss waren?"

Woher, zum Teufel, soll ich das wissen, McClown? Sie sind der Butler, und sie sind für das Aufräumen verantwortlich!"

Nun betrachtete der Lord nachdenklich die Tannen. Das, was sein Butler da eben gesagt hatte, gefiel ihm überhaupt nicht. Angenommen, diese kleinen kriminellen Hamster waren alleine im Schloss zurückgeblieben, während er und McClown sich in Spanien befanden. Nicht auszudenken, welche Katastrophen passiert sein könnten. Immerhin waren sie über ein Jahr nicht mehr hier gewesen. In diesem Zeitraum konnten es sogar die kurzbeinigen Hamster bis an die Westküste geschafft haben.

"Was ist, McClown, haben sie vor unserer Abreise gründlich nachgesehen, ob sich noch Hamster im Schloss befanden?"

"A-aber wie sollte ich, Sir? Schließlich musste ich mich um alles kümmern, und dann sollte ich noch Tabak besorgen, und dann..."

"Ausreden, McClown, billige Ausreden. Ein guter Butler kann alles gleichzeitig, es ist nur eine Frage der Koordination."

"Mit Verlaub, Sir, ein guter Butler bekommt auch ein regelmäßiges Gehalt."

McShredder antwortete nicht, sondern starrte interessiert in die Ferne. Das Gesicht Frido McClowns erhellte sich plötzlich.

"Sir, sie hatten doch in Kapitel 16 versprochen, mir mein Gehalt auszuzahlen, wenn wir wieder zu Hause sind!"

"Äh, ja, das hatte ich, McClown."

"Und, Sir? Werden sie das tun?"

"Ich kann nicht, McClown."

Der Butler war mit großen Augen stehen geblieben. Während er guckte, ob er irgendwo einen schönen, dicken Knüppel finden konnte, ging er langsam auf McShredder zu.

"Sie können nicht, Sir? Wie soll ich das verstehen, Sir?"

"Wir haben kaum noch Geld, aber es wird für Tee und Kuchen reichen. Sie können sich also auf ein schönes Stück Kuchen freuen, McClown."

"A-aber wo ist das Geld geblieben, Sir?"



"Hotels sind teuer, McClown. Darf ich sie daran erinnern, dass sie mich gezwungen hatten, im Kings House Hotel zu übernachten?"

Frido McClown sagte nun gar nichts mehr. Sie waren also mal wieder pleite! Damit konnte er auch all seine Pläne erst einmal wieder in die Schublade legen. Ohne Geld konnte er die Hamster nicht nach Hamsterhausen zurück bringen. Ohne Geld konnte er Lisa McGyre nicht einladen, es sei denn, sie brachte selbst etwas zu essen mit. An den Wiederaufbau des Schlosses dachte er lieber nicht und erst recht nicht daran, wie es nun weitergehen sollte.

Während all dieser Überlegungen hatte er nicht bemerkt, dass sie den Wald verlassen hatten, erst die Stimme McShredders riss ihn aus seinen Gedanken.

"Da vorne ist es, McClown. Darf ich sie zu Tee und Kuchen einladen? Sozusagen als Sondergehalt?"

Traurig hob der Butler den Kopf, doch als er den einsamen Bahnhof wiedersah, spürte er einen kleinen, freudigen Stich im Herzen.

Nach wenigen Minuten betraten sie Teestube.


 

 

Kapitel 39

George

 

Lord und Butler ließen sich an einem der fünf Tische der Teestube nieder. Sie wählten den Tisch, der vorne am Tresen, direkt neben dem Fenster stand. Im hinteren Teil des Raumes, gleich neben der Eingangstür, saß ein Mann. Er hatte seinen Kopf auf den Tisch gelegt und schien zu schlafen. Das war nicht ungewöhnlich, denn hier fuhren die Züge nicht oft, und manchmal musste man recht lange warten, bis ein Zug kam. Lord McShredder und Frido McClown beachteten daher den Mann nicht weiter, sondern betrachteten hungrig die Auslagen am Tresen. Es gab Kuchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Farben. Sie entschieden sich für Shortbread.

 

"Einen Tee, 3 Stück Shortbread und einen Kaffee," krächzte der Lord.

"Sofort, Sir. Oh, Lord McShredder, sind sie wieder im Lande?" rief der junge Mann hinter dem Tresen erfreut, als er den Blick auf den Lord richtete.

"Offensichtlich, junger Mann. Gibt es etwas Neues?"

"Oh, ja, Sir, jede Menge" strahlte der Mann freudig. "Wir hatten kaum Regen im letzten Sommer, das öffentliche Toilettenhaus ist neu gestrichen worden, und ein neues Straßenschild wurde aufgestellt."

"Prächtig, prächtig, die Stadt wächst und gedeiht," krähte der Lord und nahm den Teebeutel aus der Tasse, die ihm inzwischen gebracht worden war.

 

Der Butler hatte derweil den Koffer mit den Hamstern auf seinen Schoß genommen und geöffnet. Neugierige, rosa Nasen näherten sich und schnupperten aufgeregt. Der Duft des Gebäcks hatte schlagartig alle Tiere geweckt. McClown zerbröckelte einen der Kekse und legte ihn zu den Hamstern. Lautes Rascheln und Fiepen war nun zu hören, und man brauchte keine Hamstersprache zu verstehen, um zu wissen, was da nun passierte. Die Aufruhr dauerte jedoch nicht lange, denn der Keks war schnell vertilgt. Als feststand, dass es nichts mehr zu essen gab, zogen sich die kleinen Tiere wieder zum Schlafen zurück, und der Koffer wurde geschlossen.

Der Lord schlürfte seinen Tee, der Butler trank seinen Kaffee, und beide sahen aus dem Fenster. Weit hinter den Bahngleisen sahen sie den kleinen Wald, durch den sie vor kurzer Zeit noch gegangen waren. In der Ferne waren schemenhaft die Berge zu sehen, und noch viel weiter dorthinter lag die Halbinsel Ardnamurchan, wo doch alles begonnen hatte. Sie waren weit gereist und hatten viel erlebt. Nun standen sie kurz vor ihrem Ziel, und sie wussten, dass sich der Weg gelohnt hatte. Kein noch so schönes spanisches Wetter konnte ihnen diese wundervolle Umgebung ihrer Heimat ersetzen.

"McClown, es wird Zeit, die letzten Meilen zu laufen," rief der Lord.

"Gerne, Sir. Darf ich mir noch eine Bemerkung erlauben?"

"Genehmigt, McClown."

"Vermissen sie ihren Rollstuhl überhaupt nicht mehr, Sir?"

"Doch, sehr, McClown," krähte der Lord und stöhnte laut. "Aber ein Lord echten Kalibers jammert nicht."

"Was muss ich da hören?" ertönte plötzlich eine Stimme aus dem hinteren Teil der Teestube. "Der Lord von Killichonan geht zu Fuß? Bei allen keltischen Heiligen, auf den Tag habe ich lange gewartet."

Erstaunt blickten sich die beiden um. Der Mann, der vor kurzem noch schlafend am Tisch gesessen hatte, stand nun auf und ging auf sie zu. Er war klein, etwas beleibt, hatte eine Glatze und zog sein linkes Bein nach.

"George, der Busfahrer," rief Frido McClown erfreut, denn er kannte den alten Postbusfahrer sehr gut. So manches Mal, wenn der Lord keinen Tabak mehr hatte, oder die Vorräte im Schloss ausgegangen waren, hatte George den Butler mit in das nächste Städtchen genommen, wenn er ihn auf der Straße laufen sah. Nie hatte George dafür Geld genommen, und der Butler war jedes Mal froh gewesen, den langen Weg nicht zu Fuß gehen zu müssen.



"Frido, wo bist Du so lange gewesen?"

"Ach, George, das ist eine lange Geschichte. Lass mich das ein anderes Mal erklären. Wir wollen jetzt nur noch nach Hause."

"Nach Hause." George nickte. "Ich will euch nicht erschrecken, aber euer Zuhause ist nur noch eine Ruine."

Lord und Butler waren blass geworden. Sie wussten, dass das alte Schloss schon bei ihrer Abfahrt nach Spanien nicht im besten Zustand war, doch eine Ruine? Nur mühsam gewannen sie ihre Fassung wieder und McShredder krächzte: "Dann werden wir die Ruine eben wieder aufbauen, nicht wahr, McClown?" Er wandte sich an den Busfahrer. "George, wann geht dein Bus?"

"Ich fahre nicht mehr, Lord McShredder, ich bin schon lange im Ruhestand und genieße die viele Freizeit. Allerdings ist mir ein bisschen langweilig geworden und so fahre ich noch manchmal zwischen Kinloch Rannoch und der Bahnstation hin und her. Selbstverständlich seid ihr heute meine Fahrgäste."

"Kostenlos natürlich, George," krähte McShredder.

George lachte. "Kostenlos natürlich, Lord."

Hocherfreut verließ McShredder zusammen mit seinem Butler und dem ehemaligen Postbusfahrer George die Teestube, nachdem der junge Mann am Tresen für Gebäck, Tee und Kaffee ebenfalls kein Geld haben wollte.

"Nicht wahr, McClown, man merkt doch gleich, wenn man wieder zu Hause ist!"

"Ja Sir, fragt sich nur, ob man auch ein Dach über dem Kopf hat."

George gab Gas und der alte Postbus setzte sich in Bewegung. Zu ihrer linken sahen sie die Ruinen von Doire na h-innes, dann kamen sie an der großen Wasserkraftanlage von Gaur vorbei, und das Herz der beiden Heimkehrer schlug höher. Als der Loch Rannoch in Sicht kam, waren beide aufgestanden und schauten aufgeregt aus dem Fenster. In der Mitte des Lochs erkannten sie die kleine Möveninsel, Eilean nam Faoileag. Die letzte Meile schien Ewigkeiten zu dauern, doch dann war es endlich soweit. George bog links ab und sie hatten das Schloss erreicht.


 

 

Kapitel 40

Wieder im Schloss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Lord stieg als erster aus dem Bus und ging langsam auf das zu, was einst ein Schloss gewesen war. Wände gab es nicht mehr, und ein großer Schutthaufen lag dort, wo die große Eingangshalle gewesen war. Das, was noch am höchsten in die Luft ragte, waren die beiden Pfosten der Eingangstür, die lose in den Scharnieren hing. McShredder blieb vor den Resten der Tür stehen.




"McClown, sie fauler Geselle, wollen sie einem Lord nicht die Tür öffnen?"

Der Butler glotzte den Lord erstaunt an, während George sich lachend verabschiedete.

"Ihr kommt schon alleine klar! Sagt Bescheid, wenn ihr mich braucht."

Während der Busfahrer zurück zur Landstraße fuhr, öffnete der Butler vorsichtig die Tür. Kaum hatte er sie ein Stück bewegt, da fiel sie krachend aus den Angeln und riss die Türpfosten mit um.

"Danke, McClown," sagt der Lord, nachdem sich der Staub etwas gelegt hatte. "Wenn sie meinen Sessel wiedergefunden haben, wäre ich ihnen sehr verbunden, wenn sie hier etwas aufräumen würden."

Mit einem lauten Seufzer setzte Frido McClown den Koffer mit den Hamstern zwischen ein paar Mauersteine und öffnete den Verschluss. Dann machte er sich auf die Suche nach dem Sessel, während der Lord seine Pfeife stopfte.

"He, Leute, wir sind wieder im Schloss," rief Bauleiter Murksel und stieg aus dem Koffer.

"Ja, echt cool," stöhnte Flecki, "wir sind ja echt weit gekommen."

"Immerhin waren wir am Strand," meinte Tuffi, "und das war auch ganz nett."



Der Bürgermeister war inzwischen auf einen Schutthaufen gestiegen und hielt es an der Zeit, die Hamster durch eine kleine Rede zu ermutigen.
"Liebe Freunde, "begann er, "es war ein weiter Weg, und ich bin stolz zu sagen, dass..."

Weiter kam er nicht, denn der Schutthaufen brach in diesem Moment unter ihm zusammen.

"Tut mir leid, kleiner Hamster," ertönte die Stimme von Frido McClown, "aber ich suche den Sessel des Lords. Was musst du auch auf dem Schutthaufen herumturnen?"

Er setzte den schimpfenden Bürgermeister zu den anderen Hamstern auf den Boden und suchte weiter. Plötzlich krachte es laut, und dort, wo eben noch der Butler stand, war nur noch eine Staubwolke zu sehen.

"McClown, haben sie meinen Sessel endlich gefunden?"

Niemand antwortete. Langsam legte sich die Staubwolke, doch der Butler blieb verschwunden. Die Hamster reckten neugierig ihre Hälse, als der Lord sich vorsichtig der Stelle näherte, an der eben noch Frido McClown gestanden hatte. Ein Loch im Boden gähnte ihm entgegen.

"McClown, hören sie gefälligst auf, Verstecken zu spielen und machen sie sich an die Arbeit. Ich kann ja nicht immer alles alleine machen!"

Er erhielt immer noch keine Antwort und drehte sich verzweifelt zu den Hamstern um. Goldi stand direkt vor seiner Nase und McShredder zeigte mit dem Finger auf ihn.

"Wie wäre es, ihr kleinen Nager macht auch mal etwas für euer Futter. Schließlich habe ich euch die ganze Zeit durchgefüttert!"

"Toidi, llef ma chim ckel!"1 kam die prompte Antwort.


"Häh? Wirf mal schnell? Was soll ich denn werfen?"

Lord McShredder sah sich mit fragend um. Dann erhellte sich seine Miene.

"Ah, eine gute Idee, mein kleiner Nager."

Er nahm einen am Boden liegenden Stein und warf ihn in das Loch. Ein lauter Aufschrei bestätigte ihm, dass er getroffen hatte.

"McClown, wenn sie fertig sind mit dem Spielen, wäre ich ihnen sehr verbunden, wenn sie sich ein wenig um das Aufräumen kümmern würden."

"Sir," erklang jetzt die gedämpfte Stimme des Butlers, "ich bin in altem Geschirr gelandet."

"Altes Geschirr, McClown? Wie soll ich das verstehen, haben sie etwa das schmutzige Geschirr immer im Keller verschwinden lassen?"

"Aber, Sir, wir haben doch noch nie einen Keller gehabt."

"Sie haben recht, McClown, aber wo zum Teufel sind sie gelandet, und wie soll ich sie da wieder heraus holen?"

Bauleiter Murksel, Flecki und Goldi waren inzwischen in das Loch gekrabbelt, um die ganze Sache zu untersuchen, denn sie wussten genau, wo der Butler war, gab es meistens auch Futter. Doch ihre Enttäuschung war groß, als sie weit und breit nur nutzlosen Schrott fanden. Völlig verdreckt kletterten sie wieder aus dem dunklen Loch, als Lord McShredder sich mit einem heiseren Aufschrei auf Flecki stürzte. Da Flecki jedoch sehr flink war, landete der Lord im Dreck und rief aufgeregt: "Was hast du da gefunden, kleiner Nager? Komm zu Onkel Lord, zeig her!"

Flecki jedoch machte, dass sie fort kam und versteckte sich hinter ein paar Steinen.

"Was ist denn los?" wollte Tuffi wissen, nachdem sie die atemlose Flecki gefunden hatte.

"Das ist meine Brosche, die gehört mir! So ein Schmuckstück habe ich mir schon immer gewünscht, guck mal!"

Mit großen, leuchtenden Augen sah Tuffi auf die Brosche. Sie war kunstvoll verziert, und obwohl sie stark verschmutzt war, konnte das ihrem goldenen Glanz nichts anhaben. Zweifellos war sie sehr wertvoll, und das musste auch der alte Lord erkannt haben. Der jedenfalls hatte inzwischen unter den Mauerresten den langen, ehemaligen Wohnzimmervorhang gefunden und das eine Ende in das Loch geworfen, in dem sein Butler steckte. Das andere Ende wickelte er um die Reste des ehemaligen Rahmens der Küchentür. Dann zog er ächzend und stöhnend, während der Butler sich fest an das andere Ende des Vorhangs klammerte.


"McClown," keuchte der Lord während er Zentimeter für Zentimeter den Butler höher zog, "haben sie etwas von dem, äh, Geschirr mitgenommen?"

"N-nein, Sir, habe ich nicht," kam die knappe, keuchende Antwort.

Der Lord nickte langsam mit dem Kopf. Dann ließ er den Vorhang los, und kreischend fiel der Butler zurück in die Tiefe. Ein lautes Scheppern verkündete, dass er den Boden erreicht hatte.

"Tut mir leid, McClown, der Vorhang, äh, ist mir aus den Händen gerutscht. Wenn sie aber schon mal wieder unten sind, könnten sie sich etwas von dem, äh, Geschirr in die Tasche stecken und mitbringen."

"Mache ich, Sir, aber bitte holen sie mich hier heraus!"

"Aber natürlich, McClown," flötete McShredder und zog erneut den Vorhang Stück für Stück hoch.

Diesmal dauerte es nicht lange und der Butler stand keuchend vor dem Lord.

 

1 (Hamstisch:Leck mich am Fell, Idiot)


 

 

Kapitel 41

Der Schatz

 

"Sir, was ist das bloß für ein Keller?" fragte der Butler, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.

"Ihre Taschen, McClown, leeren sie ihre Taschen!" kreischte der Lord vor Aufregung.

Frido McClown griff in seine Hosentaschen und zog etwas Glitzerndes hervor. Er legte alles auf den staubigen Boden und setzte sich mit offenem Mund daneben. Die Augen des alten Lords schienen fast aus ihren Augenhöhlen zu quellen. Keiner sprach ein Wort, erst nach einigen Minuten krächzte McShredder: "McClown, wieviel ist noch in dem Keller?"

"Jede Menge Sir. Vielleicht ein paar Badewannen voll."

"Dieser alte Gauner."

"Welcher Gauner, Sir?"

"McGregor natürlich, McClown. Er war ein Mann der Kirche und hat Zeit seines Lebens alles Weltliche für sich angespart und in diesem Keller versteckt."

"Aber, Sir, warum hat er ihnen dann all dieses überlassen?"

"Nicht nur, weil ich das Loch Ness Monster besiegt habe, McClown." Der Lord machte eine Pause und starrte gedankenverloren in den Himmel. "Sein schlechtes Gewissen hat ihn getrieben. Er hat immer von Armut gepredigt und konnte mit der schweren Last all dieses Reichtums nicht mehr leben und musste es loswerden."

"Sir, haben wir denn ein Problem mit der schweren Last?"

"Ich nicht, McClown, schließlich ist es ihre Aufgabe, hier aufzuräumen."

"Sir, ich bestehe darauf, eine Verstärkung zu bekommen. In letzter Zeit macht mein Rücken nicht mehr so richtig mit, und Kochen bringt mir auch keinen Spaß mehr."

"Genehmigt, McClown, ich habe ihren Fraß ohnehin nie sonderlich geschätzt. An wen haben sie denn gedacht?"

"Nun, Sir, ich kenne da eine reizende junge Dame, die bestimmt gerne kommen wird."

"Kein Problem, McClown. Allerdings sollten wir das Schloss vorher wieder in Schuss bringen, sonst findet die junge Dame nichts, was sie zertöppern kann!"

Zum ersten Mal lachten nun Lord McShredder und sein Butler Frido McClown zusammen. Sie saßen gemeinsam auf dem alten Vorhang und lachten minutenlang.

In den nächsten Stunden waren Lord und Butler damit beschäftigt, all die kostbaren Schmuckstücke aus dem Keller zu bergen. Es bestand kein Zweifel: die Tage ihrer Armut waren nun gezählt. Nachdem McClown den Sessel wiedergefunden und gereinigt hatte, machte es sich der Lord bequem und übernahm die weiteren Planungen.

"Sir, es wird eine Weile dauern, bis wir hier wieder wohnen können. Wie und wo sollen wir nachts schlafen?"

Lord McShredder antwortete nicht, sondern starrte gedankenverloren vor sich hin.

"Sir?"

"Äh, ja, McClown?"

"Wo sollen wir heute Nacht schlafen?"

Der Lord lehnte sich im Sessel zurück und faltete seine Hände.

"Wissen sie, woran ich denke, McClown?"

"Das habe ich mich schon oft gefragt, Sir!"

"Nun, McClown, ich möchte am Meer wohnen, in der Nähe eines Strandes."

"Sanna Bay, Sir?"

"Sie können einfach nicht strategisch denken, McClown. Erstens gibt es dort keine Schlösser, und zweitens sollten wir uns in der Gegend vorläufig nicht blicken lassen. Nein, mein guter McClown, es gibt eine bessere Möglichkeit."

"Sir?"

"Dunollie Castle, McClown, das wird unser neues Zuhause."

"Davon habe ich noch nie gehört, Sir."

"Das hätte mich auch gewundert, McClown. Dunollie Castle wurde im 12. Jahrhundert gebaut, wahrscheinlich von MacDougall. Es liegt auf einem Hügel nördlich von Oban und bietet eine fantastische Sicht auf die See. Sehen sie doch mal auf dieser alten Karte."

 

"Und das hier, Sir? Was wird aus diesem Schloss?"

"Vielleicht ein Ferienschloss, McClown, oder ein Wochenendhaus, irgendwann einmal."

"Und Miss Lisa, Sir?"

"Die wird gerne mitkommen, McClown. In Oban gibt es viele Einkaufsmöglichkeiten, Frauen schätzen das."

Der Lord schwieg eine Weile, während er seine Pfeife stopfte.

"So, McClown," fuhr er dann fort, "sie werden nun in die Stadt gehen und George suchen. Ich werde mich inzwischen ein wenig von den Strapazen ausruhen."

"George, Sir?"

"George, McClown. Wir brauchen schließlich einen Fahrer."

Der Butler machte, dass er los kam. Stunden später erreichten er und der ehemalige Postbusfahrer George die Ruine des Schlosses Killichonan, in dem der Lord immer noch in seinem Sessel saß und wartete.

Inmitten der Ruine machte nun Frido McClown ein Lagerfeuer, und die 3 Männer saßen lange zusammen und besprachen all die Dinge, die nun zu erledigen waren. Der Lord und sein Butler beschlossen, für die nächsten Tage in ein nahe gelegenes, ehemaliges Jagdschloss zu ziehen. Frido McClown sollte sich nun etwas ausruhen, und dann in den nächsten Tagen zum Kings House Hotel gehen, um Lisa McGyre zu holen. George aber war vor Freude nicht mehr zu halten. Nicht nur, dass er in Zukunft der Fahrer des Lords werden würde und mit seinem Freund Frido zusammen wäre, nein, George sollte für die nächsten Tage noch einmal auf große Fahrt gehen. Sein Auftrag war, die Hamster wieder nach Hamsterhausen zu bringen.

Während der Butler sich lange von einen Hamster nach den anderen verabschiedete und versprach, sie bald zu besuchen, bereitete George den alten Postbus für die Reise vor. Die hinteren Sitzbänke wurden abmontiert und mit Decken ausgelegt. Auch an Futter und Spielzeug für die Hamster wurde gedacht und, nachdem Frido McClown seinem Freund George noch ein paar Tipps über den Umgang mit Hamstern und ihre Gewohnheiten gegeben hatte, machte sich George auf den Weg nach Hamsterhausen.

"Wenn ich das recht verstanden habe, geht es jetzt nach Hause," meinte Flecki und betrachtete die neuen Decken. "Allerdings hätten die uns ruhig hübschere Decken hinlegen können! Schaut doch mal, diese hässlichen Farben, die passen gar nicht zueinander!"

"Ist doch egal," knurrte Goldi, "Hauptsache, die haben an Futter gedacht."

"Bin ja gespannt, ob zu Hause alles in Ordnung ist, ich meine, wenn da keiner etwas repariert, wenn es kaputt ist..." gab Bauleiter Murksel zu bedenken.

"Genau," unterbrach ihn Tuffi, "wenn keiner etwas kaputtrepariert, dann müssen die sich ja alle furchtbar langweilen."

"Na fein," grinste Goldi, "das ist ja nun vorbei, wenn wir wieder da sind."

Der Bürgermeister räusperte sich und sprach mit lauter Stimme: "Meine lieben Hamsterfreunde und Hamsterfreundinnen. Wir haben einen langen Weg hinter uns und jeder weiß, welche Strapazen es uns gekostet hat und deshalb möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit...."

Doch weiter kam er nicht. George hatte in diesem Moment die Brücke über den River Gary überquert und bog scharf nach rechts ab. Der Bürgermeister wurde quer durch den hinteren Teil des Busses geschleudert und blieb benommen auf einem Reservereifen liegen. Sofort halfen ihm die anderen Hamster wieder auf die Beine, doch es dauerte eine Weile, bis er die Augen öffnete.

"Oh, nein, seht doch mal" rief Flecki und starrte entsetzt den Bürgermeister an. "Er grinst schon wieder so dämlich!"


 

 

Kapitel 42

Wieder zu Hause

 

Der Bürgermeister saß an den Reservereifen gelehnt und grinste breit. Entsetzt stand die Hamsterschar um ihn herum und betrachtete ihn mit großen Knopfaugen.

"Is' was?", fragte der Bürgermeister und lächelte in die Runde.

"Naja," druckste Tuffi, "wir hatten gedacht, dass du schon wieder, na, du weißt ja schon."

"Ich doch nicht," tönte der Bürgermeister und erhob sich. "Wisst ihr, was mir gerade eingefallen ist? Bestimmt werden wir mit dem Schiff fahren und das bedeutet..."

"Fressen bis zum Abwinken," warf Goldi ein.

"Genau," quiekte der Bürgermeister vor Freude, "und das Meer gibt es auch noch gratis dazu."

Flecki sah ihn erst böse an, als er das Wort 'Meer' aussprach, doch dann wandte sie sich an Goldi.

"Woher weißt du denn, dass es da etwas zu fressen gibt, bist du denn schon mal mit einem Schiff gefahren?"

"Nö, aber das weiß doch jeder. Übrigens bin ich sogar fast schon mal mit einem Flugzeug geflogen."

"Aha," entgegnete Flecki ungläubig, "und wieso nur fast?"



"Nun, als ich mit meinem Koffer in die Maschine von 'Hamster-Airlines' einsteigen wollte, kam da so ein Typ in Uniform und fragte: Waffen? Munition? Sprengstoff?"

"Und?" hauchte Flecki neugierig.

"Naja, ich habe zu ihm gesagt: danke, das brauche ich nicht, das habe ich alles selber dabei..."



Der Rest von Goldis Worten ging im Gelächter der Hamster unter.

"Da fällt mir gerade etwas ein", gackerte Bauleiter Murksel. "Einmal hatten wir einen Notruf von einer Rennmaus. Sie stand mit einem LKW vor einer Brücke und kam nicht weiter, weil das Fahrzeug zu hoch war."

"Und?" fragte Dodo neugierig, "habt ihr helfen können?"

"Klar," grinste der Bauleiter, "wir haben ihr gesagt, dass sie die Luft aus den Reifen lassen soll, und wisst ihr, was diese blöde Rennmaus dann gesagt hat?"

Die Hamster schüttelten die Köpfe.


"Sie hat gesagt, hi, hi, also, sie hat gesagt: das nützt doch nichts wenn er unten durchkommt, denn der Wagen kommt doch oben nicht durch!"

George, der sich über den Lärm der Hamster wunderte, steuerte inzwischen den Wagen über den Queens Quay direkt auf die Fähre zu. Dank der großzügig bemessenen Summe Geldes, die der Lord ihm mit auf den Weg gegeben hatte, gönnte sich George die größte und beste Kabine. Ohnehin war es sicherer, sich das Essen in die Commodore-Kabine bringen zu lassen, denn George hatte nicht vor, den Hamstern eine Gelegenheit zu irgendwelchen Alleingängen auf dem Schiff zu geben. Zum Schlafen stiegen die Nagetiere jedes Mal in den Koffer, den Frido McClown dem Fahrer mitgegeben hatte.

"Uff, bin ich satt," stöhnte Tati und machte es sich auf einem kleinen Kissen gemütlich.

"Das beste Essen, das wir je hatten," schwärmte Teeblättchen.

"Wusstet ihr, warum die blöden Rennmäuse Glasdeckel beim Kochen benutzen?" fragte Flecki.

"Nö, erzähle mal!" riefen ihre Freunde im Chor.

"Damit sie jetzt besser gucken können, wann das Essen verbrannt ist..."

"Hä, hä," meldete sich Bauleiter Murksel wieder, "wusstet ihr, wie lange eine Rennmaus braucht, um ein Kellerfenster zu putzen?"

Die Hamster schüttelten grinsend die Köpfe.

"3 Stunden und 10 Minuten," sagte Murksel genüsslich," 10 Minuten zum Putzen des Fensters und 3 Stunden zum Eingraben der Leiter!"


Alle schüttelten sich vor Lachen.

"Aber ihr habt bisher noch nicht gewusst, dass die Rennmäuse vor langer Zeit eine U-Boot-Flotte besessen hatten!"

"Und wieso gibt es die nicht mehr?" fragte Goldi.

"Tja," grinste Bauleiter Murksel, "irgendwann haben diese Idioten einen 'Tag der offenen Tür' gemacht, und das war es dann mit der Flotte."

Während die Hamster sich prächtig amüsierten, viel schliefen und noch mehr aßen, steuerte George den Postbus sicher ins Aubachtal. Dort fuhr er zu der Adresse, die McClown ihm genannt hatte. Elfriede, die gerade ihre Freundinnen Jennie, Rosie und Bertha zu Besuch hatte, fiel aus allen Wolken, dass plötzlich Besuch aus dem fernen Schottland vor der Tür stand. Solch eine wunderbare Überraschung kam ihr und ihren Freundinnen gerade recht, denn schließlich waren sie seit Stunden damit beschäftigt, für eine Mathematikarbeit zu lernen. George legte den Koffer mit den Hamstern auf den Tisch und öffnete ihn.

"Sag mal, was geben die denn für komische Geräusche von sich?" fragte Rosie erstaunt.

Elfriede beugte sich über den Koffer und lauschte.

"Die lachen über irgendetwas," stellte Elfriede verwundert fest. Dann wurde ihr Gesicht lang und länger. "Jetzt fangen die sogar an zu singen!"

Ihre Freundinnen rückten näher und lauschten.

"Was ist denn bei denen los?" fragte Elfriede und drehte sich zu den anderen um. "Die singen: 'Sommer, Sonne, Strand - wo ich die Sonnenblumenkerne fand..."



George blieb noch einige Stunden im Aubachtal und musste den Kindern alles erzählen, was er wusste. Viel war es nicht, doch er versprach, dem Butler Frido zu sagen, dass dieser den Kindern einen Brief mit allen Einzelheiten schicken sollte. Bald darauf hieß es jedoch für George, schnell wieder mit dem alten Postbus weiterzufahren, denn das Fährschiff nach Schottland wartete nicht auf ihn.

Nach einer recht stürmischen Überfahrt, die seinen Appetit auf das leckere Bordbuffet jedoch nicht im geringsten minderte, erreichte er am nächsten Morgen Newcastle. Nach einem kurzen Stopp in Edinburgh erreichte er am frühen Vormittag das alte Jagdschloss Talladh-A-Bheithe, in dem Lord McShredder und sein Butler bereits auf ihn warteten. Während der Lord ungeduldig an seiner Pfeife nuckelte, musste George seinem Freund Frido haargenau berichten, wie die Fahrt mit den Hamstern bis hin ins Aubachtal verlaufen war.

Am nächsten Morgen verließen die drei in aller Frühe das Jagdschloss und fuhren nach Pitlochry, um sich einen großen Anhänger zu besorgen. Dann ging es ein letztes Mal zu der Ruine in Killichonan. Als die Sonne am höchsten stand, war alles Brauchbare in den Bus geladen worden, und es ging über den Schiehallion-Road weiter nach Aberfeldy.

"Sir, heute Nacht werden wir in unserem neuen Schloss wohnen!"

"Seien sie sich mal nicht so sicher, McClown, es gibt noch eine Menge zu tun. Das Wichtigste wird sein, dass wir heißes Wasser für Tee haben und der Kamin funktioniert. Wenn mein Sessel am Kamin steht, werden wir weitersehen."



Der Butler war aufgeregt, so, wie eigentlich alle aufgeregt waren. Doch Frido McClown war noch aus einem anderen Grund ungeduldig. Dann war das erste Ziel erreicht, und George hielt vor dem Kings House Hotel. Lisa McGyre wartete bereits mit gepackten Koffern vor der Tür. George stieg aus und nahm ihr die Koffer ab, während Lisa in den Wagen stieg. Als er den letzten Koffer verstaut hatte, hörte er sie rufen: "Oh, Mr. Schredder, tut mir leid. War das ihre Pfeife? Vielleicht kann man die kleben."

Der Lord war recht schweigsam, als es über den Ort Glencoe am Loch Linnhe vorbeiging. Als sie jedoch über eine lange Brücke fuhren und den kleinen Ort Connel erreichten, hatte auch Lord McShredder vor lauter Vorfreude die kaputte Pfeife vergessen. Nach drei weiteren Meilen war es geschafft und nachdem der alte Postbus einen recht steilen Hang hochgefahren war, hatten sie endlich das Schloss Dunollie erreicht. Der Butler half Lisa McGyre beim Aussteigen, doch leider verhakte sie sich in ihrem Sicherheitsgurt und rollte zusammen mit Frido McClown den Abhang hinunter. Lord McShredder, der schallend lachte, wurde durch einen bösen Blick von George zum Schweigen gebracht.

Dann betraten alle gemeinsam ihr neues Zuhause. Es war ein wunderschönes, altes Schloss, und sie spürten sofort, dass sie sich alle hier sehr wohl fühlen würden. Nachdem McClown und George den Sessel des Lords an eine gemütliche Stelle gestellt hatten, ließ Lord McShredder sich genüsslich nieder.

"Ich schätze mal, mein lieber McClown, George und natürlich Miss Lisa, dass nun einige Änderungen nötig sind. Am besten fangen wir mal mit einem schönen Tee für mich an und dann werdet ihr..."

"Mr. Shredder," unterbrach ihn Lisa McGyre, "erstens muss Frido seine ausstehenden Gehälter bekommen, zweitens unterhalten wir uns dann über unsere Gehälter und drittens zeige ich ihnen gerne, wie man Tee kocht."

"Gehalt?" ächzte McShredder, "Es ist eine Ehre, für den Lord von Killichonan und Dunollie arbeiten zu dürfen."

"Ehre macht erstens nicht satt, Mr. Shredder, und zweitens könnte Frido auch einen Finderlohn beanspruchen. Das wäre die Hälfte des Schatzes. Ist ihnen das lieber?"

Der Lord rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her und starrte verlegen auf die dicken Mauern des Schlosses.

"Na, gut, Miss Lisa, ich gebe mich geschlagen. Allerdings unter einer Bedingung."

"Welche Bedingung, Mr. Schredder?"

"Die kaputte Pfeife ziehe ich ihnen vom ersten Gehalt ab."

Frido McClown und George hielten sich vor Lachen die Bäuche, während die junge Frau energisch auf den Lord zu schritt.

"Mr. Schredder, habe ich ihre Pfeife auf dem Autositz liegen gelassen oder sie?"

"Aber Miss Lisa, ich habe bisher immer meine Pfeife..."

"Bisher, Mr. Schredder, bisher. Dann wird es Zeit, dass sich das mal ändert!"

George klopfte seinem Freund Frido auf die Schulter.

"Komm, Frido, wir räumen die restlichen Sachen aus dem Bus und halten uns aus solchen Sachen raus."

Lachend gingen die beiden hinaus und ließen Lord McShredder und Lisa McGyre ihre Unterhaltung in Ruhe fortsetzen.

"Ich schätze, mein lieber George," grinste der Butler, "wir werden hier noch eine Menge Spaß haben."

 

Als die beiden den alten Postbus aufräumten, und während im Schloss der alte Lord McShredder gerade verzweifelt sein Recht verteidigte, hin und wieder im Schloss rauchen zu dürfen, ging die Sonne langsam hinter den Bergen unter. Es dauerte nicht mehr lange, bis für diesen Tag alle Lichter im Schloss Dunollie gelöscht wurden und sich jeder zur Ruhe begab. Im fernen Hamsterhausen startete genau in diesem Moment eine große Party, und auch dort waren alle froh und erleichtert, dass die Abenteuer glücklich überstanden waren.

 

EDNE1

 

 

1 (Hamstisch: Ende)


 

 

Die Reiserouten

 

1. Die Schiffreise von Vivero nach Sanna Bay auf Ardnamurchan

2. Die Reise der Hamster vom Schloss in Killichonan bis Sanna Bay

3. Die Rückkehr von McShredder, McClown und den Hamstern nach Killichonan

 

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