Hamsterhausen

Um mal wieder besonders toll dazustehen, wollen die Hamster einen riesigen Dom, den 'Pleasure Dome' bauen. Dafür brauchen sie den alten McShredder aus dem fernen Schottland. Die üblichen Katastophen sind hier vorprogrammiert, da Bauleiter Murksel und sein Team im Dauereinsatz sind.

Das Projekt Pleasure Dome-  Buch 5

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Kapitel 1

Hamstermarkt in Hamsterhausen



Es war ein warmer Frühlingstag in Hamsterhausen. Die Bewohner dieser kleinen Stadt gingen ihren Tätigkeiten mehr oder weniger nach, und es herrschte ausnahmsweise eine friedliche Stimmung. Die meisten Straßen waren recht leer, denn an diesem Tag fand auf dem Rathausplatz ein Markt statt. Der Bürgermeister war persönlich gekommen und tippelte von einem Stand zum anderen. Mal unterhielt er sich freundlich mit den jeweiligen Verkäufern, mal befummelte er neugierig die Waren, worauf er das eine und andere Mal etwas auf die Pfoten bekam. Vor einem Stand mit der Aufschrift "Fleckis und Sasies Viktualienmarkt" bliebt der Bürgermeister neugierig stehen.

"Was 'n das?" fragte er freundlich lächelnd. "Kann man das essen?"

Flecki glotzte ihn entgeistert an.
"Das sind Stick- und Strickwaren. Heute haben wir auch ein paar schöne Lametta-Knoten, die machen sich besonders gut im Wohnzimmer, nur 5 Sickel!"

Der Bürgermeister lächelte verlegen, drehte sich um und ging zu einem Stand mit der Aufschrift "Trampels Fressbude", um sich ein wenig zu stärken.

"Toidi",1 schimpfte Flecki, und ihre Schwester Sasie nickte zustimmend.

Der Bürgermeister tat, als beträfe ihn das nicht und biss herzhaft in einen der saftigen Hamburger, nachdem er Trampel 10 Sickel dafür gegeben hatte.

"Total ungesunde Ernährung", grölte Flecki und deutete auf den Bürgermeister. "Mit solch einer Wampe wie der würde ich mich schämen!"

In diesem Moment ging Goldi, nichts ahnend von dieser Diskussion, an dem Stand vorbei und betrachtete neugierig die Lametta-Knoten.

"Und für dich gilt das Gleiche!" hörte er Flecki brüllen und sah sie total erstaunt an.

"Das Gleiche was?" fragte Goldi und griff nach den Lametta-Knoten.

Es klatschte laut, als Fleckis Hand die von Goldi traf.

"Finger weg!" rief Flecki. "Erst bezahlen, dann kannst du an den Knoten von mir aus herumfummeln und sie kaputt machen."

"Was kostet das Lametta-Zeug denn?" fragte Goldi und nahm eine Stickdecke in die Pfote.

"8 Sickel, weil du es bist", antwortete Flecki und riss ihm die Stickdecke aus der Pfote. "Aber was willst ausgerechnet du mit Lametta?"

'"Naja", druckste Goldi verlegen, "man kann schöne Kugeln daraus machen und als Kanonenfutter nehmen. Die fliegen ganz schön weit."

"Du, du, du...." Flecki war kurz davor, über den Ladentisch zu springen und sich auf Goldi zu stürzen. "Raus! Verschwinde!"

"Aber ich bin doch draußen, und...."

Als Flecki Anstalten machte, über den Ladentisch zu klettern, sah Goldi zu, dass er weiterkam.

"Männer!" fauchte Flecki. "Die lungern nur herum und denken ans Fressen. Schau dich doch mal um, Sasie! Überall Fressbuden und sonst nichts! Das soll ein Hamstermarkt sein?"

"Immerhin versuchen sie schon seit Stunden, das Riesenrad aufzubauen", antwortete Sasie und zeigte auf die Gruppe der Reparaturhamster, die unter Leitung von Bauleiter Murksel versuchten, das Riesenrad in die Verankerung zu schieben.

In der Tat war das geplante Riesenrad die einzige Attraktion, die Hamsterhausen auf dem jährlichen Hamstermarkt zu bieten hatte. Oder besser gesagt: wäre es gewesen, wenn es gelungen wäre, das Teil aufzustellen. Nachdem der Technische Hamstische Überwachungsverein (THÜV) das Projekt genehmigt hatte, waren nunmehr seit Tagen die Hamstische Feuerwehr, die Hamstische Polizei und die Bauleitung unter Führung von Bauleiter Murksel damit beschäftigt, das Riesenrad in der Mitte des Marktplatzes aufzustellen. Nach vielen Fehlversuchen kamen die Hamster auf die Idee, es doch mal mit einem großen Kran zu versuchen. Zu diesem Zweck musste leider die Hälfte der Marktbuden wieder abgebaut werden, damit ein Kran herangefahren werden konnte. Es dauerte Stunden, bis HAMFE1 und HAMPO2 die aufgebrachten Budenbesitzer beruhigen konnten. Nach zahlreichen Verletzungen und Verhaftungen stand der Kran nun dicht an dem Riesenrad, das noch immer platt neben den riesigen Halterungen lag.  Während hektisch alle Buden um den Bauplatz wieder aufgebaut wurden, war der Leiter des Bauamtes, nämlich Purzel, damit beschäftigt, mit einem Maßband den Mindestabstand festzustellen.

"Leider befinden sich sämtliche Buden innerhalb des notwendigen Abstandes von 3,50 Metern. Alle Buden müssen mindestens einen Meter zurück!"

Da alle Buden dicht an dicht standen, war das natürlich nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen. Es kam zu Tumulten und Aufruhr, als es hieß, alle Buden sollten wieder abgebaut werden. Nach einer Stunde hatte die HAMPO den Aufruhr beendet, allerdings wurden bei den Kloppereien die Hälfte aller Buden zerstört.

"Auch nicht schlecht", meinte Bauleiter Murksel, "jetzt stimmt der Sicherheitsabstand wenigstens."

Der Bauleiter persönlich stieg nun auf den Kran, und tatsächlich gelang es ihm im ersten Versuch, das Riesenrad an einem Haken in die Höhe zu ziehen. Fast wäre es gelungen, das Rad in die dafür vorgesehenen Halterungen zu hieven, doch leider geriet die ganze Sache in Schieflage, das Riesenrad löste sich vom Haken des Krans und fiel krachend auf den Boden. Dabei wurden wieder etliche Buden platt gemacht.

"Äh, da es nun keinerlei Probleme mit den Sicherheitsabständen gibt, werde ich wohl nicht mehr gebraucht", rief der technische Leiter Purzel und verschwand.

"Tuffi, mach den Haken wieder fest, wir versuchen es noch einmal!" brüllte Bauleiter Murksel von seinem Kran herunter, und der kleine Reparaturhamster beeilte sich hektisch, diesen Auftrag auszuführen.

"Alles klar, Chef", rief Tuffi, "der Haken ist befestigt!"

Zufrieden nickte der Bauleiter und legte den Hebel für den Zugmotor auf "volle Kraft" um. Ein lautes Knirschen und Rumpeln folgte, und ein Aufschrei aus der Richtung der Hamstischen Feuerwehrtruppe war zu hören. Dann ging alles blitzschnell: ein großer Feuerwehrwagen erhob sich in die Luft, das Seil des Krans riss mit einem lauten Knall und der Feuerwehrwagen fiel krachend zu Boden.

"Tuffi, du Idiot, du hast den Haken falsch befestigt! Noch so eine Schlampigkeit, und du bist wieder ein Reparaturhamster 3. Klasse!"

Während nun auf dieser Seite des Marktes heftige Diskussionen begannen, wuchs die Nervosität der Besitzer der verbleibenden Marktbuden. Flecki und Sasie sahen mit großen Augen aus sicherer Entfernung zu, wie die Reparaturhamster das gerissene Seil des Krans flickten. Dasie, die gerade eine neue Patchworkdecke an "Fleckis und Sasies Viktualienmarkt"  bewunderte, sagte mit zitternder Stimme:

"Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Wenigstens ist den Buden auf dieser Seite nichts passiert."

"Abwarten", knurrte Flecki, "die sind ja noch nicht fertig."

Tatsächlich sah es so aus, als wenn Bauleiter Murksel es noch einmal versuchen würde. Dieses Mal befestigte Tuffi den Haken auch wirklich am Riesenrad und gab Murksel ein Zeichen. Ganz langsam ließ der Bauleiter nun den Motor kommen, und staunend sahen alle zu, wie das Riesenrad majestätisch in die Höhe glitt. Vorsichtig wurde es in die Richtung der Halterung rangiert und ebenso vorsichtig in die dafür vorgesehenen Aufhängungen hinab gelassen. Der Knoten, mit dem das Seil geflickt worden war, zog sich enger und enger zusammen. Bauleiter Murksel sah das, und schwitzend beeilte er sich, das Rad herunterzulassen, um die ganz Sache zu beenden. Fast hatte er es geschafft, doch das Rad hing nun neben den Halterungen. Der Bauleiter wurde nervöser, und hektisch zog er die ganze Sache ein Stück höher. Leider zu heftig, denn durch den starken Druck wurde der Knoten zusammengezogen, und weil er zu kurz gebunden war, fielen Riesenrad und Haken im freien Fall auf die Halterungen und von dort aus auf den Marktplatz.

Bauleiter Murksel fühlte sich überhaupt nicht gut, als er sah, wie das Riesenrad nun auf die letzten heilen Marktbuden auf dem hinteren Teil des Platzes zu rollte. Entsetzt beobachtete er, wie das Rad einen kleinen Stand mit Stick- und Strickwaren und danach einen Imbiss platt rollte. War es nun vorbei? Nein, das Riesenrad rollte gnadenlos weiter, es neigte sich zur linken Seite, machte einen kurzen Schlenker und halbierte das Rathaus. Dann rollte es zurück auf den Marktplatz, und Baumeister Murksel glotzte mit großen Knopfaugen auf das riesige Killer-Rad, das sich nun langsam seinem Kran näherte.

"Brauchst du das Lametta noch?" fragte Goldi, während er auf der anderen Seite des Marktes die jammernde Flecki aus den Trümmern ihres Viktualienmarktes zog.

"Du bist unmöglich, Goldi", fauchte Flecki. "Sieh bloß mal! Das Riesenrad rollt auf den Kran zu! Bauleiter Murksel schwebt in Lebensgefahr! Wo ist Superhamster? Los, tu doch was!"

Goldi blickte entsetzt auf den Kran, dann blickte er auf das völlig außer Kontrolle geratene Riesenrad, das ganz Hamsterhausen plattzumachen drohte. Er ballte die Pfoten und rannte los. Als er  einen der Feuerwehrwagen erreicht hatte, lief er zu der Trommel mit dem Löschschlauch, rollte ihn ab und kletterte mit dem Schlauch auf den Kran. Während Goldi nun den Schlauch um das Gestänge des Krans wickelte, sah er, wie Bauleiter Murksel immer noch völlig bewegungslos auf das näherkommende Riesenrad starrte. Superhamster-Goldi beeilte sich, sprang von dem Kran herunter, lief zur Fahrerkabine des Feuerwehrwagens, kletterte hinein und ließ den Motor an. Dann gab er Vollgas. Das wild gewordene Riesenrad hatte den Kran nun erreicht, doch der kippte in diesem Moment langsam zur Seite und fiel krachend auf den Feuerwehrwagen, während das Riesenrad am Horizont verschwand.

"Schöne Grüße an Hamsterhusen", murmelte Goldi und blickte dem Rad hinterher, das sich nun tatsächlich in Richtung Nachbarstadt Hamsterhusen bewegte.

"Wo ist der Bauleiter?" hörte Superhamster in diesem Moment eine vertraute Stimme. "Wo steckt der? Er muss mir den Viktualienmarkt reparieren und meine Sachen ersetzen!"

"Tja", brummte Goldi, "ich glaube, Flecki, der repariert die nächste Zeit nichts mehr, den habe ich nämlich gerade gerettet."

Während die ersten Sirenen die Ankunft der Rettungswagen des AKH - des  Allgemeinen Krankenhauses Hamsterhausen - ankündigten, war der völlig zerzauste Bürgermeister am Ort des Geschehens eingetroffen. Sein Fell war voller Ketchup und Gurkensalat, und auch ansonsten sah er recht mitgenommen aus.

"Was'n mit dem Bauleiter passiert?" fragte er neugierig, als der bewusstlose Murksel von mehreren Sanitätshamstern unter den Trümmern des zerschmetterten Krans hervorgezogen wurde.

"Superhamster hat ihn gerettet!" rief Tuffi mit glänzenden Augen.

"Naja", knurrte Flecki. "Man müsste nur wissen, wie er aussehen würde, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, gerettet zu werden!"

Als der Bauleiter unter Blaulichtgeheul weggefahren wurde, trat der Polizeioberkommissar Schnuffel auf den Bürgermeister zu.

"Brauchen Sie uns noch, Herr Bürgermeister?"

"Äh, danke, nein. Sie haben erstklassige Arbeit geleistet."

Flecki glaubte ihren spitzen Ohren nicht trauen zu können.

"Erstklassige Arbeit, Herr Bürgermeister? Der Marktplatz ist völlig platt gemacht und wir haben keinen Hamstischen Markt mehr. Außerdem rollt das Riesenrad nun auf Hamsterhusen zu!"

"Nun, äh", stotterte der Bürgermeister, "ich werde selbstverständlich sofort in Hamsterhusen anrufen und den dortigen Behörden einige Tipps im Umgang mit dem Riesenrad geben. Was den Marktplatz betrifft, so werden wir selbstverständlich keinerlei Mühen und Kosten scheuen, Hamsterhausen ein neues Gesicht zu verleihen. Selbstverständlich werden wir etwas Besseres, Neueres, sozusagen Modernes errichten."

"Ach", spottete Tati, während Flecki den Bürgermeister scharf ansah. "Soll das heißen, dass wir nun 11 statt 10 Fressbuden bekommen?"

"Nein, äh, nun, äh", stotterte der Bürgermeister und Schweiß lief ihm über die Schnurrbarthaare. Eine große Hamstermenge hatte sich um ihn versammelt und starrte ihn erwartungsvoll an. Es war eine unangenehme Situation und der Bürgermeister überlegte fieberhaft. "Mensch, Heinz-Georg", dachte er, "lass dir was einfallen,  die halten sich sonst für eine Flasche." Dann kam ihm eine großartige Idee, ja, sogar die Idee des Jahrhunderts. Er trat einen Schritt vor, hob die kleinen Pfoten in die Luft und sprach:

"Meine Damen und Herren, wir werden den Hamstischen Pleasure Dome bauen!"




Kapitel 2

Erste Planungen

"Einen Hamstischen Pleasure Dome?" rief Teeblättchen verwundert, und sprach genau das aus, was alle dachten.

Die Hamster hatten sich inmitten der Hälften des Rathauses zu einer Beratung zurückgezogen, um Näheres von der Idee des Bürgermeisters zu erfahren.

"Nun, kraft der mir verliehenen Position denke ich, dass es an mir liegt, eine schlagkräftige Truppe auf die Beine zu stellen, die mit der Durchführung der Arbeiten beginnen wird. Natürlich werde ich die Dings, äh, die Organisation nicht nur leiten, sondern auch führen."

Die Hamster glotzten den Bürgermeister verständnislos an.

"Äh, die Vorbereitungen werden sofort beginnen, denn wie ich immer zu sagen pflege, sollten Dinge nicht auf die lange Bank geschoben werden, weil sonst irgendwann kein Platz mehr da ist. Auf der Bank meine ich, und, äh, natürlich bin ich offen für Vorschläge."

Der Bürgermeister blickte erwartungsvoll auf die Hamsterschar, doch niemand meldete sich.

"Nun, natürlich beginnen wir mit den Plänen für den Hamstischen Pleasure Dome und überlegen uns erst einmal, woraus er bestehen soll. Also?"

Der Bürgermeister blickte erneut erwartungsvoll auf die Hamsterschar, doch niemand sagte etwas.

"Ich dachte da an einen riesigen Park mit vielen tollen Möglichkeiten, wie Karussell, Wasserbahn, Achterbahn, Schlittschuhbahn.... was könnte es noch geben?"

"Ach so", warf Dodo ein, "dann ist ein Pleasure Dome also ein Vergnügungspark. Aber warum sagen wir dann nicht gleich Vergnügungspark?"

"Weil Pleasure Dome besser klingt", erklärte Tuffi.

"Aber das versteht doch keiner."

"Naja, Dodo, es soll aber cool klingen, auch wenn es keiner versteht."

Der Bürgermeister wartete ungeduldig, bis diese Diskussion beendet war und blickte erwartungsvoll auf die Hamsterschar, doch nun schwiegen alle.

"Keine Vorschläge?" fragte der Bürgermeister mit leichter Panik in der Stimme.

Goldi räusperte sich.

"Ja, bitte", rief der Bürgermeister, "aller Anfang ist schwer, lieber Goldi! Immer her mit den Vorschlägen!"

"Was ist mit Fressbuden?"

"Fressbuden! Hast du denn nichts Anderes im Kopf? Hübsche Gärten zum Beispiel? Schöne Sachen zum Kaufen?" fauchte Flecki.

"Aber in Fressbuden kann man doch schöne Sachen zum Fressen kaufen und..."  

"Trampolin springen!" unterbrach Dodo.

"Geisterbahn!" rief Trampel begeistert.

An dieser Stelle artete die Diskussion wie üblich aus. Jeder schrie seine Vorstellungen heraus so laut es ging, und es kam zu den ersten Prügeleien.

Nach vielen Stunden war es dem Bürgermeister gelungen, wieder Ruhe in die Versammlung zu bringen.

"Nachdem wir also die verschiedenen Standpunkte eingehend erläutert haben, sollten wir nun das "Pleasure-Team" bilden. Wir brauchen jemanden, der für die Durchführung der Planungen verantwortlich ist. Jemand, der bereit ist, sich Tag und Nacht für dieses Projekt einzusetzen, jemand, der es aus Freude am Gelingen und nicht des Geldes wegen macht!"

Der Bürgermeister blickte erwartungsvoll auf die Hamsterschar, doch alle betrachteten entweder interessiert den Boden, oder sie schauten auf eine der Hälften des zerstörten Rathauses, das wirklich einen interessanten Anblick bot.

"Ich schlage Bauleiter Murksel vor", piepste Reparaturhamster Tuffi. "Der macht das bestimmt gerne!"

"Ja, Murksel soll es machen, hoch mit Murksel, Murksel baut den Pleasure Dome!" rief die Hamsterschar begeistert.

"Fein", freute sich der Bürgermeister. "Nachdem das geklärt ist, wird Tuffi die ehrenvolle Aufgabe haben, Bauleiter Murksel zu beglückwünschen, nachdem dieser im Krankenhaus wieder aufgewacht ist. Ich werde noch heute mit der Krankenhausverwaltung telefonieren, damit Herr Murksel eine Sondergenehmigung erhält, das Krankenbett vorzeitig zu verlassen. Wir wollen ja schließlich fertig werden!"

Begeisterte Rufe und Pfotengetrampel begleiteten seine Worte.

"Dann, äh", fuhr der Bürgermeister fort, "brauchen wir weitere engagierte Mitarbeiter."

Die Hamster betrachteten interessiert den Abendhimmel.

"Ich denke daher, und da werden mir sicherlich alle zustimmen, zunächst einmal an die verantwortungsvolle Position des Schichtführers. Seine Aufgabe, liebe Hamster, besteht darin, alle notwendigen Dinge zu besorgen und heranzuschleppen. Sozusagen eine tragende Rolle. Nun, wer möchte?"

"Netter Abendhimmel, was?" flüsterte Goldi zu Dodo.

"Ja, und so tolle Wolken!"

"Also, liebe Hamster", wiederholte der sichtlich nervöse Bürgermeister seine Frage, "wer möchte diese tragende, überaus wichtige Position ausfüllen?"

"Wo sind Wolken?" fragte Goldi mit einem hinterhältigen Grinsen.

"Na, da!" rief Dodo und zeigte mit ausgestreckter Pfote zum Himmel.

"Ah, ein Kandidat! Herzlichen Glückwunsch, lieber Dodo", rief der Bürgermeister erleichtert. "Deine Bewerbung ist hiermit angenommen. Somit nähern wir uns unserem Hamstischen-Pleasure-Dome-Kompetenzteam mit großen Schritten, äh, Pfoten. Lediglich die Stelle des Architekten ist noch zu vergeben. Diese Aufgabe umfasst die Aufteilung des Pleasure-Domes, also wo welche Bude hinkommt, wie viele Fressbuden oder Karussells aufgestellt werden..."

"Das mit den Fressbuden mache ich!" rief Goldi und hüpfte auf und ab.

"Prima, prima", rief der Bürgermeister, "dann sind wir also komplett. Somit stelle ich kraft meines Amtes fest, dass..."

"Moment mal!" Flecki war auf einen Mauervorsprung geklettert und hatte die Pfoten in ihre Hüften gestemmt. "Wenn Goldi das übernimmt, dann haben wir 99 Fressbuden und ein Karussell! Ich erhebe Einspruch!"

"Nun, öh. Öh..." Der Bürgermeister wirkte ratlos. "Ja, was machen wir dann? Was machen wir denn bloß?"

"Du bist der Bürgermeister, also entscheide gefälligst!" rief Flecki empört.

Der Bürgermeister fühlte sich auf einmal unwohl und wäre gerne nach Hause gegangen, aber als die gesamte Hamsterschar erwartungsvoll vor ihm saß und auf Entscheidungen, nämlich auf seine Entscheidung wartete, musste er Führungsqualitäten zeigen.

"Tja, ähem, ich fasse dann mal zusammen, liebe Hamsterfreunde, denn gerade in Zeiten wie diesen kommt es immer wieder auch darauf an, zu erkennen, was man hat und was nicht. Natürlich ist es nicht einfach, solch eine gewichtige Entscheidung zu fällen, doch wie ich schon immer gesagt habe und zu sagen pflege..."

"Sabbel nicht dumm rum, sondern komm zur Sache!"

Der Bürgermeister blinzelte verlegen und versuchte zu erkennen, welcher der Hamster das gerade gesagt hatte, doch er sah nur ungeduldige Gesichter vor sich, und er hätte alles dafür gegeben, wenn ihm eine Lösung eingefallen wäre. Goldi oder Flecki? Flecki oder Goldi? Oder...? Ja, das war es!

"Nun, selbstverständlich werde ich nun zur Sache kommen, mein ungeduldiger Freund. Meine Entscheidung lautet nach reiflicher Entscheidung ohne Wenn und Aber: Beide sollen es machen! Mit dem geballten Wissen, mit der geballten Kompetenz dieser beiden Hamster muss das Projekt klappen!"

"Kompetenz? Geballtes Wissen? Ist der Kerl wieder gegen eine Telefonzelle gelaufen, oder wie? Goldi, sag, dass er dich nicht gemeint haben kann!"

"Naja", murmelte Goldi und grinste Flecki an. "Er hat auch etwas davon gefaselt, dass das Projekt klappen muss. Hat er sich denn jemals geirrt?"

"Hat er sich jemals nicht geirrt? Hat denn jemals irgend etwas mit dem Kerl geklappt?

"Nö", meinte Goldi, "eigentlich nie. Dafür gab es aber immer nette Katastrophen. Fangen wir also damit an."


 



Kapitel 3

Aufräumarbeiten

Nachdem sie zwei Tage völlig ratlos hin- und hergelaufen waren, kamen die Hamster auf die Idee, Planungsgruppen zu bilden. Die nächsten Tage und Wochen verliefen somit in hektischer Geschäftigkeit. Inzwischen war Bauleiter Murksel gegen seinen ausdrücklichen Wunsch, aber auf Druck des Krankenhausdirektors, aus dem AKH entlassen worden. Angeblich war kurz darauf Reparaturhamster Tuffi mit einem Schild um den Hals gesichtet worden. Es hieß, Bauleiter Murksel habe Tuffi mit einer Degradierung zum Reparaturhamster unterster Klasse gedroht, wenn sie dieses Schild nicht eine Woche lang tragen würde. Es hieß weiterhin, dass auf dem Schild die Worte stünden: "Ich bin eine hirnlose Plappertasche".

Leider ließ es sich nicht feststellen, ob dieses der Wahrheit entsprach, denn Tuffi war plötzlich verschwunden, und Bauleiter Murksel nicht bereit, irgendwelche Fragen dazu zu beantworten. Als Tuffi nach einer Woche wieder auftauchte, war auch sie nicht bereit, irgendwelche Fragen zu beantworten.

Nach drei Wochen hatten die Hamster es endlich geschafft und die hamstischen Pleasure-Dome-Kompetenzteams erweitert. Es wurden folgende Gruppen aufgestellt:

Durchführung der Planungen: Bauleiter Murksel
Assistenten: Tuffi, Dasie

Position des Schichtführers: Dodo
Assistenten: Trampel

Architektenteam: Flecki und Goldi
Assistenten: Tati, Teeblättchen

Nachdem das Rathaus behelfsmäßig repariert worden war, fand die erste Planungssitzung des Hamstischen-Pleasure-Kompetenzteams unter Vorsitz des Bürgermeisters statt. Leider gab es einige Probleme mit dem Fahrstuhl, und da die Treppen noch nicht wieder benutzt werden konnten, dauerte es, bis alle Hamster versammelt waren. Das Architektenteam sollte als erstes seine Vorstellungen erläutern. Tati durfte den Vortrag halten, während Goldi und Flecki sich aus der Sache heraushielten.

Nachdem der recht kurze Vortrag beendet war, gab es einige lange Gesichter unter der Hamsterschar.

"Sehr schön," tönte aber der Bürgermeister. "Es zeigt sich immer wieder, wie viel ein jeder zu einem erfolgreichen Gelingen beitragen kann. Der Plan ist meisterhaft, und ich bin sicher, es wird ein Meilenstein in der Geschichte Hamsterhausens werden!"

"Warum habt ihr denn so wenig Fressbuden geplant?" fragte Dodo, und Sasie fügte hinzu: "Und wieso gibt es auf der einen Hälfte Buden und auf der anderen Hälfte Grünanlagen?"

"Das sind nicht nur Grünanlagen," keifte Flecki, "das sind wunderschöne Rabatten, die farblich aufeinander abgestimmt sind. Die Terrassen bilden einen wunderschönen Kontrast zur Landschaft. In der Mitte wird ein Springbrunnen stehen, an dem sich geplagte Hamster ausruhen können. Die andere Hälfte ist auf Goldis Mist gewachsen, da gibt es Autoskooter, eine Mondrakete, sowie Schieß- und Ballerstände. Ach ja, und zwei Fressbuden.

"Nur zwei?" fragte Dodo enttäuscht.

"Das langt," entgegnete Flecki, "es gibt eine vegetarische Fressbude und eine nicht-vegetarische Fressbude."

"Wir wollten auch gerne bunte Lose verkaufen, aber leider haben wir kein Geld für Preise," fügte Teeblättchen hinzu.

Das Architektenteam einschließlich der Assistenten guckte umher, sodass der Bürgermeister sich genötigt fühlte, etwas zu sagen.

"Nun, kraft meines Amtes und der von mir repräsentierten Aufgabe denke ich, dass wir auch dieses Problem lösen können. Selbstverständlich werde ich gerne auch meinen Teil dazu beitragen, dass wir Preise anbieten können. Wie ich schon immer gesagt habe...."

"Hurra," grölte Goldi mitten in die Rede, "der Bürgermeister spendiert die Preise!"

Nun waren alle Hamster aufgestanden und applaudierten minutenlang dem Bürgermeister, der doch nur daran gedacht hatte, auf diesem Wege sein altes, rostiges Fahrrad loszuwerden. Verzweifelt versuchte er, sich Gehör zu verschaffen, doch schon bald musste er feststellen, dass kein Ankommen gegen den Lärm der Hamster möglich war. Resigniert setzte er sich in eine Ecke und lauschte dem nächsten Beitrag, der von Bauleiter Murksel kam.

"Wichtig ist zunächst mal, das Gerümpel vom Marktplatz zu schaffen. Das wird die Aufgabe des Schichtführers sein. Wenn das fertig ist, beginnen wir mit den Bauarbeiten."

"Öhm, Öh!"

"Ja, Dodo?"

"Also, wie mach ich das denn, Bauleiter? Das ist doch viel zu viel, das schaffe ich nicht!"

Bauleiter Murksel überlegte und guckte zum Bürgermeister hin. Der Bürgermeister überlegte und betrachtete den Teppich. Schweigen und Ratlosigkeit breiteten sich im Raum aus. Plötzlich nieste Goldi, und alle Augen waren sofort auf ihn gerichtet.

"Ja, Goldi?" riefen Bauleiter Murksel, Dodo und der Bürgermeister wie aus einem Munde.

"Äh, nichts. Ich habe doch nur geniest."

Als sie ihn alle weiterhin anstarrten, glaubte Goldi, noch etwas sagen zu müssen und fuhr fort:

"Aber, so schwer ist das doch nicht, Dodo. Du musst nur den Schrott beiseite räumen."

"Kannst du mir nicht dabei helfen, Goldi?"

Bevor Goldi auch nur den Mund öffnen konnte um dankend abzulehnen, hatte Flecki schon die Hand auf seine Schulter gelegt und flötete:

"Sicher wird Superhamster gerne helfen. Mit Schrott kennt er sich bestens aus!"

Goldi schob Fleckis Hand beiseite und protestierte, dass er doch mit Architektenaufgaben beschäftigt sei, doch schon klang es von allen Seiten: "Superhamster! Superhamster! Superhamster!"

Am nächsten Tag standen Dodo und Trampel auf dem Marktplatz und warteten auf Goldi. Nach einer halben Stunde Verspätung kam er dann mürrisch angelatscht. Gemeinsam sahen sie sich um. Überall lag zerschmettertes Holz und mittendrin ein kaputter Kran auf einem verbeulten Feuerwehrwagen.

"Die HAMFE hätte wenigstens ihren Wagen mitnehmen können", schimpfte Goldi.

"Sie haben gesagt, dass sie den nicht mehr brauchen", erklärte Trampel.

"Was sollen wir denn nun machen? Wo fangen wir an?" jammerte Dodo.

Goldi überlegte lange, während ihn der Schichtführer und sein Assistent erwartungsvoll mit großen Augen anstarrten.

"Ich hab's, wir nehmen den Wagen", rief Goldi.

"Das habe ich irgendwo schon einmal gehört", meinte Dodo, "aber wohin fahren wir denn?"

"Wir doch nicht, du Blödmann", fauchte Goldi. "Wir binden das ganze Gerümpel an den Feuerwehrwagen und ziehen es weg."

"Und wohin wollen wir das ziehen?" fragte Trampel.

"Nach Hamsterhusen natürlich. Wenn das Riesenrad dort gelandet ist, fällt es sowieso nicht auf, wenn wir noch etwas Gerümpel dazuschieben."

Goldi begann nun, an Vergaser und Motor des Feuerwehrwagens herumzufummeln, damit der Wagen stärker würde, wie jedenfalls Goldi behauptete. Dodo und Trampel dagegen waren in den nächsten Stunden schwer damit beschäftigt, alle Teile zusammenzuschieben und irgendwie am Fahrzeug zu befestigen. Dann hieß es aufsteigen, und die holperige Fahrt nach Hamsterhusen begann.

Während Goldi, Dodo und  Trampel immer wieder von Hamsterhausen nach Hamsterhusen und von Hamsterhusen nach Hamsterhausen fuhren, schliefen die Bewohner dieser beiden Städte tief und fest und bekamen nichts von den Räumungsarbeiten mit.

Nach vielen Stunden und vielen Fahrten war alles aufgeräumt und die drei Hamster legten sich total erschöpft schlafen.


 



Kapitel 4

Planungen I

Der Bürgermeister war genervt. Nicht nur, dass er in seinem Schlaf gestört worden war, nein, er musste sich wütende Beschimpfungen anhören. Seufzend legte er das Telefon auf und überlegte, was er tun sollte. Der oberste Polizeihamster und der Bürgermeister von Hamsterhusen hatten sich soeben beschwert, dass in einer nächtlichen Aktion riesige Mengen von Müll aus Hamsterhausen in den Dorfteich von Hamsterhusen gekippt worden waren. Das würde ein Nachspiel geben, dachte er und gab einem kleinen Botenhamster den Befehl, sofort den Schichtführer Dodo samt Assistenten kommen zu lassen. Sein Blick fiel auf die Zimmerdecke, durch die er den blauen Himmel sehen konnte. Solange kein heftiger Regen einsetzte, war es recht angenehm, an der frischen Luft zu sitzen. Er nahm sich fest vor, demnächst mit Bauleiter Murksel über die Reparatur des Rathauses zu sprechen. Dann setzte er sein Nickerchen fort.

Laute, schwere Schritte vor seiner Tür rissen den Bürgermeister nach einigen Minuten erneut aus dem Schlaf. Blinzelnd schaute er zur Tür und richtig, im nächsten Moment klopfte es. Gerade, als er 'herein' sagen wollte, zerbarst die Tür, und Holzteile flogen durch die Luft. Entsetzt starrte er auf Dodo, der von Goldi und Trampel begleitet wurde. Der Bürgermeister blickte mit offenem Mund auf die zerschmetterte Tür und hörte Goldi sagen:

"Warum hast du Idiot denn die Tür eingetreten?"

"Weil das da stand", entgegnete Dodo erstaunt.

"Was stand da?" fragte Goldi nicht minder erstaunt.

"Naja", druckste Dodo, "da steht doch: 'Bitte klopfen und eintreten'. Genau das habe ich gemacht!"

Der Bürgermeister starrte weiterhin auf die kaputte Tür, dann glitt sein Blick langsam zu Dodo.

"Was gibt es, Herr Bürgermeister, ich habe nicht viel Zeit."

"Äh", krächzte der Bürgermeister, "ich, äh". Dann starrte er wieder auf die Tür und fuhr fort:

"Wer hat den Müll in den Dorfteich von Hamsterhusen gekippt?"

"Dorfteich? Ach deshalb hat es so geplatscht", antwortete Dodo und duckte sich ängstlich.

"Ich habe gleich gesagt, dass das nicht gut ist", jammerte Trampel.

"Goldi hat gesagt, das ist egal", wimmerte Dodo, "er hat gesagt, Hauptsache, wir sind den Schrott los."

"Wir tun das auch nie wieder!" heulten nun Dodo und Trampel im Chor.

Dem Bürgermeister wurde die Sache langsam peinlich. Aber er musste Führungsstärke zeigen und den Verantwortlichen irgendwie bestrafen, sonst würden ihn alle für einen haltlosen Schwächling halten, der seine Leute nicht im Griff hatte.

"Äh, Goldi, äh, was machen wir denn nun?"

"Wir schicken Freikarten für den Pleasure-Dome, dann freuen sie sich."

"Eine ausgezeichnete Idee, mein lieber Goldi. Ich werde gleich den obersten Polizeihamster und meinen Kollegen, den Bürgermeister anrufen und ihm und seinen Leuten die freudige Botschaft übermitteln. Das bedeutet natürlich, dass die Arbeiten am Pleasure-Dome mit Hochdruck fortgesetzt werden müssen, meine Herren! Wie ich immer zu sagen pflege..."

"Kommt Leute, das war es dann ja wohl", brummte Goldi und verließ das Büro des Bürgermeisters. Dodo und Trampel folgten ihm, so schnell sie konnten.

"Und was machen wir jetzt?" fragte Dodo, als sie wieder auf dem Marktplatz standen.

"Zeit, zu futtern!" rief Goldi - nahm den großen Rucksack ab, den er schon die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt hatte und setzte sich mitten auf den leeren Marktplatz.

Dodo und Trampel wollten sich gerade neben ihn setzen, als Flecki, Tati und Teeblättchen mit einer großen Papierrolle angelaufen kamen.

"Die ersten Entwürfe sind fertig", riefen sie aufgeregt, "hier, schaut mal her!"

Goldi stopfte schnell zwei Brötchen in seine Backen und trat näher.

"Toll, ganz viele Fressbuden", freute er sich kauend, als er einen Blick auf den inzwischen ausgebreiteten Plan warf.

Ein vernichtender Blick traf ihn.

"Das sind Bastelshops und Viktualienstände", erklärte Flecki. "Im oberen Bereich gibt es nichts zu essen. Im unteren Bereich gibt es einen vegetarischen Imbiss und daneben Süßwaren. Nimm deine Fettfinger vom Papier!"

Schnell zog Goldi die Pfote zurück.

"Zwei Karussells?" fragte Trampel erstaunt.

"Nur eines. Das eine ist eine Mondrakete, die habe ich mit Bauleiter Murksel irgendwann mal entworfen", entgegnete Goldi und nahm sich zwei weitere Brötchen aus seinem Rucksack. "Das andere ist ein Turbokreisel.“

"Turbokreisel?" keuchte Trampel entsetzt. "Ist das nicht zu gefährlich?"

"Ist doch bloß ein ganz normales Karussell, nur etwas schneller", antwortete Goldi kauend und schmatzte dabei genüsslich. "Das Geniale dabei ist, dass es mit einem Autoscooter kombiniert ist."

"Und der Erholungspark, was kann man da machen?"

"Fleckis Idee", antwortete Goldi und rülpste, da er soeben mit dem Essen fertig war.

"Im Winter soll da die Schlittschuhbahn hin", erklärte Flecki und zeigte auf die Wasserbahn. "Wir brauchen im Herbst nur die Wasserbahn in den Park umzuleiten. Dann warten wir ab bis es friert und haben dann eine wunderschöne Schlittschuhbahn."

"Und das klappt wirklich?" fragte Dodo nachdenklich.

"Goldi meint, dass er und Bauleiter Murksel das hinkriegen", sagte Flecki und nickte.

"Genau," stimmte Goldi zu. "Murksel meint, das ist überhaupt kein Problem. Bleibt jetzt nur noch die Frage, was in die Geisterbahn rein soll."

"Wie wäre es, wir rufen alle zusammen und stimmen ab?" schlug Trampel vor.

"Klasse Idee", meinte Flecki. "Ich sage dem Bürgermeister Bescheid."


Weiter: Das Projekt Pleasure Dome (Kapitel 05-10)

Kapitel 5

Planungen II


"Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!"

Ein ums andere Mal versuchten der Bürgermeister und Bauleiter Murksel, sich Gehör zu verschaffen, doch die aufgeregte Menge der Hamster auf dem Marktplatz war nicht mehr zu halten. Eine richtige Geisterbahn in Hamsterhausen, welch ein Fortschritt! Es wurde lauthals diskutiert, welche Grauen erregende Gestalten diesen Ort schmücken sollten. Leider hatte wie immer jeder der Hamster andere Vorstellungen, wie eine richtige Geisterbahn auszusehen hatte, und leider kam es wieder zu Raufereien. Schließlich holte der Bürgermeister aus seinem Privatarchiv einen Sack Sonnenblumenkerne und schüttete ihn über die raufende Menge. Nun gelang es ihm endlich, das Wort zu ergreifen.

"Liebe Hamster! Ich bin stolz darauf zu verkünden, dass Hamsterhausen die erste hamstische Stadt mit einer Geisterbahn werden wird, und ich möchte...."

"Das wissen wir, du Hohlmöhre, erzähl mal was Neues!" schallte es ihm entgegen.

"Äh, ja, nun, also ich in meiner Eigenschaft als oberster Planungsleiter..."

"Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!"

"Ja, natürlich, liebe Hamster, wie ich schon immer pflegte, äh, zu sagen pflegte..."

"Hör auf zu sülzen, wir wollen endlich eine Geisterbahn!"

"Vielleicht sollten wir, liebe Hamster, in Abstimmung miteinander und im Allgemeinen..."

"Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!"

"Nun, äh, liebe Mithamster, äh, unser Bauleiter Murksel wird alles Weitere erklären!"

Mit diesen Worten machte der Bürgermeister, dass er aus der Schusslinie kam und verließ die provisorische Bühne, die auf dem Marktplatz aufgebaut worden war. Alle Blicke gingen nun zu Bauleiter Murksel, der, noch erschöpft von seinem Unfall und dem viel zu frühen Abgang aus dem Krankenhaus friedlich auf seinem Stuhl saß und vor sich hin döste. Dodo, der neben dem eingeschlafenen Bauleiter saß, erhielt von Goldi einen Wink.

"Häh?" Dodo verstand nicht, was Goldi ihm mitteilen wollte.

"Der Bauleiter! Schubs ihn mal, er muss auf die Bühne!" zischte Goldi ärgerlich.

Wenige Sekunden später flog der arme Murksel kreischend auf die Bühne und blieb mit einem lauten Krachen liegen.

"Klasse gemacht", fauchte Goldi.

"Ja", antwortete Dodo stolz, "ich gebe mir eben immer Mühe."

Inzwischen hatte sich der Bauleiter stöhnend hochgerappelt und schaute sich um. Ihm war nicht ganz klar, was er hier machte und warum er auf einer Bühne mitten auf dem Marktplatz stand. Er wusste nur, dass er sich nach einem gemütlichen, warmen Bett sehnte, denn sein Kopf dröhnte nach wie vor durch die unschöne Begegnung mit dem Kran. Ihm war auch etwas schwindelig, und er dachte an das Krankenhaus, in dem er wenigstens Ruhe gehabt hatte. Im nächsten Moment jedoch glaubte er, sein Kopf würde platzen.

"Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!"

Murksel hielt sich den dröhnenden Schädel, und langsam wurde ihm klar, worum es ging. Der Pleasure-Dome! Schon nach den ersten Worten des Bürgermeisters war er in einen süßen Schlaf gefallen, doch nun begriff er, dass all diese jubelnden Hamster etwas Neues erfahren wollten.

"Öh, die Geisterbahn....", stotterte er und versuchte, sich auf den Beinen zu halten, während es wieder von allen Seiten "Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!" ertönte.

"Also, die Geisterbahn", versuchte er fortzufahren, doch wieder brüllten alle Hamster, so laut, dass der Bauleiter glaubte, sein Kopf würde gleich platzen.

"Geisterbahn, Geisterbahn, Geisterbahn!"

"Ich drehe hier gleich ab!" brüllte Bauleiter Murksel so laut er konnte, und augenblicklich verstummte die johlende Meute. "Noch ein Wort, und ihr kriegt so was von auf die Hamsterbacken, dass euch die Sonnenblumenkerne der letzten Tage rausfallen! Das lass ich nicht mit mir machen, ich bin doch nicht euer Geisterbahnclown, ist das klar? Ihr könnt euch in den Schuppen reinstellen, was ihr wollt, das ist mir doch egal! Nehmt doch irgendeinen anderen Clown, von mir aus McClown, oder noch besser: McShredder und das Loch Ness Monster. Ich will nur meine Ruhe und sonst gar nichts, nicht mit mir! Ist das klar?"

Erschöpft kroch der Bauleiter unter dem tosenden Beifall der umstehenden Hamster an seinen Platz zurück, quälte sich auf seinen Stuhl und schlief völlig ermattet ein. Er bekam auch nicht mehr mit, dass nun alles um ihn herum anfing zu johlen:

"McShredder und das Loch Ness Monster! McShredder und das Loch Ness Monster! McShredder und das Loch Ness Monster! "

Der Bürgermeister hob seinen kleinen Arme und rief in die Menge: "Liebe Hamster! Es ist schön, dass auch dieser überaus wichtige und für Hamsterhausen so notwendige Punkt geklärt werden konnte. Nun lasst uns mit dem Wiederaufbau des Rathauses beginnen, was für unseren lieben Bauleiter sicherlich nur eine kleine Aufwärmübung sein wird. Danach, meine lieben Hamster, wird der Pleasure-Dome von Hamsterhausen den ersten Spatenstich erleben! Alle werden mithelfen und ich persönlich werde weitere Reparaturteams und technische Unterstützung anfordern."

Der Bürgermeister rannte, so schnell ihn seine kleinen Pfoten trugen, zurück in sein Büro, griff zum Telefon und hatte nichts Eiligeres zu tun, als den obersten Polizeihamster und den Bürgermeister von Hamsterhusen anzurufen und von der gigantischen Geisterbahn und ihren Planungen zu berichten. Danach rief er in Hamsterqualle, Hamstercity und allen anderen hamstischen Nachbarländern an und erzählte voller Stolz von den neuesten Entwicklungen in Hamsterhausen. Selbstverständlich lud er alle Gesprächspartner samt Freunden zur Eröffnungsfeier ein. Dann rief er beim Amt für Hamstische Planung an und forderte weitere Arbeitskräfte an. Anschließend legte er zufrieden seine kleinen Pfoten auf den Schreibtisch und machte ein Nickerchen.

 

 

Kapitel 6

Die Panne


Bauleiter Murksel war schwer genervt. Oberste Priorität hatte der Bürgermeister getönt, und für einen Moment überlegte Murksel, ob er vielleicht mit dem Bulldozer das gesamte Rathaus samt Bürgermeister plattmachen sollte. Da unterbrach Reparaturhamster Tuffi seine bösen Gedanken.

"Soll ich schon mal mit dem Bulldozer den Schrott beiseite schieben?"

"Ja, mach das", knurrte Murksel, "aber pass auf, dass du nicht wieder eine tragende Wand rammst!"

Während Tuffi mit hochrotem Kopf den Bulldozer bestieg, rief der Bauleiter seine Leute zusammen:

"Fangt schon mal an, die kaputten Träger zu entfernen, ich prüfe, wo wir die neuen ansetzen. Trödelt nicht so rum, wir müssen heute noch fertig werden. Noch Fragen?"

"Ja", rief Hamstilidamst, "meine Kusine kommt nachher zu Besuch, darf ich früher gehen?"

"Wann ist Mittagspause?" fragte Dodo.

"Ich habe mir einen Splitter in die Pfote gerammt, ich muss zum Arzt!" jammerte Trampel.

"Kann ich Urlaub nehmen? Ich möchte gerne..."

"Schnauze halten, verdammt noch mal!" brüllte Bauleiter Murksel, doch da Tuffi mit dem Bulldozer gerade dicht an ihm vorbeifuhr, ging sein Gebrülle im Lärm des Fahrzeugs unter.

"Kannst du mal mit der blöden Schüssel abhauen, Tuffi?!" kreischte er. Tuffi drehte sich kurz um und antwortete: "Den Rüssel aufbauen! Geht klar, Chef!"

Kopfschüttelnd wandte er sich nun der diskutierenden Hamstertruppe zu, lächelte freundlich und sprach: "Sollte einer von euch noch einen Wunsch haben, den ich erfüllen soll, nur zu! Das mache ich doch gerne. Aber im ernst, Freunde, ich sage es mal so: wenn der Krempel nicht in 5 Stunden fertig ist, ziehe ich euch das Fell über die Ohren, ist das klar?"

"Heißt das, dass ich heute nicht zu meiner Tanzgruppe gehen kann, Chef?" fragte Dasie entsetzt.

"Wir haben ganz lange dafür geübt", warf Tati ein. "Guck mal, Bauleiter!"

Er nahm Dasie bei den Pfoten und gemeinsam drehten sie Kreise zwischen dem Schrott auf dem Rathausplatz.

"Ich sage es mal so", lächelte Murksel die beiden freundlich an, "wenn ihr nicht sofort mit der Arbeit beginnt, werde ich mit euch tanzen! Los, an die Arbeit, marsch!"

"Also der hat vielleicht eine Laune", stöhnte Dodo, während er zusammen mit Hamstilidamst ein paar kleine Mauerteile aufhob und auf einen Haufen legte. Auch Tati und Sasie guckten verärgert zum Bauleiter hin, doch der hatte andere Probleme. Ihm war schwindelig von dem ganzen Staub, und sein Kopf brummte nach wie vor. Er setzte sich abseits hinter eine halb eingefallene Mauer und schloss erschöpft die Augen. Es dauerte nicht lange und er schlief tief und fest.

Ein paar Meter weiter schleppten die Mitarbeiter des Hamstischen Reparaturteams Stein um Stein zusammen, jammerten und stöhnten und waren überhaupt nicht glücklich. Immer wieder guckten sie vorsichtig zu der Stelle hin, an der der Bauleiter das letzte Mal gesichtet worden war, und sie arbeiteten immer langsamer.

"Ich kann nicht mehr", japste Dodo, versicherte sich ein weiteres Mal, dass kein Bauleiter in der Nähe war und ließ sich keuchend auf den Boden fallen. Es dauerte natürlich nicht lange, bis alle Mitglieder des hamstischen Reparaturdienstes auf dem Boden lagen und eine Pause einlegten.

"Ach, so ist das doch gleich viel gemütlicher", schwärmte Trampel, und Sasie fügte hinzu: "Tuffi hat auch endlich aufgehört, mit dem blöden Bulldozer Krach zu machen. Wo steckt sie jetzt eigentlich?"

"Da oben!" rief Teeblättchen und zeigte zum Balkon des Rathauses.

Neugierig guckten nun alle, wie Tuffi mit einem Seil einen riesigen Rüssel hochzog, und ihn am Geländer des Balkons vor dem Zimmer des Bürgermeisters befestigte. Als sie fertig war, kletterte der kleine Reparaturhamster in den Rüssel und rutschte laut "Juhu"-rufend zum Boden hinab bis fast vor die Füße der staunenden Kollegen.

"Ist das eine Rutsche für den Pleasure-Dome?" fragte Teeblättchen aufgeregt.

"Aber nein", entgegnete Tuffi mit einem wichtigen Gesicht. "Bauleiter Murksel hat mir aufgetragen, den Rüssel zu holen. Den brauchen wir nämlich, um den Schutt auf dem Dach zu beseitigen. Bestimmt ist er stolz darauf, wie gut ich den festgemacht habe, denn..."

"Ich sagte du sollst mit der blöden Schüssel abhauen, und nicht du sollst einen Rüssel anbauen! Und was ist mit euch los?" Der Bauleiter drehte sich zu dem zitternden Rest seiner Truppe um. "Seid ihr fertig mit dem Aufräumen?"

"Nicht ganz, Chef", wisperte Sasie.

"Aber so gut wie", ergänzte Tati.

"Nur noch ein paar Steine, dann haben wir es geschafft. Eine echte Lachnummer, das schaffen wir mit Links", erklärte Trampel.

"Fein", entgegnete Murksel, "damit du richtig was zu Lachen hast, wirst du jetzt den Rest aufräumen, Trampel. Die anderen kommen mit mir und bauen den bescheuerten Rüssel wieder ab, bevor der Bürgermeister was merkt."

"Huhu, Bauleiter Murksel, wir haben ein Problem!"

Flecki hatte sich unbemerkt genähert und stand nun ratlos vor dem Bauleiter.

"Ach tatsächlich? Ein Problem? Wie nett! Was ist denn nun schon wieder los?"

"Im Hamstischen Rundfunk wird von einem riesigen Verkehrsaufkommen in Richtung Hamsterhausen berichtet, und Goldi hat schon die ersten Autokolonnen gesichtet. Er meint, dass die wohl alle glauben, dass der Hamster-Pleasure-Dome bereits fertig ist."

Tatsächlich war in der Ferne ein Hupen zu hören. Mit großen Knopfaugen und herunterhängenden Hamsterbacken standen der Bauleiter und seine Truppe inmitten einer Stein- und Geröllwüste. Niemand sagte ein Wort, und niemand bewegte sich. Das Hupen wurde immer lauter, und jetzt waren auch Motorengeräusche deutlich zu hören. In diesem Moment näherte sich eine weitere Gruppe Hamster. Es handelte sich hierbei um das 2. und 3. Reparaturteam, begleitet von mehreren Feuerwehrhamstern, die wie geplant erschienen, um für den Bau des neuen Freizeitparks eingesetzt zu werden.

"Hallo Boss, nun geht es richtig ab, wie?" rief Dudel, der zusammen mit Purzel den Trupp anführte.

Bauleiter Murksel sagte nichts, sondern starrte entsetzt auf die anrollenden Autos und Omnibusse, die hupend auf den Marktplatz fuhren. Grölend und johlend stiegen die ersten Hamster aus und sahen sich um.

"He, wo ist denn die tolle Geisterbahn? Wo sind die Fressbuden, ich brauche was zu trinken! Wo geht es denn hier zur Achterbahn?"

Inzwischen waren der Marktplatz und die umliegenden Straßen Hamsterhausens gefüllt mit Fahrzeugen und johlenden Hamstern aus Hamsterhusen, Hamsterqualle, Hamstercity und allen anderen umliegenden Ländern. Es war ein entsetzlicher Lärm, und Bauleiter Murksel glaubte, sein Kopf müsse gleich explodieren.

"Was'n das für'n Schrottplatz hier", grölte ein recht großer, breiter Hamster, "wo ist Monster-McShredder? Wo sind die Buden ?"

"Sind noch nicht fertig", stöhnte Murksel.

"Was? Da kommen wir den ganzen Weg und dann is' hier nix fertig? Wollt ihr uns verarschen? Wo steckt der Bürgermeister, ich habe ein paar Fragen an ihn!"

Der soeben Genannte fühlte sich zum wiederholten Male an diesem Tag in seinem erholsamen Schlaf am Schreibtisch gestört. Was war denn nun schon wieder los, warum war da so ein Aufruhr vor seinem Rathaus? Warum klappte hier nichts ohne ihn? Wütend über diese Störung stand er auf und rannte auf den Balkon. Viel zu spät erkannte er, dass ein Teil der Brüstung fehlte. Dort, wo vor wenigen Tagen die Brüstung war, gähnte ihm jetzt ein Abgrund entgegen, und vor diesem Abgrund hing ein riesiger Rüssel. Verzweifelt versuchte der Bürgermeister zum Stehen zu kommen, doch es war zu spät. Mit einem gellenden Schrei fiel er in den Rüssel und verschwand im Dunkeln.

Die Menge vor dem Rathaus hatte das natürlich gesehen, und sofort setzte ein begeistertes Johlen und Applaudieren ein. Zwischen diesen Anfeuerungsrufen waren immer wieder die Klageschreie des hinabstürzenden Bürgermeisters zu hören, dem wirklich nicht wohl in seinem Fell war, als es immer tiefer abwärts durch den Rüssel ging. Kurz bevor er aufschlug, machte der Rüssel einen Schlenker in Richtung Marktplatz, der Bürgermeister erkannte ängstlich, dass es nun heller wurde und schloss in Erwartung eines heftigen Aufpralls die Augen. Die jubelnde Menge hielt den Atem an, denn es war deutlich zu erkennen, dass der Bürgermeister von Hamsterhausen nun jeden Moment am Ende des Schrottrüssels herausschießen würde. Eine Gasse wurde gebildet, damit nichts den Flug aufhalten sollte, doch als ein verzweifelter Hamsterkopf an der unteren Öffnung des Rüssels erschien, war die Rutschpartie beendet. Der Bürgermeister steckte fest.

Ein vielfältiges, lautes und enttäuschtes "Ooooh" war vom Marktplatz her zu vernehmen. Der Unmut der angereisten Gäste war deutlich zu spüren.

"Nicht mal das könnt ihr! Ihr seid Schlapphamster, eine echte Trümmertruppe! Wir wollen die Monster-Show sehen! Monster-Show! Monster-Show! Monster-Show!"

Der Bürgermeister geriet allmählich in Panik. Wo war Bauleiter Murksel? Wo war das Kompetenz-Team? Ihm war, als sähe er einige Reparaturhamster in der Menge verschwinden. Es war entsetzlich - welch eine Blamage! Er, der Bürgermeister musste diese Situation retten, sonst wäre Hamsterhausen für alle Zeiten das Gespött seiner Nachbarn. Schweiß floss ihm über das Fell und nahm ihm die Sicht. Nein, jetzt würde und konnte ihm niemand helfen, es lag einzig und allein bei ihm, das Beste aus dieser Situation zu machen. Er musste handeln und zwar sofort und entschlossen. Tapfer blinzelte er in die Menge und räusperte sich. Sofort kehrte Stille auf dem Marktplatz ein, und alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Normalerweise wäre das eine angenehme Situation gewesen, doch unter den gegebenen Umständen konnte er auf so etwas gerne verzichten.

"Öhm", begann er und zwinkerte mit den Augen, da ihn der tropfende Schweiß beim Sehen behinderte.

Tausende von Augen starrten ihn erwartungsvoll an.

"Also, öh". Der Schweiß brannte in seinen kleinen Knopfaugen, und er wünschte, er könnte wenigstens eine Pfote freikriegen, doch er steckte hoffnungslos in dem Schuttrüssel fest.

Die Menge wurde unruhig und vereinzelte Pfiffe waren deutlich zu hören.

"Öh, selbstverständlich, liebe Gäste, heiße ich Sie herzlich willkommen. Durch ein, äh, technisches Problem, äh, sozusagen aus technischen Gründen, und Gründe, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, wie Sie sicherlich verstehen werden, und ich möchte darauf hinweisen, sozusagen im Namen Hausterhamsters, äh Hamsterhausens und aller Bürger, Sie herzlich zu begrüßen!"

Die vereinzelten Pfiffe verstummten, und die Menge blickte verstört auf den schwitzenden Bürgermeister. Was wollte er ihnen mit diesen Worten sagen? Ratlosigkeit erfüllte den Marktplatz.

"Nun, äh, liebe Gäste", fuhr der Bürgermeister fort, "ist es mir und meinem Kompetenzteam, das in unermüdlicher Art und Weise und natürlich auch das Reparaturteam, welches vorzügliche Dienste, äh, gedingst hat, sozusagen..."

"Der Mops will uns verarschen", grölte ein großer, bedrohlich aussehender Hamster aus der ersten Reihe. "Wo sind denn nun die Fressbuden?"

"Genau, und wo ist die tolle Geisterbahn?" brüllten weitere aufgebrachte Hamster. "Wo ist dieser Hamsterschreck McSchrecker?"

"Äh, also, liebe äh, Schrecker, äh, Gäste, selbstverständlich und dazu stehe ich..."

"Im Moment hängst du aber, du Flasche!", ertönte ein Zwischenruf, und die Menge begann zu johlen und zu lachen. Die Situation geriet nun langsam außer Kontrolle, dessen war sich der Bürgermeister bewusst. Er war sich auch bewusst, dass er keinerlei Chance auf eine Flucht besaß, und genau das war das Schlimmste. Festgeklemmt in einem riesigen Rüssel harrte er nun der Dinge, die sich vor ihm entwickelten. Mit großen Knopfaugen starrte er und sah, wie die Menge auf dem Marktplatz immer aufgebrachter wurde. Er fürchtete das Schlimmste. Sein ganzes Leben schien an ihm vorbeizuziehen, aber weil Hamster ja nicht sonderlich alt werden, dauerte es nur wenige Sekunden.

"Ihr könnt ja nix, ihr Hamsterhausener!" tönte es vom Marktplatz her. "Jedes andere Hamsterland kann so etwas viel besser!"

Ein Albtraum, dachte der Bürgermeister und zwinkerte mit den Augen, weil ihm der salzige Schweiß nach wie vor die Sicht nahm. Wenn doch wenigstens die Hamstische Polizei oder die Feuerwehr käme und den Marktplatz räumen würde, aber die steckte irgendwo im Stau. Höchstwahrscheinlich hatten HAMPO und HAMFE ohnehin für heute Feierabend gemacht, weil ihre Einsatzwagen feststeckten und waren längst nach Hause gegangen. Dann sah der Bürgermeister für einen Moment nur noch Sterne und fühlte, dass ihm etwas Matschiges, übel Riechendes über das Gesicht lief. Das lautete Gelächter der aufgebrachten Menge verriet ihm, dass jemand ihn mit irgend etwas Stinkendem beworfen hatte. Welch eine Frechheit, ihm, einer Respektsperson des öffentlichen Lebens so etwas anzutun! Wütend versuchte er sich zu befreien, seine kleinen Muskeln waren zum Zerreißen gespannt und die kleinen Knopfaugen quollen wie Luftballons hervor.

"Wir werden es euch allen zeigen, wir Hamsterhausener!" brüllte er, so laut er konnte.

Die johlende und krakeelende Menge schwieg verblüfft und starrte auf den zappelnden Bürgermeister.

"Wir werden in wenigen Wochen einen Vergnügungspark errichten, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat! Wir werden das 3. Hamstische Weltwunder erschaffen. Euch werden die Augen übergehen, wenn ihr seht, was wir können! Wir werden es euch zeigen, jawohl!"

Einige, schier endlos dauernde Sekunden war kein einziger Laut zu hören. In weiter Ferne hupte irgendwo ein Auto, und man hätte ein Stück Papier auf den Boden fallen hören. Dann meldete sich der große Hamster aus der ersten Reihe wieder:

"Und das Hamsterschrecker-Monster?"

"Auch das wird da sein! Wir werden sogar den echten McShredder herholen, kein Problem, das können wir!"

Langsam, nach und nach, leerte sich der Marktplatz und der Bürgermeister atmete tief durch. Dann schloss er seine brennenden, kleinen Knopfaugen und fiel erschöpft in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

 

 

Kapitel 7

Der Bürgermeister wird befreit

Hamsterhausen leerte sich. Die angereisten, ungebetenen Gäste verschwanden in einem hupenden Fahrzeugkonvoi.

Der Trupp der Reparaturhamster stand allerdings etwas ratlos auf dem Marktplatz. Keiner wusste so recht, was sie von dieser Situation halten sollten. Dodo hatte inzwischen Bauleiter Murksel geweckt und ihm in wenigen Worten geschildert, was soeben passiert war.

"Wir werden das 3. Hamstische Weltwunder erschaffen.", schwärmte Tuffi. "Ich finde, das hat er schön gesagt. Ich jedenfalls bin stolz, eine Hamsterhausenerin zu sein!"

"Wäre das nicht wundervoll", rief Tati und seine Augen funkelten begeistert, "wenn wir mit unserer Tanzgruppe bei der Eröffnungsfeier auftreten würden? Herr Bürgermeister, was halten Sie...?"

"Der Ärmste", japste Tuffi, "seht mal, er ist von seiner tollen Rede völlig erschöpft. Goldi, tu doch mal was und stehe hier nicht so rum!"

Missgelaunt betrachtete Goldi die Respektsperson des öffentlichen Lebens, die schlapp am Ende eines Bauschuttrüssels hing und keinen Laut von sich gab. Dann blitzten Goldis Augen kurz auf, und er rief Dodo zu:

"Komm mit, du musst mir mal helfen!"

Goldi rannte zum Rathaus, gefolgt von Dodo, der keine Ahnung hatte, was nun folgen würde. Nach einigen Minuten erreichten die beiden Hamster schwer atmend den 3. Stock, in dem sich das Büro des Bürgermeisters befand. Goldi lief ins Badezimmer, nahm die Brause und lief samt Duschschlauch auf den Balkon.

"Alles klar, Dodo, dreh' mal kräftig am Wasserhahn!"

Ein lautes Knirschen, gefolgt von einem Krachen und dem Zischen einer Wasserfontäne ließen ahnen, dass Dodo mal wieder sein Bestes gegeben hatte. Goldi rannte mit bösen Vorahnungen in das Bürgermeisterzimmer und sah Dodo mit verlegenem Gesichtsausdruck neben der Badewanne stehen.

"Ich habe doch nur kräftig gedreht, und dann war der Hahn ab", jammerte der große, dicke Hamster. "Was machen wir nun?"

Goldi betrachtete die Badewanne, in der der Wasserspiegel mit rasender Geschwindigkeit stieg, denn der kleine Abfluss war nicht in der Lage, diese Wassermenge ablaufen zu lassen. Andererseits, überlegte Goldi, wäre es nicht verkehrt, wenn mit einer größeren Wassermenge und dem damit verbundenen höheren Druck der Bürgermeister ganz einfach aus dem Rüssel gedrückt werden würde.

"Kein Problem, Dodo", grinste Goldi und schloss die Balkontür. "Wir sind fertig mit unserer Arbeit!"

"Aber wie geht das nun weiter?" fragte Dodo ängstlich, als er mit Goldi die Treppen des Rathauses hinunter stieg.

"Ganz einfach, das Wasser wird im Zimmer des Bürgermeisters bis an die Decke steigen. Bauleiter Murksel hat ja eine extra-dicke neue Tür eingesetzt, wie du vielleicht weißt, und da wird das Wasser nicht durchkommen. Aber die Balkontür, ha, ha, die wird wegbrechen wie Pappe, und dann fließt das Wasser über den Balkon in den Rüssel hinein, aber mit so was von Wucht, dass der Bürgermeister einen Freiflug kriegt."

"Ist das nicht furchtbar gefährlich?"

"Keine Angst, Dodo, nicht für uns."

Unten angekommen, liefen die Reparaturhamster aufgeregt auf die beiden zu.

"Und?" fragte Tuffi mit weit aufgerissenen Knopfaugen.

"Kein Problem für Superhamster", tönte Goldi. "Am besten machen wir es uns gemütlich und warten ab. Ach ja, setzt euch etwas zur Seite, es ist nicht gut, wenn ihr euch direkt vor dem Bürgermeister befindet."

Superhamster hatte noch nicht ganz ausgeredet, da geschah es. Ein lautes Krachen war zu hören, und mit offenen Mündern verfolgten die Hamster, wie ein riesiger Wasserschwall aus dem Zimmer des Bürgermeisters schoss. Mit enormer Kraft setzte das Wasser nun seinen Weg über den Balkon fort und bildete einen prächtigen Wasserfall, der über die abgebrochene Seite des Balkons nach Unten stürzte. Ein Teil des Wasserfalls landete in dem Rüssel, der hier befestigt war, und laut gurgelnd setzte das Wasser seinen Weg hin zum Bürgermeister fort.

Die Hamster auf dem Marktplatz sahen staunend zu, und wäre Bauleiter Murksel nicht in der Nähe gewesen, hätte Tuffi am liebsten laut "wunderschön" gerufen. In der Tat sah es beeindruckend aus, wie aus dem Rathaus ein Wasserfall über drei Stockwerke bis auf den Boden schoss. Flecki erkannte als erste die Gefahr.

"Deckung, legt euch auf den Boden!" und schon passierte es. Ein Knall, ein Schrei und etwas Großes, Pelziges flog durch die Luft. Dann folgte ein zweiter Schrei, und ein lauter Klatscher war zu hören.

"Der Bürgermeister ist gelandet", stellte Dodo fest.

"Das Wasser", kreischte Flecki plötzlich. "Es überflutet den gesamten Marktplatz! Goldi, das war deine Idee, also stelle das Wasser sofort wieder ab oder wir ersaufen!"

"Immer ich", knurrte Goldi, "aber das war ich dieses Mal nicht. Dodo hat den Wasserhahn abgerissen."

"Mir nach, Hamster!" schrie Bauleiter Murksel plötzlich und rannte zum Rathaus.

"Welch ein mutiger Mann", schwärmte Tuffi, als sie sah, wie Murksel gegen den Strom ankämpfte und versuchte, das Treppenhaus zu erreichen. Die Wasserfluten jedoch waren zu stark, und schon wenige Minuten später trieb der erschöpfte Bauleiter an den Reparaturhamstern vorbei und über den Marktplatz bis hin zum Bürgermeister. Der war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und rief dem Bauleiter zu:

"Mein lieber Murksel, schön, dass ich Sie sehe. Was meinen Sie, werden wir den Zeitplan halten können? Es geht schließlich um unsere Zukunft."

"Glubb, gluuuub." Der Bauleiter hatte große Mühe, den Kopf über Wasser zu halten.

"Das sehe ich genauso", entgegnete der Bürgermeister und nickte, während es ihm einige Mühe bereitete, in der immer heftiger werdenden Strömung stehenzubleiben.

"Vielleicht hätte ich von diesem Shredder nichts sagen sollen. Meinen Sie nicht, es könnte Probleme geben, dass der Lord sich für eine Geisterbahn zur Verfügung stellt?

"Glblblbl Bluuuurb", antwortete Murksel.

"Da könnten Sie recht haben", entgegnete der Bürgermeister nachdenklich. Inzwischen war die Strömung so stark geworden, dass er sich nicht mehr auf den kleinen Pfoten halten konnte und nun neben dem verzweifelt nach Luft ringenden Bauleiter her schwamm.

"Auf alle Fälle werden wir das beste Team aufstellen, das wir zur Verfügung haben, da können Sie sicher sein, Murksel. Notfalls werde ich mitmachen, denn wir müssen Erfolg haben."

"Glldibb, Glldibb!"

"Natürlich, mein lieber Bauleiter nehme ich Sie mit, das ist doch selbstverständlich. Vielleicht sollte ich Ihnen meinen Plan ein wenig näher erläutern..."

Während der arme Bauleiter sich die Monologe seines Vorgesetzten anhören musste, und sie gemeinsam durch die Straßen von Hamsterhausen trieben, war es Goldi und Flecki gelungen, den Hauptwasserhahn des Rathauses zu finden und die Fluten zu stoppen.

"Und was nun", fragte Tati, als die Hamster des Reparaturteams auf einem Schuttberg standen und den See betrachteten, der sich auf dem Marktplatz gebildet hatte.

"Keine Ahnung", antwortete Flecki, "aber ich fürchte, die Sache geht jetzt erst richtig los."

 

 

Kapitel 8

Planungen III

Wenn auch der Ruf von Hamsterhausen an diesem Tag reichlich beschädigt worden war, so hatte die darauf folgende Überschwemmung des Rathausplatzes doch auch etwas Gutes gehabt. Der Marktplatz hatte sich zwar in eine riesige, schlammige Fläche verwandelt, dafür war diese Fläche nun aber frei von Unrat und Gerümpel. Die Wassermassen hatten die Arbeit des Reparaturteams übernommen und alles Unnötige in die Kanalisation geschwemmt. Hoch erfreut konnte man nun mit den ersten Vermessungen beginnen. Die Assistenten für die Durchführung der Planungen, nämlich Tuffi und Dasie verbrachten die nächsten Tage damit, mit Maßbändern die Gesamtfläche des Marktplatzes zu ermitteln. Ihre Aufgabe bestand darin, die vom Schichtführer ermittelten Werte aufzuzeichnen und die Stellflächen zu berechnen. Die unerfreuliche Aufgabe, mit dem Maßbändern durch den Schlamm zu kriechen, fiel dem Schichtführer zu. Da der eigentliche Schichtführer, Dodo, noch mit der Trockenlegung des Rathauses beschäftigt war, übernahm sein Assistent Trampel die Messungen.

Tuffi und Dasie saßen hoch und trocken auf einer eigens für diesen Zweck aufgebauten Plattform und sahen Trampel bei der Arbeit zu. Immer wieder blieb der Assistent des Schichtführers in dem zähen Brei stecken, und es dauerte von Mal zu Mal länger, bis er zurück zur Plattform gekrochen kam und den beiden Assistentinnen für die Durchführung der Planungen seine gemessenen Werte übermittelte. Tuffi und Dasie waren daher froh, dass Sasie und Tati auf einen Besuch vorbei kamen und ihre neuesten Tanzschritte vorführten. Es dauert nicht lange, und es fand ein fröhlicher Tanzwettbewerb statt. Trampel, der gerade die neuesten Messdaten abliefern wollte, war inzwischen dermaßen verdreckt, dass er nicht mehr als Hamster zu erkennen war. Sein Fell war von Schlamm verklebt, und er sehnte den Feierabend herbei. Leider war noch ein gutes Drittel der gesamten Fläche nicht vermessen, und der Wasserstand schien eher zu steigen als zu fallen. Niemand kam an den Rand der Plattform, um seine Messdaten entgegenzunehmen. Verärgert kletterte er die Plattform hinauf und wurde gleich wieder hinuntergescheucht.

"Lass dir nur nicht einfallen, mit deinen schmutzigen Pfoten unsere Tanzfläche zu betreten! Du kannst uns die Zahlen zurufen, das genügt." bekam er von Dasie zu hören.

Während also Assistent Trampel einen höchst unerfreulichen Tag im Schlamm verbrachte, war es Bauleiter Murksel und der gesamten Reparaturtruppe gelungen, das Wasser im Rathaus abzupumpen. Da die Kanalisation durch den Bauschutt bereits total verstopft war, floss ein Großteil des Wassers direkt auf den Marktplatz, doch das war im Moment nebensächlich, da es ohnehin nur eine Person betraf. Zudem hatte man nun fast unbegrenzt Schlamm, der mit Beton vermischt werden konnte und wunderbares Baumaterial für die Reparatur des Rathauses lieferte.

Am Ende des Tages war es geschafft, und die Laune von Bauleiter Murksel hatte sich erheblich gebessert. Auch der Bürgermeister hatte sich von seinem Abenteuer mit dem Bauschuttrüssel erholt und lud das Reparaturteam und alle Beteiligten auf ein Stück Kuchen in das Rathaus ein. Lediglich Trampel wurde der Eintritt verwehrt mit der Begründung, sich erst einmal gründlich zu reinigen. Nachdem der Bürgermeister persönlich Kuchen und Torten in sein Büro getragen hatte, deckte er zusammen mit Flecki, Tati und Dodo den Tisch. Kerzen und Servietten wurden verteilt. Dann gingen alle in die große Vorhalle, wo der Bürgermeister eine kleine Ansprache vorbereitet hatte.

"Meine lieben Hamster, es ist mir eine große Ehre und Freude...."

"Mir wäre es eine große Freude, wenn ich endlich eine Torte bekäme", knurrte Goldi leise zu Flecki.

"...und keine Mühen und Kosten gescheut, besonders in Hinblick auf das Gelingen..."

"Bestimmt kapierst du sowieso nicht, wie schön der Tisch gedeckt ist, und wie viel Liebe man dazu braucht, du Vielfraß!" fauchte Flecki zurück.

"...zeigt es sich immer wieder, dass Hamsterhausen eben Hamsterhausen ist. Dodo, würdest du schon einmal vorgehen und den Tisch anzünden?" wandte sich der Bürgermeister an Dodo, der sich eilig auf den Weg machte.

"Natürlich war dieses nur ein Anfang, und viele schwere Aufgaben stehen noch vor uns. Doch was wäre Hamsterhausen ohne Herausforderungen, liebe Freunde?"

"Vielleicht könnte man dann endlich mal in Ruhe etwas futtern..." warf Goldi ein.

Der Bürgermeister tat, als hätte er nichts gehört und wollte gerade mit seiner Rede fortfahren, als Dodo zurückkam.

"Danke, mein lieber Dodo. Also, wie ich schon sagte..."

"Herr Bürgermeister?"

"Ja, Dodo?"

"Ich habe den Tisch angezündet, äh, soll ich die Kerzen auch noch anzünden?"

Nach einer Stunde hatte die Hamstische Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Während Dodo mit seinem Assistenten Trampel nun das Büro des Bürgermeisters mit grüner Seife schrubben musste, um wenigstens die schlimmsten Brandspuren zu beseitigen, setzten sich die Hamster in die Vorhalle, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Nach einigen Stunden fasste Bauleiter Murksel die Beschlüsse zusammen.

"Das Rathaus steht wieder, und wenn dieser Riesenidiot das Büro gereinigt hat, ist der Punkt abgehakt. Kommen wir zum Pleasure-Dome-Projekt, auch das sieht gut aus. Die Entwürfe des Architektenteams sind fertig. Der Marktplatz ist geräumt, und in den nächsten Tagen können die Stützpfeiler in den Boden gerammt werden. Das übernimmt das 3. Reparaturteam. Danach fängt das 2. Reparaturteam mit den Aufbauten an und wird sich genau an die Zeichnungen des Architektenteams halten. Das dürfte keine Probleme geben. Der Rest kommt mit mir."

"Wohin denn, Herr Bauleiter?" fragte Tuffi neugierig, und auch alle anderen Hamster reckten die Hälse.

"Ich denke, das sollte allen klar sein, da unser überaus schlauer Bürgermeister ja kürzlich eine grandiose Idee hatte."

"Nee, näh?" meldete sich Goldi. "Wir sollen doch wohl nicht den ollen McShredder heranschleppen?"

"Die Idee kannst du dir ins Fell schieben, Bürgermeister, nicht mit mir!" schrie Flecki aufgebracht.

"Äh, meine lieben Hamster, auch ich habe schlechte Erfahrungen mit diesem Herrn gemacht und, äh..."

"Schlechte Erfahrungen, Bürgermeister?" Goldi kam nun auch in Fahrt. "Der hat mich mit seiner blöden Pfeife fast angezündet!"

"Ja nun, äh, lieber Goldi, es geht doch um Hamsterhausen. Wir müssen doch allen beweisen, dass wir klüger sind als..."

"Herr Bürgermeister", meldete sich nun Dodo, der einen Putzeimer mit sich herum schleppte, zu Wort.

"Ja, Dodo?"

"Ich bin fertig, aber die Bilder an der Wand habe ich nicht ganz sauber gekriegt, da ist immer noch ein bisschen Farbe auf den Leinwänden zu sehen!"

"Äh, sehr schön, Dodo, also wie ich eben gepflegt zu haben sagte, nein, gepflegt sagte, ach egal. Wenn wir den Mistkerl nicht in der Monsterbahn präsentieren, werden wir auf alle Zeit das Gespött aller Hamster sein, findet ihr das nicht schrecklich? Was meinst du, Flecki?"

"Geisterbahn. Es heißt Geisterbahn und nicht Monsterbahn!"

"Und das Essen dort ist eine Katastrophe!" grölte Goldi.

"Ach tatsächlich", spottete Flecki, "aber das hat dich damals aber nicht vom Fressen abgehalten, wie?"

"Also, liebe Hamster, vielleicht sollten wir..."

"Und wir mussten draußen schlafen! Einmal sogar auf harten Schienen!" schimpfte Tati und schüttelte den Kopf.

"Aber das können wir in Zukunft anders machen, jawohl!"

"Wie denn das, bitte schön, Dodo?" fragte Tati.

"Na ja, ich meine, wir müssen uns ja nicht auf die harten Schienen legen. Wir suchen uns einfach eine Weiche, da ist es bestimmt nicht so hart."

Es wurde eine lange Diskussion. Bis spät in die Nacht und weiter bis in den frühen Morgen ging die Diskussion. Da kein Ergebnis und auch kein Kompromiss erreicht werden konnte, schlug der Bürgermeister vor, eine Volksbefragung durchzuführen.

"Jeder Hamster in Hamsterhausen wird blöde grölen, dass er das 'Hamster-Schrecker-Monster' will. Und dann?" keifte Flecki und sah den Bürgermeister wütend an.

"Dann werden sie dafür stimmen, dass der Alte geholt wird", fügte Goldi hinzu. "He Bauleiter, was meinst du eigentlich dazu?"

Alle Augen waren nun auf Bauleiter Murksel gerichtet. So mancher Hamster war müde und erschöpft und wünschte sich ein klärendes Wort. Wenn der Bauleiter dafür war, dann wären alle dafür. Murksel aber hatte schon lange nichts mehr gesagt. Das hatte einerseits den Grund, dass er mehrfach eingenickt war und andererseits, dass auch er keine Lösung für das Problem wusste. Allerdings hatte der Bauleiter sich schon so seine Gedanken gemacht. Natürlich könnte er sich die nächsten Wochen mit drei verschiedenen Reparaturteams herumärgern, die Idiotien und Katastrophen am laufenden Band lieferten, und die ihn vom Morgen bis in den Abend in den Wahnsinn trieben. Könnte er, wenn er in Hamsterhausen bleiben würde. Andererseits.....

"Meine Damen und Herren", begann er, "ich fürchte, uns bleibt nichts Anderes übrig, als den alten McShredder zu uns einzuladen!"

 

 

Kapitel 9

Reisevorbereitungen

"Ausgezeichnet, dann kann es ja los gehen!" Der Bürgermeister war zufrieden. "Selbstverständlich wird die Abreise so schnell wie möglich stattfinden. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass der Zeitplan eingehalten wird. Ihr schafft das schon, ich, äh, gehe mal wieder an meine, äh, Arbeit."

Er drehte sich schnell um und tippelte in Richtung Rathaus, um sich einem ausgiebigen Schlaf zu widmen. Weit kam er nicht, denn Tuffi rief entsetzt: "Aber Herr Bürgermeister, Sie wollen uns doch wohl nicht alleine fahren lassen? Ohne ihre Eingebungen sind wir vielleicht verloren!"

"Also das sehe ich zwar nicht so", fauchte Flecki, "aber uns nach Schottland schicken und selber hier bleiben wollen, das ist ja wohl nicht drin!"

"Genau", rief Hamstilidamst, "Sie wollten doch den blöden McShredder einladen. Wir müssen das alleine ausbaden, und Sie machen sich einen schönen Tag, oder wie?"

Der Bürgermeister drehte sich langsam um. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft, doch da seine Gedanken bereits auf ein gemütliches Nickerchen eingestellt waren, fiel ihm nichts ein. Rein gar nichts, außer ein paar beschwichtigenden Worten über Verantwortung und sein Amt, die sowieso keiner hören wollte. Es folgte somit eine heftige Diskussion, die letztlich darin gipfelte, dass niemand mehr die Reise antreten wollte. Entweder alle oder keiner, wie Trampel lautstark betonte.

Dem Bürgermeister war nicht wohl zumute. Einerseits wäre gegen solch eine Reise nichts einzuwenden, denn schließlich würden sie bestimmt wieder viel Interessantes erleben. Andererseits, was könnte schöner sein, als viel Schlafen, Reden halten und wichtig sein? Genau genommen, würde er aber bald gar keine Reden mehr halten und seine Wichtigkeit einbüßen, wenn der Pleasure-Dome nicht fertig werden würde. Er wäre das Gespött sämtlicher umliegenden Hamsterländer für den Rest seines Lebens. Er versuchte, cool zu lächeln, doch er brachte nicht mehr als ein dümmliches Grinsen zustande.

"Nun, selbstverständlich werde ich mich meinen Pflichten gegenüber meinen Hamstern nicht entziehen und..."

"Dann ist ja alles geklärt", unterbrach ihn Murksel. "Wie aber sollen wir zum Schloss von diesem McShredder kommen, ich habe da keine Idee?"

Alle verfielen in tiefes Grübeln. Zwar waren sie tatsächlich schon vor vielen Tagen auf die Idee gekommen, dem Lord eine Einladung zu schicken, doch die Hamstische Post hatte sich geweigert, den Brief anzunehmen. In der Begründung hieß es, dass Postzustellungen nur innerhalb bekannter hamstischer Gebiete erfolgen könnten. Nachdem der Bürgermeister persönlich in der Oberhamstischen Poststelle vorgesprochen hatte, wurde das Thema eingehend in den zuständigen Stellen der Hamstischen Post diskutiert. Nach einer Woche erhielt der Bürgermeister ein Schreiben der Oberhamstischen Postdirektion, dass die Hamstische Post eine Briefmarke für die Zustellung eines Briefes nach Schottland zur Verfügung stellen würde. Der Preis für diese Briefmarke sollte 100.000,- Hamstische Sickel betragen, da es sich um eine Sonderanfertigung handelte. Die Hamstische Post erklärte sich auch bereit, diesen Brief bis an die Landesgrenze bis nach Hamstercity zu befördern. Von dort aus würden Spezialisten der Hamstercity Post den Brief mittels einer neuen Beförderungsart in den Überseebereich versenden. Nachdem herauskam, dass es sich bei dieser neuen Beförderungsart um ein leeres Marmeladenglas handelte, das ins Meer geworfen werden sollte, winkte der Bürgermeister dankend ab. Weitere Gespräche mit der Hamstischen Post waren danach gescheitert. Die Möglichkeit einer Art Luftpost wurde auch in Erwägung gezogen, wobei in erste Linie Goldi einige Ideen hatte. Da Goldi jedoch keinerlei Garantie für eine erfolgreiche Zustellung der Einladung mittels einer Rakete abgeben konnte, wurde auch dieser Plan verworfen. Eine Schifffahrt war von vorneherein gar nicht erst in Betracht gezogen worden, da kein Hamster es je gewagt hatte, mit einem eigenen Schiff sich weiter als 10 Meter vom heimatlichen Ufer zu entfernen. Der einzige Hamster, der es je gewagt hatte, war Trampel gewesen, allerdings unfreiwillig, da er die Paddel an Land hatte liegen lassen. Nach drei Tagen war er dann halb verhungert wieder an den Strand von Hamstercity gespült worden. Die Möglichkeit, mit einem Auto bis hin zur Fähre in Amsterdam zu fahren, erwies sich als nicht durchführbar. Hamstische Autos waren auf Sonnenblumenöl als Treibstoff angewiesen, und der derzeitige Spritverbrauch der Motoren war einfach zu hoch. Es wurde ausgerechnet, dass für eine einfache Fahrt bis Amsterdam 5 Liter Sonnenblumenöl nötig waren, was bedeutet hätte, dass ein Auto von ca. 20 Tanklastwagen hätte begleitet werden müssen. Allerdings hätten auch diese Tanklastwagen von vielen anderen Tanklastwagen begleitet werden müssen, da auch sie Sonnenblumenöl als Treibstoff benötigten.

"Wir könnten ja ein Kompetenz-Team bilden", schlug Tuffi vor.

"Genau", rief Trampel, "dann wären wir doch schon einen Schritt weiter, oder?"

"Eine ausgezeichnete Idee", trompetete der Bürgermeister. "Was halten Sie davon, mein lieber Bauleiter?"

"Ich weiß zwar nicht, in welche Richtung wir dann einen Schritt weiter wären, aber ich finde, dass diese beiden kleinen Schlauköpfe das machen."

"Äh, was machen?" fragte Trampel entsetzt.

"Ein Kompetenz-Team bilden. Eure Aufgabe ist es, bis morgen herauszufinden, wie wir zum Schloss von McShredder kommen. In der Zwischenzeit werde ich mit den Reparaturteams 2 und 3 noch ein paar Sachen klären."

"Aber ich bleibe doch hier, oder?" fragte Dodo ängstlich. "Ich meine, ich bin doch der Schichtführer, und kann doch meine Arbeit nicht im Stich lassen."

"Du kommst mit", ordnete Bauleiter Murksel an. "Ich brauche dich für die Feinarbeiten unterwegs."

Im Hintergrund bekam Flecki einen Lachanfall.

"Aber Sasie und ich müssen zu unserer Tanzgruppe, wir können nicht weg", warf Tati hoffnungsvoll ein.

Bauleiter Murksel wirkte leicht genervt während der Bürgermeister nervös mit einer Pfote auf dem Boden tippte. Das tat er immer, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte. Murksel holte tief Luft, drehte sich um und sprach:

"Damit das ein für alle Mal klar ist, von nun an ist Ausgangssperre, Urlaubsstopp und Schnauzehalten angesagt. Die folgenden Hamster werden mitkommen: Tuffi, Dasie, Hamstilidamst, Sasie, Teeblättchen, Dodo, Trampel, Flecki und Goldi, Tati, sowie der Bürgermeister und ich. In 24 Stunden wird klar sein, wie wir fahren und bis dahin haben alle ihre Sachen gepackt und zwar nur das Nötigste, ist das klar?"

"Heißt das, ich muss mein Tanzkleid und meine Tanzschuhe zu Hause lassen, weil, ich dachte, ich könnte unterwegs..."

"Und wieso kommt Hamstilidamst mit?" unterbrach Flecki Sasies Redeschwall. "Der ist doch noch viel zu klein."

"Nun, öh, Hamstilidamst kommt mit, weil er sagt, er hätte schottische Vorfahren. Das könnte hilfreich bei der Wegfindung sein. Was die Tanzsachen betrifft, so glaube ich, es wäre besser, sie hier zu lassen." antwortete der Bürgermeister.

"Ach nee", begehrte Flecki auf. "Hamstilidamst findet doch nicht einmal alleine den Weg nach Hamsterhügel, und so einer soll uns führen?"

"Nun ja", warf Goldi ein, "er hat aber mal eine Karte von den Highlands gesehen und..."

"Ach, und außerdem ist er dein Kumpel, wie?" Flecki geriet allmählich in Rage. "Du glaubst wohl, weil..."

"Ich hab's!" rief plötzlich Trampel so laut er konnte. "Ich weiß jetzt, wie wir nach Schottland kommen!"

 

 

Kapitel 10

Alles Käse

Alle Augen waren auf den kleinen Trampel gerichtet. Der Bürgermeister hörte auf, mit der Pfote auf den Boden zu tippen, und Flecki hörte auf, Goldi zu würgen.

"Erzähl!" riefen Sasie und Dasie wie aus einem Mund.

Trampel schien sich auf einmal etwas unwohl zu fühlen, er sah kurz zu Goldi hin und blickte anschließend unsicher auf den Boden.

"Nun erzähl schon", ermunterte ihn der Bauleiter, "wir warten!"

"Also, ich dachte da an den Käsetransport", murmelte Trampel und guckte schuldbewusst zu Goldi.

"Käsetransport?" fragte Teeblättchen. "Was ist denn das nun schon wieder?"

Trampel blickte verlegen auf den Boden, seine Schnurrbarthaare zitterten, während seine Freunde ihn neugierig anstarrten. Flecki warf einen Seitenblick auf Goldi, doch den schien das alles nicht zu interessieren. Etwas jedoch sagte ihr, dass Goldi irgend etwas wusste. Sie stieß ihn in die Seite und flüsterte: "Da hast du doch wohl wieder deine dreckigen Pfoten im Spiel, oder?"

Goldi antwortete nicht, sondern betrachtete interessiert ein paar Steine auf dem Boden.

"Trampel, ich lasse dich mit einer Zahnbürste den Marktplatz schrubben, wenn du nicht sofort einen ausführlichen Bericht lieferst, was dieser Käsetransport ist, und was das bedeutet!"

Ängstlich blickte Trampel in die wütend funkelnden Augen des Bauleiters, schluckte und begann zu erzählen.

"Also, dieser Käsetransport ist eigentlich eine Autobahnraststätte, die recht weit weg von hier ist, und die Goldi mal gefunden hat. Den Namen hat er sich ausgedacht, weil da so viele Lastwagen halten, die Käse transportieren, das heißt eigentlich transportieren sie keinen Käse, jedenfalls nicht alle, sondern sie hatten Käse transportiert, zumindest einige."

"Häh? Was ist denn das für ein Quatsch? Und wie kommt es, dass Goldi weit läuft? Seine längsten Strecken sind doch die zum Lebensmittelladen und zurück!"

Trampel blickte Flecki mit riesigen Knopfaugen an und fuhr leise fort: "Das war damals, als die Sache mit der Gulaschkanone passiert war, und er sich verstecken musste."

Schlagartig wurde allen Hamstern klar, was das bedeutete. Nachdem nämlich Goldi vor langer Zeit die unglückselige Idee gehabt hatte, Hamsterhausen mit einer Gulaschkanone beglücken zu wollen, gab es außer einer gewaltigen Explosion auch eine Riesenüberschwemmung durch Gulasch. Es hatte lange gedauert, bis diese Sauerei aufgeräumt werden konnte. Der Bürgermeister hatte noch am selben Tag einen Haftbefehl gegen Goldi ausgesprochen. Dieser Haftbefehl wurde zu Fleckis Bedauern allerdings nie vollstreckt, denn Goldi war nach der Explosion verschwunden. Als er dann wieder auftauchte, hatte Hamsterhausen gerade andere Probleme, und die Sache mit dem Haftbefehl geriet in Vergessenheit. Jetzt war also endlich geklärt, wo Goldi sich zu dieser Zeit versteckt hatte.

"Jedenfalls hatte er weit hinter der Grenze von Hamsterhausen einen einsamen Rastplatz an einer Landstraße gefunden. Hier halten oft Lastwagen, die auf der Durchreise sind. Einige Wagen sind randvoll gefüllt mit leckerem Gouda, den sie irgendwo abliefern wollen. Andere Wagen hingegen sind leer und auf dem Rückweg. Goldi erzählte, dass er den Namen Amsterdam einmal auf einen der Lkws gelesen hatte. Das war ihm nämlich deshalb aufgefallen, weil das so ähnlich wie Hamsterdam klang."

Trampel unterbrach seinen Vortrag und sah sich vorsichtig um. Alle starrten ihn weiterhin an, und keiner sagte ein Wort. Trampel schluckte zwei-, dreimal, dann schaute er flehentlich zu Goldi.

"Jedenfalls haben wir mal nachgeschaut, wo dieses Amsterdam liegt, und dabei haben wir auch herausgefunden, wo dieses Gouda liegt."

"Und?" hauchte Teeblättchen.

"Ganz in der Nähe von Amsterdam", fuhr Goldi fort. "Kurz hinter Utrecht."

Nun waren wieder alle Augen auf den Bürgermeister und den Bauleiter gerichtet, die nahe beieinander standen und die im Grunde genommen genauso ratlos wie alle anderen waren. Der Bürgermeister begann erneut, mit seiner linken Pfote auf den Boden zu tippen, während Murksel sich nachdenklich am Fell kratzte. Nun musste eine Entscheidung gefällt werden, und es war zu spüren, dass die Spannung der Hamster sich auf dem Höhepunkt befand.

"Gouda kenne ich nur als Käse", unterbrach Dodo die Stille. "Wenn wir schon mal dort sind, können wir doch jede Menge als Vorrat mit nach Schottland nehmen, oder?"

Flecki verdrehte die Augen, Goldi grinste Hamstilidamst an, Trampel blickte ratlos auf den Boden, und der Bürgermeister betrachtete nachdenklich Bauleiter Murksel. Der wiederum sah vorwurfsvoll hinüber zu Flecki, Sasie und Dasie, die sich leise flüsterternd darüber unterhielten, welche Kleider sie auf der Reise anziehen sollten. Daneben stand Tuffi und wusste nicht, was sie sagen sollte.

"Öh, ja, Dodo, das ist eine ausgezeichnete Idee. Hat noch jemand Vorschläge?" Fragte der Bürgermeister und wäre fast umgefallen, als er beim Tippen mit der Pfote das Gleichgewicht verlor.

"Um Zeit zu sparen, sollten wir mit einem Auto bis zum Käsetransport, äh, ich meine bis zu der bewussten Raststätte fahren."

"Gute Idee, Goldi", sagte Murksel und nickte nachdenklich mit dem Kopf. "Möglicherweise können wir das Auto auf einem der Lastwagen dort verstecken und von Gouda aus bis Amsterdam zur Fähre fahren. Alles weitere entscheidet sich dann an Ort und Stelle. Wir packen noch heute unsere Sachen und werden morgen starten. Was meinen Sie, Herr Bürgermeister?"

"Öh, nun, äh, ich glaube, ich spreche im Namen aller anwesenden Hamster, wenn ich noch einmal auf die Notwendigkeit und Wichtigkeit dieser anstehenden Reise, die..."

"Mann, komm endlich zur Sache!" fauchte Flecki ungeduldig.

"Also gut", fuhr der Bürgermeister etwas genervt fort. "Wir nehmen den Wagen..."

 

Weiter: Das Projekt Pleasure Dome (Kapitel 11-15)

 

Kapitel 11

Auf geht’s

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Neuigkeit in Hamsterhausen verbreitet. Hunderte von Hamstern standen dicht gedrängt auf dem Marktplatz und warteten vor dem Rathaus in der Hoffnung auf eine kleine Feier. Als es keine Feier gab, kam es nach kurzer Zeit zu den ersten Ausschreitungen, die Hamstische Polizei musste einschreiten und wie üblich die aufgebrachte Menge mit Sonnenblumenkernen beruhigen. Als dann auch noch der Bürgermeister auf dem Balkon des Rathauses auftauchte, machte die Meute, dass sie verschwand, denn auf eine Rede war nun wirklich niemand scharf. Etwas enttäuscht zog sich der Bürgermeister wieder zurück und setzte die letzten Reisebesprechungen mit Murksel, Tuffi, Dasie, Hamstilidamst, Sasie, Dodo, Trampel, Flecki, Goldi,Tati und Teeblättchen fort. Viel zu besprechen gab es auch nicht, denn das Wenige, was geplant werden konnte, war schnell geplant. Bauleiter Murksel hatte einen kleinen Transportbus aus den Hamstischen Reparaturbeständen besorgt. Tuffi, die Erfahrungen im Umgang mit Bulldozern und ähnlichen Baufahrzeugen hatte, sollte zunächst das Lenkrad übernehmen.

"Und warum darf ich nicht fahren?"

"Das wirst du dir wohl schon denken können, Goldi", antwortete Flecki vorwurfsvoll. "Denke doch mal an die Schneeräumungsaktion im letzten Winter. Du solltest mit dem Schneeräumer die Wege für die Fußgänger frei schieben. Statt dessen hast du die Fußgänger von den Wegen geschoben. Zwei Fußgänger mussten mit Unterkühlungen in das Krankenhaus gebracht werden, weil du sie mit dem Räumfahrzeug einfach tief unter die Schneemassen vergraben hattest."

"Das war im Winter, das ist lange her."

"Ach, und die Verfolgungsjagd im letzten Monat zu mitternächtlicher Stunde mit deinem Kumpel Knödel? Drei Ampeln habt ihr plattgemacht, bevor..."

"Ist ja schon gut", brummte Goldi und warf seinen Rucksack missmutig in den Bus.

Es dauerte ein wenig, bis auch das Gepäck der übrigen Mitreisenden verstaut war, und jeder Platz genommen hatte.  Die Abfahrt gestaltete sich zu einem kleinen Triumphzug, denn natürlich wollte jeder dem mutigen Kompetenz-Team noch einmal zuwinken. Die ersten Wetten wurden abgeschlossen, und erstaunlicher Weise ging es weniger um die Frage, ob das McShredder-Monster herbeigeschafft würde, sondern eher um die Frage, ob das Kompetenz-Team überhaupt lebend über den Ärmelkanal kommen würde. Die kleine Truppe in dem kleinen Transportbus bekam von diesen Dingen natürlich nichts mit und winkte fröhlich in die Menge zurück. Die Hamsterhausener Grenze wurde bereits nach kurzer Zeit erreicht, und Goldi wies Tuffi den Weg zu der fraglichen Raststätte. Bald stand die kleine Truppe auf einem großen Parkplatz und sah sich um.

"Das ist unheimlich hier", jammerte Dodo, "all die großen Lastwagen. Wie sollen wir da bloß reinkommen?"

"Warum fragen wir nicht einfach, ob wir mit dürfen?" schlug Teeblättchen vor.

"Besser nicht", warf Goldi ein. "Die denken doch sofort, dass wir Käse klauen wollen."

"Womit sie sicherlich auch Recht haben, wenn ich da an gewisse Hamster denke", spottete Flecki. "Kann es sein, dass du damals schon einige Raubzüge unternommen hattest? Jedenfalls wunderte es mich damals sehr, dass du reichlich zugenommen hattest, als du nach deiner Flucht irgendwann wieder aufgetaucht warst!"

"Du solltest mir dankbar sein, denn jetzt weiß ich als Einziger, was wir machen müssen."

Goldi zeigte mit der Pfote auf einen weit entlegenen Teil der Raststätte.

"Dort Hinten stehen die Lkws, die auf der Rückfahrt sind. Die sind nämlich leer, und da gibt es nichts zu holen. Gleich neben uns stehen die vollen Lastwagen, voll mit leckerem Käse. Dort sollten wir anfangen."

"Womit anfangen?"

Goldi starrte Tuffi erstaunt an und keuchte: "Uns zu proviantisieren natürlich!"

"Uns zu was?" fragte Dodo mit riesengroßen Augen, aus denen das Entsetzten hervorkroch. "Und wenn dabei etwas passiert? Das ist doch gefährlich, oder?"

"Goldi hat Recht", beschied Bauleiter Murksel, "es wäre nicht verkehrt, etwas Essbares aus einem der Laster zu besorgen und dann eine Reisegelegenheit zu suchen."

Der Bauleiter hatte den Satz noch nicht beendet, als Goldi und Trampel auf einen der Lkws geklettert und durch eine Öffnung in der Plane verschwunden waren. Wenig später schaute ein Hamsterkopf aus der Öffnung hervor, und es war Goldi, der rief: "Pass auf Dodo, hier kommt die erste Ladung!"

Dodo schaffte es gerade noch, seine Pfoten in die Luft zu heben, als ein streichholzschachtelgroßes Stück Käse an seinen Kopf prallte. Reflexartig hielt er den Käse mit den Pfoten fest und wollte gerade anfangen, laut zu jammern und der Welt mitzuteilen, dass er nun eine Beule am Kopf hätte, als das nächste Stück geflogen kam.

"Achtung, Dodo, hier kommt Nummer zwei!"

Kreischend hatte sich der große Hamster umgedreht und versuchte zu flüchten. Ein Stück Käse klatschte ihm in den Nacken und er fiel vor Schreck hin. Dann kam noch ein Stück geflogen und noch eins. Dann waren immer wieder die 'Achtung, hier kommt Nummer sowieso'-Rufe von Goldi und Trampel zu hören, die jedes Mal von einem ängstlichen Wimmern Dodos beantwortet wurden. Nach dem zehnten Wurf kletterten die beiden von dem Lkw herunter. Goldi lief zu Dodo, klopfte ihm auf die Schulter und meinte: "War doch alles halb so schlimm wie? Nun brauchst du unsere Vorräte nur dort hinten hin zu schleppen!"

"Ich kann nicht mehr, das ist viel zu weit!"

"Aber, aber, Dodo, das ist doch ein Klacks für einen Hamster, eine echte Lachnummer!" versuchte Trampel, ihn zu trösten.

"Mir tut aber der Kopf weh, ich kann nichts mehr tragen. Wie wäre es, du hilfst mir?"

"Das finde ich aber auch", meldete sich nun Murksel. "Wenn das doch eine Lachnummer ist, dann wollen wir doch, dass unser Freund Trampel etwas zu lachen hat, oder?"

Seufzend ließ sich Trampel von Dodo ein Stück nach dem anderen aufladen, während er sich auch noch Dodos Gejammer über dessen Beulen anhören musste. Der Rest der Truppe war bereits vorausgegangen, um Ausschau nach einem geeigneten Beförderungsmittel zu halten. Ein dunkelblauer Lkw stand etwas abseits von den übrigen Fahrzeugen und schien für ihre Zwecke ideal zu sein. Die Heckklappe war geöffnet und ein langes Seil hing bis auf den Boden hinunter. Bauleiter Murksel prüfte das Seil und war zufrieden.

"Ein festes, solides Seil, daran können wir den Wagen hochhieven."

"Können wir nicht lieber den hübschen roten Lastwagen dort hinten nehmen?" rief Tuffi.

"Oder den süßen gelben daneben, Bauleiter, der hat auch richtig saubere Reifen!" schlug Sasie vor.

"Und der da vorne hat so tolle Streifen an der Seite", schwärmte Dasie, "der ist auch sehr hübsch!"

"Genau", rief Sasie, "das dunkle Blau wirkt so traurig, wir sollten..."

"Klappe halten!" rief Murksel genervt. "Trampel, schieb den Käse in den Wagen und lieg nicht so untätig herum. Tuffi, du bindest das eine Seilende an die Anhängerkupplung von unserem Transporter. Die anderen klettern mit mir auf den Lkw, wir ziehen die Karre mit dem Seil hoch."

Nachdem sich das Hochziehen als nicht durchführbar erwiesen hatte, versuchten es die Hamster auf andere Weise.

"Bei drei springen wir, aber haltet euch fest am Seil", rief der Bauleiter und griff selber nach dem Seil. "Ein-zwei-drei!"

Mit einem fröhlichen Uhuj sprangen jetzt 10 Hamster mit dem Seil in die Tiefe. Tuffi und Trampel waren im Transporter sitzen geblieben und kamen sich plötzlich vor wie in einem Fahrstuhl, als sie nach oben gezogen wurden. Dann war die rasante Fahrt vorbei, und alles war still. Das Seil, das durch eine Öse an der Oberseite der Heckklappe befestigt war, hatte gehalten. In halber Höhe hingen sie: auf der einen Seite hing der Transporter, auf der anderen Seite die Hamster.

"Und nun?" jammerte Dodo. "Was machen wir nun?"

"Nun, äh, auf keinen Fall dürfen wir uns hängen lassen", stöhnte der Bürgermeister, der durch sein Gewicht natürlich mehr Mühe als die anderen hatte, sich am Seil festzuhalten. Ausgenommen Dodo, der  erhebliche Schwierigkeiten hatte, nicht den Halt zu verlieren und die bange Frage stellte: "Und wenn wir nicht mehr können?"

"Dann, äh, und mit dieser Einschätzung stehe ich sicherlich nicht alleine, werden wir ein Problem haben. Angesicht dieser Problematik sehe ich mich allerdings außerstande, irgendwelche Prognosen hinsichtlich unserer Zukunft abzugeben, denn ich fürchte..."

"Dass wir im Arsch sind", fauchte Flecki. "Wessen blöde Idee war das eigentlich?"

"Bauleiter Murksels Idee war das", fiepste Tuffi und erhielt einen vernichtenden Blick von demselben.

"Ihr könnt euren Mistkram selber machen, wenn euch das nicht passt", grölte der Bauleiter und versuchte, Tuffi in den Hintern zu treten. Sein Tritt verfehlte allerdings das Ziel, und er traf stattdessen Trampel, der vor Schreck laut quiekte.

"’Tschuldigung, Trampel, kommt nicht wieder vor!"

"Meine lieben Hamster, wir sollten versuchten, das Beste aus dieser für uns unangenehmen Situation zu machen, und vor allen Dingen einen kühlen Kopf zu bewahren! Wir haben in der Vergangenheit schon viele Probleme geschaffen und diese doch immer wieder beseitigt. Also Ruhe bewahren und eiskalt bleiben, liebe Freunde, denn in der Ruhe liegt die Kraft und.... Aaaaarg! Eflih, Kinap!"1

Der Bürgermeister war kurz davor durchzudrehen, denn er hing mit dem Hinterteil zum Inneren des Lkws hin und sah, was sich hinter dem Rücken der anderen Hamster abspielte. Die Luke wurde geschlossen!

"Was'n los, Bürgermeister?" fragte Goldi, doch statt einer Antwort sah er nur einen zitternden Hamster mit riesigen schwarzen Glubschaugen vor sich, der zitternd an den selben Seil wie er hing.

"Die Lu-Lu-Lu..."

"Wer ist Lulu?" fragte Teeblättchen neugierig.

"Da-da-da..."

"Nun fängt er auch noch an zu singen", stöhnte Sasie.

Dann wurde es dunkel, ein lautes Krachen war zu hören und die Hamster kreischten um die Wette. Für einen Moment war alles still, aus dem Transporter drangen Tatis und Dasies Rufe, was denn los sei. Gerade als Bauleiter Murksel ihnen zurufen wollte, dass alles in bester Ordnung sei, begann alles um sie herum zu beben.

"Das ist das Ende, wir sind erledigt!" jammerte Dodo

"Unsinn", knurrte Goldi, "das war der Anlasser, und wir sind losgefahren!"

"Chef, kann ich jetzt das Seil loslassen?"

Murksel überlegte kurz, dann antwortete er: "In Ordnung, Tuffi, Hamstilidamst und Teeblättchen können das Seil loslassen!"

Die Drei ließen los und landeten auf dem Boden. Das Seil rutschte ein Stück höher und der Transporter am anderen Ende des Seils bewegte sich ein Stück nach Unten.

"Jetzt Sasie und Trampel!"

Wieder rutschte das Seil höher und der Transporter näherte sich der Ladefläche des Lkws

"Und jetzt der Rest!" schrie Bauleiter Murksel. Kurz nachdem sie den Boden erreicht hatten, ließ ein lautes Poltern darauf schließen, dass auch der Hamster-Transporter wieder auf seinen Rädern stand.

"Jemand verletzt?" rief Murksel und sah sich um. Tati und Dasie waren aus dem Transporter gestiegen und rieben sich den schmerzenden Hintern. Dodo war auf Hamstilidamst gefallen und tröstete ihn. Ansonsten schien alles glimpflich ausgegangen zu sein. Der Bürgermeister holte ein großes Stück Käse aus dem Transporter, brach es in mehrere Stücke und gab jedem Hamster eines. Was war das für ein Auftakt ihrer Reise! Zufrieden saßen alle auf der Ladefläche und ließen sich den leckeren Käse schmecken. Da die Reise nun wohl einige Zeit dauern würde, beschlossen die Hamster, erst einmal eine kleine Party zu starten. Großzügig holte der Bürgermeister ein weiteres Stück Käse, zerteilte es und rief der Partiegesellschaft zu, sie sollten es sich schmecken lassen. Plötzlich ertönte oben von der Decke des Lkws eine Stimme:

"Kriege ich auch ein Stück Käse?"

Der dunkelblaue Lastwagen bog auf die vielbefahrene A9 ab. Nachdem er seinen Lkw vorsichtig in den Verkehr eingefädelt hatte, beschleunigte der Fahrer. Es war mittlerweile dunkel geworden, und die Scheinwerfer der Fahrzeuge auf der Gegenspur blendeten ihn hin und wieder. Vim van der Slampe fuhr diese Strecke seit Jahren, er kannte jede Kurve, und auch die unterschiedlichen Geräusche des Fahrbahnbelags auf dieser Strecke waren ihm vertraut. Er ärgerte sich ein wenig, denn er hing seinem Zeitplan hinterher. An dem Rasthof hatte er seinen Freund Dick van Achtern getroffen und mit ihm die Frage diskutiert, ob am kommenden Wochenende der PSV Eindhoven gegen Twente Enschede wohl mal wieder das Tor treffen würde, nachdem der neue Stürmerstar Ruud van Meisenbommel sich von der Verletzung aus dem Hinspiel beim AK Alkmaar erholt hatte. Leider hatte Vim van der Slampe darüber die Zeit vergessen und musste hektisch zu seinem Wagen rennen und losfahren. Er bedauerte es sehr, dass er die Ladefläche seines Lkws nur zweimal geschrubbt hatte, denn van der Slampe war ein gründlicher Mann, der keinen Schmutz duldete.

Inzwischen entspannte er sich etwas, denn er hatte nun die ebenfalls vielbefahrene A1 erreicht und gerade Osnabrück passiert. Das Verkehrsaufkommen in dieser Nacht war bislang gering gewesen, und er hatte seine kleine Verspätung wieder schnell gut gemacht. Noch etwas über 100 Kilometer bis zum Grenzübergang Oldenzaal und 25 weitere bis Hengelo, dachte er. Van der Slampe kam zu dem Entschluss, dass es wohl das beste sei,  bei der Raststätte nahe Appeldoorn eine letzte Rast einzulegen, bevor er den letzten Teil seiner Reise antreten würde. Sein Ziel war Alkmaar, wo jeden Freitag auf dem Rathausplatz der berühmteste Käsemarkt Hollands abgehalten wird. Hier würde er sich mit einem Händler treffen, den er noch aus alten Schulzeiten kannte. Mit einer Tonne Käse im Laderaum würde Vim van der Slampe dann die Weiterfahrt antreten. Fröhlich pfeifend überschlug er im Kopf noch einmal, wie viel Laib Gouda das denn so wären. Ein Laib wiegt 20 Kilogramm, rechnete er, also habe ich bei einer Tonne genau 50 Laib Käse in meinem Lkw. Prima, mit solch einer verhältnismäßig kleinen Menge würde er noch genug Platz für das notwendige Eis zur Kühlung in seinem Laderaum haben. Schließlich sollte der Käse ja in einwandfreiem Zustand in Edinburgh ankommen.

Die Hamster im Laderaum bekamen von diesen Dingen natürlich nichts mit. Ihre Sorgen waren anderer Natur. Vor Angst zitternd hatten sie sich auf der Ladefläche eng aneinander gekuschelt und starrten mit ihren großen Knopfaugen ins Dunkle. Was hatte dort eben von der Decke des Lkws zu ihnen gesprochen, ein Monster etwa?

"Tu doch was, schließlich bist du der Bürgermeister", fauchte Flecki. Der Angesprochene schluckte heftig und entgegnete: "Aber was ist, wenn ich gefressen werde?"

"Dann ist das Monster erst mal satt und wir haben Zeit, uns etwas Anderes auszudenken", flüsterte Goldi.

Der Bürgermeister dachte an Flucht, doch wohin sollte er fliehen? Es gab keinen Ausgang, keine Fluchtmöglichkeit. Selbst wenn, wie hätte er von dem rasenden Gefährt herunterspringen sollen? Vielleicht sollte er in Erwägung ziehen, sein Amt vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Doch was wäre, wenn plötzlich festgestellt wurde, dass es  ohne Bürgermeister womöglich auch ginge? Nein, er musste sich dem Unbekannten stellen. Ganz langsam watschelte er zum hinteren Teil des Lkws und wäre fast hingefallen, weil er gewohnheitsmäßig wieder anfing, während des Gehens nervös mit der Pfote auf den Boden zu tippen.  Nach wenigen Schritten blieb er zitternd stehen, hielt sich ängstlich die kleinen Pfoten vor das Gesicht und rief: "Wi-wi-willst du den ganzen Käse, o-o-oder nur ein Stück, liebes Monster?"

Für einen Moment herrschte Stille, nur die Fahrgeräusche des großen Wagens waren zu vernehmen. So langsam der Bürgermeister auch hin gewatschelt war,  umso schneller war er wieder bei den anderen Hamstern. Gemeinsam starrten sie in die Dunkelheit und warteten zitternd auf die Antwort, die auch umgehend kam.

"Ein Stück würde mir schon genügen. Aber warum nennst du mich denn Monster? Ich bin’s doch, euer Trampel!"

Ein hörbares Aufatmen erfüllte den Raum. Nach und nach entspannten sich die Hamster, und Goldi begann, Witze über Monster zu reißen, bis ihn ein vernichtender Blick Fleckis traf.

Bauleiter Murksel hatte eine Taschenlampe aus einem der Rucksäcke  hervorgekramt und betrachtete sich interessiert Trampels unangenehme Lage.

"Sag mal, du Spinner, warum hast du denn nicht losgelassen als ich 'loslassen' gerufen hatte?"

"I-ich habe mich nicht getraut", stammelte Trampel, der nach wie vor an dem Seil an der Wagendecke hing.

Murksel überlegte. Der arme Trampel hin an dem einen Ende des Seils. Durch eine Öse an der Decke hindurch lief das Seil weiter zur anderen Seite, wo es an der Anhängerkupplung des kleinen Transporters befestigt war. Sie mussten also das Seil von der Anhängerkupplung abmachen und soviel Gewicht daran hängen, dass Trampel langsam zum Boden zurück gelangen würde.

"Alles klar", rief der Bauleiter, nachdem er sich alles gründlich überlegt hatte. "Dodo, du holst ein paar Rucksäcke aus dem Transporter, die nehmen wir als Gegengewicht. Tuffi, du kannst schon mal vorsichtig das Seil an der Anhängerkupplung lösen!"

Daraufhin ging er zufrieden in Richtung des an der Decke hängenden Trampels, leuchtete mit der Taschenlampe auf ihn und rief ihm zu, dass er keine Angst zu haben brauche, das Reparaturteam würde sich um seine Rettung kümmern. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Von irgendwoher hörte er Tuffi sagen: "Fertig, Chef!" und zugleich schien ihm, dass Trampel immer größer wurde. Bevor er begriff, was los war, war ihm der Hamster kreischend auf den Kopf gefallen.

Es dauerte einige Minuten bis der Bauleiter die Augen wieder öffnete.

"Tuffi, ich bringe dich um! Ich sagte ’vorsichtig lösen' und nicht 'losmachen'!"

Es war nun keiner mehr in Stimmung, die Party weitergehen zu lassen. Recht bedröppelt saßen die Hamster in einer Ecke, kauten ein paar Käsekrümel und sahen zu, wie sich Tuffi abmühte, gemäß Bauleiter Murksel Anweisungen, das Seil zusammenzulegen. Jedes Mal wenn es aussah, als würde es der kleine Reparaturhamster geschafft haben, war das Seil stärker. Das am Boden zusammengedrückte Seil sprang auseinander und Tuffi flog kreischend durch die Luft. Nachdem sich das Spielchen einige -zig Male wiederholt hatte, rief ihr Murksel zu, sie solle aufhören damit und ein anderes Mal weitermachen, bevor allen Hamstern der Kopf von dem Gekreische platzen würde.

"Und nun", fragte Hamstilidamst, "was machen wir nun?"

"Abwarten und Käse essen", erwiderte Goldi.

"Genau", stimmte ihm Dodo schmatzend zu, "der Käse ist so etwas von lecker..."

"Ihr Kerle denkt wieder nur ans Fressen. Hamstilidamst hat völlig Recht. wir sollten uns echt mal überlegen, wie hier wieder herauskommen! Was ist, wenn wir schon längst in Amsterdam waren und nun vielleicht auf dem Weg nach dem Nordpol sind?"

"Nun, Flecki, ich denke nicht, dass wir schon so weit sind", warf Tati. ein. "Ich habe mal auf meine neue Uhr geguckt. Vor sieben Stunden sind wir losgefahren."

"Du hast eine neue Uhr? Lass mal sehen" rief Sasie und gemeinsam mit Tuffi, Trampel und Dasie rannte sie zu Tati, um die neue Uhr zu bewundern.

Bauleiter Murksel tat so, als ginge ihn das alles nicht an. Er nahm einen Zettel hervor und begann darauf herumzukritzeln. Neugierig sah ihm der Bürgermeister über die Schulter, und nach einer Weile begann er wieder mit seiner Pfote auf dem Boden zu tippen.

"Aber mein lieber Bauleiter, das bedeutet ja, dass wir uns in unmittelbarer Nähe der Grenze befinden!"

"Genau", antwortete der, "das bedeutet, dass wir bald in Holland sind."

"Jo", meldete sich Dodo zu Wort, "das bedeutet wohl auch, dass wir ohne Ausweise über die Grenze fahren!"

"Ha, das bedeutet, dass nur der blöde Fahrer durchsucht wird!" frohlockte Goldi.

"Äh, das bedeutet vielleicht, dass der Wagen durchsucht wird", rief Flecki entsetzt.

"Öh, das bedeutet, dass wir im Arsch sind", beendete Murksel die Diskussion.

 

Kapitel 12

On the Road again

Der dunkelblaue Lkw hatte fast den Grenzübergang Oldenzaal erreicht. Der Fahrer pfiff fröhlich ein Lied und wartete geduldig, als er nur wenig später neben dem Zollhäuschen stand. Ein Zollbeamter winkte den rollenden  Lkw näher.

"Hey, Vim! Na, bist du deinen Käse losgeworden?"

"Ja, Pete, mein Wagen ist sauber. Willst du nachschauen?"

Statt einer Antwort lachte der Zollbeamte nur und winkte dem Fahrer zu, dass er durchfahren solle. Van der Slampe gab Gas und überlegte sich, was er an der nächsten Raststätte zu essen bestellen würde. Ein Käseommelette wäre genau das Richtige seufzte er, doch ihm war klar, dass es solch ausgefallene Gerichte an der kleinen Raststätte mit Sicherheit nicht geben würde. Eher würde es auf Currywurst, Pizza oder Shaorma, eine Art Hamburger mit Pommes, hinauslaufen. Er schüttelte sich, denn er war nicht nur ein Käselieferant, sondern auch ein Feinschmecker in Sachen Käse. Wenn es seine finanzielle Lage gestattet hätte, wäre er lieber in ein gutes Restaurant eingekehrt und hätte sich an Käsefondue oder frische Kartoffeln mit überbackenem Käse gelabt. Als das in grellen Pop-Farben beleuchtete Schild der Raststätte auftauchte, seufzte er noch einmal und bog rechts ab. Er parkte sein Gefährt im hinteren Teil des Parkplatzes, damit er sich schnell wieder in den Verkehr einreihen konnte, wenn er mit dem Essen fertig war. Dann stieg er aus, schloss die Wagentür ab und ging auf das Restaurant zu.

"Wir haben angehalten, ob wir jetzt an der Grenze sind?" fragte Tuffi leise.

"Wie lange sind wir denn jetzt unterwegs, Tati?" wollte Bauleiter Murksel wissen.

"Wir sind jetzt genau.... 9 Stunden und 10 Minuten von Zuhause weg."

"Dann müssten wir eigentlich in Holland sein", überlegte Murksel, "bestimmt hat der Fahrer getrödelt:"

"Ein Lkw darf auf der Autobahn nicht so schnell fahren", bemerkte Goldi.

"Also stehen wir jetzt an der Grenze, ja?" fragte Dodo ängstlich. "Bestimmt geht gleich die Tür auf, und dann stürmen bewaffnete Polizisten mit scharfen Hunden herein, wir sind erledigt!"

"Wir müssen uns verstecken, aber wo?" jammerte Tati

"In unserem Wagen natürlich, aber was dann?"

"Gute Idee, Flecki. Wir setzen den Transporter direkt vor die Heckklappe. Wenn jemand die Klappe aufmacht, rasen wir los und fahren alles platt. Danach flüchten wir weiter zur Fähre. Wer sich uns in den Weg stellt, wird plattgefahren" rief Goldi begeistert.

Nach kurzer Diskussion wurde dieser Plan mangels Alternativen einstimmig angenommen. Die Hamster setzten sich in ihren Wagen, und Goldi durfte das Steuer übernehmen, da er für draufgängerische Aufgaben wie diese die nötige Qualifikation besaß.

"Hör doch endlich mal auf, mit dem Gaspedal herumzuspielen", schimpfte Flecki nach einer Weile.

"Ja, ehrlich, Goldi, du kannst den Motor abschalten", bestätigte der Bauleiter. "Erstens hören wir ja gar nicht, ob jemand die Luke öffnet und zweitens können wir hier die Luft bald nicht mehr atmen."

Enttäuscht stellte Goldi den Motor ab und lehnte sich zurück.

"Könntest du eventuell mal den Scheibenwischer abstellen?" schimpfte Flecki.

"Aber wir brauchen doch klare Sicht auf der Flucht", kam die prompte Antwort. "Oh!"

"Was willst du mit 'oh' sagen?"

"Äh, das Wasser ist alle", antwortete Goldi enttäuscht. "Aber das können wir auf der Fähre kriegen..."

"Hör auf, mit dem Blinker zu spielen, du machst mich wahnsinnig!"

"Ich teste doch nur", sagte Goldi beiläufig und schaltete das Fernlicht ein und aus. Dann drehte er an dem Radio bis er einen Sender mit Country-Musik gefunden hatte, probierte die Warnblinker aus und schaltete die Lüftung ein.

"Könntest du vielleicht mal wenigstens andere Musik einstellen? Das Gejaule ist ja unerträglich." schimpfte Flecki.

"Nun, etwas, äh, sanftere Musik wäre nicht schlecht", schlug der Bürgermeister vor. "Vielleicht etwas Klassisches."

Goldi fing an, auf dem Armaturenbrett herumzuklopfen. Mit einem "Danke schön" nahm er dem verdutzten Bauleiter die Taschenlampe aus den Pfoten und leuchtete auf die Anzeigen.

"Der Öldruck ist etwas niedrig", stellte er fachmännisch fest, "und die Geschwindigkeitsanzeige hakt." Dann wühlte er im Handschuhfach herum, bis er einen Dosenöffner fand und hebelte damit er an der Geschwindigkeitsanzeige herum. Nach ein paar Minuten  knackte es, und das Glas der Abdeckung des Geschwindigkeitsmesser fiel auf den Boden.

"So kommt man doch gleich viel besser an das Problem heran", grinste Goldi etwas unsicher und drehte an dem Tachoanzeiger. Es knirschte und der Tacho fiel in Einzelteilen auf den Fußboden.

"Geht er jetzt wieder?"

"Klappe, Dodo, ich muss mich konzentrieren. Das Problem ist nicht so sehr die Geschwindigkeitsanzeige, die braucht man sowieso nicht. Was mir Kopfzerbrechen macht, ist die instabile Anzeige des Öldrucks."

"Ich mache mir eher Sorgen, dass wir alle in die Luft fliegen", lästerte Flecki.

Statt einer Antwort knurrte Goldi nur leise und zog an dem seitlichen Hebel, um die Motorhaube zu öffnen. Dann stieg er aus und ging zur Vorderseite des Wagens.

"Bauleiter Murksel, sag ihm mal, dass er mit dem Mist aufhören soll!" fauchte Flecki, der das Herumgebastel sichtlich auf die Nerven ging.

"Tja, leider kenne ich mich mit Motoren nicht so gut aus..."

"Schöne Hilfe", spottete Flecki. "Bürgermeister, sprich mal ein Machtwort!"

"Nun, ich, äh, schließe mich meinem Vorgänger dahingehend an, als dass ich..."

Der Bürgermeister unterbrach seine geistreiche Replik und erstarrte. Auch die anderen Hamster spitzten die Ohren, und sogar Goldi hörte mit dem Hämmern auf. Der Lkw fuhr weiter! Nach einer kurzen Schrecksekunde brach Jubel aus, und Hamstilidamst rief:

"Wir sind in Holland, wir haben es geschafft!"

"Klasse", jubelte Dasie, "Flecki, stell doch mal flotte Musik an, dann können wir einen Freudentanz machen!"

Begeistert drehte und schaltete Flecki an dem Radio, doch es gab keinen Ton mehr von sich. Langsam dämmerte ihr etwas, und sie begriff die Tragweite dessen, was womöglich passiert war. Sie hob den Kopf und sah zur Seite, dorthin, wo Goldi mit trauriger Miene und mit völlig verdrecktem Fell neben der Motorhaube stand.

"Du, du hast doch wohl nicht etwa die Autobatterie leergefummelt?"

Goldi nickte. "Ja, aber das ist nicht weiter schlimm. Schlimmer ist vielmehr, dass der Motor ausgetauscht werden muss, der ist im Eimer."

"Im Eimer?" riefen seine erstaunten Hamsterfreunde im Chor.

"Im Eimer", bestätigte Goldi. "Da war leider nichts mehr zu retten."

Der Bürgermeister tippte wieder mit seiner Pfote auf den Boden und krächzte: "Wenn wir den Wagen nicht mehr nehmen können, dann..."

"Haben wir ein Problem", fügte Murksel leise hinzu.

Während im Laderaum seines Lkw Trübsal geblasen wurde, war Vim van der Slampe bester Laune. Nachdem er über die Europastraße 231 auf den Autobahnring, der um Amsterdam herum führte, gelangt war,  fuhr er in gemächlichem Tempo auf die A10 weiter. Ein Blick auf die Benzinanzeige sagte ihm, dass er noch genug Treibstoff bis Alkmaar und sogar noch bis zur Fähre nach Edinburgh hatte. Da allerdings die Benzinpreise auf der Insel heftig teuer waren, überlegte er bereits jetzt, doch am besten die kleine Tankstelle bei Ijmuiden kurz vor dem Fähranleger zu nehmen. Bei Amsterdam-Nieuw-Zuid verließ er den Stadtring und erreichte wenig später die A9 in Richtung Alkmaar.

"Soll das heißen, dass du alles, aber auch alles kaputtgefummelt hast?"

"Nicht alles, Flecki, ich meine, die Scheibenwischer beispielsweise gehen noch, wenn sie Wasser hätten...“

"Ich mach dich platt, du Irrer!" kreischte Flecki und wollte sich auf Goldi stürzen. Sie packte ihn am Fell, ließ ihn jedoch im selben Moment wieder los.

"Igit nein! Du bist ja voller Öl! Wie soll ich jetzt meine Pfote wieder sauber kriegen, ich bin konterminiert!"

Teeblättchen reichte seiner Schwester ein Taschentuch, während er Goldi vorwurfsvoll anguckte.

"Falls ihr, äh, mit euren Spielchen fertig seid, würde ich gerne eine kleine Konferenz einberufen", meldete sich der Bürgermeister zu Wort. "Wenn wir nämlich nicht mehr mit dem Wagen weiterfahren können, muss unsere jetzige Situation neu beurteilt werden."

Sofort ertönte ein lautes Geplapper und Geschnatter, bis Bauleiter Murksel kräftig mit der Taschenlampe auf den Metallboden des Lkws klopfte.

"Ruhe bitte und einer nach dem anderen", mahnte er und setzte sich hin. Die anderen folgten seinem Beispiel bis auf Flecki, die sich weigerte,  auf dem selben Boden wie Goldi zu sitzen und somit als einzige stehen blieb.

"Ich fasse mal zusammen", begann der Bauleiter. "Wir sitzen in einem holländischen Lkw und fahren durch Holland. Wohin, das wissen wir nicht. Wo wir sind, wissen wir im Moment auch nicht genau. Unser Plan, hinter Utrecht im eigenen Wagen weiterzufahren ist gescheitert. Erstens wissen wir nicht, wo Utrecht ist, zweitens wissen wir nicht, ob wir überhaupt durch Utrecht kommen, und drittens haben wir keinen Wagen mehr."

Der Bauleiter kratzte sich nervös am Fell und blickte in die Runde der Hamster. "Vorschläge?"

"Also, zuerst sollten wir mal feststellen, wo wir sind", rief Tati.

"Im Lkw, Genaueres wissen wir nicht. Nächster Vorschlag!" brummte Murksel.

"Wir sollten herausfinden, wohin wir fahren!" meldete sich Hamstilidamst.

"Können wir im Moment nicht rausfinden, nächster Vorschlag!"

"Wir könnten diesen nichtsnutzigen Idioten Goldi über Bord schmeißen", schlug Flecki vor.

"Geht nicht, wir kriegen die Tür nicht auf. Nächster Vorschlag."

Goldi räusperte sich.

"Wir bleiben sitzen und warten ab. Zu Essen haben wir genug, es ist warm und trocken hier drin, und wir haben alle im Moment nichts Besonderes vor."

Die Diskussion ging noch eine Weile weiter, und mangels Alternativen blieb dieser Vorschlag der einzig Brauchbare. In der folgenden Abstimmung wurde Goldis Vorschlag bei einer Gegenstimme angenommen.

In diesem Moment hatten sie Alkmaar erreicht. Der Fahrer verlangsamte die Geschwindigkeit seines Lkw und bog in eine Seitenstraße ein. Er hatte sein Ziel erreicht und er betrachtete durch die Windschutzscheibe das geschäftige Treiben auf dem barocken Marktplatz. Neben einer kleinen Servicestation für die Lkws parkte er und hielt Ausschau nach seinem Freund und Handelspartner.  Weit und breit war noch nichts von ihm zu sehen. Vim van der Slampe stieg aus und sah auf die Zeiger der Rathausuhr. Er war eine Stunde zu früh gekommen, aber das machte überhaupt nichts. Fröhlich pfeifend nahm er einen der vielen Eimer, die an der Servicestation standen, füllte ihn mit Wasser  und ging zum Heck seines Fahrzeugs. Prima, dachte er, nun habe ich noch genug Zeit, in Ruhe die Ladefläche zu schrubben, bevor die Ladung kommt.


In dem dunkelblauen Lkw saßen die Hamster und warteten auf eine ungewisse Zukunft. So langsam dämmerte ihnen, dass ihr grandioser Plan dabei war, völlig danebenzugehen, und dass  ihnen die Kontrolle über die Ereignisse einmal mehr entglitt. Sie saßen mit großen Augen in einer Ecke des Laderaums und harrten der Dinge, die da kommen würden. Die merkwürdigen Geräusche draußen verhießen nichts Gutes. Dann klang es, als mache sich jemand an der Heckklappe des Lastwagens zu schaffen. Panik brach aus, in wilder Flucht rannten die Hamster im Kreis herum. Jemand schrie: "Wir müssen uns verstecken!"  worauf  als Antwort ertönte "Wo denn?"  bis alle stehen blieben und einander ratlos ansahen. Ihr Blick fiel auf den einzigen Gegenstand im Laderaum. "Wir nehmen den Wagen", ertönte es, und alles hechtete panisch und schreiend in den kleinen Transporter.

Vim van der Slampe fiel vor Schreck fast der Eimer mit dem Putzwasser aus der Hand. Wie sah denn die Ladefläche aus? Wo kamen die ganzen Krümel her und was waren das für kleine, schwarze Dinger?  Was war geschehen? Sein Blick fiel auf das kleine Hamsterauto. Kinder! Das konnten nur spielende Kinder gewesen sein. Wahrscheinlich hatten spielende Kinder auf dem Rastplatz es sich in seinem Lkw gemütlich gemacht  und waren geflüchtet, als sie ihn kommen gesehen hatten. Dabei hatten sie ihr Spielzeugauto wohl vergessen. Wo mochten diese Kinder hergekommen sein? Bestimmt gehörten sie zu irgendeiner Familie, die auf der Reise ebenfalls eine Rast eingelegt hatte. Was aber sollte er nun mit dem Spielzeugauto machen? Ihm wurde heiß bei dem Gedanken, was seine Kumpels hier auf dem Marktplatz wohl sagen würden. "Na, Vim, bist du nicht ein bisschen alt für so ein Spielzeug oder übst du heimlich Lkw-Fahren? Ist das dein Ersatzwagen, ha, ha", oder so ähnlich. Ja, Lkw-Fahrer waren harte Kerls und für ihre üblen, gemeinen Scherze bekannt. Es war klar, dass er das Auto irgendwie loswerden musste, aber wie? Ein infernales Hupen riss ihn aus seinen Gedanken; erschrocken sah er zur Seite. Ruud Kloetsack, ein besonders übler Bursche, parkte seinen riesigen, blauen Truck gerade neben ihm. Um Gottes Willen, nicht der! Das Spielzeugauto musste sofort verschwinden, sonst würde er gleich zum Gespött der ganzen Trucker werden! Schweiß perlte ihm über die Stirn, und er dachte fieberhaft nach. Dann kippte er den Inhalt des Eimers auf die Ladefläche, nahm den Hamstertransporter und steckte ihn in den leeren Eimer. Keine Sekunde zu früh.

"Na Vim, du alte Schlampe, machst du Frühjahrsputz?" röhrte es neben ihm, und eine riesige Pranke fiel auf seiner Schulter nieder, dass ihm beinahe der Eimer aus der Hand gefallen wäre. "Vergiss die Ecken nicht!" grölte Ruud und ging zu Vim van der Slampes Erleichterung weiter. Ganz ruhig bleiben, dachte Vim, lächelte seinem Kumpel hinterher und versuchte, möglichst locker zu bleiben, als er sich mit dem Eimer zu seinem Fahrerhaus hin begab. Er riss die Tür auf und stellte den Eimer in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Hastig schlug er die Tür zu und lief zur Servicestation, um sich einen neuen Eimer mit Wasser zu holen. Dann machte er sich daran, die Ladefläche zu schrubben. Komisch, dachte er zwischendurch, überall sind kleine Ködel. Die Kinder müssen Mäuse oder so etwas bei sich gehabt haben.

"Würdest du bitte mal deine Pfote aus meiner Nase nehmen, Dodo?"

"Tut mir Leid, Trampel."

"Wo sind wir?" stöhnte der Bürgermeister und rieb seinen Kopf, den er sich soeben am Lenkrad gestoßen hatte.

"Im Eimer, würde ich sagen", stellte der Bauleiter lakonisch fest.

"Wirklich eine feine Tour", schimpfte Flecki. "Und was nun? Mein Fell ist eingesaut von diesem Idioten Goldi, und der Bürgermeister tut wieder nichts. Wie soll das jetzt bitteschön weitergehen?"

"Öh, also erst mal sollten wir sehen, dass wir hier rauskommen", ertönte die Stimme des Bürgermeisters, der zwischen Rücksitz und Hamstilidamst eingeklemmt war. Auf ihm saß Dodo, der verzweifelt versuchte, seine linke Pfote aus Trampels Nase zu ziehen.

"Also nee, nix als Kacke an der Hacke", fluchte Bauleiter Murksel und wühlte sich an Teeblättchen vorbei, öffnete die Wagentür und kletterte auf den Transporter. Goldi folgte ihm und beide starrten über den Rand des Eimers auf die neue Umgebung.

"Boi, eye", rief Goldi begeistert, "der neue MAN-Diesel! Ich muss unbedingt mal sehen, wie der Tacho aussieht, ich komme gleich..."

Weiter kam Goldi nicht, denn Bauleiter Murksel hatte ihn an der einen und Flecki an der anderen Hinterpfote gepackt.

"Hiergeblieben", rief Flecki, während Goldi verzweifelt versuchte, das Armaturenbrett zu erreichen.

"Loslassen!" keuchte Goldi, dessen Vorderpfoten langsam von der glatten Konsole abrutschten.

"Erst versprichst du, dass du nichts anfasst", fauchte Flecki wütend.

"Ich denke nicht daran, aaah!" Goldi war mit den Vorderpfoten abgerutscht und hing nun vom Rand des Eimers herunter.

"So", spottete Flecki, "da kannst du jetzt hängen, bis dir schlecht wird, oder bis du versprichst, nichts anzufassen."

Während Goldi seinen Protest in Schweigen hüllte, drehte sich der Bauleiter um und rief: "Ihr könnt alle schon mal herauskommen und euch jeder ein schönes, leckeres Stück Gouda nehmen.  Ach ja, gebt bitte Flecki und mir auch jeweils ein schönes Stück."

Nach fünf Minuten gab Goldi auf und versprach hoch und heilig, nicht an den Armaturen herumzufummeln und erhielt auch ein Stück Käse.

"Wo verstecken wir uns jetzt?" fragte Dodo ängstlich, als auch das letzte Stück Käse gegessen war.

"Wir wäre es unter dem Beifahrersitz?" schlug Tati vor.

"Oder fliehen", schlug Dodo hastig vor.

"Wir haben noch immer keine Ahnung, wo wir eigentlich sind. Was nützt es uns also, wenn wir fliehen", überlegte Murksel laut. Er kletterte am Beifahrersitz hoch bis auf die Rückenlehne, von wo aus er aus dem Seitenfenster gucken konnte. "Oh, oh", keuchte er und kletterte so schnell er konnte wieder zurück. "Da draußen sind ganz viele Menschen, wir bleiben besser hier drinnen, da sind wir sicherer."

Der Bürgermeister räusperte sich, denn er fand, es war an der Zeit, einen geistreichen Beitrag zu der Situation zu leisten.

"Nun, wir sollten zunächst zufrieden sein, liebe Hamsterfreunde. Wir sind im Trockenen und haben noch genug zu Essen. Bis uns etwas Besseres einfällt, werden wir unter dem Beifahrersitz bleiben."

Alle nickten zustimmend, und der Bürgermeister war zufrieden, dass sein Vorschlag so schnell angenommen worden war. Lediglich Goldi grinste in die Runde und sagte: "Wie ihr wollt. Ich für meinen Teil werde es mir gemütlich machen."

Elf Paar schwarze Knopfaugen schauten ihn fragend an, und Goldi fügte hochnäsig hinzu: "Jeder, der sich auch nur halbwegs mit Lkws auskennt, und jeder, der schon mal etwas vom MAN-Diesel gehört hat, weiß, dass es da eine Schlafkoje gibt. Dort können die Fahrer auf langen Strecken zwischendurch schlafen."

Elf Paar schwarze Knopfaugen schauten ihn weiterhin ungläubig an und so kletterte Goldi am Sitz hinauf bis auf den oberen Rand der Rückenlehne. Dort angekommen drehte er seinen Freunden den Rücken zu und zeigte auf einen tiefblauen Vorhang. Dann kletterte er an der Rückseite des Vorhangs hoch und war verschwunden. "Boi, ist das gemütlich hier", hörten ihn die zurück gebliebenen Hamster rufen. "Kommt schnell her, bringt die Rucksäcke und das Fressen mit, jetzt ist Party angesagt!"

Mit vielfachen "Uhuj"-Rufen kletterten seine Freunde mit Gepäck und Fressen hinterher, und als gerade der letzte Hamster hinter dem Vorhang der Schlafkabine verschwunden war, öffnete sich die Fahrertür, und Vim van der Slampe setzte sich in die Fahrerkabine. Er ließ den Motor an und setzte den Lastwagen ein Stück zurück, dann stieg er wieder aus und half beim Einladen des Käses. Mit geübten Griffen ging das Beladen recht zügig voran. Schon nach kurzer Zeit saß er wieder in seinem Führerhaus und griff in die Ablage, sah sich einige Papiere an, nickte mit dem Kopf. Dann fiel sein Blick auf den Eimer mit dem Wagen. Er legte die Papiere wieder in die Ablage zurück und hob den Wagen aus dem Eimer und betrachtete ihn genau. Sofort fiel ihm auf, dass das kein gewöhnliches Spielzeug war. Nachdenklich öffnete er die Motorhaube und überlegte. Ein lautes Hupen riss ihn aus seinen Gedanken und die laute Stimme von Ruud Kloetsack war zu hören:

"Hey Vim, machst du noch ein Nickerchen? Sieh zu, dass du deinen gammeligen Käse nach Edinburgh bringst!"


 

Kapitel 13

Auf See

Van der Slampe legte geschwind den Transporter auf den Beifahrersitz, lächelte seinem Kumpel zu und ließ den Motor an. Vorsichtig setzte er den schweren Wagen zurück, schlug die Räder scharf nach rechts ein und lenkte erst wieder gerade, als er den roten Lastwagen seines Kumpels Ruud Kloetsack vor sich sah. Nun legte er den Vorwärtsgang ein, lenkte nach links und  folgte einer gelben Markierung, bis er den Marktplatz verlassen hatte. Dann gab er Gas. Nach wenigen Minuten befand er sich wieder auf der holländischen A9, diesmal in südlicher Richtung. Nach einer weiteren halben Stunde bog er rechts ab und tankte seinen Wagen an einer kleinen Tankstelle auf. Beim Bezahlen nahm er noch eine Tagezeitung mit und setzte die Fahrt fort. Kurz darauf sah er schon von weitem die Fähre. Das große, weiße Gittertor, durch das alle Fahrzeuge hindurch mussten, um auf das Schiff zu gelangen, war bereits geöffnet. Ein kurzer Tritt auf die Bremse, und er manövrierte den schweren Lastwagen durch das Tor. Sofort nahm er die äußerste rechte Fahrspur, die nur den schweren Transportfahrzeugen vorbehalten war und hielt Ausschau nach den Bediensteten des Terminals. Er hatte Glück, denn er wurde heran gewinkt und konnte gleich in den weit geöffneten Schlund der Fähre hinein fahren. Prima, dachte er, es ist doch gut, wenn einen die Leute kennen. Schließlich würden seine Papiere in Newcastle ohnehin noch einmal geprüft werden und schlimmstenfalls seine Ladung ebenfalls. Vorsichtig folgte er nun den Anweisungen des Terminal-Personals, bis sein Lkw im hinteren Teil des Schiffrumpfes untergebracht war. Er atmete auf, zog die Bremsen an und stellte den Motor ab. Nun musste er noch seine wenigen Sachen, die er wie immer in einer kleinen Reisetasche unter dem Fahrersitz hatte, einpacken und sich an Bord begeben. Dort würde er sich einen Schlafsessel suchen und die heutige Nacht verbringen. Gerne wäre er in seine Schlafkoje gekrochen, doch leider war es aus Sicherheitsgründen nicht gestattet, während der Seereise in den Fahrzeugen zu bleiben.

Sein Blick glitt wieder zu dem kaputten Hamsterwagen, und er schien zu überlegen. Wieder öffnete er die Motorhaube und sah neugierig hinein. Warum sollte er nicht die langweilige Überfahrt nutzen und an einem ruhigen Platz an Bord versuchen, dieses - wie er meinte - Modellauto zu reparieren? Schließlich legte er den Wagen in den Eimer zurück. Aus einem Seitenfach nahm er einen kleinen Werkzeugkoffer,  griff den Eimer und seine Reisetasche und öffnete die Fahrertür. Gerade als er aussteigen wollten, stutzte er, hob den Kopf und schnüffelte. Was war das für ein merkwürdiger Geruch in seinem Wagen? Bereits in Alkmaar war es ihm aufgefallen, dass die Luft in seinem Lkw merkwürdig vergoren roch. Was soll’s, dachte er sich, drehte das Fenster der Fahrertür hinunter und stieg aus.

"Ist er weg? Ich muss hier dringend raus!"

"Moment, Flecki, er verschwindet gerade durch eine Eisentür." Vorsichtig spähte Sasie durch einen Spalt im Vorhang nach draußen. "So, jetzt ist die Luft rein!"

"Die Luft ist nicht rein", stöhnte Flecki und kletterte so schnell sie konnte am Vorhang hinunter. "Warum muss dieser Kerl die Luft dermaßen verpesten, wenn er frischen Käse gegessen hat?" und guckte Goldi böse an.

"Sag mal, habt ihr gehört, was der vorhin gesagt hat?" fragte Hamstilidamst.

"Wer?" fragte Teeblättchen zurück.

"Na, dieser andere Lkw-Fahrer in dem roten Lastwagen. Der hat zu unserem Fahrer gesagt, dass er, also unserer Fahrer, den gammeligen Käse nach Edinburgh bringen soll!"

"Äh, Moment mal", warf Flecki ein, "wieso kannst du Holländisch verstehen, ich denke, du hast schottische Vorfahren?"

"Nun ja, ich habe auch holländische Vorfahren, sozusagen schottisch-holländische Vorfahren."

"Das ist ja auch egal", rief Murksel begeistert, "dann sind wir ja auf der Fähre! Seht nach draußen Leute, wir sind im Schiff nach Newcastle!"

"Nun, meine lieben Hamster", tönte der Bürgermeister, "wieder einmal hat es sich gezeigt, dass wir Hamster durch nichts aufzuhalten sind. Durch Mut und Eigeninitiative, allen Widrigkeiten trotzend,  haben wir es geschafft, gewissermaßen unter meiner Führung, unser Ziel..."

"Sagt mal Leute, ist das nicht der Dampfer, auf dem es so ein geniales Fressmenü gibt? Ich glaube, das heißt Dinnerbuffet! Da muss ich hin, wer kommt mit?"

"Also ich komme mit", rief Dodo, und bis auf Flecki nickten alle begeistert.

"Und was ist, wenn wir erwischt werden?" rief sie. "Die werden uns über Bord schmeißen, und das war’s dann. Unsere toten, kalten Körper werden dann auf dem Meeresgrund  liegen."

"Ja, aber immerhin hätten wir uns vorher so richtig die Bäuche vollgeschlagen", entgegnete Goldi.

Nun hieß es aber erst einmal abwarten. Am Felison Terminal standen noch viele Wagen, die darauf warteten, an Bord gefahren zu werden. Im Rückspiegel konnten die Hamster verfolgen, wie sich der Bauch des Schiffes mehr und mehr füllte, Leute aus den Autos stiegen und mit ihrem Gepäck durch eine der Türen in der Mitte des Schiffs verschwanden. Bis auf ein paar Leute vom Schiffspersonal war bald der Bauch des Schiffes menschenleer. Das Schiff vibrierte nun stärker als zuvor, und das bedeutete, dass die Reise begonnen hatte.

"Nanu", rief Murksel nach einer Weile, "merkt ihr das auch? Wir fahren jetzt plötzlich rückwärts!"

"Vielleicht sind wir ja vorher rückwärts gefahren und fahren jetzt vorwärts!" vermutete Tati. "Oder der Käpitän hat noch was vergessen..."

"Oder die haben gemerkt, dass wir an Bord sind. Jetzt kehren wir um, und dann kommt die Polizei", jammerte Dodo.

"Vielleicht haben die das Schiff ja auch nur gedreht, damit sie aus dem Hafenbecken kommten", bemerkte Goldi richtig. "Aber das bedeutet, dass die Gelegenheit günstig ist. Bestimmt hängen diese Idioten alle an der Reeling und gucken, wie toll das aussieht, wenn so ein blödes Schiff fährt. Wir brauchen jetzt nur in eines der Fress-Restaurants zu gehen und uns zu proviantisieren. Irgendwo finden wir schon einen kleinen Ort für unsere Fress-Party. Los, kommt, wir klettern durch das Fenster!"

Goldi ließ seinen Worten Taten folgen und kletterte voran. Kurze Zeit später stand die hungrige Hamsterschar vor einer der geschlossenen Eisentüren, durch die es zu den Kabinen und ins Innere des Schiffes ging.

"Und nun, was machen..."

"Geduld, Dodo, wir verstecken uns hier unter diesem Wagen und warten", unterbrach ihn Goldi und kletterte unter einen roten Opel. "Hier ist es schön warm, und wir können sehen, wenn sich jemand nähert. Irgendwann muss jemand vom Schiffspersonal kommen, denn es ist scheinbar recht stürmisch draußen. Bei Sturm muss geprüft werden, ob die Lastwagen fest verlascht sind."

In der Tat dauert es nicht lange, und die schwere Eisentür wurde geöffnet. Ein Mann und eine Frau stiegen heraus, jeder von ihnen trug einen Werkzeugkoffer.

"Auf geht’s!" rief Bauleiter Murksel, und die Hamstertruppe rannte durch die Türöffnung. Es war Eile geboten, denn die schwere Eisentür fiel recht schnell wieder ihr Schloss zurück. Wenige Sekunden ging die Tür krachend zu, ein "Aaaaaaaah" ertönte, gefolgt von einem Klatschen und einem Poltern. Dann war alles still.

"Jemand verletzt?" fragte der Bürgermeister. "Wo steckt Trampel?"

"Hier unten", ertönte eine leise Stimme. "Die Tür hat mich erwischt!"

Tatsächlich befand sich Trampel ein Stockwerk tiefer, nachdem ihm die Tür einen gewaltigen Klapps gegeben hatte, und er mehrere Meter durch die Luft bis zur nach unten führenden Treppe geschossen wurde. Doch Glück im Unglück: Trampel lag direkt neben dem Fahrstuhl, und neben dem Fahrstuhl stand der Reinigungswagen des Putzpersonals. Hamstilidamst kletterte hinauf und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Nach kurzer Zeit kam der Fahrstuhl, und nun war Dodo an der Reihe. Er schob den Reinigungswagen in den Fahrstuhl hinein, und Hamstilidamst blickte nun auf eine Tafel mit vielen Knöpfen.

"Äh, welchen soll ich denn nun drücken? 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, oder 8?"

Die Hamster sahen einander ratlos an. Dann richteten sich alle Blicke auf Goldi.

"Die Sechs!"

Hamstilidamst drückte auf den Knopf mit der Nummer 6, und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Neben der Fahrstuhltür leuchtete die Anzeige des jeweiligen Stockwerks auf. Als die Sechs aufleuchtete und der Fahrstuhl stoppte, war keinem der Hamster wohl zumute, und wenn ihr Hunger nicht so groß gewesen wäre, dann hätten sie schon längst die Flucht angetreten.

"Soll ich den Putzwagen wieder vor die Tür schieben?"

Der Bauleiter überlegte, dann nickte er. "Vielleicht brauchen wir ihn für unsere Flucht."

"Vielleicht sollten wir nun strategisch vorgehen", empfahl der Bürgermeister. "Wir könnten einen Späher vorschicken."

In diesem Moment kam eine Gruppe Passagiere vorbei, und die Hamster kletterten wieder auf den Reinigungswagen.

"So wird das nichts", knurrte Murksel enttäuscht, "so kommen wir nicht mal über den Flur!"

In diesem Moment ging ein Ruck durch den Reinigungswagen, und die Hamster erschraken. Eine Stimmte ertönte: "Der Wagen muss hier weg, der steht direkt vor dem Fahrstuhl. Mareike, bringe den Wagen schon mal in die Küche, wir brauchen den nachher, um den Speisesaal zu reinigen!"

Der Wagen wurde nun so schnell fortgeschoben, dass die Hamster arge Probleme hatten, nicht herunter zu fallen. Da zu dem Zeitpunkt noch nicht viele Menschen unter Deck waren, ging es zügig voran. Dann stoppte der Wagen abrupt, und Trampel fiel herunter. Eine Tür schloss sich geräuschvoll und es war still.

"Trampel, ist alles in Ordnung?"

"Ja, danke, Bauleiter. Nur mein Kopf hat eine Beule. Dieser Schrank hier ist sehr hart."

"Das ist kein Schrank, das ist ein Herd", warf Flecki ein und sah sich um. "Wir sind tatsächlich in der Küche."

"Los, Leute, anfassen, jetzt wird eingekauft, der Supermarkt hat geöffnet!" rief Goldi, kletterte auf einen Stuhl und von dort aus auf den Tisch. "Boi, eye, hier ist die Gemüseabteilung! Und Kekse! Dodo, fang!"

Tatsächlich waren sie in einem Nebenraum der Küche gelandet. Hier standen die Obstkörbe und all die Leckereien, die zu einem gepflegten Nachtisch gehören. In der angrenzenden Küche war das Personal hektisch damit beschäftigt, die warmen Speisen für die Passagieren zuzubereiten, denn schließlich sollte das 'Seven Seas Restaurant' in wenigen Minuten öffnen. Die Tür wurde aufgerissen, und die Hamster flüchteten auf den Reinigungswagen. Jemand stieß gegen den Wagen, und eine ärgerliche Stimme war zu hören: "Welcher Idiot hat den Putzwagen denn hier hingestellt?" Gleich darauf mussten sich die Hamster festhalten, denn nun wurde der Wagen wieder aus dem Raum geschoben. Kurz darauf standen sie wieder neben dem Fahrstuhl.

"Öh, und nun?"

"Ab nach Hause natürlich, Dodo", rief der Bauleiter. "Trampel, klettere mal hoch und versuche, den Fahrstuhlknopf zu erreichen!"

Während Trampel nun am Gestänge des Putzwagen hochkletterte, drehte Flecki den Kopf suchend hin und her. "Wo steckt denn dieser unnütze Goldi?" rief sie.

"Verdammt," rief Dasie, "ich glaube, der ist bei dem Obstkorb und den Keksen geblieben. Wir müssen ihn holen!"

Dem Bürgermeister fiel fast das Herz in die nicht vorhandene Hose, als er sah, was sich auf dem Deck abspielte. Menschenmassen strömten zum Restaurant hin, und es würde eine gefährliche Sache werden, zwischen all den Füßen hindurchzulaufen. Nach einer kurzen Diskussion wurde beschlossen, dicht an der Fußleiste der linken Wand entlang zu laufen und kurz hinter dem Eingang in den Speisesaal nach rechts zu schwenken. Von dort aus waren es nur noch wenige Meter bis zum Nebeneingang der Küche. Dann gab Bauleiter Murksel das Zeichen, und die Hamstertruppe lief, so schnell ihre kleinen Pfoten es zuließen, dicht zwischen den gefährlichen Füßen zur einen und der Wand zu anderen Seite. Immer wieder gab eines der kleinen Tiere zwischendurch ein ängstliches Quieken von sich, wenn der eine oder andere Fuß bedenklich dicht neben Schwanz oder Pfote aufsetzte. Sie hatten den Eingang zum Restaurant erreicht, liefen an der Sperre vorbei und hielten neben einem Salatbuffet an. Dort warteten sie, bis eine größere Menschenmenge an ihnen vorbeigelaufen und eine Lücke entstanden war. Nun kam der letzte Teil dieser gefährlichen Strecke und die Hamster rannten um ihr Leben, als plötzlich eine laute, hohe Stimme durchdringend schrie: "Hulp! Muizen!"1 Sie waren entdeckt worden! Schnell liefen sie unter den nächsten besten Buffettisch und warteten. Um sie herum war nun ein allgemeiner Aufruhr entstanden, und zwei junge Damen des Restaurantservice sprachen mit einer dicken Dame, die aufgeregt immer wieder auf den Boden deutete. Nachdem jedoch die Servicedamen einen nicht unerheblichen Sherrygeruch bei der dicken Dame wahrgenommen hatten, legte sich die Aufregung. Die dicke Dame wurde an einen Tisch geführt, wo sie auf Kosten des Hauses eine Gratisflasche Wein erhielt. Während dessen hatten die Hamster unbemerkt den Raum erreicht, in dem sie Goldi vermuteten. Zu ihrem Glück war die Eingangstür angelehnt.

"Da sagt man immer", japste der Bürgermeister, "dass Seereisen entspannend sind." Keuchend lehnte er sich an das Bein eines der Küchentische und sah den anderen bei der Suche nach dem verschwundenen Goldi zu. Als er wieder zu Atem gekommen war, bemerkte er, dass das Tischbein ungewöhnlich stark vibrierte. Er schöpfte Verdacht und rief: "He, seid mal alle ganz leise!"

Im Nu war es mucksmäuschenstill und nur das übliche Vibrieren des Schiffes und Fetzen von Unterhaltungen aus dem Restaurant waren zu hören. Flecki mit ihrem scharfen Gehör bemerkte es als erste, kletterte auf einen Stuhl und sprang auf den Tisch. "Es kommt aus der Obstschale", rief sie. Aufgeregt und voller Sorge  kletterten ihre Freunde hinterher und versammelten sich alle um die Obstschale, aus der merkwürdige Geräusche kamen.

"Nun, äh, vielleicht sollte jemand mal nachsehen, was diese Geräusche macht...", empfahl der Bürgermeister ängstlich, während Flecki auf die Obstschale kletterte, und einen oben liegenden Apfel mit einem Fusstritt beiseite beförderte.

"Ha!" rief sie triumphierend. "Wusste ich es doch. Er hat sich überproviantisiert und schnarcht! Wir brauchen kaltes Wasser, damit es dem armen, armen Kerl besser geht."

Sie hatte ihren Satz gerade beendet, als die Küchentür geöffnet wurde. Blitzschnell waren die Hamster auf die Schale gesprungen und hatten sich so gut es ging unter dem Obst verkrochen.

"Sie behauptet, ihr wäre schlecht vom Seegang, also habe ich ihr gesagt, etwas Obst würde guttun. Ich werde der Dame mal etwas Obst bringen!" rief eine Stimme, und die Hamster ahnten Schlimmes, als sie sich plötzlich in die Luft gehoben fühlten. Krampfhaft hielten sie sich fest, bis ein heftiger Ruck ihnen mitteilte, dass sie zusammen mit der Schale auf einen anderen Tisch gestellt worden waren. Wo waren sie? Wass passierte hier? Vorsichtig spähten sie zwischen dem Obst hervor und blickten direkt in das Gesicht der fetten Dame die nach Sherry roch und sich an einer Flasche Wein festhielt.

"Ollah!"1

"Ongedierte! Kleintje Ongedierte kruipen in't fruit!"1

"Was labert die, Hamstilidamst?" fragte Trampel verstört.

"Oh, stell dir vor, die hat was von kleinem Ungeziefer im Obst gesagt!"

"Das kommt bestimmt vom Saufen", meinte Goldi, "ich habe mal gehört, dass..."

"Abhauen!" schrie Bauleiter Murksel mit schriller Stimme, "macht, dass ihr wegkommt! Wir treffen uns am Fahrstuhl!"

Nun folgte etwas, was das ehrwürdige 'Seven Seas Restaurant' noch nie erlebt hatte. Es begann damit, dass vereinzelt Gekreische von Frauen zu hören war und das Personal aufgeregt hin- und herlief. Dann brach an der linken Seite des Saals Panik aus, als eine vornehme Dame, die sich gerade das zweite Mal einen Nachschlag Pommes Frites nahm, zwischen den Fritten einen Goldhamster erblickte. Es handelte sich hierbei um Hamstilidamst, den der leckere Geruch angelockt hatte. Nicht weit davon entfernt hatte Murksel einen Softeisautomaten entdeckt und festgestellt, dass nur ein kleiner Bolzen entfernt werden musste, damit er besser funktionierte. Das Ergebnis war eine Fontäne von Softeis, das sich über einen Großteil der Passagiere ergoss. Auch hier setzte Panik ein, und alles rannte kreischend durcheinander. In demselben Moment durchlebten zwei ältere Damen den schlimmsten Moment ihres Lebens. Beide hatten vor wenigen Minuten beschlossen, ihre strenge Diät für einen Moment Diät sein zu lassen und sich etwas Eis zu gönnen. Frau Antje van Sluisenknall schaufelte gerade den vierten Löffel Vanilleeis auf ihren Teller, als sie bemerkte, dass sich gerade dabei war, sich einen Hamster - es handelte sich um Dodo - auf den Teller zu schaufeln.

Auch an der Salatbar war der Teufel los. Dasie und Sasie waren von hysterisch kreischenden Damen unter dem Blattspinat entdeckt worden, und als diese Damen Hals über Kopf flüchteten, stießen sie mit Mitgliedern der Urlaubsgruppe des Leerdamer Altersheimes "Knars"1 zusammen. Diese alten Leute hatten bis vor einer Minute friedlich am Tisch gesessen und ihre Suppe gelöffelt, als sie mit dem ultimativen Horror konfrontiert wurden. Einer der Senioren, Ede van Afgetrokken, hatte in alter Gewohnheit sein Gebiss neben sich auf den Tisch gelegt. Irrtümlicherweise hielt Goldi dieses Utensil für ein ideales Versteck, und sicherlich wäre vorläufig auch alles gut gegangen, wenn Goldi durch seine immense Fresserei an diesem Tag nicht just in diesem Moment einen heftigen Schuckauf bekommen hätte. Jedenfalls war ein hüpfendes Gebiss nicht unbedingt das, was die alten Leute nervlich vertragen konnten. Nachdem dieser Tisch nunmehr ihm alleine gehörte, wagte sich Goldi hervor und besänftige seinen Schluckauf durch ein großes Stück Zucker aus der dort stehenden Zuckerdose. Nun war ihm wohler und er hielt Ausschau nach seinen Freunden. Auf dem Nachbartisch entdeckte er Trampel, der gerade voller Interesse eine Flasche Sekt inspizierte. Sofort gesellte sich Goldi zu ihm und schlug ihm vor, sich doch bitteschön  'nur mal aus Spaß' auf den Korken zu setzen. Trampels Frage nach dem 'Warum' blieb unbeantwortet, jedoch als Goldi den Draht des Korkens löste und es grässlich laut knallte, wurde Trampel klar, wohin die Reise ging. Begeistert verfolgte Goldi den Flug seines laut quiekenden Freundes bis hin zur Deckenbeleuchtung. Dann knallte es erneut, ein Teil der Saalbeleuchtung erlosch, und Trampel landete in einem großen Topf Gulaschsuppe.

"Habe ich nicht eben Trampel schreien gehört?" fragte Bauleiter Murksel, der in diesem Moment zu Goldi auf den Tisch kletterte.

"Äh, ja", stotterte Goldi, "er ist gerade Suppe holen gegangen."

"Gut, dann ist er wenigstens in Sicherheit. Wir brauchen Superhamster, der Bürgermeister und  Tuffi sind in Gefahr! So ein blöder Kellner hat sie gefangen und in ein leeres Bierfass gesetzt."

"Wo?"

"Dort hinten an der Bar."

Vorsichtig schlichen sich die beiden zur Bar, wobei sie äußerst vorsichtig sein mussten, nicht vor die Füße der schreienden, panischen Menge zu geraten. Inzwischen waren die Sicherheitleute des Schiffes auf die Idee gekommen, die Passagiere mit Durchsagen zu beruhigen. Da die Stromversorgung jedoch teilweise gestört war, kamen auch die Durchsagen gestört durch. Das widerum sorgte für eine Steigerung der Panik, die mittlerweile das ganze Schiff erfasst hatte. Zu der zeitweiligen Stromstörung war es gekommen, nachdem Fleckis Aktion 'Rettet die unschuldigen Garnelen’ gescheitert war. Zusammen mit Tati hatte sie versucht, die Garnelen aus einem Kühlfach am Buffet zu entführen und ins Meer zurückzubringen. Leider kam ihnen eine Kellnerin dazwischen und verfolgte die beiden. Erst die Flucht in einen Sicherungskasten bewahrte sie vor der Gefangennahme. Wütend über das Misslingen ihrer gut gemeinten Aktion wütete Flecki eine Weile im Sicherungskasten, bis sie sich beruhigt hatte.

Murksel und Goldi betrachteten die Lage und kamen zu dem Schluss, eine der Wasserleitungen zu kappen und in das Fass umzuleiten. Der Auftrieb würde des Rest erledigen und den Bürgermeister samt Reparaturhamster Tuffi aus dem Fass spülen. Zwar hätte Goldi, wie er ausdrücklich betonte, lieber gesprengt, doch mangels Sprengstoff mussten nun sanftere Methoden gewählt werden.

"Ein-zwei-drei!" zählte Murksel, und gemeinsam schraubten die beiden Hamster an dem Ventil für die Wasserzufuhr. "Amateure", schimpfte Murksel, "die haben diese billigen Ventile genommen. Wenn du die überdrehst, dann gibt es eine Überschwemmung, wir müssen also vorsichtig sein. Gib mir doch mal den Korkenzieher, Goldi".

Dann knackte es unangenehm, der Bauleiter starrte mit riesengroßen Knopfaugen auf das sich lösende Ventil. Im nächsten Moment schoss ein dicker Wasserstrahl durch das Restaurant, erfasste den schreienden Bauleiter und schoss ihn quer durch Saal.

"Brauchst du den Korkenzieher noch, Murksel?"

Als ihm keiner antwortete, fiel Goldis Blick auf das Fass, das durch den Wasserstrahl umgeschossen worden war, und sah Tuffis Kopf herausgucken.

"Hilf mir mal, Superhamster, dem Bürgermeister geht es nicht besonders."

Sofort kletterte Superhamstergoldi in das Fass und fand den Bürgermeister in einem merkwürdigen Zustand vor; er saß in der Ecke, seine Augen waren glasig, das Fell zerzaust und er grinste vor sich hin.

"Wieso, der sieht doch aus wie immer."

"Er hatte Durst und hat die Flüssigkeit im Fass aufgeschleckt, ich glaube, er ist krank."

"Der ist nicht krank, der ist besoffen", stellte Superhamster fest. "Komm hilf mir mal, wir müssen ihn zum Treffpunkt bringen."

Zunächst schien die Flucht auch problemlos zu verlaufen, und am Salatbuffet waren alle Hamster wieder vereint, doch dann sah es aus, als hätte sie ihr Glück zu verlassen.

"Mist", fauchte Flecki, die haben den Eingang verrammelt und Wachen aufgestellt. Die kontrollieren jeden, der da durch will."

"Vielleicht sollten wir uns ergeben", schlug Dodo vor, "aber was ist, wenn die uns ins Meer schmeißen?"

"Wahrscheinlich werden wir ersaufen", fügte Hamstilidamst dazu.

"I-i-intz Meer?" lallte nun überflüssigerweise der Bürgermeister. "Intz wa-wa-weite Meer? Eho, Amolap Al!"1

"Nun fängt der auch noch an, la Paloma zu singen, dieser Schwachkopf, der wird uns noch alle verraten", fauchte Flecki und sah Goldi vorwurfsvoll an. "Na los, Superhamster, mach mal was!"

Bevor der Bürgermeister die zweite Strophe singen konnte, hatte ihm Goldi ihm einen Korken in den weit geöffneten Mund gestopft.

"Seht mal da, die dicke Dame von vorhin. Die ist doch tatsächlich am Tisch eingepennt." Flecki reckte neugierig den Kopf. "Und seht mal, was für eine hässliche Handtasche sie da stehen hat."

"Die Handtasche", rief Hamstilidamst, "wie wäre es damit?"

"Ach, nee, die ist doch farblich völlig out..."

"Er meint zum Verstecken", stöhnte Bauleiter Murksel genervt. Nun endlich hatten es alle kapiert, und die Hamster machten sich auf den Weg zum Tisch, an dem die dicke Dame ihren Rausch ausschlief. Wenig später lagen sie zwischen Tempotüchern, Lidschattenstiften und einem kleinen Regenschirm.

"Hä, hä", witzelte Goldi, "und ich dachte immer, Frauen brauchen keinen Regenschirm."

"Wieso denn das nicht?" wollte nun Flecki wissen.

"Weil es in der Küche doch nie regnet, ha, ha!”

Es knallte kurz, und alle drehten sich um. Goldi lag in der Ecke und über ihm der verbogene Regenschirm. Bauleiter Murksel sah Flecki mit großen Augen fragend an, und Flecki flüsterte: "Er ist unglücklich über den Schirm gestolpert."

Gerade in dem Moment, als Superhamster sich stöhnend erhob, fuhren die Hamster erschrocken zusammen. Jemand war an den Tisch getreten und rief mit lauter Stimme: "Hallo, meine Dame, wir schließen jetzt. Bitte verlasen Sie das Restaurant!"

Stöhnend öffnete die dicke Dame kurz die Augen und antwortete "Bedtijd, slaapen..."1 Sie erhob sich, nahm ihre Tasche und steuerte dem Ausgang entgegen. Die Wachen dort musterten sie eingehend, ließen sie aber passieren. Nach einer Slalom-Reise über den Flur und nach dem Besuch mehrerer fremder Kabinen geleitete schließlich eine Stewardess die dicke Dame in ihre Kabine. Als diese endlich wieder in ihrer Kabine war, schleuderte sie ihre Handtasche in eine Ecke, ließ sich auf das gemachte Bett fallen, krächzte ein letztes Mal: "Bedtijd" und begann, laut zu schnarchen.

"Die ist doch wohl nicht mehr ganz frisch, wir hätten uns den Hals brechen können!"

"Grünau, Dings, Flekschi, grünau, wie isch imma zzzu s-sa-sa-sagen pfl-pflegte, dasch kanschu mir glauben..."

"Goldi, den Korken bitte!"

Bevor der Bürgermeister seine geistreiche Rede fortführen konnte, hatte Goldi den Korken gefunden und die Ruhe wieder hergestellt.

"Und nun, was machen..."

"Schau dich doch mal um, Dodo", unterbrach Murksel. "da vorne liegt eine Tafel Schokolade. Wie wäre es mit einer Party?"

Während die dicke Dame ihren Rausch ausschnarchte, fand in ihrer Kabine eine ausgelassene Hamsterparty statt, die bis in die frühen Morgenstunden dauerte. Dann suchte jeder sich eine kuschelige Ecke, und es herrschte endlich Ruhe auf dem gesamten Schiff.

 

Kapitel 14

Edinburgh

"Good morning, ladies and gentlemen, we hope..."

Die Lautsprecheransage der Queen of Scandinavia kündigte den neuen Tag an und begrüßte ihre Passagiere. Die meisten waren bereits wach und warteten vor den Türen des Restaurants auf Einlass, um ihr Frühstück einzunehmen. Andere standen an Deck und schauten voller Erwartung auf einen immer größer werdenden Landstrich auf der Backbordseite des Schiffs. Viele Passagiere wiederum erwachten erst jetzt aus ihrem mehr oder weniger erquickenden Schlaf und schauten - sofern sie eine Außenkabine besaßen - neugierig aus dem Bullauge. Dann gab es noch eine andere Art von Passagieren, nämlich die, die in panischer Angst wild kreischend im Kreis lief, als die Lautsprecheransage durchgegeben wurde. Schließlich gab es noch eine weitere Art, nämlich die, die das alles nicht interessierte und die einfach liegen blieb.

"Was war das?" keuchte Tati völlig atemlos und äugte ängstlich unter einem Pullover hervor.

"Die Polizei, die suchen uns! Bestimmt wird jetzt gleich..."

"Klappe und sei mal still, Dodo, da kommt noch eine Durchsage!"

"...Möchten wir uns für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Wir laden Sie deshalb alle auf ein Gratisfrühstück im 'Blue Riband Restaurant' ein, da das 'Seven Seas Restaurant' zur Zeit renoviert wird."

"Fein", rief Goldi begeistert, "habt ihr das gehört? Gratisfrühstück! Da gehen wir hin!"

"Wir gehen nirgendwo hin. Wir sehen zu, dass wir in den Lkw zurückkommen, das ist unsere einzige Chance." Bauleiter Murksel überlegte einen Moment dann sprach er weiter. "Wenn ich das gestern richtig mitbekommen habe, sind wir nur ein Deck höher getragen worden, wenn man mal von den Umwegen absieht. Mit etwas Glück finden wir den Putzwagen wieder."

In diesem Moment schien die dicke Dame langsam wieder zu sich zu kommen. Entsetzt drehten sich die Hamster um, doch sie war noch nicht soweit, die Augen zu öffnen, sondern räkelte sich nur.

"Wir müssen raus hier und zwar schnell!" rief der Bürgermeister und sah ratlos auf die Kabinentür.

Murksel, Tuffi, Hamstilidamst, und Dodo drückten und zogen an der Tür, doch es wurde schnell klar, dass diese Tür nur mit dem dafür vorgesehenen Drehknopf zu öffnen war und den konnten die Hamster erstens nicht erreichen und zweitens hätten sie nicht die Kraft gehabt, ihn herumzudrehen.

"Zwecklos", keuchte der Bauleiter, "das packen wir nicht." Er setzte sich enttäuscht neben die Tür und starrte an die Wand..

"Vielleicht ja doch", rief Goldi. "Dodo, komme mal mit zu der fetten Wachtel."

Mit fragendem Blick folgte Dodo. Goldi kletterte auf das Kopfkissen, auf dem die dicke Dame schlief und rief Dodo zu, er solle auf den Kopf von der Tante klettern und ihr eines ihrer Augenlider hochziehen. Dodo war natürlich nicht wohl dabei zumute, doch er tat, was verlangt wurde, und zog das rechte Augenlid der Schlafenden hoch. Goldi befand sich nun direkt vor dem geöffneten Auge, und begann zu tanzen und zu fiepen. Zunächst schien die schlafende Frau nichts zu begreifen, doch nach und nach weitete sich das Glubschauge, starrte entsetzt auf den tanzenden Hamster und fing an, laut zu kreischen. Sie sprang hoch, griff in ihr Haar und packte Dodo, der nicht schnell genug geflüchtet war. Mit einem Entsetzensschrei ließ sie ihn los und sprang vom Bett auf. Da, noch mehr Krabbeltiere! In wilder Panik rannte sie zur Kabinentür, riss sie auf und rannte schreiend über den Flur.

"Auf geht’s, meine Damen und Herren", rief der Bürgermeister, und einer nach dem anderen stürmte auf den Flur hinaus. "Rechts!" rief  Murksel und rannte an einer schreienden Mutter vorbei, die ein Kind auf dem Arm trug, das mit dem Finger auf die Hamster zeigte und lachte. Durch eine enge Linkskurve ging die wilde Flucht weiter, dann rechts herum auf einen breiten Gang, wo eine Gruppe Urlauber schreiend ihre Koffer fallen ließen, als sie die Hamster sahen, und flüchteten. Da, der Fahrstuhl - doch kein Putzwagen weit und breit. Inzwischen hatten die Urlauber dem Personal Bescheid gesagt, und die Lage wurde gefährlich, als plötzlich drei Sicherheitsleute auf die Hamstertruppe zu liefen.

"Schnell, die Treppe runter", kreischte Flecki. Nun aber tauchte ein großes Problem auf, denn die Treppe war voller Menschen, die auf dem Weg zu ihren Autos waren. Allerdings hatte das Sicherheitspersonal noch größere Probleme, sich durch die Menge zu drängeln, und somit gewannen die Hamster von Deck zu Deck etwas mehr Vorsprung. Auf den Treppen war es inzwischen wieder zu panikartigen Tumulten gekommen, nachdem einige Passagiere die kleinen Nagetiere zwischen ihren Beinen hindurch hatten flitzen sehen. Wieder versuchte das Schiffspersonal, die Menschen durch Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen, doch dadurch wurde das genaue Gegenteil bewirkt. Den Hamstern war es recht, sie hatten soeben das Autodeck erreicht und standen wieder vor der Eisentür, hinter der gleich der Lkw sein musste. Hier war die Flucht zu Ende, sie konnten jetzt nur noch darauf hoffen, dass jemand die Tür öffnen würde.

Vim van der Slampe war bester Laune. Ein kostenloses Frühstück! Er war begeistert von dem leckeren Buffet, das er gerade eben im 'Blue Riband' erhalten hatte und stieg die letzten Stufen hinab zum Autodeck. Neben seinem Gepäck trug er auch den Eimer, in dem sich das merkwürdige Modellauto befand. Er hatte es in mühsamer Kleinarbeit auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Zu seinem allergrößten Erstaunen war ein völlig intaktes Fahrzeug dabei herausgekommen. Was ihn ebenfalls in Erstaunen versetzt hatte, waren die kleinen Rucksäcke, die sich in dem Fahrzeug befanden, und er hatte auch nicht die kleinen Ködel vergessen, die noch vor kurzer Zeit die Ladefläche seines Lkws verschandelt hatten. Natürlich hatte Vim van der Slampe die Ereignisse an Bord mitbekommen, denn die Panik des letzten Abends hatte ja das gesamte Schiff erfasst. Grinsend dachte er an das Erlebnis, dass er eben hatte. Eine dicke Frau, die vor dem Informationsschalter stand und einem jungen Mann hinter dem Schalter vorheulte, nie wieder etwas zu trinken, wenn nur diese Mäuse verschwinden würden. Plötzlich verging ihm das Grinsen und er fragte sich, ob da zwischen diesen Nagetieren, die das gesamte Schiff in Aufruhr versetzt hatten, und dem Modellauto vielleicht ein Zusammenhang bestünde. Tapfere kleine Tierchen, dachte er und verwarf aber sogleich den Gedanken wieder. Nein, das wäre zu  abwegig. Er stieg die letzten Stufen zur Ausstiegsluke zum Autodeck hinunter, und was er da vor der Tür entdeckte, ließ ihn seinen Gedanken gar nicht mehr so abwegig erscheinen. Hamster! Lauter niedliche, kleine Hamster!

Es gibt manchmal Momente im Leben, da folgt man einfach seinen Gefühlen und macht nicht das, was eigentlich logisch gewesen wäre. Natürlich hätte van der Slampe die Tür geschlossen lassen müssen, und schon wäre er derjenige gewesen, der die Verursacher der Störungen auf dem Schiff gefangen hätte. Aber wäre das richtig gewesen? Hätte er den Rest seines Lebens mit der Schuld verbringen können, die er womöglich auf sich laden würde? Womöglich mit dem Tod dieser kleinen Nager? Nein, wer ihm solch ein gutes Frühstück verschafft hatte, den würde er niemals verraten können. Der Lkw-Fahrer öffnete die Eisentür.

"Raus mit euch!"

Das ließen sich die total verängstigen Tiere kein zweites Mal sagen und machten, dass sie fort kamen. Lächelnd ging van der Slampe auf das Autodeck, während in diesem Moment hinter ihm die Meute der Passagiere angestürmt kam. Mitten drin befanden sich auch die Leute vom Sicherheitsdienst, die es schon lange aufgegeben hatten, irgendwelche Nager zu verhaften. Doch das interessierte ihn nicht weiter, und als er sich seinem Lkw näherte, überlegte er, ob es richtig gewesen war, das Seitenfenster offen zu lassen. Auf dieser Überfahrt sind die merkwürdigsten Dinge passiert, da kann man nie wissen, dachte er und schloss seine Fahrertür auf. Nachdem er sein Gepäck verstaut und den Eimer mit dem Hamstertransporter vor den Beifahrersitz gestellt hatte, lehnte er sich zurück und nahm die Zeitung zur Hand. Im Rückspiegel beobachtete er eine Familie, die gerade in einen roten Opel einstieg. Die beiden Kinder stritten sich gerade heftig, wem mehr Platz auf dem Rücksitz zu stand und die Mutter schimpfte. Daneben stand der Vater mit dem gesamten Gepäck und wartete verzweifelt, dass ihm jemand ein Teil abnahm. Armes Schwein, dachte van der Slampe und legte seine Zeitung beiseite. Edinburgh, eine ganze Woche, das war sein nächster Gedanke. Sobald er seine Ladung abgeliefert hatte, würde er eine Woche warten müssen, um den Rückweg antreten zu können. In der Tat war der Zeitpunkt seiner Reise insofern unglücklich gewählt, da in den nächsten Tagen die Urlaubszeit auf der Insel beginnen würde, und für eben diese nächsten Tage waren alle Fähren ausgebucht. Die Highlands sollen schön sein, hatte sein Kumpel Ruud Kloetsack ihm einmal erzählt, also warum sollte er sie sich nicht einmal ansehen? In diesem Moment ließ der grüne Sattelschlepper direkt vor ihm den Motor an und fuhr los. Die Fähre hatte angelegt und es ging an Land. Hastig legte Vim den Gang ein und fuhr vorsichtig hinterher. Es polterte laut, als er über die Rampe hin zu den Royals Quays fuhr und sein erster Blick galt dem Himmel. Bedeckt, aber trocken, dachte er beruhigt und folgte dem grünen Sattelschlepper bis zum nächsten Kreisverkehr und bog auf die Howdon Road. Von dort aus ging es weiter auf die A19 bis hin zur A1, die ihn direkt nach Edinburgh bringen würde. In drei Stunden würde er sein Ziel erreicht haben, und dann würde er es sich gut gehen lassen, dachte er lächelnd, als sein Lkw die schottische Grenze passierte und sich Jedburgh näherte.

"Mann, war das knapp. Ich mache nie wieder eine Seereise", jammerte Flecki und knabberte an einem Sonnenblumenkern.

"Dann wirst du wohl in Schottland bleiben müssen", grinste Goldi. "Natürlich kannst du auch über den Eurotunnel zurückfahren, wenn dir das lieber ist."

"Klappe, das ist ja wohl meine Sache. Wer sagt denn, dass ich nicht mit einem Flugzeug zurückfliegen werde?"

"Über den Rückweg sollten wir uns noch keine Sorgen machen", warf Bauleiter Murksel ein. "Wenn wir den guten, alten McClown wiederfinden, sind wir gerettet. Der hilf uns bestimmt weiter."

"Natürlich müssen wir dann, äh, Verhandlungen mit dem Lord aufnehmen, das wird sicherlich der schwierigste Teil unserer Aufgabe. Hier ist ein hohes Maß an Diplomatie gefragt, und selbstverständlich kann das nur eine politisch geschulte Autorität vornehmen!"

"Öh, natürlich Bürgermeister, und wo kriegen wir solch eine Person her?"

Der Bürgermeister blickte Dodo beleidigt an und begann mal wieder, mit seiner linken Pfote auf dem Boden der Schlafkoje des Lkw zu klopfen, als der Lkw plötzlich stoppte. Sofort hechtete Flecki zum Vorhang und spähte hinaus.

"Ich glaube, wir sind in einer großen Stadt angekommen. Oih! Geschäfte, tolle Geschäfte!"

Sofort flitzen Sasie, Dasie, Tati und Tuffi zu dem kleinen Spalt im Vorhang und überzeugten sich von Fleckis Worten.

"Das dürfte dann ja wohl Edinburgh sein", rief Hamstilidamst begeistert.

Tatsächlich hatten sie die Hauptstadt Schottlands erreicht. Der Lkw bewegte sich langsam über die belebte Princess Street und hielt vor einem großen Laden für internationale Feinkost an. Offensichtlich war die Lieferung bereits erwartet worden, denn sofort kamen ein paar Bedienstete des Ladens und begrüßten Vim freundlich. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln, ob er denn eine angenehme Reise hinter sich hatte und ob das Wetter auf dem Kontinent besser sei, begannen sie, die Ladung mit dem Käse auf Paletten zu laden und mit einem Gabelstapler in das dortige Kühllager zu bringen. Nach etwas über einer Stunde setzte der Lkw seine Fahrt fort und verließ bald darauf die Innenstadt Edinburghs. Nach mehreren Ampeln, Kreuzungen und Verkehrsstauungen rumpelte der Laster über die Ferry Road und bog bei East Pilton ab. Ein Haus sah hier wie das andere aus. Vim van der Slampe hielt Ausschau nach der Nummer 22, einem Haus, das sich vom Äußeren her durch nichts von seinen Nachbarhäusern unterschied. Als er die Nummer entdeckt hatte, bemerkte er im selben Moment, dass er drauf und dran war, einen Mülleimer zu überfahren. Er fluchte laut und trat das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Abrupt kam der Lastwagen quietschend zum Stehen und sein Fahrer schrie vor Schreck auf, als die gesamte Hamstertruppe auf seinen Rücken purzelte. Geistesgegenwärtig beugte er sich nach vorne, und nachdem er sich überzeugt hatte, dass er den Mülleimer nicht gerammt hatte, setzte er ein Stück zurück bevor er den Motor abstellte. Sein Blick fiel auf die Fahrerkonsole - dort lag ein Hamster, der ihn verlegen beäugte. Vorsichtig drehte er sich um und stellte fest, dass sich auf seinem Sitz weitere Hamster befanden. Da er Unordnung hasste, nahm Vim einen nach den anderen und setzte ihn zu dem bereits auf der Konsole befindlichen Tier. Zwölf Hamster zählte er nun, und ihm dämmerte, dass seine Vermutungen von Anfang an richtig gewesen waren, und dass diese kleinen, freundlich blickenden Hamster für all die Ereignisse auf dem Schiff verantwortlich gewesen waren.

"Los Bürgermeister, übernimm du die Verhandlungen", zischte Flecki und schubste den Bürgermeister dermaßen heftig nach vorne, dass er fast vor die Füße des Lkw-Fahrers gefallen wäre.

Da stand er nun, hinter ihm seine Hamstertruppe und vor ihm ein nachdenklich guckender Lkw-Fahrer, der bestimmt eine Menge Fragen hatte.

"Hä, hä, äh, bestimmt möchten Sie wissen, was wir in diesem hier, ich meine diesen Last-Dings zu suchen haben, sozusagen. Also das ist wegen des McShredder-Monsters, wenn Sie verstehen."

Natürlich verstand der Lkw-Fahrer rein gar nichts, statt dessen nahm er den kleinen Fellträger in die Hand, sah ihn genau an und sprach: "Ich habe keine Ahnung, was hier läuft, aber soviel ist mir klar: Ihr seid keine gewöhnlichen Hamster und das da ist scheinbar euer Wagen. Was soll ich nur mit euch machen? Wenn ich euch hier rausschmeiße, fressen euch womöglich die Katzen, hier laufen nämlich viele davon herum. Im Lastwagen möchte ich euch nicht lassen, wer weiß, was ihr damit anstellt. Ich fürchte, mir bleibt nichts Anderes übrig, als euch erst einmal mit in mein Quartier zu nehmen. Dann sehen wir weiter. Euren Wagen lassen wir hier, dafür steigt ihr in den Eimer und kommt mit."

Nachdem er einen nach dem anderen Hamster vorsichtig in den Eimer gesetzt hatte, nahm der Lkw-Fahrer das wenige Gepäck, das er bei sich hatte, stieg aus und ging auf eine kleine Pforte zu. Links und rechts von dieser Pforte rankten wilde Rosen und der dahinter befindliche Garten sah nicht sonderlich gepflegt aus. Das dazugehörige Haus gehörte Mrs. McKenzie, einer älteren Dame, die nicht nur schwerhörig war, sondern auch sehr schlecht sehen konnte. Bestimmt wird die alte Lady nichts von den Hamstern mitkriegen, dachte Vim beruhigt und klingelte an der rosafarbenen Tür, die schon lange keine frische Farbe mehr gesehen hatte. Nachdem er das dritte Mal lange geklingelt hatte, öffnete Mrs McKenzie.

"Ah, mein lieber Mr. Slampy, wie schön, dass Sie mal wieder vorbeischauen. Bitte kommen Sie doch rein. Warum haben Sie denn nicht gesagt, dass Sie kommen?"

Van der Slampe trat ein und erkannte sofort, dass auf dem Spiegelschrank das Schreiben seiner Spedition lag, die die Reservierung für seine Übernachtung vorgenommen hatte.

"Mrs McKenzie, hat meine Spedition sich denn noch nicht bei Ihnen gemeldet?"

"Nicht dass ich wüsste, Mr Slampy, aber kommen Sie ruhig, ich habe immer Platz für Sie!"

Nachdem die Hausherrin ihn auf Tee und Kuchen eingeladen hatte, ging der Lkw-Fahrer endlich in das ihm zugedachte Zimmer, schloss die Tür hinter sich und rief: "Ich habe euch etwas Kuchen mitgebracht, wie wäre es mit einer kleinen Party? Ich wette, ihr kennt so etwas noch gar nicht."

In der Tat, Vim van der Slampe würde noch einige Dinge während der nächsten Tage lernen müssen.



 

Kapitel 15

Bed & Breakfast

Endlich Urlaub, dachte der Lkw-Fahrer und setzte sich auf das weiche Bett. Als er einen Blick auf die rot-gold gemusterte Überdecke warf, konnte er ein Gähnen nicht unterdrücken. Er zog die Schuhe aus und stellte sie neben das Bett. Mit unter dem Kopf verschränkten Armen lag er nun auf dem Bett und betrachtete die blau-grünen Streifen an der Zimmerdecke, die sich von einer Wand bis hin zur gegenüberliegenden zogen. Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen und gab nur noch ein leises Schnarchen von sich.

"Wer kennt keine Feiern?" rief Trampel empört. "Hat er etwa uns gemeint? Also Sir, ich sag Ihnen mal was..."

"Mijnheer," rief Hamstilidamst, "die werden mit Mijnheer angeredet. So sagt man in Holland. In Großbritannien sagt man Sir!"

"Ist ja auch egal, der hat sowieso einen bescheuerten Vornamen, der klingt ja wie ein Reinigungsmittel", spottete Sasie und Tati sang: "Vim, wenn’s sauber wie geleckt sein soll!"

"Das Zimmer ist eine Katastrophe. Habt ihr so etwas Scheußliches schon mal gesehen? Rosa Gardinen und gelbe Wände! Und die Zimmerdecke, eine Orgie in nicht zusammenpassenden Farben. Blaue und grüne Streifen auf einem hellgelben Untergrund, das ist eine Beleidigung für meine Augen! Seht euch mal dieses entsetzliche Bett an, diese grässliche Decke und die potthässlichen Kissen. Und der blassgraue Teppich! Ich glaube, ich muss kotzen! Wo ist das Klo?"

Neugierig lief Flecki ins Badezimmer und im nächsten Moment war wieder ihre Stimme zu hören: "Uah! Das ist ja noch schlimmer, also nee, wie abartig, diese Farben!"

In der Zwischenzeit sahen Hamstilidamst, Trampel und Teeblättchen neugierig zu, wie Bauleiter Murksel und Goldi auf einen Tisch geklettert waren und einen großen Wasserkocher untersuchten, der direkt neben einem Korb mit Tee, Kaffee und Keksen stand.

"Eine direkte Funktion ist nicht erkenntlich", überlegte Murksel laut und klopfte vorsichtig am silberfarbenen Metall, während Goldi den Ein- und Ausschalter entdeckt hatte.

"Bestimmt handelt es sich um irgend ein Wohlfühlgerät oder so etwas Ähnliches. Wozu steht es sonst im Schlafzimmer?" Goldi kletterte an der Gardine hoch, bis er in den Wasserkocher sehen konnte. Dann sprang er auf den Tisch zurück, zuckte mit den Schultern und sprach: "Da ist nur Wasser drin. Wir sollten es mal anschalten!"

Dodo wurde gerufen und erhielt die Aufgabe, sich auf den Schalter zu setzen. Gespannt warteten alle darauf, dass etwas passieren würde. Natürlich geschah nun das, was bei jedem elektrischen Wasserkocher passiert, wenn man ihn anschaltet. Das Wasser begann zu kochen, das Gerät schaltete sich ab und der Schalter sprang nach oben..

"Aua", schrie Dodo und hielt sich den Hintern, "das Mistding hat mich geschlagen!"

"Du musst dich richtig auf den Schalter setzten, wahrscheinlich ist der irgendwie kaputt." Baumeister Murksel hatte, genau wie alle anderen, noch nie in seinem Leben etwas mit einem elektrischen Wasserkocher zu tun gehabt. Mit einem Herd oder sogar mit einem Backofen wäre das etwas Anderes gewesen, aber dieses Gerät? Immerhin hieß es, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, denn dieses Gerät war mit einer Schnur an der Wand befestigt. Das konnte nur bedeuten, dass es sich um etwas Wertvolles handelte, denn warum sonst sollte es mit einer Schnur an der Wand festgebunden sein, damit man es nicht wegschleppen konnte? Der Bauleiter rieb sich mit den Pfoten die Augen, denn ihm war, als könne er nicht mehr richtig gucken. Neben sich hörte er etwas laut blubbern und erschrocken sah er sich um. Dampf, überall Dampf!

"Das ist 'ne Sauna-Maschine, Leute", rief er und sah sich um Raum um. "Wer holt ein paar Badelaken aus dem Badezimmer?"

Sasi, Teeblättchen und Flecki liefen los, und nach ein paar Minuten kamen Sasi und Teeblättchen mit einer Klorolle zurück.

"Wir haben nur das hier gefunden", riefen sie, "das sind bestimmt Einweg-Badelaken zum Abreißen."

Während sich jeder Hamster nun ein Stück Badelaken abriss, tauchte auch Flecki wieder auf. Sie rollte eine Dose mit grüner Farbe vor sich her, betrachtete kritisch die Wände und gab Trampel ein Zeichen, ihr mal eben beim Aufrichten der Dose behilflich zu sein.

"Diese gelben Wände sind eine Beleidigung für mich, hilf mir mal den Deckel aufzumachen!"

Irritiert blickte sich Trampel um und fand schließlich einen Schuhanzieher, der sich trefflich für diese Aufgabe eignete. In der Zwischenzeit war die Sichtweite im Zimmer recht gering geworden, denn Nebelschwaden erfüllten den Raum, als Trampel den Schuhanzieher unter den Deckel klemmte. Flecki hielt so gut es ging die Farbdose fest, und Trampel versuchte den Deckel aufzudrücken.

"So wird das nichts", ertönte die Stimme Bauleiter Murksels. "Du stellst dich jetzt mal auf den Öffner und ich ziehe!"

Kurz darauf ploppte es, der Deckel flog auf den Boden und Trampel in die Farbdose. Alle starrten gebannt auf das, was sich abspielte. Der Deckel war heruntergefallen und hinterließ einen runden, grünen Farbtupfer auf dem blassgrauen Teppich. Dann kam Bewegung in die Farbflüssigkeit, erst tauchten 2 Ohren tauchten auf und dann ein Hamsterkopf, dessen Augen sehr, sehr unglücklich in die Welt blickten.

"Alles in Ordnung? Das Grün passt übrigens ganz wunderbar zu deiner Augenfarbe", versuchte Flecki ihn zu trösten.

"Nun, ich denke bemerken zu können, dass wir Freund Trampel für gewisse Sonderaufgaben einsetzen könnten. Bei gefährlichen Aufgaben, die das Anschleichen durch Gebüsche erfordern, wäre er allererste Wahl!"

Nachdem der Bürgermeister das gesagt hatte, musterte Goldi den unglücklichen Trampel und fragte: "Sagt mal, fressen Störche auch Hamster, ich meine, wenn sie den da für einen Frosch halten, dann..."

"Das Wasser ist alle", rief in diesem Moment Dodo durch die dichten Nebelschwaden, die der Wasserdampf gebildet hatte. "Darf ich jetzt aufstehen?"

"Öh, natürlich, mein lieber Dodo", rief der Bürgermeister gut gelaunt. " Hiermit erkläre ich die Sauna-Party für eröffnet."

"Und bringt die Kekse mit!" rief Goldi und machte es sich auf seinem Badelaken bequem. Grinsend lag er da und blickte zu Flecki hinüber, die neben der Farbdose stand.

"Und wie gedenkst du die Decke zu streichen? Mit deinen kurzen Beinen reicht es bestenfalls für die Fußleisten, ha, ha!"

Im nächsten Moment schepperte es und Goldi hielt sich den Kopf. Das war der Deckel der bewussten Farbdose. Wütend nahm er den Deckel und wollte ihn zurückschleudern, doch da schritt der Bürgermeister ein, der es für notwendig hielt, die Situation zu entschärfen.

"Friede, liebe Hamsterfreunde! Friede, Nächstenliebe und Toleranz", rief er und stellte sich zwischen die streitenden Hamster ."Wir sollten immer daran denken, dass wir eine Familie sind, die zusammenhält in jeder Dings, äh, Lage. Wir dürfen nie einander etwas Böses tun, und der böse Geist der Rachsucht sollte uns fern sein, denn..."

Es schepperte erneut und dieses Mal war es der Bürgermeister, der mit einer Beule am Boden lag.

"Tut mir wirklich Leid, Bürgermeister", grinste Goldi, "aber du bist genau in die Schusslinie gelaufen.

Stöhnend erhob sich der Bürgermeister und befühlte die sich bildende Beule an seinem Kopf. Langsam wandte er seinen schmerzenden Kopf in Richtung Goldi. In seinen Augen glühte der Wunsch nach Rache, und während er den Deckel in die Pfoten nahm, starrte er Goldi rachsüchtig an. Langsam näherte er sich seinem Opfer, dem mittlerweile das Grinsen vergangen war. Der Bürgermeister lächelte, doch seine Augen waren vor Wut und Schmerz weit aufgerissen, als er sich mit dem Deckel in den Pfoten näherte.

"W... wir sind doch eine Familie, Bürgermeister, die einander nicht Böses tut", keuchte Goldi, drehte sich um und flüchtete unter das Bett, auf dem Vim van der Slampe nichts ahnend und friedlich schlief.

"Warte doch, mein Lieber", brüllte der Bürgermeister während er hinter Goldi her rannte, "ich habe etwas Nächstenliebe für dich!"

Kreischend rannte Goldi nun im Zickzack vor dem wütenden Bürgermeister her. Ein Stückchen Keks, das seit langer Zeit auf dem Teppich unter dem Bett vor sich hin gammelte, erweckte das Interesse des flüchtenden Hamsters und ließ ihn wertvolle Sekunden auf seiner Flucht verlieren. Viel zu spät bemerkte er, dass sein Verfolger dicht hinter ihm war und gerade ausholte, um ihn mit dem Blechdeckel abzuschlachten. Ebenfalls viel zu spät erkannte er in dem dichten Nebel den Bettpfosten, der nun plötzlich auf ihn zu schoss. Ausweichen war zwecklos, und Goldi klatschte gegen den wackeligen Bettpfosten. Es klatschte und schepperte ein weiteres Mal, und der Bürgermeister hatte ebenfalls den Bettpfosten erreicht. Dann ein Knirschen, kollektives Kreischen der Hamster, und der Bettpfosten gab nach. Van der Slampe rollte aus seinem Bett, und es gab einen hässlichen, lauten Ton, als sein Kopf die Heizung traf. Noch im Fallen hatte er sich instinktiv an den rosa Vorhängen festgehalten, und als Gardinenstange samt Vorhänge krachend den Boden erreichten, hatte der Lkw-Fahrer die Augen bereits wieder geschlossen.

"Der hat vielleicht einen festen Schlaf", staunte Dodo.

"Ich würde eher sagen, der schläft schon wieder, der arme Kerl", stellte Flecki die Lage klar. "Wenigstens sind die hässlichen Gardinen jetzt weg, das ist auch schon mal etwas."

"Klarer Fall von morschem Holz", stellte Bauleiter Murksel fachmännisch fest. "Das Teil hätte schön längst erneuert werden müssen. Wenn ihr mich fragt..."

"Deckung!" Hamstilidamst ruderte aufgeregt mit den Armen. "Da kommt wer die Treppe rauf!"

In panischer Angst rannten die Hamster nun im Kreis unter dem Bett herum, als die Zimmertür mit einem leisen Knarren geöffnet wurde. Mrs. McKenzie trat ein, kniff die Augen zusammen, blinzelte und sah sich im Raume um.

"Haben Sie geklopft, Mr. Slampy?" rief sie. "Es ist recht nebelig heute, davon hat der Wetterbericht nichts gesagt. Wenn Sie essen haben möchten, dann können Sie in einer halben Stunde in die Küche kommen, ich habe noch etwas Broth, die werde ich warm machen."

Als Mrs. KcKenzie keine Antwort erhielt, lief sie langsam um das Fußende des großen Bettes herum, bis sie die Fensterseite des Zimmers, an der ihr Gast lag, erreicht hatte.

"Oh, Mr. Slampy, Sie sind gewiss noch müde von der langen Reise. Dann werde ich Sie auch nicht länger stören. Allerdings werde ich gleich noch einkaufen gehen müssen. Das Essen steht in der Küche, Sie können sich gerne bedienen."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zurück zur Tür. Dabei trat sie mit einem ihrer kleinen Füsse in die Farbdose, bliebt stecken und ging weiter bis zur Tür hinaus. Die Hamster lauschten fasziniert dem Klack-Klack der Farbdose, als die alte Dame die Treppe hinunter ging.

"Die ist doch nicht ganz dicht, die Alte, die..."

"Sei ruhig", unterbrach Flecki den schimpfenden Goldi. "das ist eine alte, vornehme Dame. Was weißt du schon davon?"

"Nix", gab Goldi zu, "aber sie hat was von Essen in der Küche gesagt, und ein vornehmes Essen wäre nun genau richtig."

"Sie hat Broth gesagt, das habe ich schon mal irgendwo gehört", rief Dodo.

"Nun, dann sollten wir uns mal auf den Weg machen", rief Bauleiter Murksel und ging zur Zimmertür. "Sind alle da? Wo steckt der Bürgermeister?"

Alle blickten hektisch hin und her, und schließlich blieben die Blicke an Goldi hängen.

"Was is?"

"Das was immer ist", rief Flecki und runzelte ihre Stirn. "du weißt was und du steckst dahinter!"

"Nö, wirklich nicht", entgegnete Goldi treuherzig. "Ich glaube nur, er traut sich nicht mehr unter dem Bett hervor."

Sasi, Dasie und Teeblättchen waren bei diesen Worten wieder unter dem Bett verschwunden. Nach recht kurzer Zeit kamen sie keckernd wieder unter dem Bett hervor und riefen: "Er klebt an dem Deckel fest und traut sich nicht mehr heraus!"

"Sollen wir Ihnen etwas zu Essen mitbringen?"

"Hä, hä, nicht nötig, mein lieber Bauleiter. Selbstverständlich wird mich dieses kleine Malheur nicht weiter davon abhalten, meinen Pflichten nachzugehen..."

"Er meint das Mittagessen", flüsterte Tati zu Dasie und beide grinsten.

"Und was ist mit dem Lkw-Fahrer", fragte Flecki, "soll der da liegen bleiben?"

"Da können wir sowieso im Moment nichts machen", meinte Murksel achselzuckend. "Außerdem ist die Gelegenheit günstig, denn die Alte ist jetzt zum Einkaufen, und das ist unsere Chance, auch mal Shoppen zu gehen! Äh, was ist übrigens Broth?"

"Ich glaube, das habe ich schon mal irgendwo gelesen", rief Hamstilidamst. "Das ist eine Suppe mit reichlich Gemüse drin."

Es gab nun kein Halten mehr für die hungrigen Tiere, und sie stürmten jubelnd die Treppe hinunter, wobei der Bürgermeister bei jedem Sprung ein lautes Scheppern von sich gab. Schnell hatten sie die Küche erreicht, und sofort stieg ihnen der Geruch der Suppe in die feinen Näschen.

"Höh, höh, Suppe fassen", grölte Goldi und gab Dodo ein Zeichen, den Topf vom Tisch zu schieben, damit sie an den Inhalt heran kamen. Der dicke Hamster überlegte nicht lange, sondern gab dem Topf solch einen Stoß, dass der vom Tisch hinunter polternd auf den Fliesenboden fiel. Ein merkwürdiges Geräusch hatte Dodo jedoch nachdenklich gemacht, und er sah vom Tisch herab auf das, was er soeben angerichtet hatte.

"Tut mir leid, Herr Bürgermeister, aber Goldi hat gesagt..."

"Erzähle keine Romane, sondern komm sofort runter und hilf mir, den Bürgermeister unter dem Topf herauszuziehen, du Spinner!" schimpfte Bauleiter Murksel.

Kurz darauf saßen alle auf den Fliesen und ließen es sich schmecken. Nur der Bürgermeister schien ein wenig angeschossen zu sein und aß nur eine Kleinigkeit. Da fiel sein Blick auf Trampel.

"Wer hat denn den Lurch eingeladen?" fragte er erstaunt.

"Das ist doch bloß Trampel", erklärte Goldi, "der ist doch in die Farbe gefallen"

"In welche Farbe?" erwiderte der Bürgermeister erstaunt.

"Na die, die Flecki für die Renovierung des Zimmers..."

"Welche Flecki? Und warum habe ich so eine komische Pfote?"

"Flecki is 'n Hamster und das da ist der Deckel von der Farbdose."

"Was ist ein Hamster?"

"Leute", rief Goldi schmatzend, "es ist mal wieder soweit. Der Bürgermeister ist durchgeknallt."

"Das ist ja super", rief Tuffi begeistert, "bestimmt wird er uns jetzt wieder alle retten!"

"Ich habe gleich gewusst, dass diese Reise eine Katastrophe wird", fauchte Flecki. "Wir haben keine Ahnung, wie wir unser Ziel erreichen sollen, keine Ahnung, wie wir zurückkommen sollen. Selbst wenn wir unser Ziel erreichen, wissen wir nicht, was wir dort machen sollen, der Bürgermeister ist mal wieder durchgeknallt, und unser Fahrer liegt bewusstlos neben der Heizung."

"Ja", antworte Goldi schmatzend, "aber die Suppe ist echt lecker."

"Wir müssen als Erstes den Bürgermeister von dem Deckel befreien", schlug Murksel vor.

"Und was ist mir mit? Ich mag nicht als Lurch herumlaufen", jammerte Trampel.

"Das ist leider nicht zu ändern, Trampel", antwortete der Bauleiter mitfühlend. "Das ist Lackfarbe, die muss von alleine herauswachsen. Aber du bist noch jung, da geht das schnell."

"Wir könnten ihn ja rasieren", schlug Goldi vor und leckte die letzten Suppenreste vom Fußboden.

"Nein! Ich will nicht!" schrie Trampel und hob abwehrend seine Pfoten. "Ich habe keine Lust, nackt wie eine Rennmaus herumzulaufen!"

"Was ist eine Rennmaus?"

"Dodo, halte ihn doch bitte mal fest!" stöhnte Murksel.

"Was ist ein Dodo?"

"Ich habe ihn, Herr Bauleiter."

"Gut, jetzt brauche ich noch Goldi, Hamstilidamst und Teeblättchen. Trampel, du bist noch nicht getrocknet, also bleibe da stehen. Dodo hält jetzt den Bürgermeister fest, und wir Fünf ziehen am Deckel – eins, zwei, drei!"

Der Bürgermeister schrie wie am Spieß, doch der Deckel blieb, wo er war. Er klebte bombenfest an seiner Pfote.

"Wir sollten wieder in unser Zimmer gehen und versuchen, uns etwas auszuruhen. Vielleicht können wir dem Lkw-Fahrer die ganze Sache irgendwie erklären.", schlug der Bauleiter erschöpft vor.

"Genau", rief Hamstilidamst. "Wir haben doch eine Karte dabei. Wir brauchen ihm die doch nur zu zeigen, vielleicht versteht er, wo wir hin wollen."

"Genau!" rief nun Bauleiter Murksel begeistert, "so machen wir es. Mit etwas Glück werden wir dann bis zum Schloss Dunollie gebracht."

"Öhm, äh, wer ist dieser Ollie?"

 

Weiter: Das Projekt Pleasure Dome (Kapitel 16-20)

Kapitel 16

B&B II

 

"Wollen wir uns nicht ein wenig vor dem Fernseher ausruhen?" schlug Flecki vor und lief in ein großes, geräumiges Zimmer, das gegenüber der Küche lag. Ein mit vielen Fransen verzierter alter Sessel lud ein, es sich gemütlich zu machen. Auf der Sessellehne lag eine Fernbedienung, und gegenüber dem Sessel stand ein Fernsehgerät.

"Lasst uns Fußball gucken!" Hamstilidamst griff nach der Fernbedienung und erhielt von Flecki einen heftigen Klaps auf die Pfote.

"Die Fernbedienung habe ich gefunden. Außerdem ist Fußball blöd und gemein."

"Wieso gemein?"

"Gemein und unfair. Immer wieder hört man, dass so ein armer Spieler abseits steht. Alleine und abseits von allen Anderen. Warum muss das so sein? Warum kümmert sich keiner um ihn?"

Hamstilidamst fiel nun nichts mehr ein, und Flecki schaltete den Fernseher ein. Hin und her ging es nun, von einem Kanal auf den anderen. Der Bürgermeister lehnte sich vor, um besser sehen zu können und lächelte. Dann knallte und schepperte es.

"Der Bürgermeister ist vom Sessel gefallen, das kommt von deinem blöden Hin- und Herschalten!" schimpfte Goldi.

"Da kann ich doch nichts für. Außerdem suche ich was... Ah! Da ist es!" rief Flecki und starrte fasziniert auf den Bildschirm, auf dem eine Frau damit beschäftigt war, eine Wand mit Farbe zu streichen. Der Bauleiter bemängelte, dass die Haltung des Pinsels nicht fachgerecht wäre und handelte sich einen äußerst giftigen Blick von Flecki ein. Während die Dame auf dem Bildschirm nach jedem Pinselstrich irgendetwas erzählte, begannen sich die Hamster zu langweilen, und Goldi knurrte: "Die Schnepfe ist doch oberlangweilig, können wir mal umschalten?"

"Das ist Emmi die Wohnungseinrichterin, und das ist überhaupt nicht langweilig.... He, gib mir die Fernbedienung zurück, du Miesling!" Laut kreischend stürzte sich Flecki auf Goldi. Gerade als Murksel versuchen wollte, die beiden zu trennen, war Sasies Ruf zu hören: "He, schaut mal aus dem Fenster! Guckt mal, wer da durch die Gartenpforte geschlichen kommt!"

Im Nu waren die Hamster zu Sasie auf die Rückenlehne gekrabbelt und sahen die alte Dame schwer bepackt mit Einkaufstüten langsam durch die Gartentür gehen.

"Rückzug", brüllte der Bauleiter, kletterte von dem Sessel herunter, stolperte über den Bürgermeister und lief weiter an der Küche vorbei zum Treppenaufgang.

Nachdem die gesamte Hamstertruppe mühsam die steile Treppe hinaufgeklettert war und gerade durch die halb geöffnete Zimmertür rennen wollte, prallten sie zurück. Ein am Kopf verbeulter, müde aussehender Mann stand vor ihnen. Er lehnte am Türpfosten und wirkte etwas ratlos. Sein Blick fiel auf die Hamster, und er schien erleichtert zu sein. Die kleinen Tiere jedoch kümmerten sich nicht weiter um ihn, sondern liefen eines nach dem anderen an ihm vorbei in das Zimmer hinein. Unten klapperte die Eingangstür des Hauses. Vim van der Slampe hielt es für klüger, sich zunächst wieder in sein Zimmer zurückzuziehen. Vielleicht war es wirklich besser, wenn ihm erst einmal klar wurde, was sich in seinem Zimmer abgespielt hatte, bevor er auf die Hausbesitzerin stieß. Er untersuchte als nächstes das Bett und stellte fest, dass einer der Füße abgebrochen war. Eine Schelle hat sich gelöst und die Schrauben lagen auf dem Teppich. Das sollte kein Problem sein, dachte der Lkw-Fahrer, öffnete seinen Werkzeugkoffer und holte einen Schraubendreher hervor. Während er die Schelle befestigte, bemerkte er, dass er von einem Hamster sehr genau beobachtet wurde. Mit seiner kleinen Pfote schob dieser Hamster eine fehlende Schraube neben den Bettpfosten, so dass der verwunderte van der Slampe sie nehmen und festschrauben konnte.

"Hamstilidamst, hole mal die Karte, ich glaube jetzt sollten wir mal versuchen, dem Typ zu zeigen was Sache ist!"

Hamstilidamst schüttelte den Kopf. "Die ist im Rucksack und der Rucksack ist im Wagen und der Wagen ist im Lastwagen."

"Öh!" Dem Bauleiter fiel nun leider nichts mehr ein. Er überlegte, zum Bürgermeister zu gehen, um weitere Schritte mit ihm abzusprechen, doch sein gesunder Hamsterverstand sagte ihm, dass der Bürgermeister in seiner jetzigen Verfassung wohl kein geeigneter Diskussionspartner wäre. Ohnehin hatte der sich soeben zum Schlafen niedergelegt.

"He Leute, kommt mal alle her. Wir müssen etwas besprechen!", rief er.

"Soll ich den Bürgermeister wecken, Chef?"

"Nein, Tuffi, das lässt du besser. Lass ihn weiter schlafen."

"Was gibt es?" fragten Dasie und Sasie, nachdem sich alle um den Bauleiter versammelt hatten.

"Wir machen jetzt eine Lagebesprechnung. Wie ihr sicherlich wisst, weiß unser Bürgermeister überhaupt nichts mehr. Aber wir müssen dennoch irgendwie zum Schloss von diesem McShredder kommen..."

"Moment mal", warf Flecki ein. "Wenn dieser Bügermeisterhohlkopf sowieso nichts mehr weiß, weil seine Birne total leer ist, wieso sollen wir dann den McShredder holen? Ich meine, das war ja die Idee des Bürgermeisters und nicht unsere. Ich riskiere doch nicht mein Fell für solch einen Schwachkopf."

Die Stimmung unter den Hamstern war gereizt, und die Truppe war kurz davor, sich in zwei Lager zu spalten als Tuffi vorschlug, doch erst einmal abzuwarten. Wenn sich der Zustand des Bürgermeisters nicht bessern würde, könnte man ja immer noch sehen, was zu tun wäre. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Inzwischen war Vim van der Slampe mit der Reparatur des Bettes und der Gardinenstange fertig. Er konnte sich zwar halbwegs erklären, dass er womöglich unruhig geschlafen hatte und aus dem Bett gefallen war, aber warum der Wasserkocher angeschaltet und der Teppich mit grüner Farbe verschmiert war, das konnte er sich nicht erklären. Allerdings ließ ihn die Tatsache, dass einer der Hamster mit dem Deckel einer Farbdose herumlief, auf manches schließen. Es wurde Zeit, einiges aufzuklären, und so schnappte er sich den schlafenden Bürgermeister und betrachtete ihn genau.

"Du hast ja eine richtige Beule am Kopf, mein Kleiner, und der Deckel hat sich an deiner Pfote verklebt. Lass mal sehen!"

Vorsichtig zog er an dem Deckel, dreht ihn und versuchte, ihn langsam von der Hamsterpfote zu lösen.

"Ganz ruhig, mein Kleiner, gleich bist du von dem bösen, bösen Deckel befreit!"

Langsam öffnete der Bürgermeister in diesem Moment die Augen. Was war los? Ein Riese hatte ihn gepackt, und sicherlich hatte nun sein letztes Stündchen geschlagen.

"Eflih!" schrie der verängstigte Hamster und sprang todesmutig von der Hand seines Helfers hinab auf den Fußboden, wo er benommen liegen bliebt.

"Also nein, ist der ja sowas von untrainiert", kommentierte Sasie den Sprung. "Überhaupt keine Körperbeherrschung, ein völlig luschiger Sprung. Der sollte mal in unserer Tanzgruppe mitmachen, das würde ihm gut tun!"

Unter den Augen des erschrockenen Lkw-Fahrers hatte sich der Bürgermeister wieder aufgerappelt und sah sich grinsend um: "Alles in Ordnung, Leute. Bin nur ein bisschen schief aufgekommen, höh, höh!"

"Gut, dass Sie wach sind, Herr Bürgermeister, wir haben gerade abgestimmt, dass wir warten, bis Sie wieder in Ordnung sind!"

"Ha, selbstverständlich bin ich in Ordnung, liebe Tuffi. Was gibt es denn, und was ist das für ein Lurch?"

"Das ist doch Trampel, der in den Farbtopf gefallen ist", erklärte Tuffi, während Teeblättchen den schluchzenden Trampel tröstete.

"Richtig, richtig, ich erinnere mich. Nun mein lieber Bauleiter, was haben wir denn beschlossen?"

"Entweder kehren wir um, oder wir sagen dem großen Typen da, wo er uns hinbringen soll."

"Alles klar, mein lieber Bauleiter, machen Sie das. Ich werde inzwischen schauen, ob noch ein paar von den Keksen neben der Sauna sind, damit wir genug, äh, Proviant mitnehmen können!"

"Typisch", schimpfte Flecki, "nichts als Fressen...."

"Sag mal, Flecki, hast du einen Stift dabei?"

"Was ist denn das für eine Frage, Bauleiter? Natürlich habe ich immer etwas zum Malen dabei."

"Gut", atmete der Bauleiter auf, "dann werden wir jetzt auf eines der Badelaken den Namen des Ortes schreiben, wo wir hin müssen!"

"Wie schreibt man denn dieses Dunollie?", fragte Tuffi und sah Murksel neugierig an.

"Öh, ja, also, weiß jemand, wie Dunollie geschrieben wird?"

Niemand antwortete auf die laut gesprochene Frage des Bauleiters. Flecki betrachtete die Decke, Sasie und Dasie unterhielten sich mit Tati aufgeregt über Hochland-Tänze, Hamstilidamst versuchte ein wenig von Trampels grüner Farbe abzukratzen, Teeblättchen und Tuffi untersuchten den Teppich, und Goldi sah dem Bürgermeister hinterher, der sich auf die Kekssuche begeben hatte.

"Warum nehmen wir nicht diese andere Stadt, die da in der Nähe ist?" fragte Goldi.

"Genau", rief Flecki, "Oban hieß die, das habe ich damals genau gehört!"

"Gut", entschied Bauleiter Murksel, "Flecki sei so gut und schreibe dieses äh, Oban auf ein Laken!"

Flecki nahm einen Stift und setzte sich vor eines der Klopapierblätter, malte ein großes 'O" auf das Blatt und schaute unsicher zum Bauleiter hin.

"Mit 'P'?"

"Quatsch", schimpfte Murksel, "mit 'B' natürlich. Das Gegenteil von 'Unten'"

"O-B-E-N", buchstabierte Flecki und betrachtete stolz ihr Kunstwerk. Sie trat einen Schritt zurück, legte den Kopf schief und setzte sich erneut vor das Klopapier. Langsam malte sie einen großen Pfeil, der genau auf das Wort 'Oben' wies. "Das sollte reichen!"

Vim van der Slampe entglitten die Gesichtszüge als er sah, was sich da vor seinen Füßen auf dem Teppich abspielte. Ein Hamster, der schreiben konnte! Vorsichtig kniete er nieder, damit er auch keines der Tierchen verletzte, nahm das Stück Klopapier und las das Wort. Wieder und wieder las er es. Dann durchzuckte ihn ein Gedanke.

"Nach Oben wollt ihr? Ganz nach Oben?"

Ein vielfaches Nicken der Hamster bestätigte seine Vermutung. Vim van der Slampe legte das Stück Papier auf den Boden zurück und ließ sich rückwärts auf das Bett fallen. Er atmete schwer und begann, an seinem Verstand zu zweifeln. Er rief sich in Erinnerung, was diese Hamster auf dem Schiff angestellt hatten und kam zu dem Schluss, dass er es hier mit einzigartigen Tieren zu tun hatte. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft, und er stellte sich die Frage, was diese intelligenten Tiere mit dem Wort 'Oben' meinten. Die Highlands, ganz klar. Nein, noch weiter, überlegte er. Sie wollen an die Nordküste. Natürlich! Deshalb haben sie ihre Rucksäcke und den Transporter mitgenommen! Ob er..., sollte er..., van der Slampe dachte an die Highlands und daran, dass er sie schon immer einmal besuchen wollte. Es sei das Schönste, was es gebe, hatte ihm Kollege Ruud Kloetsack einmal erzählt. Entweder hier in diesem traurigen Zimmer die nächsten Tage verbringen, oder das Abenteuer suchen. Die Entscheidung war gefallen.

"Packt eure Sachen, Hamster, ich gehe zu Mrs. McKenzie und sage ihr, dass ich weiter muss. Mal sehen, ob sie uns noch etwas zum Essen mitgeben kann!"

Es dauerte in der Tat einige Minuten, bis Mrs. McKenzie begriff, was ihr Zimmergast ihr eigentlich sagen wollte. Ohnehin war die alte Dame völlig gerührt, dass der gesamte Topf mit der selbstgemachten Broth geleert worden war. Endlich einmal jemand, der ihre Kochkünste gebührend zu würdigen wusste! Hierbei war es übrigens an Vim van der Slampe, der nicht begriff, was sie damit sagen wollte. Das Resultat jedoch war, dass Mrs. McKenzie ihm einen recht großzügig bemessenen Vorrat an Keksen, selbst gebackenen Kuchen und selbst gekochter Marmelade gab, die der Lkw-Fahrer auch sogleich in den vor der Tür stehenden Lastwagen brachte. Dort angekommen, verstaute er die Leckereien und kramte seine Straßenkarte von Großbritannien hervor. Mit geübtem Blick sah er, dass eine Fahrt an die Nordküste einen Zwischenstopp erforderte. Es sind 400 Kilometer, dachte er. Wenn wir gleich losfahren, erreichen wir unser Ziel im Dunkeln, also legen wir eine Übernachtung ein. Er verfluchte sich selbst, dass er den Hamstern so großspurig gesagt hatte, dass sie ihre Sachen packen und dass es gleich losgehen sollte. Moment mal, überlegte er und legte die Karte beiseite, das sind winzige kleine Tiere und wenn ich denen sage, wir fahren erst morgen, dann fahren wir auch erst morgen. Gut, ich sage ihnen also..., ach ist ja auch egal. Leise vor sich hin schimpfend, ging der Lkw-Fahrer auf sein Zimmer zurück und stellte sich vor die Hamster.

"Wir werden morgen fahren, es ist schon zu spät für die Abfahrt!"

Mit großen, traurigen Knopfaugen blickten ihn zwölf frustrierte Hamster an. Sogar Goldi hörte auf, an dem Keks zu knabbern, den er dem Bürgermeister geklaut hatte.

"Ich meine, wir kommen nachts an und das bedeutet...."

Flecki hielt eine Pfote vor ihr Gesicht, und Tati begann leise traurig zu fiepen.

"Wir müssten einen Zwischenstopp einlegen und das wäre..."

Goldi war direkt vor den Lkw-Fahrer gekrabbelt und sah ihn mit großen, feuchten Augen an.

"Das wäre, ich meine, das geht doch nicht..."

Dasie und Sasie standen nun ebenfalls vor ihm, hatten einander eng umschlungen, schluchzten und fiepten ebenfalls, allerdings wesentlich lauter als Tati.

Eine Viertelstunde später saßen sie wieder im Lastwagen und hatten bereits die Ferry Road hinter sich gelassen. Die Reisetruppe näherte sich der Abzweigung auf die A90, die zu der berühmten Brücke über den Firth of Forth führte.

"Geile Nummer", lachte Goldi. "Habt ihr gesehen, wie der Typ geflennt hat? Noch ein paar Minuten, und der hätte uns auf Händen zu dem ollen McShredder getragen."

"Wie ich immer zu sagen pflege", resümierte der Bürgermeister, der sich von dem kleinen Unfall mit dem Kochtopf erstaunlich gut erholt hatte, "ist es immer eine Frage von Friede, Nächstenliebe und Toleranz. Wir haben diesem Menschen gezeigt, dass auch wir Hamster Gefühle haben, die nicht verletzt werden dürfen, und wie ich im Besonderen betonen möchte..."

Der Bürgermeister verstummte, und seine Augen weiteten sich.

"Grenzkontrolle, schnell versteckt euch!" rief er und drehte sich voller Panik im Kreis.

"Ach was, das ist doch nur Typ, der den Eintritt kassiert." beruhigte ihn Hamstilidamst. "Jeder, der die Brücke in Richtung Schottland nimmt, muss Geld bezahlen. Der Rückweg ist gratis."

Vim van der Slampe steuerte wenig später den schweren Lastwagen auf die breite M90, die bis nach Perth führt. Hinter dem Lkw hatte sich ein kleiner Stau gebildet, der sich nun langsam auflöste. Ein Pkw nach dem anderen überholte, und die Hamster schauten begeistert aus dem Fenster. In der Ferne kamen die ersten Berge in Sicht. Als die Sonne sich langsam dem Horizont näherte, erreichten sie Perth und waren wieder auf der recht schmalen A9. Es war sehr wenig Verkehr um diese späte Tageszeit. Vim van der Slampe blickte etwas beunruhigt aus dem Fenster und drehte sich dann zu den Hamstern um.

"Ihr seht ja nun, dass es bald Nacht wird. Ich kenne diese Strecke nicht, und mit meinem schweren Brummi möchte ich wirklich nicht weiterfahren. In der nächsten größeren Stadt werden wir uns einen Platz zum Übernachten suchen. Ich freue mich schon auf meine gemütliche Schlafkoje. Auf der Fähre war es recht ungemütlich in einem Schlafsessel, wisst ihr?"

Natürlich erhielt er keine Antwort, obwohl er im Rückspiegel genau sehen konnte, dass die Hamster aufgeregt miteinander tuschelten und diskutierten. Dann war es soweit. Wenige Kilometer, nachdem sie den kleinen Ort Ballinluig passiert hatten, bog der Fahrer ab und fuhr auf einer langgestreckten Kurve weiter. Als sie wenig später eine Straße namens Atholl Road erreicht hatten, fuhr er langsamer.

"Pitlochry", rief er den erstaunten Hamster zu. "Hier werden wir uns etwas zum Übernachten suchen."

Vim van der Slampe suchte und fand einen günstigen Platz. An einem Schild, das den Weg zum Bahnhof wies, bog er ab. Inzwischen war es recht dunkel geworden, und im Scheinwerferlicht des Lastwagens tauchte eine Brücke auf. Der Fahrer folgte nicht dem Weg zum Bahnhof, sondern fuhr geradeaus weiter an einem bunt beleuchteten Gebäude vorbei, bis sie einen Seitenweg erreichten. Dann hielt er an und stellte den Motor aus. Er blickte sich um und stellte zufrieden fest, dass um sie herum überall Bäume standen. Hier würden sie die Nacht in Ruhe verbringen können.

 

 


Kapitel 17

Amusements

"Ist der Kerl nicht ganz dicht, oder hat er einen Schaden von seiner Begegnung mit der Gardinenstange?" fauchte Flecki und zeigte aus dem Fenster. "Was sollen wir denn hier? Das ist ja an den Hinterpfoten der Welt!"

Vim van der Slampe, müde von der Fahrt, hatte sich schon längst in seine Schlafkoje verzogen und die Augen geschlossen. Sein Kopf brummte nach wie vor, und das nicht nur, weil er Bekanntschaft mit einer Gardinenstange gemacht hatte, nein, der Aufprall seines Schädels an dem Heizungskörper war weitaus schmerzhafter und nachhaltiger gewesen. Das aufgeregte Fiepen der Hamster hatte etwas Beruhigendes an sich, und es dauerte nur wenige Minuten, bis er eingeschlafen war. Hätte er allerdings bedacht, dass Hamster nun mal Nachttiere und somit nachtaktiv sind, so wäre er wohl alles Andere als beruhigt eingeschlafen.

"Wir sollten ein wenig an die frische Luft gehen", schlug der Bürgermeister vor. "Mein Kopf tut weh, und ich denke, dass ich auch für uns alle spreche, wenn ich erwähne, dass wir uns ein wenig die Highlands anschauen sollten."

"Oder die Geschäfte", rief Flecki aufgeregt, und die neben ihr sitzende Sasi nickte ebenso aufgeregt.

"Oder Daddeln."

Das fröhliche Geplapper und Gefiepe der Hamster verstummte urplötzlich.

"Wie - Daddeln?" fragte Hamstilidamst und starrte genauso wie alle anderen Goldi neugierig an.

"Na, eben Daddeln. Als wir eben unter einer Brücke durchgefahren sind, habe ich eine Spielhölle gesehen."

"Ei-eine Spielhölle?" rief Trampel aufgeregt. "Worauf warten wir?"

Laut jubelnd rannten die Hamster hinter Goldi her und standen wenige Minuten später vor einer verschlossenen Tür. Die Lichter der Neonröhren mit dem Wort 'Amusements' waren erloschen. Drinnen waren mehrere Spielautomaten zu sehen, an denen einige Lichter blinkten, doch ansonsten war der Laden leer.

"Öhm, und was machen wir nun?" keuchte der Bürgermeister, der noch etwas atemlos von der Lauferei war.

Bauleiter Murksel trat gegen die Eingangstür und blickte enttäuscht auf die blinkenden Geräte..

"Solider Stahl, da ist nichts zu machen. Allerdings..." Aufgeregt wischte der Bauleiter mit seiner kleinen Pfote die Scheibe etwas sauberer und blinzelte mit den Augen. Dann drehte er sich um und rief: "An der hinteren Wand hängen Handtücher und daneben ein Schlüsselbund. Den müssen wir unbedingt haben, dann können wir bestimmt die Tür aufschließen!"

"Soll ich durch den Briefkastenschlitz klettern und ihn holen, Chef?"

"Klasse Idee, Dodo. Los, beeil dich!"

Dodo zwängte sich durch den engen Briefkastenschlitz, der nur wenige Handbreit über dem Boden angebracht war. Es erforderte etwas Unterstützung seiner Kollegen, denn Dodo war nun mal der dickste aller Hamster, und so mussten ihn die übrigen kräftig anschieben, bis er endlich im Inneren der Spielhölle war. Dort angekommen, vertrödelte er auch keine Zeit, sondern lief zur Wand, an der die Schlüssel hingen, krabbelte an einem der Handtücher hoch und warf den Schlüsselbund hinunter. Kurz darauf hatte er wieder den Briefkastenschlitz erreicht, wo seine Kameraden bereits sehnsüchtig auf ihn warteten. Dodo schob den Schlüssel auf die andere Seite der Tür und zwängte sich mit erneuter Hilfe seiner Freunde durch den engen Schlitz.

"Ha, wir sind echt gut", tönte der Bürgermeister. "Ich möchte den Entscheidungen nicht vorausgreifen, doch ich empfehle nun, gemeinsam den Mülleimer dort vor die Tür zu schieben, damit wir an das Schloss gelangen!"

Wenig später gelang es Bauleiter Murksel mittels einen geschickten Saltos, den Schlüssel herumzudrehen. Das Türschloss knackte und sprang auf. Jubelnd stürmten die Hamster in den Laden und sahen sich mit großen Knopfaugen um. Zur rechten Seite standen zwei Autorennsimulatoren und ein Motorradsimulator. In der Mitte des Raumes befanden sich Spielautomaten und zur linken Seite noch mehr Spielautomaten. Mit riesigen, glasigen Augen steuerte Goldi auf die Rennsimulatoren zu und rief: "Ich brauche Geld! Wer tritt gegen mich an?"

Stille, betretendes Schweigen. Wo sollten 12 arme Hamster Geld herbekommen? Der Bürgermeister wollte etwas sagen, öffnete kurz seinen Mund und schloss ihn sogleich wieder. Seine Barthaare zitterten, und er begann, mit seiner linken Pfote auf den Boden zu tippen. Der Traum von einer durchzockten Nacht schien in diesem Moment zu sterben, und verzweifelt grübelten die Hamster, um eine Lösung für ihre Finanzmisere zu finden.

"Ich trete gegen dich an!"

Die Stimme kam aus der Tiefe des Raumes, aus einer dunklen Ecke auf der linken Seite der Spielhölle. Erschrocken hörte der Bürgermeister auf, mit der Pfote auf dem Boden herumzutippen und starrte, wie alle anderen Hamster auch, ängstlich ins Leere. Kein Laut war in diesem Moment zu hören, nur irgendwo draußen blökte ein Schaf in der dunklen Nacht. Dann raschelte etwas und bewegte sich auf die zitternden Hamster zu. Langsam näherte es sich, und langsam kam es immer weiter ins Licht hinein. Es war nicht etwas, es waren viele! Dann erkannten die Hamster, wer sich ihnen näherte. Rennmäuse! Etwa 20 Rennmäuse kamen auf sie zu. Die größte dieser Rennmäuse, so groß wie Dodo, jedoch viel schlanker, stellte sich direkt vor Goldi und fauchte: "Ich trete gegen dich an, und ich werde dich fertig machen und deine Eingeweide auslutschen, du Hamster!"

Goldi nickte. "In Ordnung, hast du genug Geld dabei?"

"Genug Geld! Du sprichst mit Big Mac Mouse, ich bin der Anführer! Schon mal von mir gehört?"

"Nö", brummte Goldi, "aber ich bin auch kein Anführer. Das ist der da!" und zeigte auf den zitternden Bürgermeister.

Die Rennmaus drehte sich um, richtete sich hoch auf und fuhr den Bürgermeister an: "Und du, Anführer! Kennst du etwa Big Mac Mouse nicht?"

"Öh, nun ich, äh, also wenn ich darauf hinweisen darf, verehrter Big Mac Mouse, so komme ich um die Dings, äh, Tatsache nicht unmittelbar sozusagen herum, dass ich gewissermaßen von einem Big Mac schon einmal vom Hörensagen erfahren zu haben durfte, äh, gedurft zu fahren, äh, hatte. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass dieses sich anlässlich eines Hamburgerwettessens ereignete, als ..."

"Häh?" rief die Rennmaus verwirrt, "was erzählt der da?"

"Nix", grummelte Goldi. "Können wir jetzt mit dem Rennen beginnen?"

"Wie wollt ihr denn die Dinger steuern?" wunderte sich Flecki. "Ich meine, ihr kommt doch mit den Pfoten überhaupt nicht an die Pedale."

"Wie lange meinst du wohl, leben wir hier schon?" fauchte die Rennmaus. "Hin und wieder kommt ein Mann, der die Dinger aufschraubt und überprüft. Dann stöpselt er eine kleine Fernbedienung an und prüft, ob alles funktioniert. Die Fernbedienung ist hinter den Apparaten. Wir sind schlau, wie? Das hättest du wohl nicht gedacht, was?"

Flecki sah die freche Rennmaus an und sagte angewidert: "Nein, jedenfalls nicht, wenn man dich anguckt. Du hast ekelige Essensreste zwischen den Zähnen."

"Und mit deinem Schwanz musst du in Hundescheiße geraten sein, so wie das stinkt." ergänzte Goldi.

Die große Rennmaus glotzte erst Flecki und dann Goldi an. Big Macs Augen funkelten wütend, und auch seine Kumpane nahmen eine bedrohliche Haltung ein.

"Ich werde dir das Maul stopfen, Hamster. Erst mal machen wir eine Aufwärmrunde am Simulator und dann wird es Ernst. Bist du bereit?"

Goldi nickte.

Big Mac nickte seinen Leuten zu, und jeweils zwei von ihnen liefen auf die beiden Autorennsimulatoren zu und holten aus der Rückseite die bereits erwähnten Fernbedienungen hervor. Jeder der beiden Wettkämpfer erhielt eine. Siegessicher grinste Bic Mac Mouse zu seinen Leuten hinüber, die mit Johlen und Gekecker antworteten. Keine Frage, wer hier gewinnen würde. Er sah zu Goldi hinüber.

"Du wirst jetzt die schlimmste Niederlage deines Lebens erleben, Hamster. Auf die Plätze, fertig, ..." und bevor die Rennmaus 'los' gesagt hatte, gab sie Gas und der Rennwagen auf dem Bildschirm setzte sich auf den ersten Platz.

"Du hast nicht 'los' gesagt", knurrte Goldi, dessen Wagen noch an der Startlinie stand.

"Ha", tönte die Rennmaus, "willst du schon aufgeben, du erbärmliches Fell tragendes Weichei? Na schön: 'los'!"

Goldi antworte nicht, sondern gab Gas. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Fahrweise der Rennmaus, und ihm entging nicht, dass sie recht hektisch fuhr und immer wieder mit hohem Tempo an die Leitplanken raste. Zwar hatte sie einen respektablen Vorsprung, doch Goldi, der weitaus geschickter seinen Wagen durch die Kurven lenkte, holte Stück für Stück auf. Dann war es soweit: In einer langgestreckten Kurve zog der Hamster an der Rennmaus vorbei. Die Rennmaus versuchte, ihren Gegner zu rammen, doch Goldi bremste kurz, und der Wagen der Rennmaus flog fast von der Strecke. Aus der Ecke der Rennmäuse ertönten entsetzte Schreie. Big Mac Mouse beschleunigte seinen Wagen aufs Äußerste und drückte auf einen kleinen Knopf an der Seite der Fernbedienung. Auf dem Bildschirm erschien nun über seinem wild dahinrasenden Wagen ein blinkendes 'T' und Goldi registrierte sofort, dass die Rennmaus einen versteckten Turboantrieb aktiviert hatte. Der Hamster fummelte an seiner Fernbedienung herum, doch er fand keinen solchen Turboknopf. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Ziel, und zudem es war eine gerade Strecke, auf der der Wagen von Big Mac Mouse gnadenlos näher kam. Es schien, als würde er im nächsten Moment als Erster durchs Ziel gehen. Die Rennmäuse waren bereits am Jubeln und sahen sich als die sicheren Sieger, als Goldi im letzten Moment urplötzlich seinen Wagen direkt vor den der Rennmaus setzte. Die Zuschauer, Hamster und Rennmäuse, kreischten laut auf und sahen nun, wie der Wagen von Bic Mac Mouse mit rasender Geschwindigkeit auf Goldis Wagen auffuhr, ihm einen mächtigen Stoß versetzte und ihn durch die Luft katapultierte. Das war die Entscheidung, denn der Wagen des Hamsters flog rauchend über die Ziellinie und hatte das Rennen gewonnen.

"Das war Schummel, Betrug!" kreischten die Rennmäuse, und Big Mac Mouse war kurz davor, sich auf Goldi, den das alles nicht zu interessieren schien, zu stürzen.

"Und der versteckte Knopf für den Turbomode?" fragte der Hamster mit Unschuldsmiene. Bic Mac Mouse trat auf ihn zu und rief: "Du bist jetzt dran, du Hamster! Das war eben nur Glück, sonst hätte ich dich fertig gemacht. Bist du bereit für das nächste Rennen?"

"Immer", entgegnete Goldi und folgte ihm zu einem riesigen Tisch, auf dem sich eine Autorennbahn befand. "Wie viele Runden?"

"Fünf, wir starten hier vorne neben der Tribüne. Die letzte Runde ist eine halbe Runde länger und endet an dem Rundenzähler vor dem Looping. Allerdings wirst du die letzte Runde sowieso nicht erleben!"

Flecki hatte sich in der Zwischenzeit in Goldis Nähe begeben und flüsterte ihm in einem unbeobachteten Moment ins Ohr. "Pass bloß auf, der hat bestimmt noch mehr schmutzige Tricks auf Lager!"

Mittlerweile hatten sich Hamster und Rennmäuse in den hinteren Teil der Spielhölle begeben, wo auf einem schwarz-weißen Belag eine Rennbahn stand. Sie beäugten die Fahrzeuge. Ein roter Lamborghini und ein schwarzer Porsche standen nebeneinander an der Startposition und warteten auf die Fahrer.

"Und was ist mit 'nem Preis für den Ersten?" fragte Goldi neugierig.

"Preis?" kreischte eine kleine Rennmaus und schob sich in den Vordergrund. "Wir sind die Größten und können alles! Wenn ich nicht dummerweise eine kaputte Pfote hätte, würde ich fahren, denn ich bin der schnellste Fahrer der Welt!"

"Der schnellste Fahrer der Welt?" entgegnete Goldi zweifelnd. "Wie schnell bist du denn schon bisher gefahren, und wie heißt du überhaupt?"

"Äh, das weiß ich nicht mehr so genau, aber mein Name ist McMax der Große."

"Für einen Großen bist du aber verdammt klein", warf Flecki spöttisch ein.

"Äh, ja, aber von den Kleinsten bin ich der Allergrößte", stammelte McMax und tauchte schnell wieder in der Gruppe der Rennmäuse unter.

Bic Mac Mouse trat nun direkt vor Goldi und funkelte ihn mit seinen Augen wütend an. "Also pass auf, Hamster. Regeln gibt es keine und der Gewinner kriegt alles. Der Verlierer fliegt mit einem Fußtritt raus und darf sich hier nie mehr blicken lassen. Also: wenn ich gewinne, verschwindet ihr alle und kriegt vorher einen Fußtritt, ist das klar?"

"Völlig klar", brummte Goldi, "geht es nun los oder was?"

Ohne eine Antwort zu geben rannte die Rennmaus zu dem schwarzen Porsche und setzte sich ans Steuer. Kurz darauf hatte sich auch Goldi in das Fahrzeug, und zwar in den roten Lamborghini, begeben und fummelte neugierig an den Knöpfen der Armatur.

McMax der Große war inzwischen wieder aufgetaucht und stand mit einer großen schwarz-weißen Flagge vor den Fahrzeugen mitten auf der Rennstrecke. Mit einem wichtigen Gesichtsausdruck stand er nun dort, und versuchte verzweifelt das Gleichgewicht zu halten, denn das Gewicht der Flagge zog ihn mal auf die eine und mal auf die andere Seite. Endlich hatte er einen halbwegs sicheren Stand gefunden und kreischte: "Also ich gebe jetzt das Kommando, und alle müssen auf mich hören, ist das klar? Wenn ich ein-zwei-drei sage und die Flagge senke, geht es los!"

"Müssen wir auch auf dich hören? Ich meine, wir fahren doch gar nicht mit, oder?" fragte Dodo verwirrt.

McMax der Große starrte Dodo verwirrt an, und überlegte einen Moment, bevor er stammelte: "Äh, nein, glaube ich. Ihr fahrt ja nicht mit, oder?"

"Nun, mein lieber Max, vielleicht sollten wir eine Grundsatzentscheidung treffen, die für alle Seiten vorteilhaft wäre", mischte sich nun unglücklicherweise der Bürgermeister ein. "Wie ich immer zu sagen pflege, betrifft das Wort 'alle' nicht automatisch auch die Allgemeinheit, sondern oft nur einen elitären Bereich der Minorität."

"Äh, ja, dieser Bereich", stotterte McMax, "das habe ich mir auch schon immer so gedacht."

"Wann geht denn das nun endlich los?" rief nun Bauleiter Murksel ungeduldig.

"Los? Äh, ja richtig. Also es geht los, wenn ich ein-zwei-drei sage und mit der Flagge schwenke..."

"Senken", rief Flecki empört, "du musst sie senken und nicht schwenken!"

"Ach so, menno, das meinte ich doch. Hier, ich zeige es euch mal, wie gut ich das kann. Wenn es los gehen soll, sage ich ganz laut ein-zwei-drei und senke die Flagge ganz genau so, wie ich es jetzt mache und dann...aaah!"

Laut kreischend flog McMax der Große durch die Luft. Die beiden Rennfahrer hatten das Senken der Flagge als Startzeichen gedeutet und rasten los, was natürlich ausgesprochenes Pech und sehr unangenehm für McMax war, der bis eben noch mitten auf der Rennstrecke gestanden hatte. Goldi erwischte den besseren Start und setzte sich an die Spitze, doch schon nach der ersten Kurve lagen beide Kontrahenten wieder dicht nebeneinander. Natürlich kannte die Rennmaus die Strecke in- und auswendig, sodass sie einen erheblichen Vorteil besaß, und tatsächlich übernahm sie nach einer gefährlichen Z-Kurve die Führung. Die Rennmäuse johlten und grölten, während die Hamster mit großen Knopfaugen das Rennen gespannt verfolgten und mit Entsetzen sahen, dass Mac Mouse seinen Vorsprung in der nächsten Linkskurve ausbauen konnte. Die nächste Rechtskurve jedoch nahm er viel zu schnell, musste bremsen, und Goldi schoss an ihm vorbei, jagte durch eine nach links führende Steilkurve und erreichte den Looping als erster.

Die Rennmaus schien merkwürdiger Weise den schnelleren Wagen zu haben und konnte trotz Goldis besserer Kurventechnik jedes Mal auf den geraden Strecken den Rückstand aufholen. Nach der 4. Runde lag Big Mac Mouse mit seinem schnelleren Wagen ganz knapp in Führung und warf Goldi immer wieder wütende Seitenblicke herüber, während die Rennmäuse jubelten und sich bereits wie die sicheren Sieger fühlten. Dann passierte etwas, was alle Zuschauer verstummen ließ: Goldi bremste scharf, als Big Mac Mouse mal wieder einen bösen Seitenblick zu ihm hinüber warf und seine Zunge ausstreckte. Die Rennmaus war völlig irritiert für einen Moment; wo war ihr Gegner geblieben? Als sie sich mitten in der gefährlichen Z-Kurve verblüfft nach ihrem Gegner umsah, versteuerte sie den Wagen und flog aus der Bahn, mitten hinein in die kreischende Menge der Rennmäuse. Goldi beschleunigte nun seinen Wagen, fuhr elegant durch die Z-Kurve und erreichte unter dem Jubel seiner Hamsterfreunde als erster das Ziel.

"Das war Schummel!" kreischte McMax und drohte mit seiner Pfote. "Wenn ich fahren könnte, würde ich dir das jetzt zeigen!"

"He, du kleiner Angeber", fauchte Flecki während sie Goldi auf die Schulter klopfte, "wieso wenn du fahren könntest? Ich denke, du bist der größte und beste Fahrer der Welt?"

"Äh, ja, also ich meine, wenn ich fahren könnte, dann wäre ich wohl der schnellste Fahrer der Welt...."

"Kommt Kinder", rief nun Bauleiter Murksel, "wir treten diesen aufgeblasenen Rennmäusen in den Hintern und schmeißen sie raus! Dodo, komm mal her!"

"Was ist denn, Chef?" rief Dodo zurück und näherte sich dem Bauleiter.

Als der große Hamster auf Murksel zuging, gerieten die Rennmäuse in Panik. Laut kreischend, jammernd und übereinander stolpernd rannten sie um die nächste Ecke und verschwanden durch eine kleine Klapptür. Da diese Klapptür sehr eng war, gab es ein wüstes Gekloppe unter den Rennmäusen, wer als erster durch durfte. Viele Schrammen, Beulen und Gejammer später waren die Hamster alleine in der Spielhölle. Bei ihrer überhasteten Flucht hatten die Rennmäuse einen ganzen Beutel voller 2-Pence Stücke zurückgelassen, die nun begierig von den Hamstern genommen und in diverse Maschinen gesteckt wurden. Am beliebtesten war natürlich der Automat, der über einen Schieber ein paar 2-Pence Stücke hin und her schob und mit Münzen gefüttert werden musste. So manches Mal gewannen die Hamster, und so manches Mal waren sie kurz vor der Pleite. Es wurde eine grandiose Party, und als sich am Horizont die erste Morgenröte zeigte, war von draußen ein merkwürdiges Geheule zu hören.

"Die Rennmäuse," stellte Bauleiter Murksel fest.

"Die sind ja total besoffen!" rief Hamstilidamst und deutete mit seiner linken Pfote durch eine Glastür nach draußen, wo mehrere Rennmäuse neben einer leeren Cidre-Flasche im Gras lagen und Lieder sangen.

"Die armen Schweine", rief Flecki und Tränen standen in ihren Augen. "Die haben keine Zukunft, so wie die trinken!"

"Alkohol ist etwas für Schwächlinge", stellte Goldi fest.

Wenig später verließ eine müde und gähnende Hamstertruppe zufrieden die Spielhölle und begab sich wieder in den Lastwagen. Nach einem kurzen Imbiss fiel einer nach dem anderen in den Schlaf, während die ersten Sonnenstrahlen auf Pitlochry fielen.

 

 

 

 

 

Kapitel 18

Oben

Über dem Glen Brerachan war inzwischen die Sonne aufgegangen und wärmte mit ihren Strahlen das Städtchen Pitlochry, das am River Tummel friedlich vor sich hin dämmerte. Zur anderen Seite hin lag irgendwo in der Ferne der Tay Forrest Park, den der kleine Fluss irgendwann erreichen würde. Bei Dunalastair würde der River Tummel dann ein großes Wasserreservoir bilden, vom dem aus ein Ausläufer weiter zum Loch Rannoch fließen würde. Vorbei an Talladh-a-Beithe und Killichonan würde dieses Loch schließlich in das Loch Eigheach übergehen und danach durch das Loch Laidon an Black Corries Lodge vorbei fließen, um schließlich in der Nähe des Kings House Hotels seine Reise zu beenden. Von hier aus wären es übrigens nur noch weniger als 30 Meilen Luftlinie bis Oban und sogar noch weniger bis zum Schloss Dunollie gewesen.

Natürlich hätten die Hamster einen weitaus kürzeren und angenehmeren Weg nehmen können, als den, den sie nun aufgrund eines kleinen Rechtschreibfehlers vor sich hatten. Sie hätten bequem das Glencoe mit seiner unrühmlichen Vergangenheit durchqueren und hätten wunderschöne Berge und noch mehr Touristenbusse bestaunen können. Hätten sie, aber wie lautet ein bekanntes Hamstisches Sprichwort? Wähle von allen Möglichkeiten die unmöglichen, dann ergibt sich die beste aller Möglichkeiten von ganz alleine. So fuhren die Hamster also ganz nach oben an die Nordküste statt zur Westküste, wo die kleine Hafenstadt Oban zwischen Bergen zur einen und der Insel Kerrera zur anderen Seite lag.

Vim van der Slampe lenkte den Lkw zurück auf den Atholl Road, hielt an einem kleinen Fish n' Chips Laden und warf grinsend einen Blick auf die friedlich schlafenden Hamster. Er fühlte sich frisch und ausgeschlafen, und hätte er geahnt, was ihm die nächsten Tage bevorstand, hätte er sich das Grinsen sicherlich verkniffen. Auch hätte er sich bestimmt eine Packung Aspirin besorgt, doch da er von alledem nichts ahnte, stieg er mit einer Tüte Fish n' Chips und einigen Schokoriegeln bewaffnet nach kurzer Zeit wieder in den Wagen. Er ließ es sich schmecken und ging im Geiste noch einmal die Route durch. Er würde den kürzesten Weg vorbei an den wunderschönen Grampian Mountains bis Inverness nehmen, das wären ungefähr 130 Kilometer. Dann käme der schwerste Teil, denn nun würden 150 Kilometer auf engen Straßen vor ihm liegen. Normalerweise wäre eine solch lange Strecke kein Problem für ihn, doch Vim van der Slampe war noch nie in seinem Leben auf Single-Track-Roads gefahren. Wenige Stunden später war seine gute Laune schlagartig beendet, und er steckte mit seinem Lastwagen samt Hamstern in einer riesigen Baustelle namens Inverness fest. Es war heiß und der Gestank von Teer und Asphalt schwebte in der Luft. Es schien, als würden alle Straßen in dieser Stadt gleichzeitig aufgerissen und erneuert werden. Mal rollte der Lastwagen ein paar Schritte und mal fuhr er sogar für ein paar Sekunden. Doch meistens stand er und das für viele, viele Minuten, die sich zu Stunden sammelten. Die Sonne ging langsam wieder unter, als der frustrierte Lkw-Fahrer den Moray Firth überquerte und kräftig fluchte. In diesem Moment erwachten die Hamster und schauten neugierig zum Fenster hinaus. Das damit verbundene laute Gefiepe ging Vim van der Slampe gehörig auf die Nerven, die ohnehin zum Reißen gespannt waren. Als sie an Easter Ross vorbeifuhren, öffnete er erleichtert das Seitenfenster, um seinem inzwischen heftig brummenden Kopf ein wenig Abkühlung zu verschaffen. Nach einer Minute allerdings schloss er genervt das Fenster wieder, da sich die Hamster lautstark über die kalte Zugluft beschwerten. Sie erreichten den Dornoch Firth und hielten an einer kleinen Raststätte, wo der Lkw-Fahrer sich auf eine Toilette rettete und seinen Kopf unter kaltes Wasser hielt. Er fühlte sich nun etwas besser, und ihm fielen die Schokoriegel ein, die nun seinen heftig knurrenden Magen ein wenig beruhigen sollten. Ungeduldig wühlte er 5 Schokoriegel aus dem Handschuhfach hervor und riss den ersten gierig auf. Ein leises Fiepen ließ ihn innehalten, und er blickte sich erstaunt um. Vor ihm, auf der Armatur, saßen 3 Hamster, neben ihm, in der Ablage der Seitentür, saßen 4 weitere, auf dem Beifahrersitz ebenfalls 4 und auf seinem Schoß noch einer. 12 hungrige, traurige Augenpaare schauten ihn nun fragend an, und mit einem Mal spürte er einen dicken Kloß im Hals.

"Hunger habt ihr, wie? Ich habe ganz vergessen, etwas zu besorgen. Aber die Schokolade sollte für uns alle reichen, meint ihr nicht auch?"

Er brach den Riegel in mehrere Teile und hielt den Hamstern jeweils ein Stück hin. Zufrieden öffnete er nun den nächsten Riegel, doch gerade, als er ihn in seinen Mund stecken wollte, sah er wieder 12 hungrige Augenpaare vor sich. Diesmal saßen alle Hamster auf dem Armaturenbrett. Seufzend zerbröselte Vim van der Slampe auch diesen Riegel, und erneut verteilte er ihn unter den Hamstern.

"Wieso überrascht es mich nicht, dass ihr Gierhälse noch nicht genug habt?" schimpfte er, nachdem auch der nächste Versuch fehlschlug und er sich somit den vorletzten Riegel nahm. Während er ihn auspackte und den letzten neben sich auf den leeren Beifahrersitz legte, drehte er seinen Kopf weg vom Armaturenbrett und blickte angestrengt zur Fahrzeugdecke, um den gierigen Blicken der Hamster zu entgehen. Jedoch dicht unter der Decke hing ein großer Rückspiegel, und auf dem saß ein traurig blickender Hamster, der leise vor sich hin fiepte.

"Da, nehmt, ich will ihn gar nicht! Und jetzt verschwindet, ich will wenigstens den letzten Riegel haben! Verdammte Gierhälse!"

Schon im nächsten Moment taten ihm diese Worte leid als er sah, wie die Hamster den vorletzten Riegel schnappten und einer nach dem anderen in die Schlafkoje flüchteten. Mit schlechtem Gewissen und mit knurrenden Magen tastete seine Hand auf den Beifahrersitz, und unbändige Wut stieg plötzlich in ihm hoch.

"Ihr verdammten kleinen Nager! Ihr gefräßigen Biester! Sofort rückt ihr jetzt die Schokolade raus, das war meine!"

Der Lkw-Fahrer dreht sich um und wollte über den Sitz nach hinten zur Schlafkoje klettern, blieb jedoch am Rückspiegel hängen. Als er gerade seine erneute Wut herausbrüllen wollte, klopfte es an der Seitenscheibe. Ein Polizist! Vim van der Slampe öffnete die Tür.

"Guten Abend, Sir, haben Sie ein Problem?"

"Äh, nein, mein einziger Schokoriegel ist verschwunden, sonst nichts."

"Ihr Schokoriegel, Sir?"

"Ja, er lag eben noch auf dem Beifahrersitz, und wenn ich nicht bald etwas zu essen kriege..."

Der Polizist blickte auf Vim van der Slampes rechte Hand, in der sich das Papier von einigen Schokoriegeln befand.

"Ihr Schokoriegel ist also plötzlich verschwunden, Sir?"

Der Lkw-Fahrer klappte seinen Mund auf und schnell wieder zu. Fast wäre ihm etwas über die Hamster herausgerutscht, doch das hätte ihm wohl gewaltigen Ärger eingebracht. Tiere nach Großbritannien einzuschmuggeln wäre bestimmt strafbar, und er wagte sich nicht auszumalen, was wohl sein Arbeitgeber sagen würde, wenn der Lkw von der Polizei beschlagnahmt werden würde.

"Vielleicht, Sir", fuhr der Polizist höflich fort, "sollten Sie sich beeilen, vor Ladenschluss nach Bonar Bridge zu fahren."

"Ja, sicher", entgegnete van der Slampe erleichtert und verstaute die Schokoladenpapierreste im Handschuhfach.

Der Polizist nickte und ging zu seinem Fahrzeug zurück, während Vim van der Slampe den Motor anließ und den Rückwärtsgang einlegte. Sein Blick fiel routinemäßig in den Rückspiegel, und was er sah, ließ ihn das Blut in den Adern kochen: Da guckte ein Hamster unter dem Vorhang der Schlafkoje heraus und hatte einen ganzen Schokoriegel im Maul! Kreischend wollte der Lkw-Fahrer sich umdrehen, als er versehentlich Vollgas gab, der schwere Wagen rückwärts schoss, einen kleinen Holzzaun durchbrach und zum Stehen kam.

"Musstest du denn auch noch das letzte Stück klauen?" fauchte Flecki.

"Er hat uns immerhin verdammte Gierhälse genannt. He, Leute, der Bulle ist gerade aus seinem Streifenwagen gestiegen und kommt zurück!" entgegnete Goldi.

"Sir, Sie werden weit nach Ladenschluss in Bonar Bridge ankommen, wenn Sie so weiter fahren! Im Übrigen haben Sie schottisches Eigentum beschädigt. Sind Sie mit einer Geldstrafe von 50 Pfund einverstanden?"

Neugierig beobachteten die Hamster von der Schlafkoje aus diese entwürdigende Handlung. Schließlich fuhr der Polizist mit seinem Streifenwagen weiter Richtung Bonar Bridge, während Vim van der Slampe einige Pfund ärmer war. Genau genommen sah er nicht nur ärmer, sondern auch gealtert aus. Das Knurren seines Magens war mittlerweile so laut geworden, dass selbst die Hamster es hören konnten, zumindest so lange, bis der Motor des Lkws ansprang und der Fahrer Gas gab. Diesmal jedoch bewegte sich der Wagen nicht, lediglich das Durchdrehen der Räder war zu hören. Wütend riss van der Slampe die Fahrertür auf und lief nach hinten.

"Verdammter Mist!" hörten die Hamster ihn brüllen. "Ich Riesenidiot bin in einen Graben gefahren!"

Die nächste Stunde brachte den Hamstern nun so richtig Spaß. Ein verzweifelter Lkw-Fahrer sammelte alles, was er an Steinen und Ästen finden konnte und legte es unter die Hinterräder. Der Wagen schaukelte und rüttelte bei jedem neuerlichen Fahrversuch und die Hamster sangen fröhliche Seemannslieder. Irgendwann war es dann doch geschafft, und ein völlig verdreckter van der Slampe fuhr den Lkw auf die Straße zurück. Nach wenigen Minuten hatten sie Bonar Bridge erreicht, und er sah zu seinem Entzücken, dass in dem einzigen Geschäft der Stadt noch Licht brannte. Nach einer unsanften Bremsung sprang er aus dem Wagen und rannte zur Eingangstür des Ladens. Sie war verschlossen, und durch die Scheibe der geschlossenen Eingangstür erkannte er das Reinigungspersonal, das mit der Säuberung des Fußbodens beschäftigt war. Schluchzend setzte sich Vim van der Slampe neben die Ladentür und begann, einen neben ihm stehenden Mülleimer nach Essbarem zu durchsuchen.

"Einfach ekelhaft, wie der sich gehen lässt", schimpfte Sasi, und Flecki nickte zustimmend.

"Das nächste Mal sollten wir uns genauer angucken, von wem wir uns fahren lassen", fügte Dasie hinzu.

Tatsächlich sah der arme Lkw-Fahrer alles andere als vorteilhaft aus. Seine Haare waren schmutzig und verklebt, seine Augen müde und verquollen, seine Kleider schmutzig und teilweise aufgerissen, und bestimmt roch er auch nicht sonderlich gut, nachdem er zweimal in den Graben gefallen war, als er den Lkw freibekommen wollte.

"He, Leute, schaut mal, da vorne kommt der nette Polizist wieder!" rief Goldi in diesem Moment begeistert, und die Hamster drückten ihre kleinen Näschen an die Fensterscheibe des Wagens und lauschten der Dinge, die da kamen.

"Sir, ich hatte nicht erwartet, Sie so schnell wiederzusehen!"

"Der Laden", kam die Antwort keuchend, "der ist dicht!"

"In der Tat, Sir, Sie sind zu spät gekommen. Darf ich Sie jetzt auffordern, diesen Platz zu räumen und weiterzufahren?"

Der Lkw-Fahrer nickte stumm und kletterte mühsam hinter das Steuer, ließ den Motor an und fuhr los. Schweigend ging es nun einige Meilen weiter bis sie eine Weggabelung kurz hinter Invershin erreichten. Der Lkw stoppte. Es war mittlerweile recht dunkel geworden, und weit und breit war niemand zu sehen, den man hätte fragen können. Genervt stieg der müde Mann aus dem Lkw und sah sich um.

"Nichts ist hier, kein Schild, kein garnix!" brüllte er wütend in die Landschaft.

Flecki, Tati, Teeblättchen, Sasie und Dasie waren neugierig hinterher geklettert und beobachteten den schmutzigen, brüllenden Fahrer.

"Es ist doch immer dasselbe mit den Männern", schimpfte Flecki. "Am Anfang sind sie noch nett, doch später lassen sie sich nur noch gehen und benehmen sich wie die Axt im Walde!"

Der bewusste Mann war inzwischen auf die Idee gekommen, ein paar Meter zurückzulaufen und sah nun ein Schild, an dem sie gerade eben vorbeigefahren waren: A836 - Laird. Peinlich berührt stieg er wieder in den Lastwagen und knallte die Tür zu. Flecki, Tati, Teeblättchen, Sasie und Dasie hatten erhebliche Mühe, gerade noch in das Fahrerhaus zu springen, bevor die Tür krachend zufiel.

"Also ehrlich, total rücksichtslos wie eine Brechstange!" fauchte Dasie und putzte sich beleidigt das Fell.

"Was is 'n nun mit der Party?" fragte Dodo, und Goldi rief: "Alles schon vorbereitet, wir können starten!"

"Die Musik fehlt aber noch", warf Bauleiter Murksel ein.

"Wie wäre es, wir machen die Musik?" rief Hamstilidamst begeistert. Sofort zogen sich alle Hamster in die Schlafkoje zurück und begannen mit einer ausgelassenen Feier, wobei zum Auftakt die vorher gesammelte Schokolade verteilt wurde. Nun ist zwar eigener Gesang auch recht schön, doch so rechte Stimmung kam erst auf, nachdem der Lastwagen den kleinen Ort Laird passiert hatte. Nun begann der längste und einsamste Single-Track Schottlands. Der völlig übermüdete und halb verhungerte van der Slampe bekam ein gewaltiges Problem, denn diese Straße war höllisch eng, und mit seinem Lastwagen war es ganz besonders höllisch eng und gefährlich. Es gelang ihm nicht, den Lkw auf einer ruhigen, geraden Spur zu halten, sondern er fuhr in leichten Schlangenlinien immer zwischen linker und rechter Straßenkante hin und her. Ihm wurde heiß und kalt, und der Schweiß lief ihm über das schmutzige Gesicht. Nicht weit hinter ihm schunkelten die Hamster fröhlich und sangen lauthals Seemannslieder. Der Bürgermeister war beim wiederholten Versuch, auf eine leere Brotdose zu steigen um eine Rede zu halten, durch das Geschaukel heruntergefallen und lag nun leicht benommen und grinsend in einer Ecke. Tuffi brachte ihm ein Stück Schokolade woraufhin sich der Bürgermeister auf den nächsten Kilometern angeregt mit dem Stück Schokolade unterhielt. Plötzlich wurde die Feier durch das wüste Geschimpfe und Gebrüll eines gewissen Lkw-Fahrers unterbrochen.

"Was ist denn nun schon wieder los?" wunderte sich Murksel. "Kann der Typ denn nichts alleine machen?"

Verwundert blickten die Hamster auf den Fahrer, der das Gesicht auf das Lenkrad gelegt hatte und mit den Fäusten auf dem Armaturenbrett herumtrommelte.

"Ich halte diesen Mist langsam nicht mehr aus! Ich schiebe diese Scheißkarre ins nächste Loch! Wo soll ich denn jetzt bloß Benzin herkriegen? Hier, am Ende der Welt!? Ich drehe durch, ich brauche was zum Essen!"

Wütend biss er ins Lenkrad, spuckte ein Stück abgebissenes Plastik aus und rammte seinen Kopf heulend gegen das Lenkrad.

"Peinlich, wenn ihr mich fragt", stellte Flecki kopfschüttelnd fest. Sasie und Dasie standen neben ihr und nickten. Dann fiel Fleckis Blick auf Goldi und sie hatte eine Idee. "Wie wäre es, wenn gewisse hamstische Futterstaubsauger ein wenig von ihren Vorräten an die hungernde Bevölkerung abgeben würden?"

Der Bürgermeister hatte inzwischen sein Gespräch mit dem Stück Schokolade beendet und rief begeistert: "Jawohl, das ist der Beginn einer guten Tat! Lasst uns eine Sammelaktion machen, um diesem Dings, äh, diesem armen Menschen zu helfen. Selbstverständlich werde ich, als Bürgermeister und sozusagen moralisches Vorbild den ersten Schritt machen und dieses Stück hier spenden!"

Alle beteiligten sich an diesem Spendenaufruf und sogar Goldi schob murrend einen ganzen Riegel unter den verwunderten Blicken seiner Freunde herbei.

"Wo hattest du den denn versteckt?" fragte Flecki entrüstet.

"Wenn ich dir das sage, muss ich mir das nächste Mal ein neues Versteck suchen", erwiderte Goldi mit verärgerter Miene.

Der Bürgermeister sammelte die gespendete Schokolade auf und kletterte den Beifahrersitz hinunter. Es dauerte eine Weile, bis der Lkw-Fahrer sein müdes, tränenüberströmtes Gesicht zur Seite drehte und den Hamster wahrnahm. Dann riss er seine Augen weit auf, griff gierig nach der Schokolade und stopfte sie sich in den Mund. Er packte den Bürgermeister am Nackenfell und hielt ihn dicht an sein Gesicht.

"So, du kleiner Strauchdieb, hast du es also eingesehen, dass du da was ganz Schlimmes gemacht hast? Ein gemeiner Dieb bist du, und ich sollte dich hier aussetzen, wenn wir nicht sowieso festsitzen würden."

Er setzte den heftig protestierenden Bürgermeister wieder auf den Beifahrersitz und überlegte.

"Ich glaube, wir sind hier am Loch Loyal", sprach er nach einiger Zeit. "Ich werde es mir jetzt am Seeufer gemütlich machen, so, wie ich oft in meiner Heimat im weichen, grünen Gras übernachtet habe. Macht was ihr wollt, ich gehe jetzt schlafen!"

Nachdem die Tür geräuschvoll von außen geschlossen wurde, blieben die Hamster alleine im Lastwagen zurück.

"Strauchdieb hat er mich genannt! So etwas Respektloses ist mir in meiner ganzen Karriere noch nicht passiert. Ich denke, wir sollten eine Abordnung zu ihm schicken und ihn ultimativ auffordern, sich zu entschuldigen. Das ist Beamtenbeleidigung, und ich denke, ich gehe recht in der Annahme..."

"He, ist da vorne nicht ein Radio?" rief Murksel begeistert, und sofort stürmten er und Goldi zum Armaturenbrett und untersuchten das dort angebrachte Gerät.

"Sag' mal Flecki", druckste Dodo, "hat ihm schon mal jemand erzählt, dass es in Schottland diese fiesen, kleinen Mücken gibt? Ich meine, der Fahrer kennt die wohl nicht, oder?"

"So wie der aussieht, sollten wir lieber die Midges vor ihm warnen, aber wer so unhöflich ist, hat es nicht anders verdient!"

"He, was ist denn nun mit der Musik?" riefen Hamstilidamst und Teeblättchen.

"Keine Ahnung", brummte Goldi genervt, "irgendwie funktioniert das Ding nicht. Hier hängt auch noch so ein komischer Lautsprecher mit einer Taste an einem Band herunter. Wie wärs, Bauleiter, ich hüpfe mal ein bisschen auf der Taste herum?"

"Gute Idee, vielleicht kriegen wir das damit in Gang. Ich versuche mal, an den Knöpfen zu drehen!"

In der nächsten halben Stunde erfüllte ein Quietschen, Rauschen und Brummen die Kabine, bis plötzlich laut und deutlich aus dem Lautsprecher unter dem Gerät eine Stimme ertönte: "This is Northcoast Patrol, please answer if you need help!"1

"Was'n das für ein Gelaber?" fragte Murksel neugierig.

"Keine Ahnung, aber ich werde noch ein wenig auf dieser Taste herumhüpfen, anscheinend geht davon das Radio an!" Als hätte es auf diese Worte gewartet, fing das Gerät wieder an zu quäken:

"This is Northcoast Patrol, we pass on your position to policestations Thorso, Bettyhill and Bora. Please be patient, help is coming soon!"1

"Darf ich auch mal das Radio bedienen?" rief Dodo aufgeregt, und Goldi nickte keuchend. Das Auf- und Abhüpfen hatte ihn reichlich angestrengt.

Mit Schwung landete Dodo auf der Taste, es knackte kurz in den Lautsprechern, und Dodo schaute verlegen in die Runde. "Die Taste ist festgeklemmt!"

"Schade", rief Sasi, "aber lasst uns doch noch ein wenig singen!"

So kam es, dass in dieser Nacht fast sämtliche Polizeikräfte Nord-Schottlands im Einsatz waren und sich auf den Weg zum Loch Loyal machten. Die Verständigung untereinander war ein wenig gestört, denn ein permamentes Kreischen, das wie eine gequälte Katze klang, lag genau auf der Frequenz des Polizeifunks und jagte den Beamten einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Das Schlimmste erwartend, rasten sie so schnell es ging zum Einsatzgebiet.

Die Hamster beschlossen gerade, die Feier ausklingen zu lassen und sich in die Schlafkoje zurückzuziehen, als das Geknatter eines Hubschraubers, und das Heulen von Polizeisirenen ihre Neugier weckte. Wieder drückten sie ihre kleinen Näschen an der Fensterscheibe platt und sahen, wie von beiden Seiten des Single-Tracks Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirenen herangeschossen kamen.

"Was hat der Kerl bloß wieder angestellt?" wollte Flecki neugierig wissen. "Oh, da kommt er ja, schnell ins Versteck!"

Tatsächlich näherte sich der völlig panische Lkw-Fahrer und kroch in sein Fahrzeug. Sein Gesicht war von Insektenstichen gezeichnet, und er blickte mit weit aufgerissenen Augen auf die heulenden Wagen, die nur noch wenige Meter entfernt waren.

"Die UFOs kommen, die UFOs kommen!" schrie er und versuchte, sich unter dem Sitz zu verstecken. Im nächsten Moment wurden beide Fahrzeugtüren aufgerissen, ein gleißender Strahl hellen Lichtes traf ihn und jemand brüllte: "Auf den Boden! Nicht bewegen! He, Moment, den kenne ich doch!"

Als das erste Morgenrot sich zeigte, hatte Vim van der Slampe gerade das verschlafene Städtchen Tongue hinter sich gelassen. Er folgte der A838 ein Stückchen hinweg über die Bucht von Tongue und bog dann nach rechts auf eine Seitenstraße. Am liebsten hätte er sich heulend in den nächsten Straßengraben geworfen, so fertig war er. Es war eine schlimme Nacht gewesen, und ihm waren viele berechtigte Fragen gestellt worden. Das Schlimmste war, dass er selber keine Ahnung hatte, wieso von seinem Funkgerät aus Notsignale abgesetzt worden waren, die ausgerechnet auf der Frequenz der Küstenpolizei lagen. Die Küstenpolizei wiederum hatte die Quelle der Signale lokalisieren können und hatte ihrerseits die Polizeistationen der näheren Umgebung alarmiert. Letztlich waren die Polizisten zu dem Schluss gekommen, dass van der Slampe vor Erschöpfung auf dem Mikrophon eingeschlafen war. Alles weitere ließ sich nur vermuten. Letztendlich waren die Beamten froh gewesen, dass kein Verbrechen vorlag, und somit konnte van der Slampe sich glücklich schätzen, dass die Polizisten ihn sogar mit Benzin versorgten. Weiterhin hatten sie ihm sogar eine Übernachtungsmöglichkeit in dem nicht weit entfernten, kleinen Küstenstädtchen Talmine vermittelt.

Ja, er hatte Glück gehabt, verdammtes Glück sogar. Wenn sein bemitleidenswertes Äußeres und seine traurige Geschichte von einem missglückten Urlaub in Schottland nicht das Mitgefühl der Polizei hervorgerufen hätte, wer weiß, ob er die nächsten Tage nicht im Gefängnis verbracht hätte. Trotz alledem hatte er eine Anzeige wegen groben Unfugs und Landstreicherei erhalten, die ihm sicherlich noch Kopfzerbrechen bereiten würde. Die Hamster hinter ihm in der Schlafkoje bekamen von seinen Gedanken nichts mit. Sie schliefen tief und fest und konnten auch nicht den gigantischen Atlantik sehen, der nun majestätisch auf der rechten Seite auftauchte. Kurz darauf erreichte der Lkw Talmine und Vim van der Slampe freute sich auf ein gemütliches Bett, als er eine kleine Straße nahe einem sandigen Strand entlang fuhr. Vor einem kleinen Steinhäuschen hielt der Fahrer den Wagen an und drehte sich zu den schlafenden Hamstern um.

"Meine kleinen Freunde, wir haben es geschafft, wir sind oben, ganz weit oben. Weiter oben geht es nicht."

 

 


Kapitel 19

Ein kurzer Aufenthalt

Niemand antwortete ihm, und so stieg er achselzuckend aus. Seine Augen brannten, der Kopf schmerzte als würde er jeden Moment platzen, und dennoch faszinierte ihn das, was er sah. Talmine, ein kleines Küstenstädtchen am Atlantik und sicherlich kein Ort, an dem das Leben tobte. Vim van der Slampe hatte so etwas noch nie gesehen. Die Häuser an der kleinen Straße sahen alle gleich aus: Weiße Mauern und ein graues Dach, vermutlich aus Schiefer, dachte er. Geradeaus sah er einen langgestreckten Hügel, der direkt zu einem kleinen Hafen führte. Rechts sah er das, was ihn am meisten begeisterte: eine hügelige Insel, schätzungsweise zwei Kilometer vom Festland entfernt. Dass es sich um Rabbit Islands handelte, wusste er natürlich nicht, und so wandte er sich wieder den Häusern zu und prüfte die teils von der Witterung unleserlich gewordenen Hausnummern. Er nickte erleichtert, als er die Nummer fand, die ihm die hilfreiche Polizei genannt hatte und ging durch einen kleinen Vorgarten hindurch zu einer Holztür, an der die dunkle Farbe vor sich hin blätterte. Gerade als er an der Tür klopfen wollte - denn eine Klingel konnte er nirgends entdecken - hörte er jemanden hinter sich rufen. Müde und verwirrt drehte er sich um und sah eine ältere Dame, die durch den Vorgarten auf ihn zu ging.

"Moment, junger Mann, ich komme schon!" hörte er sie rufen, und er entspannte ein wenig. Sicherlich würde er in wenigen Minuten endlich zu seinem erholsamen Schlaf kommen, und die Welt wäre wieder in Ordnung. Die ältere Dame stellte sich als Mrs. McCrow vor und schloss umständlich die Haustür auf. Er trat ein und sah sich neugierig um. Weiter ging es durch eine dunkle Diele, und eine alte Kommode mit einer Schüssel Obst war alles, was ihm auffiel. Die Bohlen knarrten laut, als er über diese Diele ging und einen Blick in das Wohnzimmer warf. Da stand es: ein gemütliches Bett direkt an einem Fenster mit Meeresblick. Neben dem Bett befand sich ein alter Kamin, an dem ein großer Korb mit Torf zum Heizen stand. Ja, er würde gleich den Kamin ein wenig befeuern und sich dann zur Ruhe begeben. Bestimmt würde in der Küche noch etwas zu essen sein und wenn nicht, würde das Obst schon fürs Erste reichen.

"Junger Mann, sind Sie eingeschlafen?"

Vim van der Slampe erschrak, und ihm wurde bewusst, dass er schon eine geraume Zeit vor dem Bett gestanden und darauf gestarrt hatte.

"Nun, Madam, ich bin ein wenig müde und..."

"Ja, das hat mir mein Sohn auch schon gesagt. Der ist nämlich bei der Polizei, müssen Sie wissen. Er hat mich gestern Nacht angerufen und gesagt, dass Sie so einen komischen Vogel gefunden hätten, der ohne Nest sei! Ist das nicht lustig?"

"Ja, äh, sehr lustig Mrs. McCrow. Wenn ich nun ein wenig ruhen..."

"Und dann hat er mich gefragt, ob ich noch Platz hätte. Ich vermiete nämlich, müssen Sie wissen, und weil ich noch dieses Cottage frei habe, habe ich ja gesagt."

"Das ist sehr nett, Mrs. McCrow, Wenn ich nun ein wenig ruhen..."

"Mein Sohn ist immer so hilfsbereit! Neulich hat er einen Penner erwischt, wie der eine Mülltonne durchwühlt hatte, nachdem er versucht hatte, in ein Lebensmittelgeschäft einzubrechen. Und wissen Sie was, junger Mann? Mein Sohn hat dieses kriminelle Objekt mit einer Verwarnung davonkommen lassen!"

"Ja, Mrs. McCrow, Wenn ich nun ein wenig ruhen..."

"Es ist nur schade, das er immer so viel arbeiten muss und so wenig Zeit hat, sich um seine arme, alte Mutter zu kümmern. Aber wenigstens ruft er hin und wieder an, und das ist doch auch schon etwas, finden Sie nicht?"

"Natürlich, Mrs. McCrow, Wenn ich nun ein wenig schlafen..."

"Schlafen muss er natürlich auch. Und kochen. Ich sage ihm immer, dass er sich doch endlich mal eine nette Frau suchen sollte, damit er im Hause nicht immer soviel arbeiten muss, aber die Frauen heutzutage wollen natürlich jemanden, der viel Geld verdient und als Polizist..."

"Ich möchte schlafen, Mrs. McCrow", brüllte der Lkw-Fahrer und seine Unterlippe zitterte vor Wut und Müdigkeit.

"Aber deshalb brauchen Sie doch nicht so zu schreien! Schreie ich etwa? Na also! Schön, ich möchte schließlich nicht stören. Wenn Sie mich brauchen, ich wohne zwei Häuser weiter - in Richtung Hafen. In der Küche liegen Brot und Aufschnitt. Denken Sie bitte daran, dass Sie morgen früh um 9.00 Uhr das Haus wieder verlassen müssen, ich erwarte gegen Mittag Gäste!"

Mrs. McCrow drehte sich um, und lief, begleitet vom Quietschen der Holzbohlen, durch die Diele. Im nächsten Moment wurde die Haustür geräuschvoll geschlossen.

Vim van der Slampe atmete tief durch und seufzte laut. Dann ließ er sich auf das frisch gemachte Bett fallen und schloss die Augen. So ein Bett war doch etwas Herrliches! Er würde sich jetzt in das Kissen kuscheln und Winterschlaf halten, wie ein... ein.. Hamster? Die Hamster! Um Gottes Willen, die Hamster waren ja noch im Lkw, was würden die dort bloß wieder anstellen? Sofort war er hellwach und rannte zur Haustür hinaus zum Lastwagen. Ein paar Einwohner des kleinen Städtchens sahen ihm verwundert nach, als er mit zitternden Händen die Beifahrertür aufschloss und in die Fahrerkabine stürzte. Wieder atmete er tief durch - es war nichts passiert. Noch nicht, dachte er und nahm den kleinen Eimer, der vor dem Beifahrersitz stand und kletterte zur Schlafkoje hinüber. Vorsichtig griff er einen schlafenden Hamster nach dem anderen, legte sie in den Eimer und ging zurück zum Haus. Er kümmerte sich nicht um die neugierigen Blicke der Einwohner, sondern trug den Eimer bis zur Diele und stellte ihn dort ab. Dann sank er todmüde auf das Bett, schloss die Augen und träumte vom Käsemarkt in Alkmaar.

"Sagt mal, wieso ist denn das auf einmal so arschkalt hier?" rief Flecki gähnend und sah sich empört um.

Der Bürgermeister schrak hoch, blickte sich um und rief: "Kann es sein, dass wir wieder im Eimer sind, Leute?"

"Das ist doch eine Frechheit von diesem Kerl! Stellt der uns doch in diese Schweinekälte? Was soll denn das?"

"Nun beruhige dich mal, Flecki", beruhigte Bauleiter Murksel, "bestimmt gibt es einen wichtigen Grund dafür. Als erstes sollten wir mal zusehen, dass wir hier herauskommen."

Die Hamster bemühten sich verzweifelt, an der glatten Innenwand des Eimers hochzuklettern, doch es war natürlich vergebens. Nach einer rutschigen Stunde und nach einigen kleineren Verletzungen und Beulen gaben sie auf und taten das, was sie vielleicht gleich am Anfang hätten machen sollen: Sie dachten nach. Nach etwa einer Stunde hatten sie einen Plan, und zwar sprangen sie nun von einer auf die andere Seite, so lange, bis der Eimer ins Wanken geriet. Plötzlich purzelten alle Tiere durch- und übereinander, es krachte, und der Eimer lag auf der Seite.

"Bitte aussteigen, meine Damen und Herren, die Inspektion unserer neuen Behausung erfolgt in wenigen Minuten!" grölte Goldi und lief durch den Flur zielstrebig in die Küche hinein.

"He, Leute, hier sind wir richtig! Kommt mal her zum Futterfassen!"

Begeistert hüpfte ein Hamster nach dem anderen erst auf einen alten, schäbigen Küchenstuhl und dann auf den dazugehörigen, etwas wackeligen Tisch. Da sich Hamster um das Ambiente aber nicht sonderlich scheren, die meisten zumindest, war nach kurzer Zeit nur noch gefräßiges Schmatzen zu hören.

"Und was machen wir nun?" fragte Dodo und schleckte ein paar Krümel aus seinem Fell.

"Also", begann Bauleiter Murksel, "nach meinen Berechnungen müssten wir in Oban sein."

"Das sieht hier aber nicht wie ein Schloss aus", fügte Sasie hinzu.

"Nö", stimmte Flecki zu, "und deine Berechnungen haben schon oft nicht gestimmt."

"Was wollt ihr damit sagen, häh?" fauchte der Bauleiter wütend, während sich seine Nackenhaare sträubten.

"Dass du ein alter Pfuscher bist, wollen die sagen", grinste Goldi und goss damit Öl ins Feuer.

"Wie? Ich? Pfuscher?"

"Ja, der Staudamm beispielsweise..."

"Ist doch uralt", unterbrach Murksel Flecki. "Und was noch?"

"Das neue Schwimmbad, als halb Hamsterhausen überflutet wurde!"

"Das lag nur daran, dass Tuffi die Baupläne auf den Kopf gedreht hatte!"

"Ach, und die Sache mit dem neuen Parkhaus?"

Der Bauleiter antwortete nicht, sondern blickte verlegen auf einen Rest Butter, der an seiner linken Pfote klebte.

"Parkhaus? Welches neue Parkhaus? Wir haben doch gar kein Parkhaus", rief Hamstilidamst erstaunt.

"Du warst eben noch zu klein, um die ganze Wahrheit zu erfahren", grinste Goldi. "Wir hatten mal ein Parkhaus und sollten ein neues, schöneres bekommen. Nun haben wir gar nichts mehr."

"Außer einem schicken Schutthaufen, nicht wahr, Bauleiter?"

"Da hatte ich ein Tief gehabt, ich war nicht richtig in Form und..."

"Erzählen!" jubelte Hamstilidamst und seine Augen leuchteten.

In diesem Moment erschraken die Hamster und spitzen die Ohren. Was war das für ein grässliches Geräusch? Zitternd saßen sie nun alle auf dem Küchentisch und starrten zur Diele hin. Tati und Teeblättchen waren hinter eine Zuckerdose geflüchtet und hatten dabei einen Salzstreuer umgeschmissen, der Trampel auf die Pfote gefallen war. Liebend gerne hätte Trampel vor Schmerz laut losgebrüllt, doch er traute sich nicht. Was waren das bloß für furchtbare Geräusche?

"He, das klingt genauso wie vor ein paar Tagen, als wir vor der Tür vom Büro des Bürgermeisters standen und..."

"Ja", unterbrach dieser schnell, "ich erinnere mich, mein lieber Dodo, und ich glaube, alle werden mir zustimmen, wenn ich sozusagen einmal erwähne, dass wir uns nicht - ich wiederhole - nicht in Gefahr befinden. Es sind gewissermaßen die Geräusche einer erschöpften Kreatur..."

"Der Kerl schnarcht? Der stellt uns in der Kälte ab und geht schlafen? Das ist der Gipfel der Rücksichtslosigkeit!" fauchte Flecki. "Dem sage ich jetzt die Meinung! Los, kommt mit!"

Flecki wieselte vorweg, und ihre Freunde folgten ihr über die Diele.

"He, da ist leckeres Obst, das könnten wir..."

"Später Goldi, erst will ich Klarheit haben! Es geht um unsere Zukunft und nicht ums Fressen!"

Kurz darauf stand eine empörte Hamsterschar vor dem Bett, in dem ein völlig erschöpfter Vim van der Slampe tief und fest schlief. Laute Schnarchgeräusche waberten durch den Raum. Doch was nun? Wie sollten die Hamster den Mann aufwecken und zur Rechenschaft ziehen? Ratlos standen die Hamster in dem Raum und sahen sich um. Womit konnten sie diesen Schnarcher aufwecken?

"Wenn ich bloß etwas Dynamit hätte!" schrie Goldi laut, denn eine normale Unterhaltung war bei dieser Geräuschkulisse, die der Lkw-Fahrer veranstaltete, nicht möglich.

"Vielleicht finden wir im Badezimmer etwas, mit dem wir eine Bombe bauen können", schlug Tuffi vor. Diesem Vorschlag folgten alle gerne; ein ruhigeres Zimmer wäre gewiss angenehmer. Flecki war es als erste gelungen, auf die Konsole vor einem bereits etwas verblichenen Spiegel zu klettern.

"Wie wäre es mit Haarshampoo?"

"Nö, knallt nicht", brummte Goldi.

"Zahncreme?"

"Vergiss es!"

"Scheuerpulver?"

"Zeig' mal! Nö, taugt nichts."

"Kloreiniger?"

"Schon besser, ein guter Brandbeschleuniger!"

"Mehr ist hier nicht!"

"Gut", meinte Goldi, "lasst uns noch mal in der Küche nachsehen!"

Die Funde in der Küche rissen zwar auch niemanden zu Begeisterungstürmen hin, doch letztlich hatten sie eine 'gewisse Grundausstattung für eine Weckvorrichtung' zusammen, wie Goldi meinte. Nun ging es wieder zurück in das Wohnzimmer, in dem die Geräuschkulisse nach wie vor recht hoch war. Goldi stubste Dodo an und deutete auf den Korb mit dem Torf.

"Lege das mal alles auf den Korb!"

Ächzend und stöhnend schob Dodo nun mit Unterstützung des Bürgermeisters und des Bauleiters den Kloreiniger, eine Dose Bohnen und ein Backofenspray zu dem Torf hinauf. Dann fiel er erschöpft auf den Boden.

"Nun lieg hier mal nicht so faul in der Gegend herum", rief Goldi. "Hier wird es gleich etwas heiß werden!"

Sein Blick schweifte durch den Raum. Dann hellte seine Miene auf, und er hatte gefunden, was er suchte: Streichhölzer. Kurz darauf rannten die Hamster wie um ihr Leben zurück zur Diele und spähten am Türpfosten vorbei zum Kamin.

"Eigentlich schade, dass wir hier im kalten Flur sitzen müssen, während nebenan ein wärmendes Kaminfeuer lodert", bedauerte Flecki. "Aber wie ich Goldi kenne, sind wir hier besser aufgehoben!"

Aus alter Gewohnheit zogen sich die Hamster in den umgefallenen Eimer zurück, immerhin fühlten sie sich hier etwas sicherer. Inzwischen mischten sich in das laute Geschnarche andere Geräusche; es knackte und knisterte, der Geruch von verbranntem Torf lag in der Luft. Dann war ein lautes Zischen und Puffen zu hören. Das war der Kloreiniger, wie Goldi vermutete. Die Hamster rückten enger in dem Eimer zusammen. Dann folgten zwei recht laute Explosionen kurz hintereinander, und ein Inferno brach aus. Scheiben klirrten, ein Mann brüllte entsetzt auf, das ganze Haus wackelte und irgendetwas brach krachend zusammen. Eine Staubwolke schoss durch die Diele, und die Hamster gerieten in Panik. Die Luft war kaum noch zum Atmen zu gebrauchen, und sie fürchteten, ersticken zu müssen. Dann wurde die Haustür aufgerissen, das Getrampel von Füßen und aufgeregte Schreie waren zu hören. Mit der geöffneten Haustür kam auch frische Luft in die Diele, und die Hamster konnten wieder durchatmen. Nun sahen sie auch, dass jemand über die Diele geschleift und vor die Tür gelegt wurde. Kurz darauf wurde die Haustür geräuschvoll geschlossen. Für einen Moment war es nun still, doch dann waren erneut Rufe zu hören, und es klang, als fiele heftiger Regen auf das Dach des Hauses.

Die Hamster warteten recht lange in dem Eimer. Niemand sagte ein Wort, denn es war offensichtlich, dass ihre Weckaktion ein bisschen übertrieben gewesen war. Keiner traute sich aus dem Eimer, und noch während der Bürgermeister überlegte, ob er die Mannschaft mit einer Rede aufmuntern sollte, wurde plötzlich die Tür aufgerissen, und jemand stürmte herein, nahm den Eimer und rannte wieder zur Tür hinaus.

"Gott sei Dank", hörten sie eine bekannte Stimme, "euch ist nichts passiert. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn euch etwas zugestoßen wäre, ihr armen, unschuldigen Tiere!"

Kurz darauf befanden sie sich wieder in der Schlafkoje des gewohnten Lkws. Auf dem Fahrersitz befand sich ein bedauernswertes Wesen. Zwar war Vim van der Slampe in den letzten Tagen zusehends nervöser und gereizter geworden, und sein Äußeres hatte reichlich gelitten, doch nun sah er wirklich schlimm aus.

"Hat der 'ne neue Frisur oder was?" fragte Tati erstaunt.

"Ne", entgegnete Flecki, "ich glaube, der hat zu dicht am Kamin geschlafen. Aber kurz soll ja modern sein."

"O weia, der hat aber 'ne fette Beule am Kopf!" stellte Teeblättchen fest.

"Das kommt wohl von der Dose mit den Bohnen", stellte Goldi klar.

Inzwischen hatte der Lkw den kleinen Ort Talmine verlassen. Zur rechten Seiten war der Atlantik wieder aufgetaucht, und ein Ortschild wies auf den Ort Midfield hin. Der Lastwagen stoppte.

"Wir sind ganz weit oben, meine kleinen Freunde, ihr könnt aussteigen! Nun haut endlich ab. Wenn ihr noch einmal irgendwo hin wollt, fahre ich euch jederzeit. Ein Vim, ein Wort! Falls ihr mich wiederfindet!" grinste er müde.

Das ließen sich die Tierchen nicht zweimal sagen, und kurz darauf standen alle am Strand und sahen aufs Meer.

"Wunderschön, wenn ihr mich fragt, und ich komme nicht umhin zu betonen, dass wir es mal wieder geschafft haben. Es ist nicht nur..."

"Dich fragt aber keiner", unterbrach Flecki den Bürgermeister. "Das hier ist doch niemals Oban!"

"Aber der Fahrer hat doch gesagt..."

"Der Kerl hat doch keine Ahnung, schau den doch mal an. Der sieht doch aus wie ein Penner, völlig ungepflegt und außerdem zuckt er immer mit den Augen."

"Nun, der ist wohl ein bisschen müde, aber wir sind bestimmt in der Nähe des Schlosses."

"Sommer, Sonne, Strand, und der Bürgermeister kann nicht mehr klar denken, wie? Schalte doch mal das Gehirn ein, wir sind doch damals nach Westen gelatscht und die Sonne hat uns ins Gesicht geschienen, als wir am Strand waren!"

"Öh, nun, und was bedeutet das?" fragte der Bürgermeister ratlos.

"Dass die Sonne jetzt hinter uns ist! Da stimmt doch etwas nicht!"

"Flecki hat recht", stimmte Murksel zu. "Aber wo mögen wir nun sein?"

"Ich gehe dann mal", ertönte in diesem Moment die Stimme des Lkw-Fahrers.

"Der geht nirgendwo hin", kreischte Flecki, rannte hinter ihm her, überholte ihn und stellte sich direkt vor den Fahrer.

"Stimmt etwas nicht?" fragte Vim van der Slampe genervt.

Flecki deutete auf den Strand und schüttelte den Kopf.

"Ich habe es satt", brüllte der Lkw-Fahrer. "Wisst ihr überhaupt, dass das die schlimmsten Tage meines Lebens sind? Ich habe in den letzten Tagen kaum geschlafen, die gesamte Polizei Schottlands war hinter mir her, Strafanzeigen habe ich erhalten, und soeben bin ich bewusstlos aus einem brennenden Haus herausgeschleppt worden! Den Schaden soll ich auch noch ersetzen, und ich musste die Stadt verlassen! Fast wäre ich erschlagen worden, als der Schornstein des Hauses einstürzte! Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, und genauso wenig weiß ich, dass ich ein Feuer angemacht habe! Ich kann nicht mehr, ich will nach Hause!"

Flecki deutete wieder auf den Strand und schüttelte erneut den Kopf. Der Fahrer rannte an ihr vorbei, stieg in den Lastwagen und kam mit einer Karte wieder heraus. Er warf sie direkt vor Flecki hin und rief: "Da, sieh selbst, du neunmalkluges Tier! Wir sind oben, weiter oben geht es wirklich nicht!"

Nachdem er mit dem Finger auf die Stelle gezeigt hatte, an der sie sich befanden, begann Flecki, die Karte genau zu untersuchen. Murksel und der Bürgermeister waren inzwischen hinzugekommen und starrten ebenfalls auf die Karte.

"Ja, öh, beim Schloss soll es doch auch einen Strand geben, oder?"

"Wir haben Mist gebaut", keuchte Flecki. "Die Stadt Oban wird mit 'a' geschrieben, wir haben den Namen aber mit 'e' geschrieben!"

"Naja, das konntest du ja nicht wissen, Flecki, mache dir nichts draus!" tröstete sie der Bauleiter.

"Das tue ich auch nicht, denn du, mein lieber Murksel, hast gesagt, ich soll das Gegenteil von 'Unten' auf das Laken schreiben! Hier müssen wir hin", rief Flecki empört und deutete auf die Karte.

Vim van der Slampe hatte Mühe, die Augen offen zu halten, und er hatte noch mehr Mühe, überhaupt zu verstehen, was da vor sich ging. Als er jedoch sah, wo eines der Hamster mit der kleinen Pfote hinzeigte, wurde ihm schlagartig klar, was überhaupt los war.

"Nach Oban?" kreischte er und ließ sich in den weichen Sand fallen. "Nein! Ich will nicht mehr!"

Flecki stand direkt vor ihm und sah ihn mit großen Augen traurig an.

"He, Leute", rief Goldi, "Flecki zieht wieder ihre 'Riesen-Kinderaugen-Nummer' ab!"

Das grausame Schauspiel dauert nur wenige Minuten. Dann hatte der Lastwagen gedreht, und die gesamte Reisegesellschaft befand sich wieder auf dem Weg nach Süden.

 

 


Kapitel 20

Murksels größte Panne

Nach wenigen Meilen hatten sie die A838 wieder erreicht und bogen rechts ab. Dann ging es steil bergab, und das Loch Eribol tauchte vor ihnen auf. Die Hamster reckten die Hälse und staunten: Hier sah es ja aus wie am Mittelmeer. Zwar waren die Hamster noch nie am Mittelmeer gewesen, aber immerhin hatten sie schon mal ein Bild von der Gegend gesehen. Nachdem sie um eine große Bucht herumgefahren waren, stoppte der Fahrer und schaute auf die Karte.

"Es sind noch 110 Kilometer bis Ullapool, der nächsten großen Stadt. Dort kennt man uns nicht, und bestimmt können wir dort irgendwo übernachten. Ich kann nämlich nicht mehr!"

"Der Kerl ist auch nur am jammern", stellte Flecki fest. "Was sollen wir denn sagen?"

Während der Lastwagen langsam weiterfuhr, machten es sich die Hamster in der Schlafkoje bequem. Die Strecke bestand aus einem Single-Track, und dementsprechend langsam ging es voran. Bestimmt würde es noch eine Weile dauern, bis sie ihr Ziel erreichten. Die Hamster langweilten sich und Hamstilidamst rief:

"Was war denn nun mit dem Parkhaus?"

Nun kam Stimmung auf. Bauleiter Murksel schaute verlegen aus dem Fenster und schien dem Bürgermeister irgendetwas zu zeigen, was sich in weiter Ferne befand. Tuffi hatte sich ebenfalls ans Fenster gesetzt und starrte gebannt nach draußen, während die übrigen Hamster sich um Flecki gescharrt hatten.

"Das war so was von oberpeinlich, das mag ich gar nicht erzählen. Aber gut, wenn ihr es unbedingt hören möchtet!"

Sie warf einen spöttischen Seitenblick auf Murksel, den Bürgermeister und Tuffi. Als sie gerade Durness erreichten, begann sie zu erzählen:

Nachdem sich in Hamsterhausen immer mehr Bürger darüber aufgeregt hatte, dass gewisse Leute ihre Schrottkarren mangels Parkplätzen auf Gehwegen parkten, wurde der Planungsausschuss "Autofreies Hamsterhausen" gegründet, um eine Lösung für dieses Verkehrsproblem zu finden. Leider kommt der Planungsausschuss zu keinem brauchbaren Ergebnis, und die Sache landet beim Bürgermeister. Der ruft nach langem Grübeln Bauleiter Murksel und Oberamtsleiter Purzel vom HaBauz (Hamstische Bauzentrale) zu sich, um weitere Schritte zu besprechen.

"Was können wir machen, damit die Autos von den Straßen verschwinden, meine Herren? Ich erwarte ihre Vorschläge!" beginnt der Bürgermeister die Unterredung.

"Äh, nicht von den Straßen, Herr Bürgermeister, sondern von den Gehwegen und Grünflächen", gibt Oberamtsleiter Purzel zu bedenken.

"Das meine ich doch", grunzt der Bürgermeister. "Warum haben wir kein Parkhaus?"

"Wir haben ein Parkhaus", antwortet der Bauleiter mit leiser Stimme.

"Und?"

"Es kann leider nicht benutzt werden", trompetet der Oberamtsleiter, "weil es baufällig ist!"

"Baufällig? Warum, mein lieber Bauleiter?"

Bevor Murksel antworten kann, trompetet erneut Oberamtsleiter Purzel in voller Lautstärke: "Weil beim Bau vergessen wurde, ein Fundament zu bauen. Nun kippt das Ding langsam um! Mehr als 10 Autos dürfen da nicht hinein, weil es sonst zusammenbrechen würde!"

"Wie konnte das passieren, mein lieber Murksel?" wundert sich der Bürgermeister.

"Äh, ja, nun, das war, als wir einen Stromausfall in der Stadt hatten und ich im Noteinsatz deswegen war! Als ich wiederkam, hatten diese Idioten einfach weiter gebaut."

"Ja, ich erinnere mich, ich steckte den halben Tag im Aufzug fest", knurrt Purzel.

"Das ist noch gar nichts," ruft der Bürgermeister empört. "Ich stand den halben Tag hilflos auf einer Rolltreppe! Dennoch, mein lieber Bauleiter, warum bauen wir nicht ein neues Parkhaus?"

Dieser Vorschlag des Bürgermeisters wurde mit einer Gegenstimme angenommen. Mit der notwendigen Sprengung des alten Gebäudes wurden Goldi und Dudel beauftragt. Die Sprengung verlief hervorragend, und sicherlich wären alle zufrieden gewesen, wenn das Parkhaus vorher von den dort parkenden Fahrzeugen geräumt worden wäre. Als Trost verteilte Bauleiter Murksel Gratis-Parkscheine für das neue Parkhaus an die geschädigten Autohalter, was bei den Betroffenen jedoch keine rechte Freude auslöste.

Die Ausschachtung des Kellers wurde dieses Mal als erstes in Angriff genommen, doch schon gab es auch die ersten Probleme. Kaum war der Keller weitgehend überdacht, da war er auch schon mit Grundwasser überflutet, und so musste nachträglich eine Drainage gelegt werden. Der Bauleiter bekam einen Wutanfall nach dem anderen, als sich die Mitarbeiter des Reparaturteams weigerten, in dem kalten Wasser zu arbeiten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Drainage alleine fertigzustellen. Nach einer Woche kam er fix und fertig wieder an die Oberfläche gekrochen und brüllte seine Mitarbeiter an: "Warum habt ihr Spacken den Schutt noch nicht beseitigt? Ich gehe jetzt nach Hause und schlafe, und wenn ich wiederkomme, ist das Gerümpel verschwunden, egal wohin, ist das klar?"

Hätte er geahnt, wohin der Bauschutt des alten Parkhauses gelangen würde, dann hätte er sich wohl etwas genauer ausgedrückt.

Als der Bauleiter nach zwei Tagen etwas erholter und ausgeschlafener wieder an der Baustelle auftauchte, war er überrascht, wie sauber alles war. Inzwischen war das Erdgeschoss fertiggestellt, und zufrieden besichtigte er das Gebäude. Etwas jedoch stimmte nicht - wo war die Zufahrt für den Keller?

"Tuffi! Wie komme ich in den Keller?"

"In den Keller, lieber Bauleiter?"

"In den Keller!"

"Du kannst nicht in den Keller."

"Ich kann nicht in den Keller? Wieso kann ich nicht in den Keller wenn ich in den Keller will?"

"Nun", Tuffi putzt ihre Schnurrbarthaare und sieht den Bauleiter mit einem treuherzigen Blick an, "weil da der olle Bauschutt drin ist."

"Der Bauschutt? Im Keller? Wieso im Keller?"

"Ja, du hast gesagt, es ist dir egal, wohin der verschwindet, und da haben wir gedacht..."

In der nächsten Viertelstunde waren vier Reparaturhamster damit beschäftigt, den Bauleiter davon abzubringen, seinen Kopf immer wieder gegen einen Betonpfeiler zu rammen. Am Nachmittag wurden alle weiteren Arbeiten eingestellt. Der begeisterte Goldi und sein Kumpel Dudel erhielten einen erneuten Auftrag zur Sprengung des inzwischen bis zum 2. Stockwerk reichenden Gebäudes. Mit Tränen in den Augen stand der Bauleiter daneben, eine dicke Beule zierte seinen Kopf.

Viele Wochen später beim nächsten Anlauf hatte das neue Parkhaus wieder eine Bauhöhe bis zum ersten Stock erreicht, als plötzlich Tuffi vermisst wurde. Zu Hause war sie nicht, und Urlaub hatte sie auch keinen genommen. Nach hektischen Suchaktionen wurde festgestellt, dass Tuffi versehentlich im Keller eingemauert worden war. Die Baupolizei erfuhr von dem Fall, und der Bauleiter musste sich viele kritische Fragen gefallen lassen. Nach heftigen Wortgefechten und noch mehr bösen Schimpfworten wurde Bauleiter Murksel wegen Beamtenbeleidigung vorläufig festgenommen. Nach Intervention des Bürgermeisters wurde von einer längeren Haftstrafe gegen den Bauleiter abgesehen. Murksel durfte das Gefängnis verlassen und auf die Baustelle zurückkehren. Dort angekommen, bekam er den nächsten Wutanfall, denn das Reparaturteam hatte nicht damit gerechnet, ihren Leiter so schnell wiederzusehen. Überall standen Liegestühle auf der Baustelle, und es wurden kalte Getränke sowie Snacks aus Sonnenblumenkernen gereicht. Aus einer Musikanlage dröhnten die neuesten Hits des berühmten Sängers Hamsterquallo. Murksel brüllte und tobte, dass es eine wahre Pracht war, und aus dem 2. Stockwerk riefen die Hamster hinunter, man möge doch bitte die Musik ein wenig lauter drehen, um das idiotische Gebrülle zu übertönen.

Am nächsten Tag brach das gesamte Gebäude zusammen. Der Hintergrund wird wohl nie so recht geklärt werden, jedenfalls wurde zunächst vermutet, dass bei den Schweißarbeiten im Keller eine Gasflasche explodiert war. Zweifel an dieser Theorie kamen jedoch auf, als festgestellt wurde, dass Goldi und Dudel mit unbekanntem Ziel verreist waren. Vermutungen wurden nun laut, dass sich in dem Keller noch Restbestände des Dynamits der 2. Sprengung befunden hatten, die einfach vergessen worden waren. Der Bauleiter konnte dazu leider nicht befragt werden, da er sich auch nach einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt an keinerlei Einzelheiten erinnern konnte.

In einer mehrstündigen Rede wies der Bürgermeister kurze Zeit später auf die Schaffensfreude und Willenskraft der Bürger von Hamsterhausen hin. Er betonte in seiner Rede, dass Hamsterhausen sich durch kleine Rückschläge niemals aufhalten lassen würde, und dass das Parkhaus wie geplant in Kürze fertig sein würde. Murksel Rücktrittsgesuch wurde abgelehnt, und am nächsten Tag wurde der Bau wieder aufgenommen. Die Hamstische Bauzentrale war inzwischen durch Zeitungsberichte aufmerksam geworden, und Oberamtsleiter Purzel schaltete sich, sehr zum Ärger von Bauleiter Murksel, erneut in die ganze Sache ein. Nachdem der Bau wieder eine Geschosshöhe bis zum ersten Stock erreicht hatte, müssen die Bauarbeiten unterbrochen werden, da der Oberamtsleiter das Fehlen von Notausgängen im Keller bemängelte. Mühsam wurden nun seitliche Tunnel gegraben, und eine zufällig einstürzende Mauer verfehlt den Oberamtsleiter Purzel nur knapp. Kurz darauf werden erhebliche Mängel in der Mindesthöhe der Stockwerke festgestellt. Der Bau wird erneut unterbrochen, und der Oberamtsleiter wird versehentlich durch einem Bagger im Zement verschüttet. Nach all diesen Verzögerungen dauert es nicht lange, bis er erneut etwas zu bemängeln hat. Dieses Mal betrifft es fehlende Toiletten, zu dunkle Seitengänge und fehlende Einkaufsmöglichkeiten. Bauleiter Murksel ist kurz davor durchzudrehen. In der folgenden Nacht wird der Vorgarten des Oberamtsleiters Purzel in die Luft gesprengt und sein Wagen von Unbekannten im städtischen Dorfteich versenkt. Am nächsten Tag genehmigt die Hamstische Bauzentrale den weiteren Bau des Parkhauses und übergibt die Aufsicht an die Hamstische Prüfabteilung für Hamstische Bauvorhaben (HaPrüHaBa). Diese bemängelt sofort das Fehlen von Fenstern, und Bauleiter Murksel ist gezwungen, nachträglich Fenster einzubauen. Er entschließt sich für eine gezielte Sprengung, die leider den gesamten ersten Stock zum Einsturz bringt. Und den gesamten zweiten Stock ebenfalls.

Nach einem mehrwöchigem Aufenthalt in der "Fachklinik für seelisch gestörte Hamster" nimmt Murksel die Leitung des Bauvorhabens erneut auf. Auf den Trümmern inmitten der Baustelle hält der Bürgermeister eine mutige Rede, in der er davon spricht, dass die Fertigstellung des neuen Parkhauses nunmehr nur noch wenige Wochen dauern würde. Im Anschluss an diese Rede muss der Bauleiter gewaltsam daran gehindert werden, wieder in die Klappsmühle zu flüchten.

Aus wenigen Wochen werden viele, doch Murksel und seinem Hamstischen Reparaturteam gelingt es, das Gebäude ohne größere Komplikationen bis zum 3. Stockwerk hochzuziehen. Für die weiteren Stockwerke wird nun ein Kran benötigt, und dabei kommt es zu einer Katastrophe. Als der Kran das schwere Baumaterial von einem der Laster hochziehen will, sieht Murksel sofort mit geschultem Blick, dass vergessen wurde, den Kran mit Gegengewichten zu bestücken. Der riesige Kran kippt um, direkt auf das Modehaus "Fleckis & Sasies Traummoden". Heftige Proteste der betroffenen Hamsterdamen zwingen den Bauleiter, das beschädigte Dach des Modehauses unverzüglich zu reparieren. Der Neubau des Parkhauses verzögert sich dadurch erneut. Bei weiteren Arbeiten werden im Mittelraum des 2. Stocks Wasserschäden bemerkt; nach einigen Tagen gelingt es, die dicken Betonmauern aufzustemmen und den Fehler zu finden. Offensichtlich wurde ein Verbindungsrohr in der Wasserleitung vergessen, und die ist nun offen, und das Wasser sprudelt.

Monate später ist der Rohbau fertig, doch leider stellt sich heraus, dass sämtliche Scharniere falsch angebracht wurden.

"Tuffi", brüllt Bauleiter Murksel, "das war deine Schuld!"

"Gar nicht wahr", protestiert Tuffi. "Ich habe doch gefragt, ob die links- oder rechtsseitig sein sollen, und da hast du gesagt, das wäre dir so was von scheißegal, und ich solle dich gefälligst in Ruhe lassen."

"Öh, ja." Murksel schluckt und stottert. "Gerade in dem Moment waren die Fenster aus dem obersten Stockwerk herausgefallen, und das nur, weil irgendwelche Idioten vergessen hatten, die Fensterrahmen am Mauerwerk zu befestigen."

Bei dem nun folgenden Richtfest kommt es zu einer bedauerlichen Panne. Nachdem der Bürgermeister seine übliche Rede gehalten hat, will er das oberste Stockwerk durch eine Seitentür verlassen. Leider ist an dieser Stelle des Parkhauses noch keine Treppe montiert worden, und er fällt unter dem Applaus der Zuschauer durch mehrere Stockwerke bis in den Keller. Die Feier ist damit beendet, und während der Bürgermeister die nächsten Tage im Krankenhaus verbringen muss, lässt er sich täglich über die weiteren Fortschritte des Baus unterrichten. Leider bleiben die Informationen äußerst spärlich, so dass es den Bürgermeister nach einer Woche nicht mehr im Bett hält. Er informiert den Bauleiter, dass die Eröffnung des Parkhauses nunmehr unverzüglich erfolgen solle. Bereits am nächsten Tage soll die große Feier, verbunden mit einer Rede, stattfinden. Nun brechen hektische Aktivitäten an der Baustelle aus. Im letzten Moment fällt auf, dass es sich bei der merkwürdigen Statue, die seit einigen Tagen in einer Ecke des Parkhauses steht, um Trampel handelt, der kürzlich in einen Zementtrog gefallen war. Beim ersten Test der Beleuchtung kommt es zu unerklärlichen Kurzschlüssen. Murksel beschließt, sämtliche Sicherungen mit Stahlnägeln zu überbrücken. Nun funktioniert die Beleuchtung, doch aus dem Keller kommen merkwürdige Rauchzeichen. Der Bauleiter ertappt mehrere Hamster, die mit Elektrogrills dort eine Party feiern. Tuffi meldet, dass die Auffahrtsrampe für das letzte Stockwerk fehlt, da Zement und Beton ausgegangen sind und die nächste Lieferung erst in 3 Tagen kommt. Bauleiter Murksel ist mit den Nerven am Ende und ordnet an, dass vorübergehend eine Gipskartonplatte als Rampe zum 5. Stock eingesetzt wird. Nach der nächsten Zementlieferung soll das dann sofort nachgebessert werden, damit kein Unglück geschieht.

Flecki unterbricht ihre Erzählung und schaut durch den Vorhang der Schlafkoje neugierig nach draußen. Die anderen Hamster huschen hinterher, denn auch sie haben bemerkt, dass der Lastwagen plötzlich angehalten und der Fahrer den Motor ausgestellt hat.

"He, wo geht der denn hin?" ruft Tati und stemmt empört ihre kleinen Pfoten in die Hüften.

"Zum Fressshop", keucht Goldi aufgeregt, "der holt was zum Essen!"

Tatsächlich betritt Vim van der Slampe ein kleines Lebensmittelgeschäft an der Hauptstraße einer kleinen Stadt. Nun folgen bange Minuten für die Hamster denn es geht um die lebensentscheidende Frage: Gibt es etwas zum Fressen oder nicht?

"Es wäre nicht schlecht, wenn der uns endlich mal mit Futter versorgt, mir ist schon ganz schlecht vor Hunger", sprach Flecki das aus, was alle dachten.

"Und ich falle gleich um vor Schwäche", jammerte Dodo. "Könnt ihr euch alle noch an die große Hungersnot von Hamsterhausen erinnern? Die fing damals genauso an."

"Erinnere mich bloß nicht", keuchte Goldi entsetzt, "es gab einen vollen Tag lang nichts zu essen! Wir waren alle am Ende unserer Kräfte, es war schrecklich!"

In diesem Moment wurde die Fahrertür geöffnet, ein müde und erschöpft blickender van der Slampe stieg ein. In seinen Händen trug er vier Becher Kaffee und zwei Brötchen. Mit einem Seufzer setzte er sich auf den Fahrersitz und starrte verblüfft auf das Armaturenbrett. Vor ihm saßen zwölf Hamster, die ihn - und ganz besonders die Brötchen - mit ihren großen Knopfaugen verfolgten. Mit einem noch größeren Seufzer warf er die Brötchen auf die Konsole und goss sich einen Kaffee nach dem anderen hinein. Als er seinen Blick wieder nach vorne richtete, waren Hamster und Brötchen verschwunden.

"Nur damit ihr das wisst", rief er, „wir sind hier in dem Ort Scourie. Bis Ullapool sind es noch 70 Kilometer, und ich denke, falls ich nicht vor Müdigkeit in einen Straßengraben fahre, werden wir das in weniger als zwei Stunden geschafft haben. Und wisst ihr, was ich dann machen werde? Schlafen werde ich!"

"Der hat auch nichts als Pennen und Faulenzen im Kopf", schimpfte Tati und stopfte sich einen großen Brotkrumen hinter die Backen. Neben ihm saß Teeblättchen und daneben Trampel, dessen Fell nach wie vor eine satte grüne Färbung aufwies. Die Hamster hatten sich inzwischen wieder in die gemütliche Schlafkoje zurückgezogen, als der Fahrer erneut den Lastwagen verließ und nach wenigen Minuten mit neuem Kaffee und neuen Brötchen zurückkehrte. Er goss den Kaffee regelrecht in sich hinein, und die Hamster schüttelten verwundert den Kopf. Nach kurzer Zeit verließen sie Scourie, fuhren an einem wunderschön gelegenen Campingplatz vorbei und folgten einer engen Straße.

"Wie ging die Geschichte mit dem Parkhaus denn nun weiter?" fragte Hamstilidamst kauend und handelte sich einen missbilligenden Blick von Flecki ein.

"Nun", nahm Flecki die .Erzählung wieder auf, "es kam, wie es kommen musste."

Der große Tag ist da, sozusagen der Tag aller Tage, wie der Bürgermeister vollmundig in einer langen Rede erklärt. Auf den ersten Blick ist es ein wunderschönes Gebäude geworden, und auch die Delegationen aus den benachbarten Hamsterländern sind begeistert. Sogar der Bauleiter hält eine kurze Rede und weist mit sichtlichem Stolz auf die Stabilität des Parkhauses hin. Ein schweres, bunt geschmücktes Raupenfahrzeug mit Tuffi am Steuer steht neben ihm, und zustimmend drückt der kleine Reparaturhamster auf die Hupe, so laut, dass Murksel fast vor Schreck vom Rednerpult fliegt.

"Wie wäre es mein lieber Murksel, wenn wir eine Einweihungsfahrt machen?" ruft der Bürgermeister und klopft dem Bauleiter auf die Schulter.

"Äh, Herr Bürgermeister, wir wollen da noch einige Stabilitätstests in den nächsten Tagen machen..."

"Nun kommen Sie schon, mein lieber Murksel, ihr Wort genügt mir. Natürlich wird alles halten!"

Der Bauleiter wollte noch etwas entgegnen, doch die aufgebrachte Menge um sie herum begann lautstark: "Losfahren, losfahren!" zu brüllen, so dass seine Worte in dem Lärm untergingen. Er wurde von dem gut gelaunten Bürgermeister auf den Beifahrersitz geschubst, nachdem sich Tuffi mit einem Sprung durch das geöffnete Seitenfenster retten konnte. Unter den Hurra-Rufen der Zuschauer schoss das schwere Raupenfahrzeug hoppelnd auf die erste Rampe zu und nahm ihren Weg in das erste Stockwerk. Dort drehte der Bürgermeister ein Runde, hupte und hoppelte über die nächste Rampe in die zweite Etage. Lässig winkte er der jubelnden Menge zu, die inzwischen dem Fahrzeug hinterherlief. Verzweifelt versuchte Murksel den Bürgermeister zum Anhalten zu bewegen, doch erstens konnte der ihn bei dem Lärm nicht verstehen und zweitens hatte der Bauleiter große Probleme, in den Kurven nicht aus dem Fahrzeug zu fallen. Je weiter sie nach oben kamen, desto spitzer und lauter wurden seine Schreie. Hin und wieder sah der Bürgermeister zufrieden zu dem grüngesichtigen Bauleiter und rief: "Das macht Spaß, was, mein lieber Murksel!"

Wimmernd und bibbernd vor Angst an die Seitentür des Baufahrzeugs gepresst, sah der Bauleiter, wie der Bürgermeister johlend und singend über das vierte Stockwerk jagte und auf die letzte Rampe zuhielt. Nun geschahen zwei Dinge kurz nacheinander: Zunächst versuchte Bauleiter Murksel, sich durch einen Sprung durch das Seitenfenster in Sicherheit zu bringen, blieb jedoch stecken. Dann war plötzlich die Rampe verschwunden und der verblüffte Bürgermeister blickte fragend den Bauleiter an, von dem allerdings nur noch der Hintern zu sehen war. Dann krachte es laut, und für einen Moment war alles still, kein Bauleiter kreischte, kein Bürgermeister sang, keine Menge johlte, sogar der Motor des Raupenfahrzeug war abgewürgt und gab keinen Laut mehr von sich. Dann war ein Knirschen zu hören, und ein Zittern ging durch das gesamte Gebäude. Jemand schrie: "Raus hier! Eflih! Kinap!" und eine wilde Flucht begann. Gerade als der Bürgermeister laut rufen wollte, dass kein Grund zur Panik bestünde, brach das vierte Stockwerk in sich zusammen, und Bürgermeister samt Raupenfahrzeug und dem im Seitenfenster eingeklemmten Bauleiter fielen in den dritten Stock. Zu ihrem Glück hatte die kreischende, flüchtende Meute der Zuschauer bereits den dritten Stock verlassen und den zweiten erreicht. Kurz darauf brach der dritte Stock unter dem Aufprall des schweren Fahrzeugs zusammen und stürzte auf den zweiten Stock, der gerade von dem letzten der flüchtenden Hamster in Richtung ersten Stock verlassen wurde. Nur wenige Sekunden später gab auch der zweite Stock nach und krachte auf den ersten, wo die panischen Zuschauer und Partygäste gerade aus den Fenstern sprangen und sich in Sicherheit brachten. Dann krachte es noch dreimal: einmal, als der erste Stock zusammenbrach, dann zum zweiten Mal als das Erdgeschoss samt Fahrzeug in den Keller krachte und ein drittes und letztes Mal, als die Seitenwände einstürzten. Das war es dann mit dem Parkhaus.

Nachdem Flecki ihren Vortrag beendet hatte, war es recht still im Lkw geworden. Sogar der Motor schien leiser zu werden, und zur großen Verwunderung der Hamster hielt der Lkw auf einmal an. Sie standen auf einem kleinen Parkplatz.

"Knockan Crag", ertönte plötzlich die Stimme des Fahrers, "das bedeutet, wir sind nur noch wenige Kilometer von Ullapool entfernt."

Als er sich zu den Hamstern umdrehte, blickte er in 12 verständnislose Augenpaare.

"Das ist ein großes Naturschutzgebiet, hat mir die Verkäuferin in Scourie erzählt. Seht doch mal die wunderschöne Aussicht!" rief er und deutete in die Ferne.

Als er sich erneut zu den Hamstern umdrehte, blickte er wieder in 12 verständnislose Augenpaare.

"Ist ja gut", seufzte Vim van der Slampe, "wir fahren weiter."

"Ja, denkt der denn, wir sind zum Vergnügen hier", protestierte Goldi. "Wir haben heute noch nichts zum Mittagessen gehabt."

Kaum rollte der Lastwagen wieder, da kam schon die nächste Frage, diesmal von Teeblättchen: "Was ist dann passiert, ich meine, ist der Bauleiter in den Knast gekommen?"

"Nö", flötete Flecki, "erstaunlicherweise nicht. Eine vom Bürgermeister persönlich eingesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung von Oberamtsleiter Purzel ergab gravierende Mängel bei der Baudurchführung. So wurde beispielsweise Beton in einem falschen Mischungsverhältnis verwendet; zuwenig Zement, zuwenig Sand aber dafür zuviel Wasser. Weiterhin waren die Stützpfeiler aus Kostengründen nicht aus Stahlbeton gegossen worden. Besonders hob die Untersuchungskommission die Tatsache hervor, dass die Stützpfeiler nicht mit Stahlstangen, sondern mit rohen Spaghetti verstärkt worden waren. Es sprach eigentlich alles dafür, dass Hamsterhausen sich demnächst nach einen neuen Bauleiter umsuchen müsste, doch da nahm die Sache einen anderen, etwas eigenartigen Verlauf. Die Untersuchungskommission wurde vom Bürgermeister ihres Amtes enthoben, und Bauleiter Murksel durfte seine Arbeit wieder aufnehmen. Es wurde gemunkelt, dass genau zu diesem Zeitpunkt der Bürgermeister plötzlich stolzer Besitzer eines vornehmen Wintergartens geworden war, doch bewiesen werden konnte es leider nie, ob da ein Zusammenhang bestand."

"Öh, das war purer Zufall", stotterte der Bürgermeister. "Der Bau eines Dings, äh, Wintergartens war lange geplant gewesen. Aber gut, dass wir das Thema erwähnen, mein lieber Murksel. Im Wintergarten regnet es nämlich durch, und alles steht unter Wasser."

"Na ja", druckste Murksel, "der ist ja auch nur für den Winter gedacht, und da schneit es ja..."

Bevor die ganze Situation noch peinlicher werden konnte, hatten sie zum Glück Ullapool erreicht. Der Lastwagen fuhr eine breite Einkaufsstraße entlang bis sie kurz vor dem Ortsausgang an einen Hafen kamen. Dann bogen sie nach rechts ab in die Argyle Street. Nach wenigen Metern hielten sie vor einem Informationsbüro für Touristen. Dort stieg Vim van der Slampe aus und ließ die Hamster in der Schlafkoje zurück.


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Kapitel 21

Ullapool

Die Hamster warteten ungeduldig und blickten neugierig auf den kleinen Hafen von Ullapool. Fischerboote in verschiedenen Farben boten eine malerische Kulisse auf dem Loch Broom. Zur linken Seite befand sich ein Gebirgshang, auf dem kleine, weiße Wohnhäuser zu erkennen waren. Unterhalb des Hangs befand sich die A835, der sie später in Richtung Süden auf ihrer weiteren Reise folgen würden. Auf dem Pier vor ihnen befand sich ein kleiner Terminal, von dem aus die Fähren nach Stornoway auf der Isle of Lewis abfuhren. Im Laufe der Jahre waren diese Fähren immer größer, aber auch komfortabler geworden. Inzwischen gibt es sogar ein Restaurant und Einkaufsmöglichkeiten auf der rund 90 Kilometer langen Seereise. Der Geruch von Fish 'n Chips kroch verführerisch in die kleinen Nasen der Hamster, und ihre kleinen Bäuche knurrten leise vor sich hin. Dann wurde die Fahrertür aufgerissen, und ein verzweifelt aussehender van der Slampe kroch erschöpft auf den Fahrersitz. In Windeseile waren die Hamster auf das Armaturenbrett geklettert und blickten ihn neugierig an, doch wo war das Futter? Langsam glitt der Blick des Fahrers auf die bettelnde Reisegesellschaft direkt vor ihm.

"Ich habe es satt, wisst ihr das?" grölte er. "Das billigste Zimmer kostet 25 Pfund und wisst ihr, was? Ich habe gerade noch 10 Pfund übrig! Soll ich jetzt den Lastwagen verkaufen oder was?"

"Typisch", schimpfte Flecki, "die allerkleinste Schwierigkeit, und schon tickt er wieder aus!"

"Also, für den Lkw kriegt der nicht viel, aber für eine fette Mahlzeit würde das reichen..."

"Goldi!" unterbracht ihn Flecki und tickte sich mit der Pfote an die Stirn. "Wie sollen wir denn ohne Wagen zum ollen Grafen kommen?"

"Mir reicht’s!" unterbrach sie die müde Stimme eines gewissen Lkw-Fahrers. "Ich lege mich jetzt auf eine Parkbank am Hafen und schlafe eine Runde. Macht doch, was ihr wollt!"

Verwundert schauten die Hamster zu, wie der Fahrer den Lastwagen verließ und sich auf eine nahe gelegene Bank fallen ließ. Er blinzelte noch einmal zum Loch Broom hinüber, dann schloss er seine Augen, und nach kurzer Zeit verriet seine gleichmäßige Atmung, dass er eingeschlafen war.

"Wollen wir nicht mal gucken, ob wir ein paar leckere Fritten auftreiben können?" fragte Tati, und ohne eine Antwort stürzten seine Freunde mit lautem Gefiepe durch das offene Fenster ins Freie. Ihre feinen Nasen lokalisierten sofort den Ursprungsort des leckeren Geruchs, und schon nach wenigen Minuten hatten sie einen kleinen Kiosk vor einer Lagerhalle gefunden.

"Ich werde wahnsinnig, wenn es nicht gleich was zu fressen gibt", rief Goldi und machte Anstalten auf den Imbiss zuzulaufen.

"Pass bloß auf", schrie Flecki, "du bist viel zu ausgehungert und viel zu unvorsichtig, du wirst noch erwischt!" und rannte hinterher.

"Öhm, wir sollten in dieser Stunde unseren Kameraden nicht im Stich lassen, denn nur gemeinsam können wir diese Dingslage, äh..."

Der Bürgermeister schaute sich um und stellte verwirrt fest, dass er alleine war.

"He, wartet auf mich!" rief er und hoppelte den anderen hinterher. Gemeinsam standen sie nun ratlos vor einer glatten, beigefarbenen Wand. Sie befanden sich zwischen der Rückseite des Imbiss'  und der Mauer der Lagerhalle. Es war unmöglich, auf die Vorderseite zu gelangen, ohne entdeckt oder zertrampelt zu werden. Eine aussichtslose Lage.

"In solch einer gefährlichen Situation habe ich mich schon einmal befunden", sagte Goldi und senkte lässig seine Augenlider.

"Und?" hauchte Tuffi.

"Als es Nacht wurde", erklärte Goldi, "war ich vor Hunger und Erschöpfung zusammengebrochen und konnte im Schutz der Dunkelheit wegkriechen."

"Na prächtig", knurrte Flecki, "unsere Zukunft ist somit gesichert."

"Ka- Ka- Ka..." kreischte plötzlich der Bürgermeister, und alle erkannten sofort, dass sie ein weiteres, ungleich gefährlicheres Problem bekamen. Dort, wo ein Fischereihafen ist, gibt es auch Fische, und wo es Fische gibt, sind auch Katzen nicht weit. Eines dieser Exemplare näherte sich von der linken Seite, es war nur eine Frage von Sekunden, bis sie auf diese Beute stoßen würde. Ängstlich drängten die Hamster sich in der Mitte zwischen der Rückwand des Kiosk und der Mauer aneinander.

"Warum sind wir nicht im Lastwagen geblieben", jammerte Dodo, "dann würden wir wenigstens in Frieden verhungern."

"Schnell", rief Bauleiter Murksel, "wir müssen zur anderen Seite fliehen!"

Alles rannte los, doch nach einem halben Meter drehten sie um und standen dicht gedrängt wieder dort, wo sie schon eben gewesen waren. Eine zweite Katze näherte sich von der anderen Seite!

"Ich will noch nicht sterben", jammerte Hamstilidamst, "ich habe noch nicht mal das große Einmaleins gelernt!"

"Wir werden ihnen zeigen, wie ein Hamster kämpft und stirbt!" rief Goldi und ballte seine kleinen Pfoten.

"Jammern und betteln bis zum Schluss?" wimmerte Dodo.

"Wie wäre es, der Bürgermeister verhandelt mal ein bisschen?" rief Flecki.

"Ausgezeichnete Idee", antwortete Goldi, "dann haben wir wenigstens etwas Zeit gewonnen, wenn er zuerst gefressen wird!"

Die Lage war aussichtslos, und die Reise der Hamster schien an dieser Stelle ein grausames Ende zu finden. Die beiden Raubtiere kamen näher und bleckten ihre Zähne, denn diese Mahlzeit kam ihnen gerade recht. Schließlich mögen auch Katzen nicht jeden Tag Fisch. Immer enger rückten die Hamster zusammen, und immer dichter kamen ihre überlegenen Gegner, die sich alle Zeit der Welt nahmen. Die Beute war ihnen sicher, denn es gab keinen Fluchtweg für die kleinen Nager. Es war nur noch eine Frage von wenigen Minuten, bis es zwölf Hamster weniger auf dieser Welt gab.

"Pst!"

"Öhm, hat jemand was gesagt?" fragte der vor Angst schwitzende Bürgermeister.

"Pst, hinter euch!"

Die Hamster drehten sich langsam zu der Mauer um, an die sie sich lehnten.

"He, Dicker, geh doch mal ein Stück vor, dann kann ich die Tür öffnen!"

Dodo erschrak und hüpfte einen Schritt vor. Hinter einer Mauerspalte war ein rosa Näschen zu erkennen. Leises Keuchen und Stöhnen war zu hören, und der unterste Stein der Mauer bewegte sich. Zentimeter um Zentimeter wurde der Mauerstein vorgeschoben bis Bauleiter Murksel rief: "Los, fasst mit an!"

Während von innen weiter geschoben wurde, zogen die Hamster nun von außen. Dann fiel der Mauerstein auf den Boden und die Öffnung war jetzt groß genug, um hineinzuschlüpfen.

"Schnell", ertönte die Stimme aus dem Inneren der Mauer, "schnell, beeilt euch!"

Das ließen sich die Hamster nicht zweimal sagen, und in Windeseile waren sie durch den engen Spalt gekrochen, lediglich Dodo wies ein paar Schürfwunden auf, doch das war besser als das, was sie vor der Mauer erwartet hätte. Ein wütendes, enttäuschtes Fauchen war nun zu hören, und die Katzen versuchten vergeblich, ihrer Beute zu folgen.

"Willkommen in unserem Institut!"

Flecki fand als erste die Sprache wieder.

"In eurem was?"

"Institut. Wenn ihr mir bitte ins Vorzimmer folgen wollt", sagte eine vornehm aussehende Hamsterdame und wies auf einen riesigen Pappkarton, der sich nur wenige Meter vor ihnen befand. Neben dem Pappkarton standen einige alte Körbe, wie sie zum Einlagern für Fische verwendet werden, doch diese Körbe waren zweifellos schon lange nicht mehr benutzt worden. Genauso wenig wie dieser kleine Raum, der zwei Fenster zur Hafenseite aufwies. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine rostige Eisentür zu sehen, und daneben befanden sich mehrere elektronische Schaltkästen. Offensichtlich war dieses ein selten benutzter Schaltraum, in dem die Beleuchtungen und Stromanschlüsse des kleinen Hafens verkabelt waren. Es war kein sehr gemütlicher Ort, doch der Karton war in viele kleine Räume eingeteilt, die recht geschmackvoll eingerichtet waren. In einen dieser Räume wurden die Hamster nun geführt.

"Bitte macht es euch bequem. Habt ihr einen Wunsch?"

Der Bürgermeister räusperte sich, und Goldi riss seine Pfote hoch. Sie wurde jedoch von Flecki sofort wieder heruntergezogen.

"Nun, ich, äh, möchte mich im Namen aller Hamster Hamsterhausens und natürlich auch in meinem Namen für die überaus mutige Rettung unserer aller Leben bedanken. Ich bin der Bürgermeister, und das sind meine Freunde Goldi, Flecki, Tuffi, Dasie, Hamstilidamst, Sasie, Dodo, Tati, Teeblättchen und Bauleiter Murksel. Der grüne Dings dort heißt Trampel. Mit wem habe ich die Ehre?"

"Je nun, mein Name ist Dabi, ich bin die Sekretärin unseres überaus überschätzten Präsidenten dieses Institutes.“

"Was is 'n das für 'n Institut, und gibt es hier etwas zu essen?"

"Nun, mein lieber Goldi, natürlich kann ich hier keine genauen Details von mir geben; es ist sozusagen noch alles etwas in der Schwebe und somit äußerst vertraulich. Der Name unseres Instituts jedoch - soviel kann ich guten Gewissens weitergeben - ist der Bund Allgemeiner Neuzeitlicher Terrestrischer Ausgrabungen Celtischer Hamster, auch BANTACH genannt."

"Ihr grabt Hamster aus?" fragte Goldi verwundert.

"Natürlich nicht", gab Dabi leicht verärgert von sich, "die Ausgrabungen werden von Hamstern vorgenommen. Aber bitte: behandelt diese Angaben als streng vertraulich"

"Und das Futter, ist das auch streng vertraulich?"

"Das kann ich in diesem Moment noch nicht sagen, Goldi, dazu muss ich erst Rücksprache mit unserem Präsidenten nehmen."

Dabi wackelte hinaus und hinterließ eine ratlose Hamsterschar.

"Sind wir hier bei einer Geheimorganisation gelandet, oder was?" wunderte sich Hamstilidamst.

Im nächsten Augenblick kam Dabi zurück.

"Wenn ihr wünscht, könnt ihr eine Kleinigkeit im Proviantraum einnehmen. Bitte hier entlang!"

Die Hamsterdame führte die hungrige Schar durch einen langen Flur, dann ging es mal rechts und mal links entlang, und schließlich hielten sie vor einer Tür.

"Bitte sehr, die Küche."

"Sag mal", fragte Goldi kurze Zeit später während er über beide Backen kaute, "warum macht ihr nicht ein paar Türschilder an, damit man sich zurecht findet?"

"Ich kann mit Sicherheit sagen, Goldi, das dieses so beabsichtigt ist. Geheimhaltung hat hier absolute Priorität."

"Und warum?"

"Nur soviel: wenn ich sagen würde, was ich wüsste, dann stünde es Morgen gleich in der Zeitung. Das wäre doch nicht wünschenswert, oder?"

"Warum sollte es in der Zeitung stehen, wo sich eure Küche befindet?"

"Je nun, es ist weitaus komplizierter, und ich würde es auch gerne erklären, aber leider geht es zu diesem Zeitpunkt nicht."

In diesem Moment raschelte es an der Tür. Mit einem Sprung, den ihr keiner zugetraut hatte, war Dabi dorthin gehechtet und hob einen grauen Umschlag auf, der offensichtlich unter der Tür durchgeschoben worden war. Umständlich öffnete sie den Umschlag, blickte hoch und sagte mit gesenkter Stimme: "Bitte entschuldigt mich einen Moment, es ist ein Auftrag höchster Priorität."

"Ist was passiert?" wollte der Bauleiter wissen.

"Nun, ich kann darüber nicht sprechen, aber macht euch keine Sorgen, ich werde bestimmt wiederkommen!"

Sie rannte zur Tür hinaus und verschwand. Die Hamster blickten einander ratlos an, und Goldi rief begeistert: "Sie hat den Umschlag beim Rausgehen verloren!"

Er lief zur Tür und schaute hinaus, dann nahm er dem Umschlag an sich. Die Worte 'Vertraulich - nur von autorisiertem Personal zu öffnen!' schienen ihn anzuspringen. Neugierig starrten alle auf die Worte, dann griff Goldi in den Umschlag.

"Goldi, du kannst doch nicht einfach vertrauliche Post öffnen! Dazu bist du doch nicht autorisiert", fauchte Flecki.

"Aber er ist doch schon offen. Die autorisierte Dabi hat ihn aufgemacht. Vom autorisierten Lesen steht da doch nichts, oder?"

Vorsichtig zog er einen Zettel aus dem Umschlag, dann blickte er in die Runde seiner Hamsterfreunde. Sie nickten ihm zustimmend zu, und so las er laut vor: 'Dabi - dringend. Ich habe keinen Kaffee mehr!'

"Wenn das schon dringend ist", fluchte Flecki, "was schreibt der denn, wenn ihm das Klopapier ausgeht?"

"Da kommt jemand über den Flur!" rief Sasie.  Sofort packte Goldi den Zettel in den Umschlag zurück und legte den Umschlag wieder unter die Tür. Schnell zogen sich die Hamster auf die gegenüberliegende Seite zurück und bewunderten ein Bild, das dort an der Wand hin.

Schwer atmend betrat Dabi dem Raum, sah den Umschlag am Boden liegen und nahm ihn blitzschnell an sich.

"Wir haben Glück gehabt", keuchte sie, "die Situation ist unter Kontrolle - mehr kann und darf ich dazu nicht sagen. Der Präsident ist nunmehr bereit, euch zu empfangen. Bitte folgt mir!"

Wieder ging es durch ein Gewirr von Gängen und Seitentüren, bis sie schließlich vor einer besonders großen Tür standen. 'Bitte klopfen und auf Antwort warten - dann eintreten' stand dort in großer Schrift.

Dabi klopfte und trat einen Schritt zurück.

"Nun müssen wir nur noch auf Antwort warten", rief Dodo und ging einen Schritt auf die Tür zu. "Nein, nicht!" kreischte der Bürgermeister, stürzte sich auf Dodo und hielt ihn fest. "Diesmal nicht, Dodo, diesmal nicht!" hörte die verwunderte Dabi ihn schreien.

"Was hat denn das zu bedeuten?" rief sie mit besorgter Miene.

"Je nun, das ist 'ne Hamstische Sitte, mehr kann und darf ich dazu nicht sagen", sagte Goldi und klimperte mit den Wimpern. Mit einem leicht verärgerten Gesichtsausdruck wandte sich die Hamsterdame wieder der Tür zu. Einige Sekunden lang passierte nichts, dann ertönte eine piepsige Stimme: "Öhm, ja, äh, herein!"

Dabi ging vorweg, die anderen folgten ihr in kurzem Abstand.

"Herr Präsident, die Delegation aus Hamsterhausen ist da!"

"Danke, Fräulein Dabi, sehr gut. Nun es ist nicht nur gut, sondern auch sehr gut. Wie ich immer zu sagen pflege..."

"Balthasar, das darf doch nicht wahr sein!"

"Heinz-Georg, nein, welch eine Überraschung!"

Der Präsident war aus seinem Sessel aufgestanden und lief auf den Bürgermeister zu. Sie umarmten und klopften einander immer wieder auf die Schultern.

"Fräulein Dabi, holen Sie bitte Sonnenblumenkerne für alle. Mein Bruder ist zu Besuch gekommen, wir haben einander seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Das muss gefeiert werden!"

"Nichts gegen Sonnenblumenkerne", flüsterte Flecki mit finsterer Miene Goldi zu, "aber nun haben wir es mit zwei Labersäcken zu tun, die die nächsten Stunden nichts Anderes tun werden als labern."

"Genau", brummte Goldi, "lasst uns hier verschwinden!"

"He", rief Sasi, "auf der Hinfahrt habe ich eine Einkaufsstraße gesehen!"

"Da müssen wir unbedingt hin", rief Dasie, "ich kann unmöglich ohne ein Geschenk wieder nach Hamsterhausen zurückkommen!"

"Dann solltet ihr den Geheimgang nehmen." Dabi war soeben mit einer großen Schüssel Sonnenblumenkernen wiedergekommen und hatte den Rest der Unterhaltung mitbekommen. "Der Weg über den Hafen ist recht gefährlich, wie ihr schon gemerkt habt. Wie ich meinen Präsidenten kenne, wird seine Unterhaltung recht lange dauern. Ihr könnt also ruhig solange einkaufen gehen." Mit einem Seitenblick auf Goldi fügte sie hinzu: "Dort gibt es auch hervorragende Fressshops, und das ist kein Geheimnis!"

"Toll", entgegnete Goldi. "Wie wäre es, wenn du den Fremdenführer machst?"

"Unmöglich, ich muss hierbleiben, denn mein Präsident ist ohne mich verloren. Was ist, wenn der zwischendurch etwas notieren muss und den Schreibstift nicht findet? Der dreht doch durch! Kommt mit, ich zeige euch aber den Weg."

Während Bürgermeister und Präsident über alte Zeiten im Allgemeinen und alte Erlebnisse im Besonderen schwadronierten, machte sich die restliche Reisetruppe auf den Weg. Über lange Flure und viele Seitengänge verließen sie den Karton und wurden von Dabi zur Eisentür geleitet. Am unteren Teil der Tür, kurz über dem Boden, hatte der Zahn der Zeit genagt, und das Eisen war so weit durchgerostet, dass ein Hamster leicht hindurch passte.

"Ihr müsst", erklärte Dabi, "dort vorne die Quay Street hochlaufen, dann rechts weiter über Riverside Terrace und immer geradeaus weiter. Dann kommt ihr auf die Old Moss Road, dort seht ihr dann die Geschäfte. Viel Vergnügen und kommt bitte in in zwei Stunden, achtundvierzig Minuten  zurück, denn dann hat der Präsident seinen nächsten Termin!"  

Daraufhin drehte sie sich um und lief zum Karton zurück, um nach dem Rechten zu sehen, während die Hamster sich auf den Weg in die Innenstadt Ullapools machten.

Zur gleichen Zeit wurde Vim van der Slampe unsanft aus seinem recht kurzen Schlaf gerissen. Ein aus Stornoway kommendes Passagierschiff hatte angelegt, und die damit verbundene Erschütterung des Pontons ließ ihn unsanft von seiner Bank fallen. Benommen rappelte er sich auf, und nur langsam kapierte er den Grund für die Unterbrechung seiner Ruhepause. Das Schiff machte fest, und nach einiger Zeit liefen lärmende Passagiere an ihm vorbei. Seufzend beobachtete er das Ausladen des Schiffes und versuchte zu schätzen, wann wohl wieder Ruhe einkehren würde. Er überlegte kurz, ob er nicht in seinem Lkw weiterschlafen solle, verwarf die Idee aber gleich wieder, als er an die Hamster dachte. Ob sie wohl schlafen würden? Und wenn nicht, was würden sie gerade in diesem Moment anstellen? Mit einem Schlag war seine Müdigkeit verschwunden, und er malte sich so manche schlimme Katastrophe aus. Nein, jetzt konnte er nicht mehr schlafen, er musste dringend nach dem Rechten sehen. Mit schnellen Schritten verließ er den Pier und ging, ohne einen Blick auf den malerischen Hafen zu verschwenden, zu seinem Lastwagen zurück. Er atmete auf als er ihn an der Stelle stehen sah, an der er ihn verlassen hatte. Mit mulmigem Gefühl im Magen öffnete er sie Fahrertür. Niemand zu Hause, dachte er, wo mögen die armen, kleinen Tierchen wohl sein? Gedankenverloren und voller Sorge stand er neben seinem Fahrzeug, als sich etwas an sein linkes Bein schmiegte. Eine Katze! Miauend rieb sie ihren Kopf an dem Stoff seiner Hose, und es schien dem Lkw-Fahrer, als wenn sie um Futter bettelte.

"Du Mörderin!" brüllte er und spürte, wie kalte Wut in ihm emporstieg. "Du verdammtes Vieh hast meine süßen, kleinen Hamster gekillt!"

Die Katze erschrak und entfernte sich langsam rückwärts schleichend von dem brüllenden Mann. Dann drehte sie sich mit einem Fauchen um und machte, dass sie wegkam. Vim van der Slampe rannte jedoch mit lautem Gebrüll hinter dem ahnungslosen Tier her und stieß üble Verwünschungen und Flüche aus. Plötzlich fühlte sich der Lkw-Fahrer an der Schulter gepackt und festgehalten.

"Sir, gibt es ein Problem?"

Der uniformierte Beamte der lokalen Polizeistation von Ullapool wusste sehr genau, wie man mit Randalierern und Betrunkenen umging. Schließlich versah er schon seit vielen Jahren seinen Dienst im Hafengebiet und kannte seine Pappenheimer sehr genau.

"Dieses Drecksvieh ist ein Teufel", kam die gekeuchte Antwort.

"Sir, Sie kommen besser mit mir und erzählen mir alles ganz in Ruhe, finden Sie nicht auch?"

Van der Slampe versuchte sich loszureißen, doch er merkte schnell, dass der Polizist weitaus stärker war als er. Handschellen blinkten an der Uniform des Beamten, und ein Schlagstock hing direkt daneben.

"Sir, Sie machen alles nur noch schlimmer. Nehmen Sie sich zusammen und kommen Sie mit, oder ich lege Ihnen Handschellen an!"

Kurz darauf waren die beiden Männer auf dem Weg zu der nicht weit gelegenen Polizeistation, auf der sich Vim van der Slampe einige Fragen würde gefallen lassen müssen.

Die Hamster hatten unterdessen die Old Moss Road erreicht und bewunderten staunend die vielen verschiedenen, teils recht bunten Geschäfte. Die Zeit verging wie im Fluge, und es war Murksel, der entsetzt rief: "Wir sind schon einige Stunden unterwegs, sollten wir nicht langsam wieder zum Institut zurückgehen?"

"O ja", stöhnte Sasie, "meine Füße sind total kaputt, ich kann nicht mehr!"

"Gut, ich habe auch keine Lust mehr", stimmte Flecki zu, "aber sagt mal, wo steckt denn Trampel?"

Erschrocken blickten die Hamster einander an. Wo war Trampel geblieben?

"Vorhin, als wir in einer kleinen Seitenstraße waren, wollte er nur mal eben eine Mülltonne durchsuchen", jammerte Hamstilidamst.

"Wo war das? Führ uns schnell dort hin!" rief Flecki, und Hamstilidamst rannte, so schnell er konnte, vorweg.

"Hier war es", keuchte er, als sie in eine kleine Seitengasse bogen und zeigte auf eine Mülltonne. Nun begann eine hektische Suche, die plötzlich von einem schrillen Schrei Fleckis unterbrochen wurde.

"He, kommt mal alle schnell her!"

Sofort waren alle um sie versammelt und starrten auf ein Schild. 'Forschungsstation für seltene und ausgestorbene Tiere' stand dort.

"Ja, und?" fragte Dodo. "Glaubst du, er hat sich einen Job gesucht, Flecki?"

"Quatsch, natürlich nicht. Aber ich habe da so ein komisches Gefühl."

Ratlos standen die Hamster vor einer Tür. Sie war einen Spalt geöffnet, und schließlich rief Goldi: "Also wollen wir hier noch lange warten, oder was? Wir holen ihn heraus!"

Er lief vorweg, und zögernd folgen ihm die übrigen. Natürlich war es nicht sicher, dass Trampel sich hier in diesem Gebäude aufhalten würde, aber was blieb ihnen im Moment anderes übrig? Zu ihrem Glück befand sich die Forschungsstation zu ebener Erde, und sie mussten sich nicht mühselig irgendwelche Treppen hochquälen. Doch was nun? Sie befanden auf einem langen Flur, zu dessen linken und rechten Seiten sich viele Türen befanden. Falls Trampel hier war, hinter welcher Tür konnte er sein, und wie sollten sie hineinkommen? Während sie ratlos auf dem Flur standen, öffnete sich plötzlich eine der Türen und eine junge Frau in einem weißen Kittel kam herausgestürmt. Sie schien sehr aufgeregt zu sein und blickte auf einen Schreibblock, den sie in der Hand hielt. Sie rannte an den zu Tode erschrockenen Hamstern vorbei und öffnete die gegenüberliegende Tür.

"Sehen Sie mal, Doktor, ich habe etwas gefunden! Es handelt sich möglicherweise um den ausgestorbenen prähistorischen schottischen Moosbiber, dieses grünliche Fell und der charakteristisch kurze Schwanz, wir sollten die Maße einmal mit unseren Unterlagen überprüfen!"

Dann wurde die Tür geschlossen, und die weiteren Worte der Frau waren nur noch als ein leises Murmeln zu hören. Nachdem die Hamster sich von ihrem ersten Schreck erholt hatten, rief Goldi: "Schnell, sie ist aus dem Zimmer dort gekommen und hat die Tür offen gelassen!"

Sofort flitzten die kleinen Tiere in das besagte Zimmer und sahen sich um. Bücherregale, mehrere Tische und die dazugehörigen Stühle waren zu sehen. Eine Spüle mit Reagenzgläsern und Glaskolben befand sich genau in der Mitte. Weiter hinten im Zimmer befanden sich zwei Fenster mit dunkelblauen Vorhängen. Auf dem linken Fensterbrett stand ein Käfig, und in diesem Käfig befand sich Trampel. Bevor seine Freunde auch nur einen Plan zu seiner Befreiung schmieden konnten, wurde die Zimmertür ganz aufgerissen, und die junge Frau kam mit einem älteren Mann im Gefolge zurück.

"Er hat sich bei der Mülltonne herumgetrieben?" fragte der Mann aufgeregt. "Wir müssen ihn unbedingt wieder dorthin setzen, es ist noch ein recht junges Tier, und möglicherweise sucht seine Mutter schon nach ihm. Wenn es sich tatsächlich um den prähistorischen schottischen Moosbiber handelt, dann ist das die Entdeckung des Jahrhunderts, liebe Kollegin! Alle Welt glaubte bisher, der sei ausgestorben! Schnell, bereiten Sie alles vor, und lassen Sie ihn wieder bei der Mülltonne frei, wir müssen seinen Laufweg zurückverfolgen!"

Der Mann rückte seine Brille zurecht und ging kopfschüttelnd in sein Büro zurück.

"Lasst uns verschwinden und draußen warten", schlug Murksel vor. "Ihr habt ja gehört, dass Trampel gleich wieder freigelassen werden soll!"

Gesagt, getan.  Erleichtert verließen der Bauleiter und der Rest der Truppe die Forschungsstation und versteckten sich hinter einem Mauervorsprung gegenüber der Mülltonne. Obwohl sie recht lange warten mussten, sprach niemand ein Wort, und gebannt harrten alle der Dinge, die da kamen. Dann war es soweit, und die junge Frau in dem weißen Kittel kam um die Ecke. Sie trug einen Käfig, den sie vorsichtig auf die Mülltonne stellte, und griff in den Käfig hinein. Vorsichtig legte sie etwas Kleines neben die Mülltonne und verschwand schnellen Schrittes, ohne sich umzusehen. Das kleine Etwas bewegte sich, hob den Kopf, schnüffelte und zuckte im nächsten Moment zusammen, als eine Stimme grölte: "He Moosbiber, alles klar?"

Erleichtert erkannte Trampel die Stimme Goldis und näherte sich verlegen seinen Freunden. Dann stand er traurig vor ihnen, und die Verwunderung und das Entsetzen, das sein Anblick auslöste, waren groß. Ungläubig starrten die Hamster auf ihren Freund Trampel, beziehungsweise auf das, was aus ihm geworden war. Sein Fell war immer noch grün, doch das, was er auf dem Kopf trug, sah schon sehr seltsam aus. Eine Antenne, die mit einem Metallbügel befestigt war. Doch das war noch nicht alles, denn um den Hals trug er ein seltsam blinkendes Band, das in Intervallen elektronische Pfeiftöne von sich gab.

"Sag mal", fragte Goldi, nachdem er Antenne und Halsband ausgiebig betrachtet hatte, "Wieviel Programme hast du denn?"

Ein leises Schluchzen kam als Antwort, und Flecki meinte vorwurfsvoll, dass es wirklich nicht angemessen sei, dumme Bemerkungen über den armen Trampel zu machen.

"Genau", bekräftige Dodo, "vor allem, weil er ja ausgestorben ist, der Arme!"

"Doch nicht Trampel, du Blödmann! Der Moosbiber ist ausgestorben!" fauchte Bauleiter Murksel.

"Ich will nach Hause", jammerte Trampel, "ich mag nicht mehr! Das war alles so schrecklich, die haben mir sogar Blut abgezapft. Wenigstens gab es gutes Essen, das war wirklich lecker!"

"Hat jemand ein bisschen grüne Farbe für mich?" fragte Goldi, doch er war sofort wieder still, als er Fleckis vorwurfsvollen Blick sah.

"Lasst uns zum Karton, äh, zum Institut zurückgehen", schlug Murksel vor. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und bestimmt wartet der Bürgermeister schon!"

Sofort machte sich der kleine Trupp auf den Rückweg durch die inzwischen dunklen Straßen Ullapools. Von Minute zu Minute wurden die Hamster jedoch immer mehr von dem Gepiepse, das aus dem Halsband Trampels kam, genervt.

"Kannst du das nicht mal abstellen?" schimpfte Tuffi, doch Trampel schüttelte traurig den Kopf. Als sie endlich wieder die durchgerostete Eisentür erreichten, waren ihre Nerven durch das ständige Piepsen zum Reißen gespannt. Kurz darauf standen sie wieder vor der Eingangstür der Organisation BANTACH, die Tür wurde aufgerissen, und Dabi sah die Ankömmlinge erleichtert an.

"Netten Einkaufsbummel gemacht, wie? Das hat ja recht lange gedauert. Der Präsident hat schon... was ist denn das? Bei allen keltischen Heiligen, was hat das zu bedeuten?" rief sie entsetzt und deutete auf Trampel, der erschrocken zurückwich. "Das ist eine Katastrophe! Sicherheitsalarm! Sicherheitsteam sofort zum Ausgang!"

Sie drückte auf einen Knopf neben der Tür und starrte weiterhin fassungslos auf Trampel. Es war totenstill, nur das entnervende Piepsen seines Halsbandes war zu hören. Dann war Pfotengetrampel zu hören, und zwei mit Lanzen, besser gesagt, mit Zahnstochern bewaffnete Hamster, erschienen und wandten sich dienstbeflissen Dabi zu. Sie deutete auf Trampel und rief: "Macht ihm sofort das Ding da ab!" Dann richtete sie sich an Flecki und fragte: "Wo hat er das her?"

Flecki erklärte ihr in wenigen Worten, was passiert war. Dabi nickte, während im Hintergrund die gequälten Schreie Trampels zu hören waren, dem gerade mit vereinten Kräften Halsband und Antenne entfernt wurden. Endlich war es geschafft, und Trampel lag röchelnd, aber befreit von den Geräten der Forschungsstation, neben dem Eingang.

"Schnell, wir müssen das Gerät vernichten, sonst sind wir verloren!" rief Dabi. "Wenn die das Gerät anpeilen, haben die unseren geheimen Ort gefunden!"

"Gib mal her", brummte Goldi, nahm Halsband und Antenne und verschwand durch den Mauerspalt in Richtung Hafen. Atemlose Stille erfüllte den Raum, und es war wohltuend für die Hamsterohren, das nervende Geräusch des Halsbandes nicht mehr hören zu müssen. Nach wenigen Minuten tauchte zur Erleichterung aller Goldis grinsender Kopf in der Mauerspalte auf, und kurz darauf stand er wieder vor Dabi.

"Das Ding macht keinen Ärger mehr", grinste er. "Wie wäre es mit etwas Essbarem?"

Wenig später wurde sein Wunsch erfüllt, und auch seine Freunde ließen es sich schmecken, während Dabi dem staunenden Präsidenten und dem Bürgermeister Bericht erstattete. Als sie fertig war, nickte Balthasar eifrig und bat seine Sekretärin, einen ausführlichen Bericht in 3-facher Ausführung einschließlich multimedialer Präsentation über diesen Vorfall anzufertigen.

Seufzend führte Dabi nun die Hamster aus Hamsterhausen durch lange Flure und viele Seitengänge zurück bis zur Mauerspalte zum Hafen hin. Es hieß nun Abschied nehmen, denn langsam wurde es draußen wieder hell, und alle Beteiligten waren müde und erschöpft. Noch lange winkten Dabi und die Hamster einander zu, bis sie um eine Ecke bogen und der Lastwagen wieder in Sicht kam.

"Ja, sagt mal, wo steckt denn nun dieser verantwortungslose Typ?" schimpfte Flecki, als sie den Lkw leer vorfanden. "Der hätte uns doch glatt verhungern lassen. Aber der denkt ja wohl nur an sich und sein Vergnügen!"

Wenige Stunden später kehrte der verantwortungslose Typ zurück. Er hatte eine äußerst ungemütliche Nacht auf dem städtischen Polizeirevier verbracht und war in einem schrecklichen Zustand. Wenigstens hatte er soeben noch eine warme Mahlzeit auf der Polizeiwache bekommen, nachdem die Polizisten herausbekommen hatten, dass sie es nicht mit einem Kriminellen, sondern mit einem höchst bedauernswürdigen, abgerissenen Menschen zu tun hatten. Ärgerlich knallte Vim van der Slampe die Fahrertür zu und warf einen Blick in die Schlafkoje, wo ihn zu seiner großen Erleichterung zwölf durch den Krach geweckte und verärgerte Hamster anblickten. Er ließ den Motor an und schaute angespannt auf seine Benzinuhr. Besorgt stellte er fest, dass der Tank nur noch zu einem Drittel gefüllt war, und dass er  sich in dieser Richtung bald etwas einfallen lassen musste. Er drehte den Lkw und wollte am Hafen entlang zur A835 weiterfahren, als er zu seiner Überraschung feststellte, dass die Straße direkt vor dem Hafen abgesperrt war. Polizisten, mehrere Fernsehteams und viele neugierige Zuschauer hinderten ihn an der Weiterfahrt. Verwundert stieg er aus, um sich nach dem Grund dieses Menschenauflaufes zu erkundigen. Auch die Hamster waren aufmerksam geworden und starrten gebannt auf die vielen Leute. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Wagentür, und Vim van der Slampe stieg wieder ein. Er schüttelte den Kopf und lachte: "Was das nicht alles gibt! Stellt euch vor, die haben da im Wasser ein Nest von irgendeinem seltenen Biber gefunden oder so etwas. Ich dachte immer, das gibt hier nur das Ungeheuer von Loch Ness!"

Erneut drehte er mit den Lastwagen um und fuhr über eine Umleitung durch die Argyle Street weiter bis zur A835.

"Sag mal", begann Flecki und sah Goldi scharf an, "was hast du mit dem Halsband und der Antenne gemacht?"

"Ins Hafenbecken geworfen, warum?" antwortete Goldi, der sich keiner Schuld bewusst war.

"Klasse, wirklich. Jetzt hat die Forschungsstation die Funksignale aufgefangen und denkt, dass da so eine prähistorische Biberbande auf dem Grund des Hafenbeckens lebt. Hast du gesehen, wie viele Kameras da waren? Das wird bestimmt überall im Fernsehen heute gesendet."

"Aber es ging doch um die nationale Sicherheit oder so", gab Goldi zu bedenken. "Hat jedenfalls Dabi gesagt. Was meint ihr, ob wir die noch einmal wiedertreffen werden?"

"Nun, öh, diesbezüglich denke ich, besteht eine gewissermaßen gute Chance“, meldete sich der Bürgermeister und strich bedeutungsvoll über seinen Schnurrbart. "Ich, äh, habe meinen Kollegen, den Präsidenten, eingeladen, doch einmal in naher Zukunft unseren neuen Vergnügungspark zu besuchen."

Die Sonne stand inzwischen etwas höher am Himmel und verhieß einen schönen Tag. Den Hamstern war das im Moment jedoch völlig egal, denn sie schliefen tief und fest in der Schlafkoje und ruhten sich von all den aufregenden Ereignissen der vergangenen Nacht aus. Dann war da noch jemand, dem es völlig egal war, und der hieß Vim van der Slampe und saß müde und erschöpft am Steuer.

Vor ihnen lagen noch 250 Kilometer bis zum Schloss des alten Lord McShredder.


 



Kapitel 22

Loch Ness

Mit trübsinniger Miene registrierte Vim van der Slampe, dass sie sich mittlerweile in dem Gebiet zwischen Wester Ross und Easter Ross befanden. Die Landschaft an der wenig befahrenen A835 zeigte sich von ihrer schönsten Seite; Berge und Lochs zogen langsam vorbei, Schafe blickten träge dem Fahrzeug entgegen. Er fuhr an dem einsamen Loch Glascarnoch vorbei, passierte einen Wald und kam zwischen Loch Luichart und Loch Garve wieder hervor. Doch für all diese wunderschönen Dinge zeigte er keinerlei Interesse. Liebend gerne hätte er den Lastwagen einfach am Straßenrand abgestellt und  sich in seine Schlafkoje verkrochen, doch die war leider von Hamstern besetzt. Sicherlich hätte er es auf eine Kraftprobe ankommen lassen können, doch er war nicht scharf darauf, eine Niederlage zu kassieren. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass Hamster eben ihre Prinzipien und Vorlieben haben, jedenfalls diese Art von Hamstern. Ihm war auch klar, dass er sich nicht unnötig mit ihnen anlegen sollte.

An einer Parkbucht mit dem Schild "Blackwater" brachte er sein Fahrzeug zum Stehen und und holte seine Straßenkarte hervor. Er atmete tief durch, denn ihm wurde bewusst, dass er gerade noch rechtzeitig nach dem Weg geschaut hatte. Die nächste Abfahrt nach Marybank auf die die A832 mussten sie abbiegen, wenn er es vermeiden wollte, noch ein weiteres Mal durch den zähflüssigen Verkehr von Inverness zu kriechen. Sein Blick glitt ins Leere, als er auf die Karte starrte und an den Käsemarkt in Alkmaar dachte. Deutlich sah er den großen Platz vor dem alten Rathaus vor seinen Augen. Bestimmt würde sein Kumpel Ruud Kloetsack ihn fragen, wo er so lange gesteckt hatte, was alles passiert sei, und ganz bestimmt würde Vim van der Slampe ihm kein Sterbenswörtchen über die Dinge erzählen, die hier abgelaufen waren. Lieber würde er sich die Zunge abbeißen, als diesem ungehobelten Kerl etwas von den Hamstern zu erzählen. Da, nun ging es schon wieder los mit der Huperei! Ruud Kloetsack stand mit seinem riesigen Lkw vor ihm. Durch die Windschutzscheibe konnte er ihn genau sehen, wie er lachte und auf die Hupe seines Fahrzeugs drückte. Er schien überhaupt nicht mehr mit dem Hupen aufzuhören, und als Vim van der Slampe sich die Ohren zuhalten wollte, fühlte er einen höllischen Schmerz an seiner Stirn. Das Hupen war urplötzlich verstummt, und der Lkw-Fahrer öffnete verstört die Augen. Direkt vor sich sah er mehrere Hamster, die auf dem Armaturenbrett saßen und ihn verwundert anschauten. Peinlich berührt wurde ihm bewusst, dass er soeben beim Kartenlesen eingeschlafen war und seinen Kopf auf die Hupe gelegt hatte. Nachdem er einen kurzen Seitenblick aus dem Fenster geworfen und erleichtert festgestellt hatte, dass kein Polizeiwagen neben dem Lastwagen stand, lächelte er verlegen die Hamster an.

"Tut mir leid, Freunde, ich muss ein wenig, äh, eingenickt sein. Kommt nicht wieder vor."

Er setzte die verärgerten Tierchen wieder in die Schlafkoje zurück, ließ den Motor an und bog nach einigen hundert Metern rechts nach Marybank ab. Kurz darauf erreichte er Muir of Ord und stand vor der Entscheidung: links, rechts oder geradeaus? Er entschied sich für rechts und passierte den Ort Beauly und stand vor der nächsten Entscheidung. Diesmal wählte er links, doch nach zwei weiteren Kilometern musste er sich wieder entscheiden.

"Links, rechts, ich habe es satt!" brüllte er und handelte sich strafende Blicke der Hamster ein.

Schuldbewusst entschied er sich diesmal für rechts, denn links war ja gerade eben drangewesen. Als er den winzigen Ort Tomnacross erreichte, stoppte er kurz, um einen Blick auf die Karte zu werfen. Leider fand er den Ort nicht und fuhr grimmig weiter. Es ging durch eine öde, langweilige Strecke, sie passierten zweimal denselben Fluss und so langsam hegte der Lkw-Fahrer erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns. Zudem bewegte sich der Zeiger der Benzinuhr immer weiter nach links, und das verhieß nichts Gutes. Als sie den Ort Milton erreichten, war links an der Reihe. Sie bogen ab und standen urplötzlich vor einem Schild, das soviel bedeutete wie: "Willkommen bei der Loch-Ness-Monster-Ausstellung in Drumnadrochit!"

Wo waren sie? Hektisch holte Vim van der Slampe seine Karte hervor, und ihm wurde bewusst, dass es ihm immerhin gelungen war, Inverness zu umfahren. Doch was nun? Sie waren am Ende, soviel war klar. Kein Benzin, kein Geld und keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Eine bleierne Schwere befiel ihn, und er legte sich auf Fahrer- und Beifahrersitz und schloss die Augen.

"Sag mal, pennt der schon wieder?" rief Teeblättchen empört.

"Viel wichtiger ist: Wo sind wir?" fragte Bauleiter Murksel und kletterte auf die Lehne des Fahrersitzes, um besser gucken zu können. Im nächsten Moment fiel er mit einem erstickten Schrei hinter den Sitz.

"Nette Nummer, Bauleiter", rief Goldi, "willst du damit nicht im Vergnügungspark auftreten?"

Der Bauleiter antwortete nicht, sondern rieb sich stöhnend den schmerzenden Hintern. Langsam rappelte er sich hoch, blickte zu seinen Freunden hinauf und rief: "Wir haben es geschafft! Dort hinten wohnt das Loch Ness Monster, wir sind am Ziel!"

Ungläubig schoben Hamstilidamst und Teeblättchen den Vorhang der Schlafkoje zur Seite und schauten auf das Schild, das sich an einem großen, flachen Gebäude befand. Kein Zweifel, auf dem Schild standen eindeutig die Worte "Loch Ness Monster".

"Wie ich schon immer gesagt habe, wir schaffen es!" grölte der Bürgermeister und hüpfte von einer Pfote auf die andere.

"Ja, ja, das ist ja alles schön und gut, aber wir brauchen doch den ollen Lord!" warf Flecki ein.

"Meinst du nicht, das Monster wäre viel besser?" fragte Tati.

"Und wenn es was dagegen hat, in Hamsterhausen aufzutreten?" ließ Flecki nicht locker.

"Das wird überhaupt nicht gefragt, das kriegt was auf die Glocke und fertig!" tönte Goldi und ballte die kleinen Pfoten.

"Kommt nicht in Frage, es ist ein Tier, das wie wir denkt und fühlt. Wir müssen anders vorgehen!"

Die anderen stimmten Flecki zu, und jetzt waren die Hamster nicht mehr zu halten. Sie waren fest davon überzeugt, dass sie das Unmögliche geschafft hatten. Dasie und Sasie fingen an zu tanzen, und sofort machten Tati, Teeblättchen und Tuffi mit. Während die einen nach langer Zeit wieder einmal ihre Tanzschritte ausprobierten, saßen die anderen daneben und klatschten begeistert. So entging es den Hamstern völlig, dass sie schon nach wenigen Minuten eine Menge Zuschauer hatten. Ein Reisebus mit japanischen Touristen stand in der Nähe der "Loch Ness Monster Exhibition".  Diese Touristen hatten bisher zwar eine Menge an Bildern und Plastikfiguren des Monsters gesehen, aber ansonsten absolut nichts Interessantes erlebt.  Tanzende Hamster waren für sie eine willkommende Abwechselung und so versuchten sie, mit ihren Kameras das eine oder andere Bild von diesem ungewöhnlichen Ereignis zu schießen. Die Scheiben des Lastwagens waren allerdings schon lange nicht mehr geputzt worden und dermaßen schmutzig, dass die Tanzgruppe nur undeutlich zu erkennen war.

Vim van der Slampe brauchte sehr, sehr lange um aufzuwachen und zu begreifen, dass da jemand an seine Fahrertür klopfte. Er gähnte herzhaft, blickte nach draußen und war im nächsten Moment hellwach. Na schön, er hatte sich verfahren, aber sie konnten sich doch niemals so weit östlich befinden. Er rieb sich die müden Augen und guckte ein weiteres Mal nach draußen, doch die freundlich lächelnden Japaner befanden sich noch immer vor seiner Wagentür. Sie zeigten auf irgendetwas in seinem Lastwagen, deuteten auf ihren Kameras und riefen etwas. Der Lkw-Fahrer kurbelte das Seitenfenster herunter und vernahm die Worte "Oi! Hamtaro-odóru, haráu, shíhei!"1 mit denen er nun wirklich nichts anfangen konnte. Plötzlich gab ihm einer der freundlichen Menschen eine Pfundnote und zeigte wieder auf etwas. Van der Slampe begriff zunächst nicht, doch als er sich umdrehte und die tanzenden Hamster in seiner Schlafkoje entdeckte, dämmerte es ihm.  Der freundliche Japaner zeigte erst auf den Geldschein, den der Fahrer in der Hand hielt und dann auf die tanzenden Hamster. "Hamtaro - shíhei!" ertönte es wieder und nun hatte van der Slampe begriffen.

"Hamtaro - skiheil!" rief er in die begeisterte Menge der Touristen und zeigte auf die Pfundnote. Lächelnd nickten die Japaner und reichten weitere Geldscheine. Der Lkw-Fahrer drehte nun auch die anderen Fensterscheiben seines Lkws herunter, damit alle zuschauen und Aufnahmen machen konnten. Ein älterer japanischer Tourist stand direkt neben der Fahrertür und beugte sich leicht in den Wagen, um besser sehen zu können. Sofort wandte sich Vim van der Slampe an ihn und sagte mit langsamer, aber lauter Stimme: "Du Hamtaro sehen wollen - du skiheil geben! Du verstehen? Erst du Geld, dann du Hamster!"

Der Japaner lächelte ihn an, verbeugte sich leicht und sprach: "Selbstverständlich, mein Herr, Sie haben völlig Recht. Wo habe ich nur meine Manieren gelassen? Können Sie auf eine Fünf-Pund-Note herausgeben?"

Als der Lkw-Fahrer nicht antwortete, sondern mit offenem Mund nur da stand und den älteren Herrn anstarrte, fragte dieser lächelnd weiter: "Wünschen Sie, dass ich meine Antwort auf Englisch wiederhole? Ich vermutete anhand ihres Autokennzeichens, dass Sie Holländer sind." Ein schwaches Kopfschütteln war die Antwort, und nachdem er dem freundlichen Japaner das Wechselgeld gegeben hatte, setzte sich van der Slampe wieder auf seinen Fahrersitz. Von da an hielt er den Mund und beschränkte seine Tätigkeit auf das Einsammeln und Wechseln von Geld. Dann ertönte die laute Hupe des Reisebusses, und mit freundlichem Winken verabschiedete sich die Reisegesellschaft. Kurz darauf erschien ein weiterer Bus mit Touristen, und fröhlich pfeifend kurbelte Vim die Scheiben des Lkw wieder hoch und wartete.

Einige Busse später waren die Hamster von ihrer begeisternden Tanzeinlage müde und hatten sich wieder in die Schlafkoje zum Ausruhen zurückgezogen, während in der Fahrerkabine eifrig Geld gezählt wurde. Erfreut stellte der Lkw-Fahrer fest, dass sie gerettet waren, und dass die Einnahme nicht nur für eine volle Tankfüllung, sondern auch für ein gutes Bed & Breakfast sowie einige Mahlzeiten reichen würde. Für einen Moment fühlte er sich wieder munter und war gut gelaunt. Nun hieß es, eine Tankstelle finden, und nach kurzem Studieren der Karte wurde klar, dass am südlichen Ende des Loch Ness die nächste Tankmöglichkeit vorhanden war.

Nach etwas mehr als 30 Kilometern hatte er Fort Augustus mit fast leerem Tank erreicht. Kaum stand der Lkw an der Zapfsäule, waren die Hamster auf den Stopp aufmerksam geworden und gingen der Sache auf den Grund.

"Wir tanken", stellte Goldi fest. "Wir sind weitergefahren."

"Öh, ja, und das Loch Ness Monster? Da- da- das gilt nicht, wir müssen zurück!"

"Nun dreh mal nicht durch, Bürgermeister", schimpfte Flecki. "Erstens hätte das sowieso nicht geklappt und zweitens hast du ja rumgetönt, dass wir den ollen McShredder holen wollen, oder?"

Der Bürgermeister tappte nervös mit seiner linken Pfote auf den Boden der Schlafkoje und starrte aus dem Seitenfenster. Angestrengt überlegte er und überdachte die Sachlage, jedoch ohne brauchbares Ergebnis. Bevor er sich in weitere, sinnlose Grübelleien verstricken konnte, war Vim van der Slampe wieder in den Lkw gestiegen. Eine Papiertüte, die er achtlos auf den Beifahrersitz legte, erweckte die Neugier seiner Mitfahrer. Er achtete jedoch nicht darauf sondern zählte das verbliebene Geld, denn Tanken ist in Schottland nun mal teuer. Zufrieden stellte er fest, das sich die Lage jetzt deutlich verbessert hatte.

"Wisst ihr was, ihr kleinen Tranzmäuse? Wir werden uns in Fort William so richtig ausruhen und in großem Stil Essen gehen. Was meint ihr?"

Schweigend blickten die Hamster erst ihn und dann die Papiertüte an. Er verstand, griff in die Tüte, zog zwei Brötchen hervor und warf sie den Hamstern zu. Dann wandte er sich wieder dem Geld zu. Sein Blick glitt auf eines der Geldstücke, das ihm vorhin schon aufgefallen war. Es unterschied sich deutlich von den anderen, denn es war eckig und sehr abgegriffen. Van der Slampe entschied, dass es sich wohl um Spielgeld handelte und warf lachend die Münze den Hamstern zu.

"Hier, aber nicht alles auf einmal ausgeben!"

"Sag mal, spinnt der Kerl jetzt?" fauchte Flecki empört. "Fast hätte mich dieser Riesenidiot mit dem Geldstück getroffen!"

"Lass mal sehen", riefen Sasie und Dasie und untersuchten die Münze. Unbekannte, merkwürdige Zeichen waren darauf zu erkennen. Nachdem der Fund von allen ausgiebig beschnüffelt und für nicht weiter interessant betrachtet wurde, verließen die Hamster das Armaturenbrett und zogen sich in die Schlafkoje zurück. Der Motor des Wagen wurde angelassen, und die Fahrt ging weiter, vorbei am Caledonian Canal bis hin zu einer scharfen Linkskurve, an der sie auf das Loch Oich stießen. Es war bereits später Nachmittag, und da sie von hohen Bergen umgeben waren, war die Sonne nicht mehr zu sehen. Fluchend gelangte der Lkw-Fahrer  an eine erneute Weggabelung, und er entschloss sich, dem Loch zu folgen. Nach weiteren 15 Kilometern am Loch Lochy vorbei, hatte er die nächste Weggabelung erreicht, hielt an und schaute auf der Karte nach. Nur mühsam gelang es ihm, die richtige Route zu erkennen, denn seine Augen fingen langsam an, ihm Streiche zu spielen. Kurz darauf nahm der Verkehr zu, und das Ziel schien nicht mehr weit zu sein. Er fuhr in einen Kreisverkehr hinein und versuchte verzweifelt, anhand der Schilder zu erkennen, wo sie aus diesem "Roundabout" herausfahren mussten. Ein Schild sah wie das andere aus, und die Namen sagten ihm nichts. Während er sich verzweifelt abmühte, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, fanden die Hamster Spaß an dieser Karusselfahrt und feuerten den Fahrer mit begeisterten "Uhuj!" und "Eippij!"-Rufen an. Vim van der Slampe wurde von Runde zu Runde nervöser, und als er einen Polizeiwagen in den Kreisverkehr einbiegen sah, machte er, dass er an der nächsten Möglichkeit abbog. Zu seiner Erleichterung folgte ihm der Wagen nicht, und beruhigt stellte der Lkw-Fahrer fest, dass sie wieder an einem langgestreckten Loch vorbeifuhren.

"Es kann nicht mehr weit sein, meine kleinen Freunde!" rief er, während er am Loch Eilt entlang fuhr, und sie sich immer weiter von Fort William und einem Essen in großem Stil entfernten.

"Schon besser", schnaufte Flecki, "wenn der uns noch mal Tanzmäuse nennt, dann ist er dran!"

"Genau", stimmte Goldi zu, "dann machen wir das 'Duden-Spiel' mit ihm."

"Duden? das Spiel kenne ich nicht."

"Ach", grinste Goldi, "das bringt echt Spaß: Aufschlagen, Zuschlagen und immer wieder Nachschlagen!"

Die Hamster keckerten vergnügt, während das Gesicht ihres Fahrers immer länger wurde. Sie hätten schon längst in Fort William sein müssen! Ganz langsam dämmerte es ihm, dass sie sich wohl verfahren hatten. Am Ende des Lochs stoppte er und sah auf seine Karte. Würde er hier abbiegen, dann käme er wieder auf den alten Weg zurück, doch leider war die Straße für Lastwagen gesperrt, und umdrehen konnte er auf dieser engen Straße nicht. Laut fluchend fuhr er schließlich unter den verwunderten Blicken seiner Mitfahrer weiter. Wenig später erreichten sie unter dem Jubel der Hamster Glenfinnan und aus der Schlafkoje ertönte "Sommer, Sonne, Strand". Vim van der Slampe wurde von Minute zu Minute gereizter, sie erreichten ein Schild mit der Aufschrift "Lochailort", ein Wort, dass er nicht einmal ansatzweise aussprechen konnte. Er bog links ab, vorbei an einer wunderschönen Bucht, für die er jedoch leider nur einen grimmigen Blick übrig hatte. Die Straße war nun wieder enger geworden und führte die Reisegesellschaft zurück ins Landsinnere. Vorbei ging es am Loch Moidart, und als sie den Ort Dalnabreck erreichten, wurde den Hamstern klar, dass sie hier schon einmal gewesen waren. Bald würden sie den Ort erreichen, an dem sie den festen Vorsatz gehabt hatten, sich durch ehrliche Arbeit Geld und Futter zu verdienen. Das hatte zwar nicht sonderlich gut geklappt, aber immerhin hatte es dank Goldis schauspielerischer Künste wenigstens zu Futter gereicht. Der Lkw folgte nun einer langen Linkskurve, an deren Ende van der Slampe den Wagen stoppte. Geradeaus oder über die Brücke? Er hatte keine Ahnung und war erleichtert, als er auf dem Brückengeländer einen Mann sitzen sah. Begleitet von den neugierigen Blicken der Hamster verließ er den Wagen und ging auf den Mann zu.

"Guten Tag, Sir", hörten die Hamster ihn sagen. "Können Sie mir sagen, ob dieser Weg nach Oban führt?"

"Sie haben großes Glück, Mister", erklang die freundliche Antwort. "Zufällig will ich auch ein Stück in die Richtung. Wenn Sie mich mitnehmen, zeige ich Ihnen den Weg."

"Gerne, mein Name ist Vim van der Slampe, und ich komme aus Holland. Ich bin ein wenig vom Weg abgekommen, wissen Sie", lachte der Lkw-Fahrer und konnte sein Glück kaum fassen.

Endlich würde alles gut werden. All diese unbekannten Strecken und Schilder, diese engen Straßen. All das würde ihm nun nichts mehr ausmachen, denn nun hatte er einen ortskundigen Führer.

"Und wie ist ihr werter Name, Sir", fragte van der Slampe den Mann, der sich nun von dem Brückengeländer erhob und auf den Lastwagen zuging.

"Mein Name, Mr. Holländer? Mein Name ist Dudle, Finnegan McDudle."


 


Kapitel 23

Morvern

"Angenehm, Mr. McDudle", entgegnete van der Slampe. "Wenn Sie dann bitte auf dem Beifahrersitz Platz nehmen würden."

Finnegan McDudle ließ sich nicht zweimal bitten. Er war froh, dass er einen warmen Sitzplatz bekam, denn draußen war es mittlerweile recht kühl geworden. Natürlich wäre kein normaler Mensch auf die Idee gekommen, frierend auf einem Brückengeländer zu sitzen. Jeder normale Mensch wäre wohl nach Hause in seine warme Stube gegangen. Leider hatte er im Moment diese Möglichkeit nicht, denn Finnegan McDudle war zurzeit gewissermaßen obdachlos, nachdem ihn seine Frau aus dem gemeinsamen Haus hinausgeworfen hatte. Na schön, er hatte ein wenig die Zeit vergessen, nachdem er seinen Kumpel McMoonshine in Polloch besucht hatte. Ja, gut, er war erst nach fünf Tagen wieder zu Hause aufgetaucht, aber das lag doch nur daran, dass er sein Boot verkauft hatte, um noch ein wenig weiterfeiern zu können. Sicherlich traf ihn auch eine gewisse Mitschuld an seiner jetzigen Situation, denn der Zeitpunkt  war denkbar ungünstig gewählt gewesen, als er recht spät abends wieder zu Hause eintraf. Mrs. McDudle nämlich hatte noch ihre sämtlichen Freundinnen zu Besuch und beklagte gerade laut den Verlust ihres Ehemannes, als dieser zur Tür hinein stolperte. Der Einfachheit halber hatte Finnegan McDudle sich bereits vorher seiner Klamotten entledigt, um still und heimlich in sein Bett zu verschwinden. Es folgte ein äußerst peinlicher Auftritt, der seinen sofortigen Rausschmiss zur Folge hatte. Nun war guter Rat teuer, und nachdem er einige Zeit vergeblich versucht hatte, durch lautes Klopfen an der Tür und durch lautes Beteuern eines zukünftig vorbildlichen Verhaltens wieder Einlass zu bekommen, gab er auf. In stockdunkler, regnerischer Nacht war er nun zur Brücke über den River Shiel gelaufen, um dort zu übernachten. Tagsüber hatte er dann in einem günstigen Moment einen Laib Brot aus der Bäckerei von Acharacle gestohlen und  sich unter der Brücke ein wenig eingerichtet. Bereits seit dem späten Nachmittag hatte er dann auf dem Brückengeländer gesessen und überlegt. Es war absolut nichts dabei herausgekommen, bis der dunkelblaue Lkw mit dem holländischen Kennzeichen auftauchte.

"Wohin fahren Sie, Mr. McDudle?" wurden seine Gedanken unterbrochen.

"Ich, Mr. Holländer? Ich fahre überhaupt nicht."

Vim van der Slampe lachte. Es tat ihm gut, einen Gesprächspartner zu haben, und seine Müdigkeit war wie verflogen.

"Mein Name ist van der Slampe, Vim van der Slampe. Ich meine natürlich, wohin wollen Sie fahren?"

McDudle überlegte angestrengt. Wohin wollte er eigentlich? Eines war sicher: Nach Hause konnte er in den nächsten Tagen nicht. Erst wenn etwas Ruhe eingekehrt wäre, könnte er sich wieder gefahrlos blicken lassen. Nach Polloch zu seinem Kumpel zu gehen war unmöglich. McMoonshine befand sich bestimmt in ähnlichen, wenn nicht noch größeren Schwierigkeiten. Es war wirklich keine gute Idee gewesen, auf der Suche nach einem leckeren Braten in den Hühnerstall des jähzornigen MacKill einzubrechen. Das Rupfen der Tiere hatten sie zwar noch geschafft, aber die Tiere zu töten, das hatten die beiden Saufnasen dann doch nicht übers Herz gebracht. McDudle fuhr ein kalter Schauer über den Rücken, als er daran dachte, was MacKill wohl am nächsten Morgen gesagt hatte, als er seine nackten Hühner entdeckte. Bestimmt würde er vor Wut toben, und bei dem Lärm, den McDudle und McMoonshine in der Nacht veranstaltet hatten, war es auch klar, wen er für die Schuldigen halten würde.

"Wohin ich fahren will, Mr. Wanderschlampe? Nun, das ist etwas kompliziert, wenn Sie verstehen..."

Der Lkw-Fahrer lachte erneut. Welch einen lustigen Spassvogel hatte er da aufgegabelt! Zudem noch einen, der ihm den Weg zeigen könnte.

"Ja, die komplizierten Wege kenne ich bereits, mein lieber McDudle. Arbeiten Sie in dieser Gegend?"

"Arbeiten?" Finnegan McDudle überlegte. Sollte er sagen, er sei hin und wieder Friedhofsgärtner auf einer winzig kleinen, absolut unbekannten Insel?

"Ja", bekräftige van der Slampe, "ich meine: womit verdienen Sie ihr Geld?"

"Geld, Mister?"

"Ja, Geld! Womit bezahlen Sie ihre Rechnungen?"

"Rechnung, Mister, äh? Nun ich zahle keine Rechnungen, das macht meine Frau."

"Na schön. Also was machen Sie, wenn Sie nicht auf Brücken sitzen?"

"Sie meinen, was ich arbeite, Mr. Fransenlampe?"

"Van der Slampe, Vim van der Slampe aus Holland. Ja, genau, als was arbeiten Sie?"

Finnegan McDudle überlegte erneut. Würde er die Wahrheit sagen, dann könnte es sein, dass er zu Fuß weitergehen müsste. Wer wollte schon einen obdachlosen Friedhofswärter mitnehmen, der sich von schwarzgebranntem Fusel ernährte?

"Nun, Mr. Schlampe aus Holland, ich bin Inselverwalter und war der Berater des Lord vom Loch Ness."

"Van der Slampe! Und ich komme aus Holland!" brüllte der Lkw-Fahrer und bremste. Sie hatten soeben Salen erreicht und standen nun vor einer Abzweigung.

"Links oder rechts?"

"Vom Loch Ness?"

"Nein, die Straße, Mann! Wo längs müssen wir?"

Finnegan hatte keine Ahnung. Normalerweise fuhr er mit dem Ruderboot nach Polloch und zurück. Er blickte nach Vorne durch die Windschutzscheibe und sah das Hinweisschild für die Corran-Fähre. Ja, das sagte ihm etwas.

"Selbstverständlich nach links, Mister."

Erleichtert folgte van der Slampe der A861, die nun weiter am Loch Sunnart nach Eilean Mor führte.

"Wie sagten Sie, ist ihr Name?"

"Van der Slampe, Vim van der Slampe und ich komme aus Holland. Soll ich Ihnen etwas zu Schreiben geben?"

"Danke, Mr. Schlampe und ich komme aus Holland, das wird nicht nötig sein. Mein Name ist recht kurz: McDudle. Den brauche ich Ihnen nicht aufzuschreiben."

Die nächsten Minuten herrschte eisiges Schweigen in der Fahrerkabine, aber dafür war es in der Schlafkoje umso lauter. Die Hamster diskutierten aufgeregt die neue Situation.

"Ich bitte um Ruhe, meine lieben Freunde. Wir sind, wie ich es schon mehrfach erwähnte, durchaus und möglicherweise auf dem richtigen Weg. Sollten auch Zweifel irgendwelcher Art an der Richtigkeit des Zwecks und des Erfolges unserer Reise bestehen, so sind sie durch die Anwesenheit dieses Dudels, äh, McDudles, beseitigt und ich möchte noch einmal betonen..."

"Der Spinner soll der Beweis sein, dass alles in Ordnung ist?" unterbrach Flecki den Bürgermeister.

"Nun, öh, er ist uns in der Vergangenheit bereits einmal im Zusammenhang mit Lord McShredder, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, über den Weg gelaufen und darüber hinaus...."

"Slampe! Vim van der Slampe!" Das Gebrüll aus der Fahrerkabine ließ die Hamster zusammenschrecken. "Und ich habe gefragt, wer der Lord vom Loch Ness ist!"

Die Hamster krabbelten so weit nach vorne wie es nur ging. Diese Diskussion versprach interessant zu werden, und Finnegan McDudle schien angestrengt zu überlegen.

"Tja, äh, Mr. Bim, also sein Name war..."

"Vim!"

"Nein, nein, nicht Vim. Jetzt habe ich es: Killichonan hieß er. Einen Butler hatte er übrigens auch immer dabei. Jedenfalls habe ich ihn kreuz und quer durchs Land geführt. Sie haben also Glück, mein lieber Mr. Wumm, dass Sie mich getroffen haben."

"Mit dem kreuz und quer hat er tatsächlich recht", knurrte Murksel. "Hoffentlich kennt der Kerl dieses Mal den Weg besser."

"Ich heiße nicht Wumm! Vim, oder van der Slampe, oder Holländer, oder irgend etwas! Aber nicht Wumm! Bitte sprechen Sie mich nicht mehr mit Namen an, sagen Sie nichts. Verstanden? Nichts!"

Einen Moment herrschte Ruhe. Die Hamster hatten es sich bequem gemacht und freuten sich auf die nächsten Minuten. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und die Scheinwerfer des Lkws wiesen den Weg. Ein Schild mit der Aufschrift "'Strontian' tauchte plötzlich auf, und McDudle zeigte mit dem Finger nach vorne.

"Strontian, wir sind richtig, Mr. Nichts. Wussten Sie übrigens, dass es in Strontian früher Strontium gab? Meine Frau sagt immer...."

"Achtung, ein Baum!" kreischte der Lkw-Fahrer. Der schwere Lastwagen begann zu schlingern, das gesamte Gefährt rumpelte und quietschte und der Lkw kam neben der Landstraße zum Stehen.

"Ein Baum? Wieso sollte meine Frau 'Achtung, ein Baum' gesagt haben? Sie hat nur gesagt..."

"Klappe, McDudle!" rief der Lkw-Fahrer.

"Nein, das hat Sie auch nicht gesagt, Mister, äh..." Finnegan McDudle verstummte, als eine Faust dicht vor seinem Kinn auftauchte.

Vim van der Slampe stieg aus und sah sich um. Er ärgerte sich, denn in seinem ganzen Leben hatte er noch keinen Unfall gehabt. Allerdings hatte er auch in seinem ganzen Leben noch nicht so einen Beifahrer gehabt. Der Baum war heil geblieben und die Stoßstange wies nur eine kleine Beule auf. Glück gehabt, dachte er, ging zurück zum Lkw und suchte seine Karte hervor. Er suchte und fand die Stadt Strontian und schätzte, dass es vielleicht noch 70 Kilometer bis Oban waren. Sie würden irgendwo übernachten müssen, aber wo?

"Kennen Sie eine gute Übernachtungsmöglichkeit?" richtete er die Frage an McDudle. Dem fiel außer Polloch jedoch nichts ein, und deshalb hielt er besser den Mund und schüttelte nur mit dem Kopf.

"Schön, fahren wir also weiter."

Schweigend ging es nun weiter durch die Dunkelheit. Die Straße war gut befahrbar, jedoch unbeleuchtet, und so kamen sie nach wie vor nur langsam voran. Hin und wieder gab es etwas Gegenverkehr, und gelegentlich wurden sie von schnelleren Wagen überholt.

"Da vorne ist eine Abzweigung, McDudle. Was sagt der ortskundige Fachmann dazu?" fragte der Lkw-Fahrer und versuchte, die Stimmung etwas aufzuheitern.

"Wen meinen Sie, Mr. Wunderlampe?"

"Einen gewissen Finnegan McDudle", stöhnte Vim van der Slampe genervt.

"McDudle sagten Sie?" überlegte Finnegan McDudle laut, während die Hamster wieder an die vorderste Kante der Schlafkoje gekrochen waren, um besser lauschen zu können. Es war nicht nur die Neugier, die die kleinen Tiere immer wieder zwang, die Diskussionen zu verfolgen, es war auch ihr Hunger, der immer größer wurde. Schließlich fiel hier vorne in der Fahrerkabine die Entscheidung über ihr Schicksal, nämlich wann und wo sie endlich eine Übernachtungsmöglichkeit finden, und somit etwas zu Essen bekommen würden. Das, was sich gerade vor ihren Augen abspielte, ließ nicht darauf schließen, dass eine Rettung in Sicht war.

"Es ist empörend, wie diese beiden Männer sich benehmen! Wie die Tiere!" schimpfte Flecki.

"Aber wir sind doch auch Tiere", warf Dodo ein. "Und ich habe noch niemals jemanden mit einem Buch geschlagen!"

"Das ist ein Autoatlas, mit dem er zuschlägt, Dodo", verbesserte Flecki.

"Rechts", keuchte McDudle und der Lkw-Fahrer legte den schweren Autoatlas wieder beiseite.

"Na also, warum haben Sie das nicht gleich gesagt", knurrte van der Slampe, bremste den schweren Lastwagen herunter und lenkte ihn auf eine nach rechts führende Straße, die zunächst weiter am Loch Sunnart verlief. Nach einigen Kilometern war die Strecke einsam geworden, sehr einsam sogar, denn schon seit geraumer Zeit waren ihnen keine Fahrzeuge mehr entgegen gekommen. Das war übrigens auch ganz gut so, denn die Straße schien jetzt immer enger zu werden. Hin und wieder hoppelte der Wagen heftig, wenn sie in ein Schlagloch gefahren waren, und deshalb fuhren sie recht langsam. Sehr zum Leidwesen der Hamster, die sich eine schnellere Fahrt über die Schlaglöcher gewünscht hätten. Dennoch waren deutlich 'Uhuj'-Rufe aus der Schlafkoje zu hören. Es war Trampolinspringen, allerding ohne Trampolin, angesagt. Plötzlich stoppte der schwere Wagen und die Hamster hörten den Fahrer sagen:  "Geradeaus oder links?"

"Geradeaus", kreischte Finnegan McDudle. "Bitte nicht wieder mit dem schweren Autoatlas schlagen, Mr. Wunderkante!"

"Treffer!" grölte Goldi. "Genau auf die Backe! Der Schlag hat gesessen!"

Mitfühlend sah Flecki zu dem jammernden McDudel und fauchte: "Du bist so fies, Goldi. Bestimmt würdest du auch Blindenhunde mit Würstchen auf die andere Straßenseite locken!"

Während Goldi noch überlegte, wo er Würstchen herbekommen könnte, zogen in der Dunkelheit Bäume wie Schatten an ihnen vorbei. Schon seit vielen Kilometern, genauer gesagt, seitdem sie auf diese Straße abgebogen waren, war ihnen niemand mehr begegnet. Es war unheimlich dunkel und still draußen, und nur das Brummen des Motors war zu hören. Dann war zur rechten Seite des Weges plötzlich ein Licht zu erkennen. Van der Slampe bremste und drehte die Scheibe seiner Tür herunter.

"Ein Haus", rief er. "Ich werde mal nachsehen, ob wir dort übernachten können!"

Er stieß die Tür auf und drehte sich zu Finnegan McDudle um: "Sie bleiben hier und rühren sich nicht vom Fleck, verstanden!" Dann sprang er lässig von seinem Sitz hinaus ins Dunkle. Es platschte laut, ein Gurgeln war zu hören und dann war alles still.

 


Kapitel 24

Alltachonaich

"Wo is 'n der Fahrer hin?" fragte der Bauleiter und beugte sich ein Stück vor, um besser sehen zu können.

"Warum macht denn dieser Idiot von McDudle nichts?" schimpfte Flecki. "Der muss dem armen Kerl doch helfen, schließlich hat er das Platschen doch bestimmt gehört!"

"Nun, äh, diesbezüglich hat er klare Vorgaben erhalten. Er soll sich nicht vom Fleck dingsen, äh, rühren", warf der Bürgermeister ein.

Ein lautes Blubbern und Gurgeln ließ die Hamster zusammenschrecken. Dann war etwas Schwarzes, Schlammiges zu erkennen, das sich am Türschweller des Lkws festklammerte.

"Ein Monster!" kreischte Flecki, und in diesem Moment wurde Finnegan McDudle auf das merkwürdige Fiepen hinter ihm aufmerksam und drehte sich vorsichtig um. Für einen Moment kreuzten sich die Blicke von Hamster und McDudle, dann gingen ihre Blicke wieder zum unteren Teil des Türrahmens der Fahrerseite, an der ein weiteres schwarzes, schlammiges Etwas erschien. Es waren zwei Hände, und begleitet von einem Fluchen erschien nun der dazugehörige Oberkörper samt Kopf, der ebenfalls völlig mit Schlamm bedeckt war. Nur anhand der weit geöffneten, vor Wut sprühenden Augen war zu erraten, dass es sich um Vim van der Slampe handelte.

Finnegan McDudle blickte ratlos auf diese merkwürdige Gestalt. Er kratzte sich am Ohr und musterte erneut dieses mit einer schwarzen Schmutzschicht bedeckte Wesen, das im Begriff war, in den Wagen zu klettern. Dann schien es so, als würde McDudle all seinen Mut zusammennehmen, als er mit zitternder Stimme fragte:

"Äh, willkommen, äh, Mr. Afrika. Sie erinnern mich an jemanden. Sagen Sie, haben Sie zufällig einen weißen Bruder, der Holländer ist?"

Ein Klatschen war zu hören und Goldi rief: "Satter Treffer, genau zwischen die Augen!"

"Es ist ekelhaft", war nun Fleckis Stimme zu hören. "Die sauen doch den ganzen Wagen ein!"

Kurz darauf kehrte wieder Ruhe ein. Der Lkw-Fahrer versuchte, sich mit Papiertüchern so gut es ging zu reinigen, während Finnegan sich den schmerzenden Schädel hielt und jammerte: "Aber Mr. Wundertante, Sie haben doch selbst gesagt, ich soll mich nicht vom Fleck rühren! Wussten Sie übrigens, dass wir Mäuse an Bord haben?"

Van der Slampe antworte nicht, sondern suchte eine Taschenlampe hervor. Als er sie gefunden hatte, wandte er sich an seinen Beifahrer: "Aussteigen!"

"Aber Sie können mich doch nicht hier in der Wildnis aussetzen...."

"Steig aus, ich leuchte dir!" brüllte der Fahrer. "Wir müssen doch irgendwie einen Weg zu dem Haus dort hinten finden, ohne wieder in einen Drecksgraben zu fallen! Deshalb wirst du vorgehen, schließlich bist du der Führer, McDudle! Im übrigen sind das keine Mäuse, sondern Hamster. Ich werde sie in einem Eimer mitnehmen, denn erstens brauchen die was zum Fressen und zweitens möchte ich nicht, dass sie alleine in meinem Lkw bleiben. Vorwärts!"

Diese Aufforderung galt dem Friedhofwärter, der nun umständlich auf seiner Seite ausstieg, während van der Slampe die Hamster einsammelte und mit gezückter Taschenlampe folgte. Nachdem beide über die Beifahrerseite ausgestiegen waren, liefen sie um die Vorderseite des Lkws herum und betrachteten im Licht der Taschenlampe die Stelle, an der Vim van der Slampe vor wenigen Minuten untergegangen war.

"Tja, Mister, da möchte man nicht reinfallen", brummte McDudle, hielt aber sofort den Mund, als sich der Lkw-Fahrer nach ihm umdrehte. Vorsichtig gingen sie vorbei an dieser morastigen Stelle, die ihr Wasser von einem dicht vorbeilaufenden Fluss erhielt. Nach ein paar Schritten sahen sie eine nach rechts führende Abzweigung; ein kleines Holzschild war dort in den Boden gerammt.

"Corran 26 und Lochaline 6", las van der Slampe laut vor. "Als wir bei Strontian vorbeikamen, waren es nur 20 Meilen bis zur Corran-Fähre, McDudle!?"

"Tjä, Mr. Corran, äh, das ist schon etwas eigenartig. Das liegt an den schottischen Bergen, wissen Sie? Die verfälschen oft die Entfernungen, denn mal gehen die rauf, und dann gehen sie wieder runter. Die Berge natürlich, und deshalb..."

McDudle fühlte einen Tritt und hatte Mühe, nicht umzufallen. Ohnehin war der Weg recht matschig, und sie gingen äußerst vorsichtig, um nicht auszurutschen. Der Weg war sehr schmal, viel zu schmal für ein Fahrzeug, zudem schien er auch wenig benutzt zu sein. Während sie bergauf liefen, waren die ersten Umrisse von zwei kleinen Gebäuden zu erkennen. Fröstelnd gingen sie weiter, denn es war recht kühl in dieser Nacht, und nach einer halben Stunde erreichten sie ein kleines Gehöft. Sie gingen direkt auf das linke Gebäude zu, denn hinter den Fenstern war das Licht zu sehen, das sie schon von der Straße aus entdeckt hatten.

Vim van der Slampe schob McDudle zur Seite und lief auf die Tür zu. Bevor er anklopfte, drehte er sich noch einmal um: "Es ist besser, McDudle, wenn ich frage."

Es dauerte eine Weile bis die Tür geöffnet wurde. Der Lkw-Fahrer hatte noch nicht einmal seine ganze Bitte um eine Übernachtung geäußert, da wurden sie schon eingelassen.

"Gäste? Zu dieser späten Stunde? Herzlich willkommen und tretet ein!" rief ein freundlich blickender, älterer Mann, dessen rote Haare wirr über seinem Kopf verteilt waren. Er war recht ärmlich gekleidet und auch seine Behausung war karg eingerichtet. Neben ihm stand eine Frau, deren langes, schwarzes Haar fast bis zur Hüfte reichte. Sie trug ein Kleid, das bereits mehrfach geflickt worden war. Vim und Finnegan schauten sich neugierig um. Ein kleiner Raum, in der Mitte ein Tisch mit mehreren Stühlen und daneben ein Kamin, in dem die Flammen gemütlich loderten. Der Boden bestand aus Holzbohlen, einen Teppich gab es genauso wenig in diesem Zimmer wie Tapeten. Von der Decke herab hing eine rostige Kette, an der auf einer rostigen Schale eine Kerze vor sich hin flackerte.

"Willkommen in Alltachonaich", sagte der Mann und zeigte auf die Frau. "Das ist meine Frau Judy und ich bin Dylan McCollins. Wo kommt ihr her, und wo wollt ihr hin?"

"Nun Sir, das ist eine lange Geschichte", begann der Lkw-Fahrer und warf einen kurzen Blick auf den Eimer mit den Hamstern, der neben seinen Füßen stand. "Mein Name ist Vim van der Slampe, ich komme aus Holland und das ist mein, ähem, Begleiter und Wegweiser Finnegan McDudle aus..."

Er blickte Finnegan auffordernd an, doch der begriff mal wieder nichts.

"McDudle, woher kommen Sie?" knurrte Vim und sah Finnegan böse an.

"Ich, Mr. Franzenklampfe? Aus dem Lastwagen!"

"Aus welcher Stadt, Dudle!"

"Der Lastwagen? Weiß ich nicht!"

"Nicht der Lastwagen, ich meine Sie! Außer welcher Stadt kommen Sie?"

"Ich glaube aus Dalelia, Mr. Hans der Schlanke!"

Vim van der Slampe lächelte das Ehepaar McCollins gequält an. Liebend gerne wäre er in diesem Moment mit seinem Beifahrer alleine im Raum gewesen.

"Wir sind auf dem Weg nach Oban", fuhr Vim fort und warf einen erneuten Seitenblick auf Finnegan. "Allerdings ist es möglich, dass wir ein wenig vom Weg abgekommen sind. Mr. Dudle ist in Acharacle dazugekommen, um uns zu führen. Gestartet sind wir in Edinburgh."

"Da sind Sie in der Tat ein wenig von der Strecke abgekommen, mein lieber Vim", rief nun Judy lachend. "Sie sagten, Mr. 'Dudle kam in Acharacle dazu um 'uns' zu führen?’ Wer gehört denn noch dazu?"

"Äh." Der Lkw-Fahrer blickte nachdenklich auf den Tisch vor sich. Dann fiel sein Blick auf den Eimer mit den Hamstern, die dichtgedrängt saßen und ihn mit großen Knopfaugen hungrig anstarrten. Egal, er musste es jetzt sagen, denn die Tierchen waren gewiss hungrig und wenn sie hungrig waren, dann war nichts vor ihnen sicher. "Die Hamster und ich", fügte er hinzu und ließ seinen Blick auf die vor ihm hängende Kerze schweifen.

"Hamster? Etwa in dem Eimer dort?" rief Dylan McCollins drohend.

"Ja, Sir", entgegnete Vim kleinlaut.

"Die müssen sofort raus!" rief die Frau. "Geben Sie mir sofort den Eimer, Mr. Slampe!"

Ohne eine Reaktion des Fahrers abzuwarten ergriff Judy McCollins den Eimer und trug ihn zum Kamin. Ihr Mann war in der Zwischenzeit aus dem Raum gelaufen und kam nun mit einem großen Tuch wieder, das er seiner Frau gab. Judy breitete es neben dem Kamin aus, und holte einen Hamster nach den anderen aus dem Eimer und setzte alle nacheinander auf das Tuch. Dann schob sie die Ecken des Tuches ein wenig zur Mitte hin und sagte zufrieden: "So, nun habt ihr es schön kuschelig." Gerade, als sie sich wieder ihren Gästen zudrehen wollte, hielt sie inne, denn ein mehrfaches, klagendes Fiepen erregte ihre Aufmerksamkeit. "Hungrig seid ihr? Ihr Armen! Wartet ein wenig, ich hole euch etwas!"

Sie stand auf und drehte sich zu Vim und Finnegan um. "Was darf ich Ihnen bringen, meine Herren? Sicherlich sind auch Sie hungrig und durstig."

"Vor allem durstig, Mrs. Trudy!" krähte Finnegan und handelte sich einen ärgerlichen Blick des Fahrers ein.

Dylan McCollins lachte laut und rief: "Dann werde ich mal gucken, was ich finde!".

"Und Sie, Mr. Slampe, was darf ich Ihnen bringen?"

"Irgend etwas Essbares, Mrs. Collins, ich bin halb verhungert!"

Lachend verließ die Frau den Raum, und kurze Zeit später kehrte Dylan Collins mit mehreren Flaschen und Gläsern unter dem Arm zurück. "Alles selbstgemacht!" rief er und stellte alles auf den Tisch. "Bitte bedienen Sie sich, meine Herren!"

"Machen wir, machen wir", keuchte Finnegan McDudle und ergriff die am nächsten stehende Flasche, öffnete sie und schüttete den Inhalt erst in eines der Gläser und dann den Inhalt des Glases in sich hinein. "Lecker", rülpste McDudle, "brennen Sie schon lange selber, Mr. Comics?"

"McCollins", lachte der angesprochende. "Das ist nicht gebrannt, mein lieber McDudle. Wir leben hier völlig natürlich, das ist Traubensaft, Himbeersaft,  Apfelsaft - alles selbst gekeltert. Frisches Quellwasser haben wir selbstverständlich auch."

In der Zwischenzeit hatte Judy McCollins eine große Schale zu den Hamstern gestellt und wandte sich wieder ihren Gästen zu. "Als Holländer sind Sie doch bestimmt an unserem selbstgemachten Käse interessiert, nicht wahr, Mr. Slampe?"

"Nicht nur der", grunzte Goldi und schob sich ein besonders großes Stück Käse hinter die Backen. "So etwas Leckeres habe ich seit dem Buffet auf dem Schiff nicht mehr gehabt!"

"Das wurde auch höchste Zeit, ich fühlte mich schon völlig schwach", stimmte Dodo zu.

"Nun, meine lieben Hamster, immer schön optimistisch bleiben, nie pessimistisch werden, wie ich immer zu sagen pflege..."

"Was soll denn das bedeuten, Herr Bürgermeister?"

"Nun, äh, mein lieber Dodo, das ist schwer zu erklären, wie ich immer zu erklären pflege, äh, sage..."

"Das ist doch ganz einfach", mischte sich Teeblättchen ein. "Stelle dir mal vor, Dodo, da stehen zwei Leute, die einen Tunnel betrachten. Der Pessimist sieht nur den dunklen Tunnel, aber der Optimist das Licht am Ende des Tunnels."

"Verstehe", antwortete Dodo nachdenklich.

"Einer fehlt aber noch."

Dodo und Teeblättchen schauten Goldi erstaunt an.

"Na", meinte Goldi schmatzend, "da fehlt noch der Lokführer. Der fragt sich nämlich, welche Idioten auf den Geleisen gestanden haben, nachdem er sie übergebügelt hat."

Es krachte laut in diesem Moment und die Hamster zuckten ängstlich zusammen, denn im Kamin war ein Holzscheit geplatzt. Funken sprühten und im nächsten Moment war Trampels klagende Stimme zu hören: "Wai! Wai! Wai!" und er rannte wie wild im Kreis herum.

"Was 'n mit dem los?" fragte der Bauleiter entsetzt.

"Das ist gewissermaßen, äh, wie mir mein Bruder, der Präsident, kürzlich erzählte, ein Kriegsschrei der keltischen Hamster, das machen die, wenn..."

"Ich würde eher sagen, der hat sich den Hintern verbrannt, die arme Sau", rief Goldi.

Mit einem Satz war jedoch die Frau aufgestanden, nahm den wimmernden Trampel hoch und hielt sein Hinterteil in ein Wasserglas.

"Warum ist der grün?"

"Nun, äh", überlegte van der Slampe, "das ist mir auch nicht so ganz klar. Irgendetwas haben die Hamster in Edinburgh angestellt. Der da hinten, der so dümmlich guckt, hatte sogar einen Deckel von einer Farbdose an der Pfote kleben."

Sie setzte Trampel  zu seinen Freunden zurück und nahm wieder am Tisch Platz.

"Möchten Sie noch etwas Salat, Käse oder Bohnen, Mr. McDudle?"

"Nun, äh, Mrs., nein Danke."

"Ich habe auch genug", gähnte der Lkw-Fahrer. "So viel wunderbaren Käse habe ich lange nicht mehr gegessen. Wir sollten uns nun schlafen legen und Morgen früh die letzten Meilen nach Oban hinter uns bringen."

Ihre Gastgeber verschwanden kurz in einem Nebenraum und kehrten mit Wolldecken und Kissen bewaffnet zurück.

"Macht es euch gemütlich", rief Dylan McCollins. "Das Feuer wird noch einige Zeit vorhalten. Meine Frau und ich werden nebenan übernachten. Wenn etwas ist, oder wenn ihr etwas braucht, sagt einfach Bescheid!"

Kurz darauf befand sich die Reisegesellschaft alleine im Raum.

"Gute Nacht, McDudle!"

"Gute Nacht, Mr. Wandelschranke!"

Es klatschte kurz, ein 'Aua' war zu hören und dann war alles still. Nur die Hamster saßen vollgefressen am Kamin und starrten in die Flammen.

"Mann, bin ich satt und müde", gähnte Teeblättchen.

"Und ich erst", erwiderte Tati, "ins Feuer gucken macht müde."

"Ja, lasst uns auch eine Runde schlafen!" rief Sasie.

"Aber das geht doch nicht, oder?" gab Dodo zu bedenken. "Ich meine wir sind doch Nachttiere."

"Gegen ein kleines Mitternachtsnickerchen ist doch wohl nichts einzuwenden, oder, Herr Bürgermeister?"

Doch der Bürgermeister antwortete nicht. Er saß immer noch wütend in der Ecke und ärgerte sich über die Bemerkung des Lkw-Fahrers über sein dümmliches Aussehen.

"Schweigen bedeutet Zustimmung", rief Goldi, "also gute Nacht!"

Kurz darauf war völlige Stille in dem kleinen Raum, das heißt bis auf eine kurze Unterbrechung, in der Fleckis empörte Stimme zu hören war: "Sag mal Goldi, hast du gefurzt?"

"Klar", kam auch gleich die Antwort. "Oder glaubst du, ich rieche immer so?"

Dann aber herrschte Ruhe und nach langer Zeit kam auch Vim van der Slampe wieder zu einer halbwegs geruhsamen Nacht.


 



Kapitel 25

Mull

"Krrrchhhh".

"McDudle, hören Sie endlich auf mit ihrem grässlichen Geschnarche, das hält ja kein Mensch aus!"

"Wie, oh, guten Morgen, Mister, äh, wie war noch ihr Name?"

"Taschenlampe!"

"Richtig, van der Schlampe, jetzt fällt es mir wieder ein. Mein Frau sagt nämlich immer, ich hätte ein gutes Gedächtnis, wissen Sie? Und wissen Sie, was meine Frau dann gesagt hat?"

"Ich brenne drauf, es zu erfahren!"

"Nein, was ganz Anderes: meine Frau sagt dann immer, ich müsse mein Gehirn nur mal anschalten, ha, ha. Ist das nicht lustig Mr. an der Kante? Dabei kann ich mein Gehirn gar nicht anschalten, das hat doch keinen Schalter!"

"Stimmt", knurrte der Lkw-Fahrer, "wo nichts ist, braucht man auch keinen Schalter."

Van der Slampe stand auf, ging zu dem kleinen Fenster und schaute hinaus. Die Sonne war zwar aufgegangen, stand aber noch hinter hohen Bergen. Neben dem Kamin schliefen fast alle Hamster tief und fest. Nur eines der Tierchen war bereits wach und suchte nach Resten von Essbarem des Vortages. Hektisch sah Vim sich um und konnte zu seiner großen Erleichterung keine unmittelbaren Schäden im Raum feststellen. Er fühlte sich endlich mal wieder ein bisschen ausgeschlafen, lediglich sein Rücken schmerzte ein wenig von dem nächtlichen Liegen auf dem harten Boden. Es klopfte an der Tür, und der Hausbesitzer trat ein.

"Guten Morgen, die Herren! Ich habe gehört, dass Sie schon wach sind. Haben Sie gut geschlafen?"

Die beiden nickten stumm, und Dylan McCollins fuhr lächelnd fort: "Was möchten Sie frühstücken, meine Herren? Gebratene Eier oder Porridge? Tee oder Kaffee?"

Wenig später saßen alle beim Frühstück zusammen, und dem Lkw-Fahrer kam es vor, als hätte er seit Ewigkeiten nicht mehr so ein gutes Frühstück gehabt.

"Wenn ich das richtig verstanden habe, werden wir unseren Wagen wenden müssen, oder?"

"Allerdings", entgegnete Dylan und schenkte sich etwas Tee nach. "Am besten fahrt ihr ein Stückchen weiter über die Brücke und wendet dort. Das ist auch die einzige Stelle, an der unser Postbus wenden kann."

"Gut", nickte van der Slampe, "dann werde ich dort den Lkw wenden."

"Lkw? Ich fürchte", mischte sich nun Judy McCollins ein, "ihr werdet ein wenig Probleme haben, euren Lastwagen zu wenden. Selbst der Postbus schafft das nur mühsam."

"McDudle, was sagen Sie dazu?"

"Ich, Mr. Sonderpampe? Wieso ich? Nehmen Sie bitte ihre Gabel weg, ich kann doch nichts für die engen Straßen hier!"

"Sie sollten weiter nach Lochaline fahren, wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf. Entweder wenden Sie dort, oder Sie nehmen die Fähre nach Oban."

"Eine Fähre?" fragte van der Slampe begeistert. "Eine Fähre nach Oban?"

"Ja, Mr. Wampe, das ist ein Boot, wenn ich Ihnen das mal erklären soll..."

"McDudle, ich weiß, was eine Fähre ist!" Während er mit einer Hand Finnegan McDudle würgte, wandte sich der Lkw-Fahrer wieder Mrs. Collins zu. "Ist es denn weit bis nach Lochaline?"

"Nur wenige Meilen, mein lieber Mr. van der Slampe. Es ist eine wunderschöne Fahrt. Sie müssen allerdings auf Mull umsteigen. Haben Sie eine Karte dabei?"

"Zum Glück sogar eine sehr dicke", grinste der Fahrer und ließ den röchelnden McDudle los.

Die Hamster lauschten schon eine geraume Zeit dieser interessanten Unterhaltung. Auch sie hatten Frühstück erhalten und ließen es sich schmecken.

"Schon wieder Fähre?" ließ sich Flecki vernehmen. "Hoffentlich sind da nicht wieder so nervöse Passagiere an Bord wie letztes Mal".

"Nun, äh, ich denke, wir Hamster sollten auch gewissermaßen darüber nachdenken, ob es nicht erwägenswert wäre, bei uns einen Fährdienst einzurichten, wie, mein lieber Murksel?"

"In Hamsterhausen? Bürgermeister, wie haben da nur den Dorfteich, sonst ist da kein Wasser!"

"Öhm, nun, mein lieber Murksel, dann wird ja wohl eine kleine Fähre genügen, nicht wahr?"

"Bei kleinen Dingen kann er auch keine großen Katastrophen anrichten", lästerte Flecki und Goldi grölte sofort los: "Doch, kann er. Neulich sollte er bei Dodo die Haustürklingel reparieren, weil die kaputt war."

"Richtig", brummte Dodo, "aber er ist nie erschienen."

"Genau", lachte Goldi. "Weil er eine Stunde an der Tür geklingelt und keiner aufgemacht hat!"

Während bei den Hamstern - bis auf wenige Ausnahmen - allerbeste Laune herrschte, verabschiedeten sich Vim van der Slampe und Finnegan McDudle von ihren netten Gastgebern. Kurz darauf stand die Reisegesellschaft wieder vor dem Lastwagen.

"McDudle, wir sollten erst einen Blick auf die Karte werfen, holen Sie doch bitte mal den Atlas von meinem Sitz."

Glücklich, endlich einmal etwas zu dem Gelingen der Reise betragen zu können, ging Finnegan mit schnellen Schritten auf die Fahrertür zu. Es platschte laut, ein Gurgeln war zu hören, und dann war alles still. Ein lautes Blubbern und erneutes Gurgeln ertönte kurz darauf. Dann war etwas Schwarzes, Schlammiges zu erkennen, das sich am Türschweller des Lkws festklammerte.

"Sie wollen doch wohl nicht dermaßen verdreckt in meinen Lkw einsteigen, wie? Sie haben ja gehört, dass wir gleich an eine Brücke kommen. Dort können Sie sich waschen."

Fröhlich pfeifend stieg Vim über die Beifahrerseite in den Lastwagen und setzte die Hamster wieder in die Schlafkoje. Dann rutschte er hinters Steuer und fuhr langsam hinter einem schimpfenden Schlammonster her. Nach 200 Metern hatten sie die Brücke erreicht, und während der eine sich in dem kalten, klaren Wasser säuberte, studierte der andere die Karte. Die Hamster hatten sich wieder zum Ausruhen hingelegt und bekamen nicht mit, dass der Wagen sich nach kurzer Zeit wieder in Bewegung setzte.

Der kleine Ort Lochaline, der zwischen zwei Lochs an der Südspitze der Halbinsel Morvern liegt, begrüßte sie mit Sonnenschein. Die Straße schien direkt aufs Wasser zu führen, machte jedoch kurz vor dem 'Sound of Mull' einen Schlenker zur linken Seite und führte unmittelbar auf die Fähre zu. Vorsichtig steuerte Vim van der Slampe den schweren Lkw über eine abwärts führende, schmale Rampe auf das kleine Fährschiff. Er atmete tief durch, nachdem er das lange Gefährt sicher zum Stehen gebracht hatte und kurbelte sein Seitenfenster herunter, denn sofort näherte sich jemand vom Schiffspersonal.

"Wie lang ist ihr Truck, Sir?"

"8,60 Meter!" antwortete der Holländer ruhig.

"Da haben Sie Glück, Sir. Ab 10 Meter Länge kostet das 21,80 Pfund für eine einfache Fahrt. Unter 10 Metern zahlen Sie 16,35 Pfund."

"Und was kosten die Insassen?" knurrte der Lkw-Fahrer und überlegte, ob Finnegan McDudle wohl schwimmen könnte.

"Fußgänger und Insassen sind kostenlos, Sir. Sie können ruhig im Wagen bleiben, wir legen jetzt ab und werden in 15 Minuten in Fishnish sein."

Van der Slampe schaute sich um. Sein Lkw war das einzige Fahrzeug auf der Fähre, ansonsten waren nur ein paar Fußgänger, offensichtlich Einwohner des kleinen Städtchens Lochaline, auf der Fähre. Eine recht alte Frau, die sich auf einen Stock stützte, stand vor dem Lkw und betrachtete ihn andächtig.

"Na, Oma", lachte van der Slampe, "nicht schlecht, der Lastwagen, wie?"

Die alte Frau nickte schwerfällig, und der der Lkw-Fahrer sprach sie erneut an: "Ein bisschen frische Luft schnappen, was, Oma?"

"Nee, junger Mann", kam die Antwort, "zum Markt auf die andere Seite und Fische klauen!"

In diesem Moment drosselte die Fähre die Geschwindigkeit, und sie näherten sich dem Anlieger von Fishnish. Eine Bilderbuchlandschaft von hohen Bergen, Mischwald und mächtigen Felsen tat sich vor ihnen auf. Wenig später hatten sie angelegt, und vorsichtig lenkte der Fahrer den Lastwagen über einen schmalen, recht steil nach links führenden Weg. Kurz darauf kamen sie an eine etwas größere Straße und folgten dem Schild, das nach Craignure wies. Sie passierten eine einsame Straße, zur Rechten sahen sie Berge und zur Linken Wasser und Strand. Nach 20 Minuten Fahrzeit hatten sie ihr nächstes Ziel erreicht. Sie überquerten Eisenbahngeleise, ohne auch nur zu ahnen, dass es sich an dieser Stelle um die einzige Eisenbahnstrecke auf  einer schottischen Insel handelte. Einige Kilometer entfernt war das Torosay Castle zu sehen, zu dem eine kleine Lokomotive die 4 Kilometer lange Strecke täglich hin- und zurückfuhr. Sie passierten einen kleinen Lebensmittelladen und Vim van der Slampe parkte den Lastwagen auf einem kiesbedeckten Parkplatz. Er stieg aus und lief zu einer Tafel, auf der die An- und Abfahrtzeiten der Fähre nach Oban eingetragen waren.

"Um 11.00 Uhr geht die nächste Fähre nach Oban, McDudle. Ich werde in dem Lebensmittelgeschäft etwas zu essen besorgen. Wenn jemand wegen der Fahrkarten kommt, sagen Sie, dass ich gleich zurück bin, verstanden?"

Finnegan McDudle nickte und starrte auf den spiegelglatten Sound of Mull. In der Ferne war eine große, rot-weiße Fähre zu erkennen, die sich langsam näherte. Dann öffnete sich die Fahrertür und mit einer großen Einkaufstüte beladen stieg Vim ein.

 "Ist jemand gekommen?"
"Ja."
"Wer?"
"Sie, Mister."
"Nein, McDudle, ich meine, ob jemand hier war?"
"Ja."
"Wer?"
"Ich, Mister."

Angewidert wandte sich van der Slampe dem Inhalt der Einkaufstüte zu. Er holte ein paar belegte Brote heraus, gab seinem Beifahrer eines und biss herzhaft in das andere. Er hatte den ersten Bissen noch nicht heruntergeschluckt, da fiel sein Blick auf das Armaturenbrett.

"Ist ja gut, ist ja gut", grummelte der Fahrer, griff erneut in die Tüte und legte den Hamstern 2 Brötchen und ein paar Wurzeln hin. Während sich die Tierchen mit dem ersehnten Futter zurückzogen, näherte sich eine junge, uniformierte Frau dem Lastwagen.

"Nach Oban, Sir?"

"Ja, und der Lkw ist unter 10 Meter lang, meine Dame!" grinste van der Slampe.

"Weniger als 8?" kam die nächste Frage der Frau.

"8,60 Meter".

"Dann kostet es Sie 47,70 Pfund - bis 8 Meter wären es nur 36 Pfund!"

Zähneknirschend zog er ein Geldbündel aus seiner Hosentasche, zahlte und erhielt eine Fahrkarte. Da die Fähre inzwischen angelegt und die Einstiegsluken heruntergeklappt hatte, ließ er den Motor an und fuhr den Lastwagen langsam auf das Schiff. Er stellte den Motor ab und beobachtete das Ablegemanöver. Dann wandte er sich Finnegan zu.

"Sagen Sie mal, McDudle, haben Sie sich schon überlegt, wie Sie wieder nach Hause kommen werden?"

Der Angesprochene überlegte angestrengt. Ja, wie sollte er wieder zurück nach Acharacle oder Dalelia kommen? Was aber noch wichtiger war: Durfte er sich schon wieder blicken lassen? Eher nicht, beschloss er, es war noch zu früh. Sein Plan war es, sich mit einem Schild bewaffnet an die Straße zu stellen. Auf dem Schild sollte stehen "Findiger Pfadfinder zeigt Ihnen den Weg" oder so ähnlich. Allerdings müsste er vorher noch jemanden finden, der ihm den Text fehlerfrei aufschreiben würde.

"So richtig noch nicht, Mr. äh, Lampe..."

"Slampe, Mann!"

"Äh, ja", stotterte Finnegan McDudle. "Ansonsten vergesse ich nie einen Namen, müssen Sie wissen, Mr. Lampenmann, das liegt bestimmt an der Seeluft. Die ist nämlich unberechenbar, wissen Sie? Mal weht sie dahin und dann wieder dorthin. Es ist schwierig, sich darauf einzustellen, Mister."

Der Lkw-Fahrer stöhnte und stieg aus dem Wagen. Gefolgt von seinem Begleiter und Wegführer stieg er über eine Treppe auf ein höher gelegenes Deck, wo ihm ein Schild mitteilte, dass ihr Schiff, die "Isle of Mull", 80 Wagen und bis zu 972 Passagieren Platz bot. Er war froh, dass die Fähre heute recht leer war und betrachtete an die Reling gelehnt, wie Mull in der Ferne immer kleiner wurde. Zu ihrer Backbordseite tauchte nun Ladys Rock, ein einsamer Leuchtturm auf. Vim van der Slampe dachte daran, dass sie nun bald in Oban und somit am Ziel ihrer Reise waren.

"McDudle, haben Sie eine Ahnung, was die Hamster in Oban wollen?"

"Tja, Mister, das ist schwer zu sagen, ich meine, als Hamster hätte ich da vielleicht meine Gründe, aber ansonsten..."

"Jedenfalls sind es keine gewöhnlichen Hamster, mein lieber Finnegan."

"Tja, äh, mein lieber Sim", begann McDudle und ignorierte den verärgerten Blick des Fahrers, "die sind mir auch schon mal über den Weg gelaufen, glaube ich."

"Wie? Wo?"

"Öhm, da muss ich mal  nachdenken, Mister, meine Frau sagt immer..."

"Wo haben Sie diese Hamster schon mal gesehen, McDudle?" rief Vim van der Slampe aufgeregt.

"Lassen Sie mich mal scharf überlegen, Mister," antwortete Finnegan und versank in stummes Nachdenken.

"Nun?" fragte der Lkw-Fahrer nach zehn schweigsamen Minuten.

"Ich hab’s gleich, Mr. Wunderkrampe, ja, es war, als ich Führer und Berater des Königs vom Loch Ness war. Ich glaube, diese Tiere gehören ihm."

"Königliche Tiere?" Vim van der Slampe war wie vor den Kopf geschlagen. Hamster als königliche Tiere, war das möglich? Andererseits, wenn dieser komische König jemanden wie Finnegan McDudle als Berater hatte, dann konnte der nicht ganz dicht sein, und dann war alles möglich. Eines war jedoch sicher: Diesen Tieren durfte nichts passieren, und er sollte sich besser gut mit ihnen stellen. Am besten, er würde gleich anfangen und ihnen etwas zu fressen bringen.

"Lassen Sie uns wieder nach Drinnen gehen", schlug er seinem Mitfahrer vor.

"Warum, Mister? Drinnen ist es genauso wie draußen, nur anders."

Van der Slampe schien diese Worte nicht gehört zu haben sondern stieg die nach unten führende Treppe hinab, bis er das untere Deck erreicht hatte. Als er den Lkw bestieg, sah er einen der Hamster zwischen den Vorhängen der Schlafkoje hervorgucken und rief ihm zu: "Einen kleinen Moment, mein edles Tier, das Futter kommt sofort!"

Zufrieden sah er zu, wie die Hamster sich über die Einkaufstüte hermachten, die ihnen in die Schlafkoje gelegt wurde. Dann ging er zurück an Deck um zu gucken, ob die letzte Etappe ihrer Reise in Sicht kam.

"Hat der nun auch einen Schaden wie dieser Volltrottel aus Acharacle?" fragte Flecki verwundert.

"Oder er hat ein schlechtes Gewissen," vermutete Sasie. "So oft, wie der uns alleine lässt."

"Toll", rief Goldi, "in der Tüte ist auch eine Teigpastete! Wusstet ihr, dass Teigwaren Teigwaren heißen, weil Teigwaren einmal Teig waren?"

 "Sehr witzig", knurrte Flecki, "und wusstest du, dass Lampenschirme total überflüssig sind, da Lampen nur selten draußen im Regen rumlaufen?"

Während die Hamster bester Laune waren, kam Oban immer näher. Vom Oberdeck aus sahen die beiden Männer ein riesiges Amphitheater, McCaig's Turm genannt, das auf den Bergen hoch über der Stadt Oban stand. Zwischen den Inseln Maidan Island und Kererra hindurch glitt die riesige Fähre und steuerte langsam auf die Anlegestelle zu. Schnell machten die beiden Männer, dass sie zum Lastwagen zurückkamen, denn nun war die fast eine Stunde dauernde Fahrt gleich zu Ende.

"Waren Sie schon einmal in Oban, McDudle?"

"Nein, Mister, aber ich kannte mal jemanden, der meine Frau kennt, und meine Frau sagt immer, Oban ist eine ziemlich große Stadt."

"Das ist schade", entgegnete van der Slampe. "Ich habe nämlich keine Ahnung, wie es weitergeht, und wo wir hin müssen, aber irgendwo müssen wir ja wohl hin."

"Tja, Mister, das ist eine gute Frage. Wo kämen wir nur hin, wenn wir immer nur fragen, wo kämen wir hin, und wenn wir nicht gingen, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?"

Gerade, als der Lkw-Fahrer nach einem Gegenstand suchte, um seinen Beifahrer zu erschlagen, setzten sich die Fahrzeuge vor ihnen in Bewegung, und das bedeutete, dass es an Land ging. Der Lastwagen fuhr langsam über eine holperige Rampe und nach einer leichten Rechtskurve erreichten sie eine 4-spurige Straße.

"Um Gottes Willen", rief der entsetzte Lkw-Fahrer, wo sind wir denn nun hingeraten?"

"Wie gut, dass Sie mich dabei haben, Mr. Fransenpampe, wir sind nämlich jetzt in Oban!"

"Meine Güte, das weiß ich selber, McDudle. Die Frage ist nur, welchen Weg nehmen wir nun?"

"Tja, Mister, also meine Frau sagt immer: Finnegan, Umwege erweitern die Ortskenntnisse. Sie sagt immer, bei meinen Umwegen kennt mich jeder im Ort, wissen Sie? Und wissen Sie, was sie noch so sagt, meine Frau?"

"McDudle, noch ein Wort und ich ziehe mich für den Rest meines Lebens auf eine einsame Verkehrsinsel zurück!"

Schweigend ging es nun weiter über die Corran Esplanade, die belebte Hauptstrasse der Stadt. Links von ihnen war die See und zur rechten Seite Geschäfte und Büros. Dann machte die Straße einen Schlenker nach rechts, während eine kleinere, einsame Straße dem Wasser folgte. Van der Slampe lenkte den Lastwagen auf eine Parkbucht zur linken Seite und schaltete den Motor aus. Aus dem Augenwinkel heraus nahm er wahr, dass die Hamster neugierig und aufgeregt aus der Schlafkoje gekrochen kamen. Er nahm den schweren Autoatlas hervor, und McDudle wich ängstlich zur Seite. Nachdem er eine Weile geblättert hatte, zeigte der Holländer nach rechts. "Dort geht es auf der Hauptstraße wieder in die Highlands und in den Westen. Das wird auch mein Rückweg sein. Mann, bin ich froh, wenn ich mich endlich wieder ausruhen kann. Also, mein lieber Finnegan, hier trennen sich unsere Wege. Aber was soll ich bloß mit den Hamstern machen?"

Er warf wieder einen Blick auf die Karte und schüttelte den Kopf. "Der Weg am Wasser entlang ist eine Sackgasse. Dort geht es zum Schloss Dunollie und dann ist der Weg zu...."

Verwundert drehte er sich zu den Hamstern um. Was war mit den Tierchen los? Sie begannen plötzlich, wie auf Kommando laut zu fiepen.

"Was ist denn mit den Hamstern los, McDudle?"

"Och, vermutlich sind die bloß wieder hungrig."

"Quatsch, McDudle, die haben gerade eine ganze Einkaufstüte mit unserem gesamten Vorrat hinter sich. Nein, die sind nicht hungrig."

Van der Slampe überlegte, dann packte er den Autoatlas weg und ließ den Motor wieder an.

"Ich glaube, ich weiß, wo der König vom Loch Ness wohnt!"

Dann holperte der Lastwagen am Wasser entlang über eine schlecht befestigte Straße, dem Schloss des alten Lord McShredder entgegen.


Weiter: Das Projekt Pleasure Dome (Kapitel 26-30)

 

Dunollie Castle

Kapitel 26

Ein freudiges Wiedersehen



Das ehrwürdige Schloss Dunollie, einstiger Sitz der MacDougalls, des Lord of Lourne, dem einst ein Drittel Schottlands gehörte, lag einsam in der Mittagssonne. Es lag auf einem recht hohen Hügel, von dem aus der Hafen von Oban gut zu überblicken war. Dieses Schloss hatte gewiss schon bessere Zeiten gesehen, und dass es sich nun in solch einem schlimmen Zustand befand, war einzig und allein die Schuld seines jetzigen Besitzers. Lord McShredder hasste unnötige Ausgaben, und wozu sollte er teures Geld für irgendwelche teuren Firmen ausgeben, nur um ein paar Steine auszuwechseln? Nein, denn wozu hatte er einen Diener, der konnte das schließlich genauso gut erledigen. Schließlich waren ja überall kostenlos Steine zu finden. Man musste nur die Augen aufmachen. Mit ein bisschen guten Willen...

"Mit einem bisschen guten Willen, mit einem bisschen guten Willen!" grölte Frido McClown nahm einen Stein und schleuderte ihn quer über den Hof des Schlosses. Mit einem 'Klack' setzte der Stein kurz auf dem Boden auf und flog scheppernd gegen das rostige Gitter der Eingangstür zum Hof. Quietschend öffnete sich die Tür, und McClown wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Wenn Sie jeden Tag drei Meter der Schlossmauer reparieren, so klangen ihm die Worte des Lords in den Ohren, dann sind Sie in fünf Monaten fertig. Davon, dass neue Steine herangeschleppt werden mussten, hatte der alte Sack nichts gesagt, dachte der Diener wütend. Statt dessen hatte der geizige Lord die Idee gehabt, den einzigen Hahn, den sie besaßen, zu verkaufen. Schließlich sei es für McClown ja wohl eine Kleinigkeit, das morgendliche Krähen zu übernehmen. Wenn doch bloß Lisa McGyer da wäre, dann würde sie ihm schon die Meinung sagen, doch leider befand sie sich zur Zeit im Kings House Hotel, um ihren Eltern während der Ferienzeit zu helfen. George war ebenfalls so schlau gewesen und war an den Loch Rannoch gefahren, um ein paar Freunde zu besuchen. Schon seit geraumer Zeit hatten sie den alten Lord immer wieder versucht zu überzeugen, das Schloss entweder zu renovieren oder sich etwas Anderes zu suchen. Jedes Mal hatte der alte Geizhals gekräht: "Solange mir das Dach nicht über dem Kopf zusammenbricht, bleiben wir hier!"    

Frido McClown schaute auf seine Armbanduhr. Kurz vor Eins, fluchte er. Zeit, sich um das Mittagessen zu kümmern, denn wenn der alte Sack sein Essen nicht pünktlich um 13.30 Uhr auf dem Tisch hatte, würde es Ärger geben. Schnell räumte er sein Arbeitsgeschirr zusammen und wollte sich gerade auf den Weg zur Küche begeben, als er innehielt und lauschte. In der Ferne war ein Motorengeräusch zu hören, und sein Herz klopfte höher. Das konnte nur George sein... oder vielleicht sogar Lisa! Aufgeregt lief er durch das offene Gittertor und sah nach rechts. In der Ferne war der Hafen von Oban zu erkennen, doch davor versperrten ihm ein paar Bäume die Sicht, und alles, was er erkennen konnte, war eine Staubwolke hinter den Bäumen. Ungeduldig wartete er, bis sich die Ursache dieser Staubwolke hinter der nächsten Kurve zu erkennen gab. Seine Enttäuschung war riesengroß, als er einen großen, blauen Lastwagen erkannte, doch im nächsten Moment stellte sich ihm die Frage: Was wollte ein Lastwagen in dieser einsamen Gegend? Er wartete, bis der Lastwagen direkt vor ihm stand. Die Sonne schien genau auf die Windschutzscheiben, so dass McClown nicht erkennen konnte, wer sich in dem Wagen befand. Dann wurde die Fahrertür geöffnet, er sah einen Mann aussteigen und auf sich zukommen. Der Mann wirkte erschöpft und müde, und als er schließlich vor ihm stand, erkannte Frido, dass dieser Mann die Hölle hinter sich haben musste.

"Guten Tag, Sir, "begann der Mann mit matter Stimme, "ich suche den König vom Loch Ness."

McClown trat vorsichtig einen Schritt zurück. Was war das für ein Wahnsinniger? Was wollte der hier? Fieberhaft überlegte Frido, wie man sich in solch einem Falle am besten zu verhalten habe. Ruhig, genau, nur ruhig bleiben und ihn nicht reizen.

"Ihnen auch guten Tag, Sir. Äh, den König vom Loch Ness suchen Sie? Den, äh, den finden wir ganz bestimmt!"

"Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir damit helfen", stöhnte der Lkw-Fahrer und setzte sich auf einen Felsbrocken, der am Rande des staubigen Weges lag. "Durch ganz Schottland haben mich diese kleinen Biester gescheucht. Ich kann einfach nicht mehr!"

"Natürlich, aber natürlich, es wird alles gut", beruhigte ihn McClown, doch langsam kam Panik in ihm auf. Er versuchte, sich zu erinnern, was er jemals über Wahnsinnige gehört oder gelesen hatte. Er erinnerte sich an die Begebenheit in Gortenfern, als die Küche geschlossen war, und er selbst einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte. Damals hatte er die Küchentür mit einem Barhocker zertrümmert, doch das war etwas Anderes gewesen. Damals hatte er tagelang nichts zu essen bekommen und war vor Hunger durchgedreht. Natürlich war da noch der kleine Zwischenfall in Sanna Bay, als der Lord vor ihm in eine Telefonzelle flüchten musste. Möglicherweise waren ihm die Nerven wegen McShredder und seinem Gemecker ein klein wenig durchgegangen. Doch wer oder was war dieser Mann? Frido warf einen Blick auf das Nummerschild des Lastwagens.

"Sie kommen aus Holland, Sir?"

Der Lkw-Fahrer nickte schwach. "Vim van der Slampe, ich liefere Holländischen Käse nach Edinburgh."

"McClown, Frido McClown. Edinburgh, Sir? Sie sind ein wenig vom Weg abgekommen, oder?"

"Ja, Mr. McClown. Erst wollten sie nach Oben und ich habe sie ganz nach oben gebracht. Dann fiel ihnen ein, dass sie nach Oban und nicht nach Oben wollten. Scheinbar gehören sie dem König, und den suchen wir jetzt."

Dem Butler schwirrte der Kopf. Käse, Oban und König, große Güte, war dieser Holländer durchgeknallt. Wenn doch bloß Lord McShredder käme. Vorsichtig schaute McClown auf seine Uhr: 13.25 Uhr war es nun, und spätestens in 5 Minuten würde der Lord feststellen, dass das Essen noch nicht fertig war. Nein, der Lord durfte diesen Irren nicht treffen, denn womöglich würde er ihn reizen und es käme zum Blutvergießen. Dieser Verrückte musste schnellstens verschwinden, bevor der Lord kam!

"Ich habe eine Idee, mein lieber Mr. van der Slampe", flötete Frido. "In Oban werden Sie sicherlich herausfinden können, wo dieser König wohnt. Ich kann Ihnen den Weg zur Polizei beschreiben und..."

"Keine Polizei", stöhnte van der Slampe, "nicht schon wieder!"

McClown erschrak und er spürte, wie ihm der Schweiß herunterlief. Wurde dieser Irre womöglich von der Polizei gesucht? Warum sonst hatte er Angst vor der Polizei?

"Nun, Sir, dann würde ich im Rathaus fragen. Mögen Sie dorthin fahren?"

Der Holländer nickte.

"Gut", atmete der Butler tief auf. "Haben Sie eine Autokarte, damit ich Ihnen den Weg zeigen kann?"

Wieder nickte der Lkw-Fahrer, und gemeinsam gingen sie zum Lastwagen. In diesem Moment ertönte eine laute, blecherne Stimme hinter ihnen, und die beiden Männer blieben vor Schreck kurz vor dem Lastwagen stehen.

"McClown, Sie nichtsnutziger Geselle, wo bleibt mein Essen? Was ist das für eine Mistkarre, die unsere Einfahrt blockiert? Schaffen Sie den Schrott weg und dann bringen Sie endlich mein Essen!"

Der Angesprochene drehte sich um und erblickte den Lord, der im Turm des Schlosses stand und, aus dem Fester gelehnt, wütend mit den Händen fuchtelte.

"Einen Moment, euer Lordschaft. Der Mann hat sich nur verfahren. Ihr Essen kommt in wenigen Minuten", grölte McClown und fluchte leise: "Alter Sack!"

Sie gingen weiter, und als sie den blauen Lkw erreicht hatten, öffnete Vim die Fahrertür und rief: "McDudle, geben Sie mir bitte mal den Autoatlas!"

"Ich habe nichts gemacht, Mr. Pamp den Tampen! Ich bin unschuldig!" kreischte es aus dem Wagen.

Frido McClown fiel vor Schreck fast das Herz in die Hose. Noch so ein Irrer! Er warf vorsichtig einen Blick in die Fahrerkabine und traute seinen Augen nicht. Als erstes fielen ihm die kleinen Tiere auf dem erhöhten hinteren Teil der Kabine auf. Das waren Hamster! Dann fiel sein Blick auf den Beifahrer und ihm wurde alles klar.

"Hier, die Straßenkarte, Mr. McClown!"

Der Butler nahm den schweren Atlas und warf ihn vor den verblüfften Augen des Fahrers in die Kabine zurück. Ein lautes Aufheulen ließ darauf schließen, dass er Finnegan getroffen hatte.

"Ich hätte es wissen müssen, Mr. van der Slampe. Wer so zugerichtet und so fertig aussieht, der kann nur auf die Hamster getroffen sein. Ach ja, und auf Mr. McDudle natürlich. War es schlimm?"

Der Holländer nickte. "Grausam, Mr. McClown. Sie kennen meine Beifahrer?"

"Recht gut, die Hamster kenne ich sozusagen sehr gut. Aber was um alles  in der Welt wollen die hier? Es muss einen Grund dafür geben, mein lieber Vim, und am besten kommen Sie erst einmal herein, dann werden wir..."

"McClown, ich verhungere! Schmeißen Sie diesen Mistkerl mit seiner Dreckskarre endlich raus, und bringen Sie mir mein Essen!""

"Euer Lordschaft", brüllte der Butler zurück, "wir haben Besuch bekommen. Ich werde ein paar Gedecke mehr aufstellen!"

"Besuch?" brüllte McShredder zurück. "Was erlauben Sie sich, hier irgendwelche Bettler einzuladen? Wer soll das denn bezahlen?"

"Alles in Ordnung, mein lieber Vim. Sie sind somit herzlich zum Essen bei Lord McShredder eingeladen!"

"Und was ist mit meinen Mitfahrern?"

"Kein Problem, die kommen mit", entgegnete Frido McClown dem verblüfften Lkw-Fahrer. Dann lief er zur geöffneten Beifahrertür und rief in die Kabine hinein: "Alles aussteigen bitte!"

Wenige Sekunden später hatte Frido McClown zwölf kleine, fröhlich fiepende Hamster auf dem Arm, die er einen nach dem anderen vorsichtig an sich drückte und knuddelte. Daneben stand ein verlegen guckender Finnegan McDudle, der angestrengt nachzudenken schien, wo er diesem Mann schon einmal begegnet war, denn dieser Mann hatte ihn mit seinem Namen angeredet. Daraus hatte McDudle nach längerem Überlegen geschlossen, dass er ihm schon einmal begegnet war. Finnegan beschloss,  es unauffällig herauszufinden.

"Mister, äh, haben wir schon mal in Polloch gemeinsam ein Fass geleert und Hühner geklaut?"

"Haben wir nicht", entgegnete Frido und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Tja, äh, Mister, wie war noch ihr Name?"

"McClown, nach wie vor Frido McClown."

"Natürlich, natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich vergesse nie einen Namen, fragen Sie Mr. Fransentante, der bestätigt Ihnen das gerne. Mr. Fransentante, das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe!" wandte sich McDudle stolz an den Lkw-Fahrer.

Vim van der Slampe erhob sich langsam von dem Felsen, auf dem er gesessen hatte und ging auf Finnegan zu. "So, mein kleines Vergissmeinnicht, jetzt erzählst du dem Onkel Frido genau das, was du mir erzählt hast!"

"Tja, äh, wie soll ich sagen, Mister, da ist schon recht lange her..."

"Viele lange Monate", warf McClown grinsend ein.

"Tja, und, ich habe diesen Mister und den, äh, die Hoheit vom Loch Ness geführt..."

"Den König vom Loch Ness!" rief van der Slampe.

"Der war nie ein König und wird nie ein König sein", erklärte der Butler. "Es gibt kein Land, dem es so schlecht ginge, als dass es so etwas als König braucht. Er heißt Lord McShredder von Schloss Killichonan, das inzwischen eine Ruine ist. Das Schloss Killichonan hat er bekommen, weil er angeblich das Monster aus dem Loch Ness vertrieben hat."

"Und?" keuchte der Lkw-Fahrer mit weit geöffnetem Mund.

"Immerhin ist es möglich", fuhr McClown lachend fort, "dass sich das Monster ganz einfach in McShredder verwandelt hat."

"McClown, Sie nachlässiger Idiot, wo bleiben Sie?" ertönte in diesem Moment eine keifende Stimme aus dem Turm.

"Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass Monster im allgemeinen so unhöflich sind", ergänzte Frido McClown. "Wie auch immer, wir sollten jetzt ins Schloss gehen und Sie dem Lord vorstellen. Er wird entzückt sein, Mr. McDudle wiederzutreffen.”

Während nun der Butler mit den Hamstern im Arm vorweg ging, folgten Vim van der Slampe und als letzter Finnegan McDudle, der sich ängstlich umsah und dem überhaupt nicht wohl zumute war. Langsam dämmerte ihm, dass der alte Lord wohl noch immer keine allzu gute Meinung über ihn haben würde. Nach wenigen Schritten hatten sie die rostige Gittertür erreicht, und Frido McClown öffnete sie mit einem gezielten Fußtritt. Es schepperte laut, die Tür flog aus den Angeln und krachte auf die Kopfsteinpflaster des Hofs.

"Willkommen auf Dunollie Castle", rief er, "dem Sitz der MacDougalls, des Lord of Lourne, die einst ein Drittel Schottlands besaßen und dem heutigen Sitz von Lord McShredder, der kaum Land, aber eine gewaltige Unverfrorenheit und eine Menge Geiz besitzt."

Unter einem Torbogen hindurch ging es weiter auf einen kleinen, eckigen Innenhof. In Laufrichtung waren zwei Türme, die jeweils eine der Ecken des Innenhofes bildeten. Mehrere Türen und Fenster waren zu sehen, und es fiel sofort auf, dass hier eine gründliche Überholung von Tür- und Fensterrahmen erforderlich war.

"Es ist schade," überlegte van der Slampe laut, "dass all diese schönen Gebäude verfallen, nur weil kein Geld da ist."

"Geld ist genug da", knurrte der Butler, "der alte Sack ist nur zu geizig."

Nachdem sie durch die Eingangstür des linken Turms eingetreten waren, ging es über eine recht steile, steinerne Rundtreppe nach oben. Schwer atmend erreichten sie eine weitere Tür aus Holz, die mit schweren Eisenbeschlägen versehen war. Knarrend ging sie auf und Frido McClown zeigte auf einen Tisch, neben dem sich mehrere Stühle befanden.

"Bitte machen Sie es sich bequem, meine Herren. Ich werde mich um das Essen und Trinken kümmern!"

Mit den Hamstern im Arm verließ McClown das Zimmer durch eine Seitentür und ließ die beiden Männer allein. Er betrat einen gemütlich aussehenden Raum und setzte die Hamster auf einen Tisch, der neben einem Fenster stand. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und sah in der Ferne den Hafen von Oban. Eigentlich konnte er sich über die Aussicht nicht beschweren, doch so ganz ohne Hintergedanken hatte ihm der alte Lord das Zimmer mit Blick aufs Wasser nicht überlassen. Schließlich befand es sich direkt unter dem Zimmer von McShredder, sodass der Butler einen recht kurzen Weg hatte, um die diversen Wünsche seines Herrn zu erfüllen. McClown nahm eine Decke und legte sie auf einen gepolsterten Sessel, dann nahm er die Hamster und legte sie dort hinein.

"So, meine lieben Freunde",  sprach er, "bestimmt seid ihr kleinen Nachttiere völlig erschöpft von dieser anstrengenden Tagesreise. Ich werde mich jetzt erstmal um unsere Gäste und den Lord kümmern, wir sehen uns später."

Er nahm einen Apfel aus einer Schale, die sich auf einer schäbigen Kommode befand, und legte ihn zu den Hamster.

"So, das müsste reichen." Dann verließ er das Schlafzimmer.

"Ich fasse es nicht, ich fasse es echt nicht", rief Goldi, " das war der olle McClown! Unser Futter ist gerettet. Wie ich schon immer gepflegt gesagt habe, meine lieben Hamster", äffte er den Bürgermeister nach, "sind wir einsam zu der Überzeugung im allgemeinen gekommen...."

"Hör auf, Goldi", gackerte Flecki, "ich mache mir sonst ins Fell!"

"Öhm, und nun? Fahren wir jetzt wieder nach Hause?" fragte Dodo.

"Nö, bloß nicht, sonst müssen wir doch wieder in die doofe Schule", rief Hamstilidamst. "Ich habe echt keinen Bock auf Bio und Mathe!"

"Mathe und Bio sind doch eierleicht", sagte Goldi, der gerade von dem Apfel probierte. "Mathe ist doch total logisch."

"Logisch? Mathe ist logisch?" keifte Flecki. "Mathe ist unlogischer Blödsinn, Goldi! Stell dir mal vor, zwei Leute gehen in ein leeres Haus, eine Weile später kommen drei Leute wieder heraus. Was sagt dann so ein bekloppter Mathematiker? Der sagt: wenn jetzt noch einer reingeht, ist das Haus wieder leer."

"Wir hatten auch mal so eine bescheuerte Aufgabe", rief Teeblättchen. "Der Briefträger läuft 12 km/h und der Dackel 16 km/h, die Entfernung beträgt 50m. Wann überholt der Dackel den Briefträger? Das Problem sollten wir zeichnerisch lösen, hat die Lehrerin gesagt."

"Und", fragte Goldi kauend, "Hast du das gewusst?"

"Nö", knurrte Teeblättchen. "Die Lehrerin hat mir eine 5 gegeben, weil ich geschrieben hatte, dass ich keinen Dackel zeichnen kann..."

"Wenn ihr dann fertig mit eurem Schulkram seid, könnten wir vielleicht mal überlegen, was wir nun machen", knurrte Bauleiter Murksel und warf einen bösen Seitenblick auf den Bürgermeister, der auf der Fensterbank saß und den Hafen von Oban bewunderte.

"Öh, ja, wir sind nun hier und das ist doch großartig, meine lieben Hamster. Wir haben es sozusagen gewissermaßen geschafft, wenn ich es einmal so formulieren darf, und ich bin stolz darauf..."

"Ja, ja, ist ja gut, aber was nun?"

"Nun, meine liebe Flecki, selbstverständlich werden wir auch dafür eine Lösung finden. Ich, äh, bin offen für Ratschläge. Ja, Goldi?"

"Wir schnappen den alten Sack, klauen den Lkw und düsen zurück!"

"Wir bieten ihm ganz viele Sonnenblumenkerne!"

"Wir hauen ihn k.o. und packen ihn in den Lastwagen und lassen ihn vom Lkw-Fahrer einfach mitnehmen!"

"Wir überreden McClown, dass er uns hilft!"

"Wir drohen ihm, sein Schloss kurz und klein zu hauen, wenn er nicht mitkommt!"

Alle Hamster schrien aufgeregt durcheinander, und jeder hatte so seine eigenen Vorstellungen, wie das Problem gelöst werden konnte. Nach einer ergebnislosen Stunde wurde beschlossen, ein Kompetenz-Team zu bilden, doch bei der namentlichen Zusammensetzung kam es zu den ersten Prügeleien. Nach einer weiteren Stunde wurde endlich ein gemeinsamer, einstimmiger Entschluss verabschiedet: abwarten.

Erschöpft krabbelten die Hamster in die Decke auf dem gepolsterten Sessel und hielten ihren verspäteten Mittagsschlaf.





Kapitel 27

Dunollie Castle

Von all diesen hamstischen Diskussionen und Problemen bekam Frido McClown nicht das Geringste mit. Nachdem er die Küchenvorräte überprüft und festgestellt hatte, dass es außer Nudeln nichts gab, was für vier Personen reichen würde, tat er das Notwendige. Er füllte einen Topf mit Wasser, warf die Nudeln hinein und stellte alles auf den Herd. Dann nahm er eine Karaffe Wasser und vier Gläser und ging ins Esszimmer. Auf dem Weg dorthin musste er wieder durch den Turm, und zu seinem Bedauern lief ihm Lord McShredder über den Weg.

"Sie kommen diese Woche schon zum vierten Mal zu spät, McClown! Was schließen Sie daraus?“

"Es ist Donnerstag, Sir!"

"Ich sage es nur ungern. McClown, ich bin unzufrieden mit Ihnen. Gestern musste ich geschlagene zwei Stunden auf mein Abendessen warten!"

"Sir, gestern war ich beim Reparieren des Daches abgestürzt und..."

"Papperlapapp, McClown, billige Ausreden, die eines guten Butlers unwürdig sind. So ein Sturz dauert doch nur wenige Sekunden!"

Als der Butler nicht antwortete, sprach der alte Lord weiter: "Was sind das für Leute, die Sie mir da ins Haus geschleppt haben?"

"Nun, Sir, das eine ist ein holländischer Lkw-Fahrer, der Käse nach Edinburgh transportiert und der andere, also, den sehen Sie sich besser selbst an."

Der Lord nickte und in diesem Moment hatten sie die Tür zum Esszimmer erreicht. McClown ging vorweg und öffnete die Tür. Der Blick des alten Lords glitt zunächst auf den immer noch leeren Esstisch und dann zu Vim van der Slampe. Argwöhnisch betrachtete er ihn, und ohne einen Gruß glitt sein Blick auf Finnegan McDudle, der den Kopf auf die Hand gestützt hatte und verzweifelt versuchte, dem forschenden Blick des Alten zu entgehen.

Von einer Sekunde auf die andere weiteten sich die Augen McShredders, und er schrie: "McClown, holen Sie sofort mein Jagdgewehr!"

"Sir, das haben wir letzten Monat verkauft!"

Mit schnellen Schritten, die ihm niemand zugetraut hätte, ging der alte Lord auf seinen ehemaligen Berater zu, der langsam von seinem Stuhl rutschte und sich unter dem Tisch verstecken wollte.

"Hallo, äh, Mister, wie geht es Ihnen? Schön, Sie zu sehen!"

"Was? Sie wollen gehen? Nur zu! McClown, schmeißen Sie ihn aus dem Fenster!"

"Sir, wir sind im zweiten Stock und...."

"Wer ist das?" unterbrach der Alte seinen Diener und zeigte nun auf den Holländer. Der stand auf und hielt Lord McShredder die Hand hin.

"Van der Slampe, Sir. Vim van der Slampe!"

"Haben Sie das gehört, McClown? Er beschimpft mich als Schlampe! Schmeißen Sie diesen undankbaren Kerl gleich hinterher!"

"Aber Sir, das ist doch sein Name. Er heißt so!"

"Er heißt Schlampe? Ein merkwürdiger Name, McClown!"

"Vim van der Slampe", brüllte der Butler, "und er kommt aus Holland.”

"Ah", krähte McShredder, "Holland! Wie geht es meiner alten Freundin Wilhelmina?"1

"Wilhelmina?" ächzte der Lkw-Fahrer erstaunt.

"Ja, Wilhelmina", wiederholte der Lord. "Ist sie nicht mehr Königin?"

"Äh, nein, Sir. Unsere Königin heißt Beatrix."

"Schade, schade, Mr. Slampe." Der alte Lord schüttelte enttäuscht den Kopf, schnüffelte kurz und drehte sich zu seinem Butler um.

"Sagen Sie McClown, was riecht hier so grässlich? Haben Sie sich nicht gewaschen?"

"Die Nudeln!" kreischte Frido und rannte aus dem Zimmer.

Kopfschüttelnd sah McShredder seinem Diener nach. Dann wandte er sich an seine Gäste.

"Bitte bedienen Sie sich doch, es ist köstliches Brunnenwasser. Ich persönlich habe es heute Morgen frisch holen lassen."

Schweigend nippten van der Slampe und McDudle von ihren Gläsern, dann fragte der Holländer vorsichtig:

"Sagen Sie, Sir McShredder, haben Sie eigentlich, äh, Haustiere?"

Erstaunt sah ihn der alte Lord an: "Selbstverständlich habe ich meine eigene Haustür, ich habe sogar eine ganze Menge Haustüren. Warum fragen Sie?"

"Haustiere, Sir!"

"Haustiere? Allerdings habe ich Haustiere. Einen unzuverlässigen Hahn und den ebenso unzuverlässigen McClown! Stellen Sie sich vor, Mr Slampe, seit der Umstellung auf die Sommerzeit geht der Hahn eine Stunde nach! Der kapiert das einfach nicht, der dumme Vogel!"

In diesem Moment betrat der Butler mit einigen Tellern unter dem Arm und Besteck in der Hand den Raum. Mit geübter Hand stellte er die Teller auf den Tisch und legte das dazugehörige Besteck daneben. Dann verschwand er und tauchte nach einer weiteren Minute mit einem großen Kochtopf wieder auf.

"Das Mittagessen, meine Herren: gebratene Nudeln!"

Während van der Slampe und McClown vorsichtig in den verbrannten Nudeln stocherten und sich die am wenigsten verbrannten heraussuchten, langten McShredder und McDudle gierig zu.

"Köstlich, McClown, Sie haben sich ausnahmsweise einmal selber übertroffen!" krächzte der Lord und deutete auf den Lkw-Fahrer: "Sagen Sie, Mr. Slampe, warum haben Sie mich nach Haustieren gefragt?"

"Nun, Sir Lord, es ist wegen der Hams..."

"Es ist, weil alle Holländer sehr tierlieb sind und viele Haustiere haben!" unterbrach Frido McClown den erstaunten van der Slampe, zwinkerte ihm zu und machte Zeichen, dass er schweigen solle. Zum Glück hatte Lord McShredder von diesen Heimlichkeiten nichts mitbekommen, da er gerade mit einer sehr robusten Nudel zu kämpfen hatte. Der Butler atmete erleichtert auf, dass der alte Lord nicht weiter fragte, sondern seinen Teller beiseite schob und sich zurücklehnte.

"McClown, der Nachtisch!"

"Sir, wir haben keinen Nachtisch."

"Wieso kriege ich in meinem Schloss keinen Nachtisch?"

"Nun, Sir, das liegt daran, dass Sie mir kein Geld für Einkäufe gegeben haben, weil Sie meinten, dass die Nudeln noch für ein paar Tage reichen würden und..."

"Ich weiß was ich gesagt habe, McClown. Ein guter Butler hätte mich darauf hingewiesen, dass wir Gäste bekommen! Also hüpfen Sie mal in die Stadt und besorgen was!" Lord McShredder griff lässig in die Tasche seines Bademantels und gab seinem erstaunten Butler eine Handvoll Geldscheine. Natürlich hätte der alte Knauser nie im Leben freiwillig so viel Geld für Einkäufe herausgerückt, doch vor einem ausländischen Gast wie diesem van der Slampe wollte er wie ein reicher Adeliger wirken. Außerdem konnte man schließlich ja nie wissen, ob dieser Lastwagenfahrer wirklich der war, für den er sich ausgab. Womöglich war er ein Gesandter der holländischen Königin. Wenn nicht, konnte er seinem Butler immer noch das Geld vom Gehalt abziehen. Für Frido McClown war es natürlich eine willkommene Abwechslung, dass er wenigstens dieses eine Mal nicht stundenlang nach Sonderangeboten suchen musste, sondern endlich einmal aus dem Vollen schöpfen konnte.

"Wenn Sie möchten, kann ich Sie in die Stadt fahren," schlug der Lkw-Fahrer vor.

"Das wäre sehr nett, Vim", entgegnete der Butler, "aber was machen wir solange mit Mr. McDudle?"

"Der macht den Abwasch, oder er landet im Verließ!" krähte McShredder. "Nicht war, Dudle?"

Finnegan McDudle blickte mit fragenden Augen den Lkw-Fahrer an, doch der schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall würde er McDudle mit in die Stadt nehmen, das würde er sich nicht antun. Also nickte Finnegan nur stumm und ergab sich seinem Schicksal, während sich die beiden Männer erhoben und den Raum verließen.

"So, mein lieber McDudle, wenn Sie mit dem Abwasch fertig sind, habe ich noch ein paar kleine Aufgaben für Sie, die dieser nachlässige Butler liegengelassen hat..."

Unterdessen waren der Lkw-Fahrer und McClown hinaus auf den Hof gegangen.

"Tut mir leid, mein lieber Vim, aber es ist vielleicht besser, wir sagen dem Alten erst einmal noch nichts von den Hamstern. Wir haben nämlich schon - wie soll ich sagen - so einige Erfahrungen mit ihnen gemacht, und es ist besser, wir bereiten ihn langsam darauf vor."

"Gut Frido, vielleicht ist es wirklich besser so. Von diesen Hamstern kann ich nämlich auch ein Lied singen. Wo wollen wir denn mit dem Einkaufen anfangen?"

"Nun, da wüsste ich schon etwas: der Fischmarkt am Hafen, der ist wirklich einmalig! Allerdings fangen wir in dem Tesco Supermarkt an, denn in der Lynn Road können wir gut parken."

Während die beiden sich nun auf den Einkaufsbummel begaben, musste Finnegan McDudle unter den gestrengen Augen des Lords nicht nur den Abwasch machen, sondern auch die Fenster und Fußböden putzen. Dann war da noch eine dritte Gruppe, die sich durch die lauten Geräusche, insbesondere durch das Geschimpfe eines gewissen McShredders, im Schlaf gestört fühlte. Der Gipfel der Störung war gekommen, als der Lord die Tür aufriss und aus dem Zimmer McClowns eine Schachtel Streichhölzer holte, die neben einem Kerzenständer lag. Noch während er hinausging, zündete er seine Pfeife an. Die Zimmertür allerdings vergaß er zuzumachen.

"Wer kommt mit auf eine Schlossbesichtigung?" schlug Flecki vor.

"Nun, ich denke, ein kleiner Spaziergang wäre nicht verkehrt", stimmte der Bauleiter zu, und im nächsten Moment befanden sich die Hamster bereits im Esszimmer. Nun hieß es vorsichtig sein, denn nur wenige Meter entfernt saß Lord McShredder auf einem Stuhl, rauchte seine Pfeife, sah McDudle beim Schrubben des Fußbodens zu und sparte nicht mit Ratschlägen und Kommentaren.

"So ein armes Schwein", meinte bedauernd Sasie, nur Dodo entgegnete verwundert: "Wieso arm? Ich dachte immer, der alte Lord hat doch viel Geld und ist reich?"

Niemand antwortete Dodo, denn nun hieß es, vorsichtig an der Fußleiste des Raumes entlang zu laufen, bis sie den Zugang zum Turm erreicht hatten. Dann ging es Stufe um Stufe immer weiter nach unten, bis sie vor dem Torbogen standen, der zum Innenhof führte. Zunächst schien der Ausflug an dieser Stelle beendet zu sein, doch dann entdeckte Hamstilidamst, dass eine gegenüberliegende Tür zum Nachbarturm offen stand. Nach einem staubigen Marsch über den Innenhof schlüpften die Hamster hinein und sahen sich um. Ein kleiner Vorraum, von dem aus eine steinerne Treppe nach oben führte und zur linken Seite eine Tür, die zu ihrer Freunde offen stand.

Vorsichtig gingen die Hamster um ein Siel herum, das hier im Boden eingelassen war und liefen in das offene Zimmer. Hier standen mehrere Regale, und schnell wurde der Zweck dieses Raumes klar.

"Toll, die Vorratskammer", jubelte Goldi.

"Ja, wirklich toll", spottete Flecki, "wenn du mit Mehl, Linsen und alten Konservendosen glücklich wirst, dann lange nur zu!"

"Jedenfalls ist klar, warum hier alle Türen offen stehen. Der Butler hat vorhin in aller Eile die Zutaten für das Essen geholt", erklärte Murksel, während sich Dodo und Goldi weiter umsahen. Außer einer halben Zitrone war jedoch nichts zu finden, doch da hatte Goldi eine verhängnisvolle Idee. Er stupste Trampel an und zwinkerte ihm zu: "He, willst du mal die Aufnahmeprüfung zum Superhamster erster Klasse machen?" Als Trampel begeistert nickte, zeigte Goldi auf die halbe Zitrone und fragte: "Schon mal so etwas gesehen?" Trampel verneinte, und Goldi fuhr fort: "Das Ziel der Aufnahmeprüfung zum Superhamster erster Klasse liegt darin, keine Angst vor dem Unbekannten zu haben. Du musst nur an der Innenseite von dem gelben Ding da lutschen!"

Glücklich, bald ein Superhamster erster Klasse zu sein, lief Trampel zu der Zitrone, streckte seine Zunge weit heraus und schleckte kräftig an der sauren Frucht. Dann riss er die Augen weit auf und mit einem ohrenbetäubenden "Üärg!" stürzte er im Zickzack aus dem Zimmer. Entsetzt blickten ihm seine Freunde nach.

"Goldi, was hast du mit dem armen Trampel gemacht?"

"Keine Ahnung Flecki, haha, das kleine Dummerchen muss versehentlich von der Zitrone geschleckt haben..."

"Und warum hast du ihm nicht gesagt, dass das für seinen feinen hamstischen Geschmacksinn gefährlich ist?"

"Es ging alles viel zu schnell...", redete sich Goldi heraus.

"Egal", rief Sasie, "er muss sofort seine Zunge mit Wasser spülen!"

"Zunächst mal müssen wir ihn finden", rief Tuffi, und hastig stürzten die Hamster zur Tür hinaus. Vergeblich suchten sie den Vorraum ab, doch Trampel blieb verschwunden. Viele Möglichkeiten, sich zu verstecken, gab es hier wirklich nicht, und so fielen die Blicke der Hamster schnell auf das Siel, um das sie beim Hereinkommen noch so vorsichtig herumgegangen waren.

"Tja", fasste Bauleiter Murksel die Lage zusammen, "wir haben da ein Problem.

"Den kriegen wir da nicht mehr raus", jammerte Dodo. "Jetzt ist der wirklich ausgestorben!"

"Blödmann", fauchte Flecki. "Erstens ist der kein Moosbiber und zweitens ist der bloß in den Keller geplumpst. Los, Bürgermeister, tu doch auch mal was!"

Dem Bürgermeister war ein wenig unwohl zumute, als er langsam zu dem Siel watschelte. Vorsichtig schaute er durch eine der Öffnungen in die Dunkelheit und rief mit zitternder Stimme: "Trampel, bist du da unten? Brauchst du irgend etwas?"

Bange Sekunden des Wartens folgten. Dann ertönte eine piepsige Stimme aus der Dunkelheit: "Ich will nach Hause, das ist alles so kalt und feucht und dunkel hier! Holt mich raus!"

Ein Aufatmen ging durch die Reihen der Hamster, und der Bürgermeister versuchte, den ängstlichen Trampel zu beruhigen: "Es ist alles, öh, sozusagen in Ordnung, mein Freund. Wir arbeiten gewissermaßen mit Hochdruck an einem Rettungsplan!" Er drehte sich zu den ratlosen Hamstern um. "Und, äh, was machen wir jetzt? Wo kriegen wir einen Plan her?"

"Das ist ein Job für Superhamster!" rief Goldi und rannte in die Vorratskammer zurück. Ein leises Poltern und Rascheln war zu hören, und wenig später erschien Goldi, der eine Klorolle vor sich her rollte."

"Klopapier?" ächzte Flecki. "Was soll denn der Scheiß?"

"Für die einen ist es Klopapier, für die anderen die wahrscheinlich längste Serviette der Welt", grinste Goldi. "Die lassen wir zu Trampel runter und ziehen ihn heraus!"

Gesagt, getan, und nach wenigen Minuten hatte das eine Ende der Klorolle den wimmernden Trampel erreicht. Doch so sehr sich der kleine Hamster auch abmühte, er schaffte es nicht, sich an dem Klopapier hochzuziehen.

"Zwecklos", stellte Murksel fest. "Wir müssen runter und ihm helfen!"

Ein Hamster nach dem anderen rutschte nun vorsichtig an dem Toilettenpapier hinunter. Endlich waren alle wieder vereint, und jeder klopfte nun dem erleichterten Trampel auf die Schulter.

"Ich denke, ich spreche da allen aus der Seele, wenn ich feststelle, dass diese großartige Rettungsaktion in die Geschichte Hamsterhausen eingehen wird", tönte der Bürgermeister. "Wieder einmal haben wir gezeigt, dass..."

"Äh, Verzeihung, Bürgermeister", rief Dodo und tippte dem Bürgermeister auf die Schulter. "Wie geht das denn nun weiter?"

"Öhm, also so weit ist unser Rettungsplan noch nicht fortgeschritten, und es ist etwas zu früh, zu diesem Zeitpunkt eine Festlegung zu treffen."

"Tja, irgendwie war der Plan noch nicht ganz ausgereift", stellte der Bauleiter fest. "Vielleicht sehen wir uns hier erst einmal um!"

Dank der Tatsache, dass sie Nachttiere waren und somit in der Dunkelheit recht gut sehen konnten, fanden die Hamster schnell heraus, dass sie sich in einem ungenutzten Raum des Schlosses tief unter der Erde befanden. Mehrere Kisten standen hier ordentlich nebeneinander gestapelt, und an den Wänden hingen uralte, verrostete Gewehre und Pistolen. Zweifellos hatten sie die bisher unentdeckte Waffenkammer des Schlosses gefunden.

"Wir sollten einen Schuss abfeuern, damit dieser Butler uns rettet!" schlug Goldi vor und untersuchte eine der Pistolen. "He, die scheint geladen zu sein, geht mal beiseite!"

"Wir bringen uns besser ins Sicherheit", schlug Flecki vor, "wer weiß, was du da anrichtest!"

Goldi winkte Dodo und Hamstilidamst zu sich und wies sie an, die Pistole festzuhalten. Dann zog er wieder und wieder am Abzug. Nach mehreren Versuchen gab er auf. "Der Abzug ist eingerostet, wir nehmen eine andere." Es folgte das gleiche Spiel, doch diesmal war scheinbar das Pulver zu feucht. Beim dritten Mal hatten sie Erfolg. Es  blitzte und knallte; das hässliche Sirren eines Querschlägers war zu hören und mit einem Schlag war die Waffenkammer in taghelles Licht getaucht.

"Verdammt, ich habe die Pulvertruhe getroffen!" rief Goldi entsetzt.

Jetzt konnten die Hamster genau sehen, wo sie sich befanden. Der gesamte Raum war recht klein, und auch die Decke war niedriger als bei einem gewöhnlichen Zimmer. Oben war das Gitter zu erkennen, durch das sie gekommen waren, doch es war in unerreichbarer Ferne.

"Da vorne ist eine Öffnung in der Mauer, dort können wir in Deckung gehen",  rief Flecki plötzlich aufgeregt und zeigte auf eine Stelle im hinteren Teil der Waffenkammer. In Windeseile kletterten die Hamster zu der Stelle, auf die Flecki zeigte, und einer nach dem anderen kroch hinein. Immer weiter krochen sie.  Anscheinend waren sie auf einen alten Belüftungsschacht gestoßen. Voller Panik krabbelten die kleinen Tiere um ihr Leben, denn der Geruch von verbrannten Pulver wurde immer stärker. Plötzlich jedoch war der Schacht zu Ende, es wurde taghell und laut fiepend vor Angst fielen die Hamster ins Bodenlose. Nur wenige Sekunden dauerte ihr Sturz, dann prallten sie kurz auf dem steil zum Meer führenden Hügel auf und rollten weiter. Endlich hatte eine Steinmauer Erbarmen mit ihnen und beendete recht schmerzhaft ihre Reise. Dann brach ein Inferno aus, und mit einem mörderischen Knall flog hinter ihnen das Schloss Dunollie in die Luft.





Kapitel 28

Die Erleuchtung

In der malerischen Hafenstadt Oban herrschte strahlender Sonnenschein, als Frido McClown und Vim van der Slampe mit vollen Einkaufstüten bewaffnet den lokalen Supermarkt verließen. Sie legten die eingekauften Sachen in den Lkw und gingen weiter zum Fischmarkt am Hafen. Dort machten sie es sich auf einer Bank bequem und betrachteten das bunte Treiben.

"Was werden Sie als nächstes machen, Vim?", fragte der Butler, während er sich genüsslich reckte und streckte.

Der Holländer zuckte mit den Schultern. "Ich denke, meine Aufgabe hier ist jetzt mehr als erfüllt, und ich werde demnächst ganz gemütlich wieder Richtung Newcastle fahren. In 5 Tagen wird mein Schiff nach Amsterdam ablegen, und bis dahin werde ich mich ausruhen und die wunderschöne Gegend betrachten. Ein bisschen Geld habe ich ja noch". Sein Blick glitt hinüber zu einer Fischbude, an der lautstark Fische angepriesen wurden, dann sprach er mit leiser Stimme weiter: "Was hat denn die ganze Sache mit den Hamstern überhaupt auf sich, Frido?"

Nun zuckte der Butler mit den Schultern, kratzte sich am Kopf und entgegnete schließlich: "So ganz klar ist mir das auch nicht, aber diese kleinen Biester sind sehr anhänglich. Vielleicht hatten sie einfach nur Sehnsucht. Wenn wir zurück sind, werde ich mit ihnen sprechen. Ein wenig Hamstisch kann ich ja."

"Hamstisch?" Vim van der Slampe wäre fast von der Bank gefallen. "Das möchte ich sehen, Frido. Lassen Sie uns zurückfahren!"

Während die beiden langsam und gemütlich am Hafen vorbeischlenderten und keine Ahnung von den Dingen hatten, die sich zur gleichen Zeit im Schloss abspielten, war es im Schloss alles andere als gemütlich.

"Dudle, Sie unfähiger Schwachkopf, ich habe doch gesagt, Sie sollen vorsichtig sein, wenn Sie die Fenster zum Putzen öffnen! Sehen Sie mal, was Sie jetzt mit meinem schönen Schloss angerichtet haben!"

"A-aber Sir Schlepper, das war ich nicht, ehrlich nicht! Es hat 'Bumm' gemacht und die Wand war weg!"

"Ganz von alleine, wie, Dudle? Darüber werden wir noch sprechen! Los, holen Sie erstmal Handfeger und Schaufel aus der Küche!"

Finnegan McDudle machte, dass er zur Tür kam, öffnete sie, tat einen Schritt  und war mit einem gellenden Schrei verschwunden. Kopfschüttelnd ging Lord McShredder hinterher, und als er die Tür erreichte, sah er, dass die Treppe fehlte. Sein Blick wanderte über den Hof, und entsetzt musste er feststellen, dass die Mauern des Innenhofes verschwunden waren. Das Einzige, was von seinem Schloss noch stand, schien der Turm zu sein, in dem er sich befand. Ihm wurde schwindelig, und er zog sich so schnell er konnte ins Esszimmer zurück. Dort ließ er sich in seinen Sessel fallen. Im Hintergrund hörte er McDudle verzweifelt rufen, doch das war dem Lord im Moment völlig egal. Was war passiert? Hätte er vielleicht das Schloss doch rechtzeitig reparieren lassen sollen? War es womöglich ein Erdbeben? Zum Glück war niemandem etwas passiert. Dankbar dachte er daran, dass sein Vermögen in der Bank of Scotland in Sicherheit war. All die Schätze, die sie im Keller seines ehemaligen Schlosses von Killichonan gefunden hatten. Der unfähige McClown hatte Recht gehabt, musste jetzt der alte McShredder zugegeben; es war eine gute Idee gewesen, das gesamte Vermögen in Sicherheit zu bringen. Nun gut, vielleicht sollten sie jetzt alle wirklich in ein neues Zuhause umziehen. Etwas gefasster stand der Lord nun wieder auf und ging vorsichtig zur Tür. "McDudle, liegen Sie da nicht so faul herum! Irgendwo am Eingang muss eine lange Leiter herumliegen, also sehen Sie mal zu, dass Sie die finden!"

Ungeduldig beäugte er Finnegan McDudle, der sich humpelnd und jammernd über den Hof schleppte. Dann wandte er sich wieder seiner Pfeife zu, die auf dem Tisch lag und vor sich hin qualmte. Wie lange war dieser McClown schon fort? McShredder blickte auf die große Wanduhr, doch an der Wand hing nichts mehr, dafür lagen auf dem Fußboden die Einzelteile dessen, was einst eine große Wanduhr gewesen war. Wütend stand er wieder auf und brüllte:

"McDudle, sind Sie endlich fertig?"
"Ja!"
"Ja, was?"
"Ja, Sir!"

Kreischend wich McDudle dem Stuhl aus, den der Lord nach ihm geschleudert hatte, und brachte sich hinter einem Schutthaufen in Sicherheit.

"Wo ist die Leiter, McDudle? Ich habe gesagt, dass Sie die Leiter holen sollen!"

"Haben Sie nicht, Mister, Sie haben nur gesagt, ich soll sie finden!"

Ein erneutes Kreischen, gefolgt von einem klagenden Jammern, war in den Ruinen des ehrwürdigen Schloss Dunollie zu hören. Der alte Lord hatte besser gezielt, und diesmal  hatte Finnegan McDudle dem Stuhl nicht mehr ausweichen können. Ächzend erhob sich Finnegan und schleppte sich über den Hof in Richtung Eingangstor, als in diesem Moment der blaue Lastwagen des Holländers durch den Eingang des Schlosses geschossen kam. Schon aus der Ferne hatten Vim und Frido erkannt, dass in dem Schloss während ihrer Abwesenheit etwas Schlimmes vorgefallen sein musste. So schnell er nur konnte war der Lkw-Fahrer über die holperige, enge Zugangsstraße zum Schloss gerast und vollführte nun eine Vollbremsung vor Finnegan McDudle. Nur wenige Zentimeter vor dessen Brust blieb der Lkw stehen, McDudle verdrehte die Augen, sank rückwärts in den Schutthaufen und blieb besinnungslos vor Schreck liegen.

"Der hat sich wohl erstmal ausgedudelt, wie?" fragte van der Slampe, nachdem er aus dem Lastwagen gestiegen war und vor dem bewusstlosen Finnegan stand.

"Das wundert mich aber", entgegnete McClown. "ich hätte nicht gedacht, dass man auch ohne Gehirn bewusstlos werden kann."

"McDudel, wo bleibt die Leiter?" kreischte es in diesem Moment über ihren Köpfen.

Erschrocken, doch erleichtert zugleich, blickte McClown zum alten Lord hinauf und entgegnete: "Einen Moment, Sir, ich hole die Leiter." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Mr. McDudle ist im Moment offensichtlich nicht dazu in der Lage."

Nach wenigen Minuten war die Leiter geholt und aufgestellt, und kurz darauf saßen die drei Männer schweigend am Esstisch. Es war der Holländer, der die Stille unterbrach. "Kann ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein, meine Herren? Vielleicht möchten Sie lieber in eine nahe gelegene Bed and Breakfast-Unterkunft gefahren werden?"

"Wir haben ein Dach über dem Kopf", krächzte der Lord, "und eine wunderbare Aussicht aufs Meer. Vorräte haben wir auch genug. Warum um alles in der Welt sollten wir ausziehen?"

"Vielleicht, weil diese Ruine in den nächsten Tagen einstürzen könnte, Mylord?" grinste der Lkw-Fahrer und zwinkerte McClown verschwörerisch zu.

"Einstürzen? Wenn ich Käse kaufen will, dann frage ich einen Käselieferanten, und wenn ich eine Meinung über mein Schloss haben will, dann frage ich einen Architekten, mein lieber Mr. van der Slampe!" keifte McShredder.

"Er hat aber Recht, Sir", mischte sich nun der Butler ein. "Es ist gefährlich hierzubleiben."

"Schnickschnack, McClown. Es ist immer das Gleiche: Bei der allerkleinsten Schwierigkeit jammern Sie herum! Sehen Sie lieber zu, dass Sie das Abendessen vorbereiten, Vorräte haben Sie nun ja wohl genug!"

"Haben Sie schon einmal einen Blick auf den Nachbarturm geworfen, Sir? Ich meine den, wo sich die Küche befindet?"

"Zu meiner Zeit, McClown, brauchten wir solch einen überflüssigen Schickschnack wie Küche nicht. Ein einfaches Lagerfeuer war alles, was nötig war!"

"Leider, Sir, haben wir auch keinen überflüssigen Schickschnack wie Geschirr und Besteck mehr. Es liegt nämlich unter den Trümmern des Vorratsturms."

"Dann improvisieren Sie, McClown, lassen Sie sich etwas einfallen. Warum muss ich immer alles machen? Ohne mich klappt hier nichts!"

In diesem Moment kam eine völlig verstörte Gestalt die Leiter heraufgekrabbelt und setzte sich verlegen zu den Männern am Esstisch.

"Schön, dass Sie ihre Mittagspause beendet haben, McDudle", rief der Lord. "Es gibt einiges für zu zu reparieren! Sehen Sie zu, dass Sie bis zum Abendessen fertig sind!"

"Aber, aber, Mr. Lord, ich kann da wirklich nichts dafür. Ich habe doch nur ein Fenster geöffnet!"

"Unfachmännisch, McDudle, unfachmännisch und ungeschickt sind Sie vorgegangen! Wie ich schon sagte, sehen Sie zu, dass Sie bis zum Abendessen fertig werden. Wieviel Uhr haben Sie, McDudle?"

"Eine, Mister. Meine Frau sagt immer..."

Es folgte nun eine lange Diskussion, und nachdem Lord McShredder sich die Leiter hinunterbequemt hatte, war auch er überzeugt, dass ein weiterer Verbleib in Dunollie Castle eine unsichere Sache war. Der Vorratsturm war eingestürzt und auch das Nebengebäude war verwüstet. Der Hauptturm war an mehreren Stellen schwer beschädigt, und es war nur eine Frage der Zeit, wann die Decke herunterkommen würde. Der Lord fasste den Entschluss, gleich am nächsten Morgen nach Edinburgh zu reisen und genügend Geld zum Kauf eines neuen Schlosses von der Bank abzuheben. Vim van der Slampe hatte dem Lord angeboten, ihn und McClown mit dem Lastwagen in die schottische Hauptstadt zu fahren, doch McShredder hatte abgelehnt. Es sei eines Lords unwürdig, mit einem stinkenden Käsetransporter zu fahren, denn für einen Adeligen seiner Klasse käme nur ein Pferdegespann in Frage. Frido McClown war zwischendurch in seine Kammer gegangen und hatte einen Riesenschreck bekommen: Die Hamster waren verschwunden! Während er seine Sachen packte, überlegte er fieberhaft, wo die kleinen Nagetiere stecken könnten. Nicht auszudenken, wenn sie sich in der Vorratskammer auf Nahrungssuche befunden hatten! Er musste etwas unternehmen, und so kletterte er die Leiter hinunter in den Hof und sah sich um.  Nach kurzer Zeit hatte er den Hof erfolglos abgesucht, und sein Blick fiel auf das Ausgangstor. Ob die kleinen Tiere die Katastophe vielleicht geahnt hatten? Man erzählt ja soviel davon, dass Tiere Gefahren vorhersehen können. Bei Hamstern war sich McClown zwar nicht sicher, aber ihm war wohler bei dem Gedanken, zunächst einmal vor dem Schloss zu schauen, bevor er unter den Trümmern suchen musste. Eine halbe Stunde später hatte er die immer noch vor Angst zitternden Tiere vor der Gartenmauer des Schlosses gefunden. Überglücklich nahm er einen nach dem anderen auf den Arm.

"Welch ein Glück, dass euch nichts passiert ist! Bestimmt habt ihr das geahnt, dass da ein Erdbeben oder was auch immer kommen würde, ihr kleinen, klugen Tiere! Ich bringe euch jetzt in mein Zimmer zurück und morgen Früh sehen wir weiter." Der Butler hatte inzwischen die Leiter erreicht und stieg nun vorsichtig eine Sprosse nach der anderen hinauf. "Geschafft, meine kleinen Freunde", keuchte er nach der letzten Sprosse, "gleich seid ihr wieder zu Hause, und dann bringt euch Onkel Frido etwas zu essen und dann..."

"Mit wem sprechen Sie, McClown? Und was tragen Sie da in ihr Zimmer?"

Entsetzt blieb der Butler stehen und wagte nicht, sich umzudrehen. Mist, dachte er, der alte Knacker war ja immer noch im Esszimmer. Wenn Frido McClown die Hände frei gehabt hätte, dann hätte er sich selbst geohrfeigt, doch er hatte die Hände voller Hamster und somit nun auch ein Problem.

"Äh, nur alte Wäsche, Sir!"

"Sie sprechen mit alter Wäsche, McClown? Halten Sie mich für bescheuert?"

Die Würde eines Butlers verbot Frido McClown, auf diese Frage zu antworten, und er ging langsam weiter Richtung Zimmer.

"McClown", kreischte der Lord, "kommen Sie her, und stellen Sie das sofort hierher auf den Tisch!"

Der Butler blieb stehen. Was soll’s, dachte er, irgendwann wird er es ohnehin erfahren. Er drehte sich um, ging langsam zurück und setzte die Hamster auf den Esstisch vor den verblüfften Lord McShredder. Es herrschte totale Stille im Zimmer, während Lord und Hamster einander anblickten. Vim van der Slampe und Finnegan McDudle waren ebenfalls nähergekommen und schauten abwechselnd auf die Hamster, auf McClown und auf den Lord. Die Stille im Raum wurde nur durch ein Poltern gestört, als Lord McShredder die Pfeife aus dem Mund fiel. Dann hatte er sich wieder gefasst und krächzte: "Was ist das?"

"Das sind Hamster, Mr. Stecher, die haben wir mitgebracht!"

"Mitgebracht? McDudle, Sie haben die Hamster mitgebracht?"

"Äh, nein. ich eigentlich nicht, Lord Nuss, äh, das war Mr. Wanderlampe."

"Sie müssen irgendwo auf der Strecke nach Amsterdam heimlich zugestiegen sein, vermutlich sogar schon auf einem Rastplatz in Deutschland", erklärte der Lkw-Fahrer.

"Ein Rastplatz an der A9?" keuchte Frido McClown. "Dann sind sind die ganz aus Hamsterhausen gekommen! Sir, ist das nicht wunderbar? Diese lieben, treuen Tierchen..."

"Es ist nur merkwürdig, McClown, dass ich jedesmal ein neues Zuhause brauche, weil jedesmal mein Schloss in die Luft fliegt, wenn diese Tiere in der Nähe sind!"

"Zufall, Sir, reiner Zufall!"

Hätte der alte Lord in diesem Moment auf den Esstisch geguckt, dann hätte er gesehen, wie die Hamster zustimmend mit dem Kopf nickten. Doch er tat es nicht, sondern hob seine Pfeife vom Boden auf und blickte angestrengt auf die Stelle, an der noch vor kurzem eine Wanduhr gehangen hatte. "Also, McClown, Sie werden noch heute nach Ganavan laufen und zum Dunstaffnage Castle gehen. Dort werden Sie vom Baron MacToffee eine Pferdekutsche ausleihen."

"Sir, glauben Sie, dass er uns einfach so eine Kutsche ausleiht?"

"Natürlich, McClown, das muss er. Ein Lord ist etwas Höheres als ein Baron. Erklären Sie ihm, was passiert ist, und dass wir ihm die Kutsche zurückbringen werden."

Während der Butler zustimmend nickte, wanderte der Blick des Alten auf den Esstisch zu den Hamstern. Nachdenklich betrachtete er einen nach dem anderen, als sich blötzlich seine Augen weiteten und ihm erneut die Pfeife aus dem Mund fiel. Mit weit geöffneten Augen starrte er auf Flecki, die sich bereitmachte, notfalls durch einen Sprung vom Tisch zu flüchten. "Die Shu-Münze"1, krähte der Lord, "dieser Hamster hat die Shu-Münze um den Hals gebunden! Gib sie her, mein kleines Tier, komm, gib Papa McShredder die Münze!"

Gierig griff der Lord nach dem Tier, doch Goldi, der direkt neben Flecki stand, hatte die Situation sofort begriffen und biss ihm kräftig in die Hand. Mit einem Schmerzenschrei zog der Alte seine Hand zurück, während die Hamster in das Zimmer des Butlers flüchteten.

"Die Münze, McClown, ich will die Münze!" schrie der Alte während er sich die schmerzende Hand massierte. "Es ist die einzige Münze, die in meiner Sammlung fehlt! Sie ist ein Vermögen wert!"

"Sie sammeln Münzen, Mr. McShredder?" versuchte Vim van der Slampe, die Situation etwas zu beruhigen.

"Ja", stöhnte der Lord, "ich sammele Münzen. Ich bin Numismatiker."

"Das ist aber eine Überraschung, Mr. Killichonan", ließ sich nun McDudle vernehmen. "Ich dachte immer, Sie sind Schotte!"

"Klappe, McDudle", schimpfte der Butler. "Der Lord besitzt eine große Sammlung an Münzen, leider auch solche, die man ausgeben könnte. Sie sind alle im Tresor der Bank of Scotland von Edinburgh."

"Also, ich sammele auch Münzen, Mr. Lord, und meine Frau sagt immer, wenn ich weiter so schön das Geld von den Pfandflaschen sammele, dann..."

"Sir, ich schlage vor, wir lassen die Hamster vorläufig in Ruhe und geben ihnen etwas Futter. Ich werde nun nach Ganavan gehen und die Kutsche besorgen. Später werde ich versuchen, mit den Hamstern zu sprechen."

Der alte Lord nickte zustimmend und hob seine Pfeife vom Boden auf, während sein Butler etwas Brot und Käse aus den mitgebrachten Einkaufstüten holte und es den Hamstern brachte. Dann machte er sich auf den Weg zu dem einen Kilometer entfernten Schloss Dunstaffnage.

"Was wollte der alte Knacker denn mit der Münze?" fragte Bauleiter Murksel und sprach das aus, was alle Hamster im Moment beschäftigte.

"Geldgierig ist der", fauchte Flecki, "der gönnt einem armen Hamster nichts! Übrigens vielen Dank, dass du mich gerettet hast, Goldi!"

"Der tat ja so, als wenn das eine ganz besonders wertvolle Münze ist", rief Teeblättchen.

"Genau, wir sollten sie ihm verkaufen und mal wieder so richtig essen gehen, das würde bestimmt eine fette Nummer werden!"

"Du hast nichts als Fressen im Kopf, Goldi", grinste Flecki, "aber Teeblättchen hat recht. Die Münze von diesen japanischen Touristen scheint wertvoll zu sein."

"Vielleicht sollten wir die Münze verstecken, was meinst du, Bügermeister?" schlug Tuffi vor.

"Öhm, ja, also, da ist ja nun gewissermaßen recht viel passiert in der letzten Zeit. Erst haben wir das Dunollie Dings plattgemacht und nun ist der Lord hinter uns her. Mir schwirrt sozusagen der Kopf, vielleicht sollten wir eine Denkpause einlegen und etwas futtern."

Dieser endlich einmal brauchbare Vorschlag des Bürgermeisters wurde sofort angenommen, und alle stürzten sich auf das Futter. Nur Dodo schien noch zu überlegen.

"Öh, Bürgermeister?"

"Ja, Dodo?"

"Denkpause - heisst das nun: nicht mehr denken oder ausnahmsweise doch mal denken?"

Der Bürgermeister antwortete nicht, sondern starrte nur vor sich hin. Dodo wiederholte seine Frage, doch der Bürgermeister saß weiterhin steif und stumm, hielt ein Stück Brot in der Pfote und starrte ins Unendliche.

"Er macht wirklich 'ne Denkpause", stellte Goldi fest.

"Herr Bürgermeister, huhu, hier sind wir!" rief Dasie und winkte mit ihrer Pfote, doch es folgte keine Reaktion. Ratlos standen die Hamster um den Bürgermeister herum, der unbeweglich wie eine Statue nur dasaß und sich kein bisschen rührte. Mit einem breiten Grinsen trat Goldi hinter ihn und trat ihm kräftig auf den Schwanz. Nichts geschah, und nun begannen die Hamster, sich wirklich Sorgen zu machen. War das eine verspätete Schockreaktion auf die Explosion? War die gesamte Reise zu anstrengend für das Gehirn des Bürgermeisters gewesen? Was war los?

"Wir könnten ihn in kaltes Wasser schmeißen", schlug Hamstilidamst vor.

"Wir müssen behutsam vorgehen, Leute. Gehirnkrankheiten sind eine gefährliche Sache, sogar bei uns Hamstern. Am besten, wir lassen ihn in Ruhe!" entschied der Bauleiter und nahm das Fressen wieder auf. Minute um Minute verging, während die Hamster futterten, und der Bürgermeister starr vor sich hinblickte und sich nicht rührte. Draußen war das Wiehern von Pferden zu hören, und das konnte nur bedeuten, dass es Frido McClown gelungen war, in Ganavan eine Pferdekutsche aufzutreiben. Durch das Fenster war mittlerweile zu sehen, wie die Abendsonne im Meer verschwand, und der Tag langsam zu Ende ging. Die Hamster sprachen kein Wort, alle waren satt, doch ihre Stimmung war gedrückt. Scheinbar waren sie soeben Zeuge geworden, wie es ist, wenn ein hamstisches Gehirn stehenbleibt. Ratlosigkeit füllte den Raum und trübsinnig starrten alle vor sich hin.

"Öhm!"

Schlagartig warfen die Hamster ihre Köpfe herum und blickten in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.

"Ich, äh, liebe Hamsterfreunde, ich freue mich, sagen zu können, die Lösung unserer Probleme präsentieren zu können. Nachdem ich soeben das Für und Wider kurz gegeneinander abgewogen habe, bin ich zu einer Entscheidung gekommen."

Der Bürgermeister lächelte und knabberte ein wenig an dem Brot, das er nach wie vor in der Pfote hielt. Da er von allen Seiten gebannt angestarrt wurde, hielt er es für notwendig, seine Lösung der Probleme ein wenig zu erläutern.

"Nun, äh, meine liebe Freunde, die Sache ist doch ganz einfach: Der Lord will die Dings, äh Münze und wir wollen den Lord. Wenn der Lord die Münze haben will, muss er zu uns nach Hamsterhausen kommen und für einen Tag das McShredder-Monster spielen!"


 

Kapitel 29

Die Abreise

"Na sehen Sie, mein lieber McClown, es war doch überhaupt kein Problem. Wie ich schon erwähnte, ist ein Lord einem Baron weisungsbefugt, und somit habe ich mal wieder für alles gesorgt. Was hat er denn zu der Ehre gesagt, dass er mir helfen durfte, dieser MacToffee?"

"Nun, Sir", entgegnete der Butler und holte tief nach Luft, denn das Lenken einer Kutsche gehörte nicht zu seinen alltäglichen Aufgaben. "Sir MacToffee hat gesagt, dass er froh ist, dass Miss Lisa und George nicht im Schloss waren, als es explodierte, und er ist glücklich, dass ich unverletzt bin. Er bedauert, dass Sie, Sir, keinen Kratzer abbekommen haben, und dass er es weiterhin außerordentlich begrüßt, dass Sie endlich aus der Gegend verschwinden. Ich soll Ihnen weiterhin ausrichten, dass Sie der widerlichste, geizigste..."

"Danke, das genügt, McClown. Die weiteren Worte dieses kleinen Emporkömmlings können Sie sich schenken. Es reicht, wenn Sie jetzt die Pferde versorgen und sich um meine Münze kümmern. Bieten Sie den Hamstern etwas Futter, dann rücken sie bestimmt die Münze heraus!"

"Sir, um die Pferde kümmert sich Vim. Er sagt, dass er in seinem Heimatland schon oft mit Pferden zu tun gehabt hat."

"Prächtig, prächtig, es hat schon Vorteile, einen Käselieferanten im Hause zu haben, der zugleich auch ein Bauer ist. McDudle kann schon mal im Hof ein Lagerfeuer machen, während Sie sich jetzt darum kümmern, dass die Hamster meine wertvolle Münze herausrücken!"

Mit finsterem Blick verließ Frido das Esszimmer und überlegte, wie er die Hamster überzeugen könnte, dem alten Sack die Münze auszuhändigen. Finnegan McDudle aber rührte sich nicht.

"Brauchen Sie eine Sondereinladung, McDudle?" krähte der alte Lord und blickte Finnegan kampflustig an.

"Tja, wenn Sie mich so fragen, Mr. Schlepper, dann hätte ich gerne eine. Was findet denn statt?"

"Ein Lagerfeuer sollen Sie machen", kreischte der Lord und hob drohend seine Pfeife.

"Ach, so, Mister, ich dachte schon, wir feiern ein wenig. Ein Fass aufmachen, Sie wissen schon. Meine Frau sagt zwar immer..."

"Ich will nicht wissen, was ihre Frau meint, McDudle, ich will ein Lagerfeuer haben, klar?"

"Völlig klar, kein Problem, Mister, äh, wie sagten Sie, war ihr Name, Fass oder so?"

"Sir Lord McShredder von Killichonan, Sie Versager. Wenn das Lagerfeuer nicht gleich an ist, stopfe ich Ihnen meine Pfeife in den Hintern!"

"Natürlich, sofort, Mister - äh, womit soll ich denn ein Feuer anmachen?"

"Nehmen Sie diese Stühle!" kreischte der Lord, stand auf, ergriff einen Stuhl und warf ihn nach McDudle. Der jedoch sprang zur Seite und machte, dass er die Leiter hinab kam. Kopfschüttelnd setzte sich der Lord wieder hin und widmete sich seiner Pfeife.

"Was wollt ihr?" Frido McClown hatte sich im Nebenzimmer die Forderungen der Hamster mehrmals angehört und versichert, dass er alles richtig verstanden hatte. Ein Jahrmarkt in Hamsterhausen, einen sogenannten 'Pleasure-Dome', wollten die Hamster bauen. Eine Geisterbahn sollte es ebenfalls geben, und der Lord sollte sich für einen Tag als Gespenst zur Verfügung stellen. Nein, wirklich, was waren diese Hamster abgefahren!

"Das kann ich unmöglich dem Lord McShredder sagen, meine lieben Hamster", seufzte der Butler und blickte in die traurigen Knopfaugen der Hamster. Das tat er eine halbe Minute lang, und dann rief er: "Versuchen werde ich es, meine kleinen Freunde. Für Geld tut der alte Knacker ja gewöhnlich alles."

Es wurde ein gemütlicher Abend am Lagerfeuer, der letzte Abend im Schloss von Dunollie. Essen gab es reichlich, und alle ließen es sich schmecken. Nur Finnegan McDudle hatte einige Probleme mit seinen Fingern, die er sich beim Feuermachen mehrfach verbrannt hatte. Die Hamster saßen ein gutes Stück vom Feuer entfernt, denn keiner hatte Lust, sich das Fell zu verbrennen. Sie diskutierten aufgeregt miteinander. Frido McClown und Vim van der Slampe unterhielten sich angeregt, während Lord McShredder nunmehr schon seit einer Stunde über das nachdachte, was sein Butler ihm erzählt hatte. Einerseits gefiel ihm die Tatsache, als Attraktion einer Geisterbahn aufzutreten, überhaupt nicht. Andererseits würde er die wertvolle japanische Shu-Münze gewissermaßen zu einem Spottpreis erhalten, wenn man lediglich die Fahrtkosten nach Hamsterhausen rechnen würde. Endlich, zu fortgeschrittener Stunde, hatte sich Lord McShredder zu einer Entscheidung durchgerungen.

"Wir werden morgen in aller Frühe nach Hamsterhausen fahren", sagte der Lord leise.

Frido McClown und Vim van der Slampe unterbrachen ihre Unterhaltung und schauten einander bedeutungsvoll an. Die Hamster stoppten ihre inzwischen recht lebhaft gewordene Diskussion und starrten den Lord mit großen Knopfaugen erwartungsvoll an. Finnegan McDudle tat so, als würde ihn das nichts angehen und fischte weiter nach dem Stück Brot, das ihm zum wiederholten Male ins Feuer gefallen war.

"Um das Schloss hier soll sich George kümmern. Ich rufe ihn morgen früh an und sage ihm, dass er alle brauchbaren Sachen in seinen Transporter lädt. McClown, Sie rufen Miss Lisa an und sagen ihr, sie soll bei ihren Eltern bleiben, bis wir ein neues Zuhause gefunden haben. "

"Sir, wenn Sie mir den Hinweis gestatten, das Telefon funktioniert nicht mehr. "

Der Lord seufzte und warf ein Stück Holz ins Feuer. "Dann müssen wir wohl einen Umweg machen und am Kings House Hotel vorbeifahren, McClown. Aber glauben Sie ja nicht, dass ich lange auf Sie warten werde, fünf Minuten werden ja wohl reichen, um Bescheid zu sagen! Und sehen Sie zu, dass Sie die Hamster vernünftig einpacken. Ich habe keine Lust, alle paar Minuten anzuhalten, nur weil eines dieser dummen Tiere aus der Kutsche gefallen ist!"

Finnegan McDudle hatte inzwischen seine Versuche aufgegeben, das Stück Brot aus dem Feuer zu fischen. Gebannt sah er zu, wie es von Minute zu Minute immer schwärzer wurde. Für seine Zukunft sah er ebenfalls schwarz. Sicherlich würde der Lkw-Fahrer ihn ein Stück bis Corran mitnehmen, so dass er problemlos zu Fuß wieder nach Dalelia gehen konnte, doch dann wäre er viel zu früh wieder zu Hause. Ein paar Tage mehr und seine Chancen, dass seine Frau ihm verziehen hatte, würden enorm steigen. "Ah, Mr. Lord", begann er unsicher, "Sie brauchen nicht zufällig einen Führer?"

"Ich kenne dieses Land wie meine Westentasche, McDudle", knurrte der Lord und achtete nicht auf das laute Gackern seines Butlers. "Was sollte ich also mit einem Führer, zudem mit einem, der so blöd ist, dass er nicht einmal in seine eigenen Schuhe findet?"

"Keine Sorge, Mr. McDudle, ich nehme Sie bis nach Corran mit, von dort aus ist es nicht mehr weit für Sie", rief Vim van der Slampe lachend. "Gleich morgen früh fahren wir los. Ich freue mich schon auf die Highlands."

Das Feuer war inzwischen recht weit niedergebrannt und wiederholtes Gähnen der Männer wies darauf hin, dass es nun Zeit wurde, noch ein letztes Mal auszuschlafen, bevor die Reise begann. Während der Lkw-Fahrer das Feuer löschte, trug Frido McClown die Hamster in sein Zimmer. Dort packte er  seine Sachen für den kommenden Tag beiseite, wünschte den Hamstern eine gute Nacht, bevor er seine Nachtischkerze löschte und legte sich schlafen.

"Ich drücke ihm die Pfeife ins Gebiss, ich mache ihn platt wie 'ne Scholle, ich haue ihm..."

"Nun, öh, mein lieber Goldi, vielleicht sollten wir diese Worte nicht so aufnehmen, wie sie abgegeben worden sind. Sicherlich, und mit dieser Meinung stehe ich wohl nicht alleine, ist dem Lord das wohl nur so rausgerutscht, gewissermaßen."

"Mit dieser Meinung stehst du aber alleine, Bürgermeister", mischte sich nun Flecki ein. "Der hat doch tatsächlich gesagt, er habe keine Lust, alle paar Minuten anzuhalten, nur weil eines dieser dummen Tiere aus der Kutsche gefallen ist! Ich protestiere im Namen aller Hamster!"

"Aber, aber, meine lieben Hamsterfreunde, es ist doch von enormer Bedeutung, wenn ich darauf hinweise, dass der Lord ebenfalls erwähnte, dass sein Diener uns vernünftig einpacken soll, damit der wie eben genannte Fall nicht eintritt und..."

Die restlichen Worte des Bürgermeisters gingen im wütenden Protestschrei der Hamster unter. Nun folgte eine laute, stundenlange Debatte, die schließlich zu einer Abstimmung über eine Bestrafung des Lords McShredder führte.

Einstimmig angenommen wurden die Punkte:
- der alte Meckersack hat sich zu entschuldigen
- so geht es nicht
- nicht mit uns.

Mehrheitlich abgelehnt wurden die Punkte:
- wir warten ab
- wir versenken ihn im Meer.

"Und was nun? Machen wir jetzt eine Party?" fragte Dodo, nachdem sich seine Kollegen wieder ein wenig beruhigt hatten.

"Keine Zeit", rief Flecki, "Tati, Teeblättchen, Sasie, Dasie und ich habe nämlich vorhin im Garten ein paar Kräuter und Beeren gepflückt, die wollen wir jetzt sortieren! Davon machen wir uns einen schönen Kräutersalat."

Somit waren die Hamster für diese Nacht beschäftigt, das heißt bis auf einen. Goldi schlich von einem zum anderen und suchte jemanden, der noch ein wenig Lust auf  'einen kleinen Schlossrundgang'  hatte. Leider hatte aber niemand nach diesem Tag Lust auf irgendwelche weitere Katastrophen, und so sah er gelangweilt zu, wie seine Freunde Kräuter und Beeren sortierten.

"Was 'n das für eine?" hörte er Bauleiter Murksel fragen, der sich gerade eine glänzende, schwarze Beere anschaute.

"Schmeiß die lieber weg, das könnte eine Tollkirsche sein", rief Flecki.

"Heißt die so, weil die so toll schmeckt?"

"Quatsch, Dodo, die heißt so, weil man davon ganz toll verrückt wird, wenn man die isst."

Diese Worte Fleckis ließen Goldi aufhorchen, und langsam formte sich eine Idee in seinem Kopf. Der weitere Verlauf der Nacht war nicht sonderlich erwähnenswert, außer der Tatsache, dass irgendwann Goldi und die Tollkirsche verschwunden waren, und irgendwann Goldi wieder auftauchte. Allerdings ohne Tollkirsche, denn die steckte nun unter dem Tabak in der Pfeife des Lords von Killichonan.

"McClown, wo bleibt mein Frühstück? Sind die Sachen schon gepackt? McClown, Sie fauler Geselle, wo bleiben Sie?"

Stöhnend erhob sich der Butler und verfluchte die Tatsache, dass alte Leute weniger Schlaf brauchen. Er warf einen Blick zu den Hamstern und stellte erleichtert fest, dass sie fest schliefen und offensichtlich vollzählig waren. Ihm fiel ein, dass die heutige Prozedur des Frühstücks keine große Angelegenheit werden konnte, denn Geschirr und Besteck waren ja nicht mehr vorhanden.

"Das Brot ist in der Einkaufstasche, und die Butter befindet sich daneben, Sir!" brüllte er so laut, dass die Hamster verwundert aufwachten und sich nach der Ursache der Ruhestörung umsahen.

"Und wo kriege ich einen Kaffee her, McClown? Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht, Sie undankbarer Kerl?"

"Ohne Strom keinen Kaffee, Sir! Wie euer Dreistigkeit bereits festgestellt haben, funktioniert außer dem Telefon auch der Strom nicht mehr!"

Der Butler lauschte angestrengt, doch zu seiner Erleichterung blieb der erwartete Wutausbruch des Alten aus.

"Das ist ja fast wie in Hamsterhausen", lästerte Flecki.

"He, he", protestierte Bauleiter Murksel, "wir reparieren immerhin unsere Stromleitungen selbst!"

"Leute, was ist das:  Es ist schwarz und hängt an der Decke?"

"Keine Ahnung, Goldi, nun sag schon!" entgegnete Flecki.

"Ein schlechter Elektriker!"

Außer dem Bauleiter kringelten sich nun alle Hamster vor Lachen auf dem Boden, als Frido McClown das Zimmer verließ. Sofort folgten ihm die Tiere, denn das konnte nur bedeuten, dass es etwas zu Futtern gab. Bis auf Finnegan McDudle, der noch in einer Ecke lag und schnarchte, saßen bereits der Lord und Vim van der Slampe am Tisch und unterhielten sich.

"Warum sollte das nicht zu schaffen sein, Mr. van der Slampe? Ein Pferd braucht kein Benzin, und Gras gibt es überall! Natürlich wird es ein wenig länger dauern als mit einem Lastwagen. Wir schaffen vielleicht 20 Kilometer in der Stunde und somit bequem 120 Kilometer pro Tag. Bis zur Fähre sind es läppische 450 Kilometer, in vier Tagen sind wie dort. Wo also ist das Problem?"

"Na schön, Lord, aber gönnen Sie den Tieren genügend Ruhepausen."

"Da machen Sie sich mal keine Sorgen, guter Mann, notfalls zieht mein Butler die Kutsche, der hat ohnehin viel zu wenig zu tun."

Frido McClown zwinkerte dem Lkw-Fahrer fröhlich zu, während er es sich ebenfalls am Tisch gemütlich machte und nach dem Brot griff. Nachdem die Hamster ihren Anteil erhalten hatten, aß er selber mit großem Appetit und ließ sich von Vim noch das Eine und Andere über Pferde und ihre Pflege erzählen.

"Frido, Sie müssen das Pferd jeden Abend putzen und zwar beginnen Sie auf der linken Seite des Kopfes und gehen langsam mit langen Bewegungen und leichtem Druck bis zum Schweif."

"Das würde mir auch gefallen", brummte Dodo und seine Freunde grinsten begeistert.

In diesem Moment kam Finnegan McDudle zu sich, stand langsam auf und betrachtete etwas ratlos die am Tisch sitzenden Männer.

"Na, McDudle, Sie glauben nicht, wie froh ich bin, Sie gleich nicht mehr sehen zu müssen", krähte der Lord und zündete sich seine Pfeife an. "Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege nicht so schnell wieder", setzte er hinzu und nahm einen kräftigen Zug von seiner Pfeife.

"Tja, äh, Mister", stammelte Finnegan verlegen, "da haben Sie völlig Recht. Meine Frau sagt nämlich immer: Finnegan sagt sie, also, meine Frau sagt das, müssen Sie wissen, die sagt immer..."

"Interessant, mein Lieber, interessant, bitte erzählen Sie weiter!"

In diesem Moment passierten mehrere Dinge gleichzeitig: Der Butler bekam einen Hustenanfall, weil er sich verschluckte,  dem Lkw-Fahrer fiel das Brot aus der Hand, und die Hamster trauten ihren feinen Ohren nicht. Alle starrten in diesem Moment den Lord an, als hätte er soeben etwas Ungeheueres gesagt.

"Tja, Mister, gerne, äh, wie war noch ihr Name?"

"Nennen Sie mich einfach Mr. McShredder, den Lord können Sie weglassen. Wer braucht schon diese alten Adelstitel."

"Ja, also, Mr. Adel, meine Frau, die sagt also immer: Finnegan, auch ein Dummer hat manchmal kluge Gedanken, aber er merkt es nicht."

"Sehr schön, mein lieber McDudle, wirklich sehr schön!"

"Sir, ist Ihnen nicht gut?" fragte besorgt der Butler und näherte sich dem alten Lord.

"Aber mein Guter, mir geht es prächtig. Ich freue mich schon auf die wunderschöne Reise mit Ihnen!"

In dem geräumigen Esszimmer des ehrwürdigen Dunollie Castle herrschte verwundertes Schweigen. Frido McClown starrte den alten Lord an, der genüsslich an seiner Pfeife zog und den Rauch in den Raum blies. Die Hamster standen auf ihren Hinterpfoten, ließen ihre kleinen Vorderpfoten auf typische Hamsterart herunterhängen und glotzen. McDudle betrachtete seine Fingernägel, und Vim van der Slampe suchte seine letzten Sachen zusammen. Dann erhob er sich, klopfte dem Butler auf die Schulter und nickte dem alten Lord zu.

"So, Mr. Shredder, ich wünsche Ihnen alles Gute. Unsere Wege trennen sich jetzt, und ich hoffe, dass Sie ein schönes, neues Zuhause finden werden."

Nachdem er zu den Hamstern gegangen und jeden von ihnen gekrault hatte, gab er Finnegan ein Zeichen, ihm zu folgen.

"Wie schade, dass Sie schon gehen müssen", krähte der gut gelaunte Lord, "warum kommen Sie nicht mit uns?"

"Das geht leider nicht", lachte der Holländer, "die Highlands warten auf mich!"

"Aber ich, Lord Adelstitel, ich könnte mitkommen!" rief McDudle, der nun seine Chance gekommen sah.

"Prächtig, prächtig, mein Guter, ich bin begeistert. Einen so erfahrenen Führer wie Sie können wir sicherlich gut gebrauchen, nicht wahr, mein verehrter Mr. McClown?"

Der Butler wollte etwas antworten, doch die Tatsache, dass der alte Sack ihn zum allerersten Mal mit 'Mister' angeredet hatte, brachte ihn völlig aus der Fassung. Er wollte protestieren und vorschlagen, lieber einen Sack Zecken als diesen Volltrottel mitzunehmen, doch ihm war in diesem Moment der letzte Bissen Brot regelrecht im Halse stecken geblieben. Er hatte sich verschluckt, und statt einer Antwort hustete der Butler in einem fort.

Froh, den unfähigen Führer losgeworden zu sein, winkte Vim van der Slampe ein letztes Mal in die Runde und machte, dass er fortkam. Kurz darauf war zwischen den Hustenanfällen des Butlers das Motorengeräusch des Lkws und ein mehrfaches Hupen zu hören. Dann war bis auf das Husten und Krächzen des Butlers, der sich krampfhaft an der Tischkante festhielt und nach Luft rang, alles still.

"Mein lieber Mr. McClown, Sie haben so ein ungesunde Gesichtsfarbe, eine Reise wird Ihnen gewiss guttun, also lassen Sie uns jetzt aufbrechen! Sie, mein lieber Mr. McDudle, bitte sind Sie so freundlich und bringen Sie die Sachen, die mein Diener netterweise schon zusammengepackt hat, in die Kutsche. Ich rauche eben meine Pfeife zu Ende, und dann helfe ich Ihnen selbstverständlich!"

Finnegan, der sein Glück nicht fassen konnte, beeilte sich, dieser Bitte des Alten nachzukommen und entfernte sich, so schnell er konnte. Der Butler, dessen Gesichtsfarbe in der Tat bereits auf Lila gewechselt war, hatte sich inzwischen ein wenig von seinem Hustenanfall erholt und stürzte auf den Lord zu.

"Sir, bei allem Respekt, aber wollen Sie es sich wirklich antun, diese unfähige zweibeinige Katastrophe mitzuschleppen?"

"Tss, tss, mein lieber Mr. McClown, Menschen muss man doch gut behandeln, wir sind doch alle Brüder, oder? Nun sind Sie doch bitte so freundlich und setzten Sie diese lieben, kleinen Hamster ganz vorsichtig auf einen sicheren Platz in der Kutsche. Es wäre entsetzlich, wenn ihnen etwas geschehen würde. Ich werde die restlichen Gepäckstücke nehmen, damit Sie die Hände frei haben!"

Frido McClown war wie vor den Kopf geschlagen. Was war mit dem alten Sack los? Es mussten die Spätfolgen des Schocks der Explosion sein, dachte er. Womöglich hatte es den Lord doch mehr mitgenommen, als er jemals zugeben würde. Er warf einen Blick auf die Hamster, die offenbar heftig miteinander tuschelten und diskutierten, und überlegte, in welchen Behälter er diesmal die Tierchen setzten sollte. Ohne weiter nachzudenken nahm er eine der Geldtaschen, in denen der Lord vor wenigen Monaten die Wertsachen nach Edinburgh transportiert hatte und setzte die Hamster vorsichtig hinein. Dann warf er einen letzten Blick in alle Räume und stieg die Leiter hinab. Lord McShredder hatte sich ebenfalls erhoben, nahm die restlichen Gepäckstücke und folgte fröhlich pfeifend seinem Diener bis hin zur Kutsche, in der bereits Finnegan McDudle wartete.

Die Kutsche war zwar in die Jahre gekommen, doch Dank der guten Pflege durch Baron MacToffee war sie immer noch in einem respektablen Zustand. Auch die beiden Braunen, die die Kutsche zogen, standen gut im Futter und schienen sich auf die Fahrt zu freuen, wie an ihrem Gewieher deutlich zu hören war. Vorne über der Deichsel befand sich der Bock, der Sitz für den Kutscher, auf dem notfalls zwei Leute Platz fanden. Dahinter war der Hauptteil des Gefährts, eine große Ladefläche, die wie ein großer Kasten aussah. Dort befand sich bereits der selbsternannte Pfadfinder und betrachtete andächtig ein großes Stück Plane, das sich sauber zusammengefaltet auf der Pritsche befand.

"Diese Plane werden wir aufziehen, wenn es dunkel wird oder falls es regnet", erklärte der Butler.

"Nein, wie originell, was es doch alles gibt", rief der Lord begeistert. "Los, mein lieber Mr. McClown, bitte fahren Sie los. Wo möchten Sie auf unserer ersten Reise übernachten?"

Hätte der alte Lord seinem Butler ins Gesicht sehen können, dann wäre ihm nicht entgangen, dass Fridos Augen weit aufgerissen waren, und er über das gesamte Gesicht strahlte."

"Im Kings House Hotel, Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir!"

"Nun, das wird ein wenig teuer, mein lieber Mr. McClown, aber wenn Sie unbedingt möchten..."

"Versprochen, Sir?"

"Versprochen, mein lieber Mr. McClown! Ein Lord ein Wort!"

Fröhlich schnalzte der Butler mit der Zunge und zog leicht an den Zügeln. Das war das Signal für die Pferde, und sie trabten los. Bereits nach einer halben Stunde hatten sie Dunollie Castle weit hinter sich gelassen. Nachdem sie ein kurzes Stück durch Oban gefahren waren, bogen sie auf eine kleine Seitenstraße ab. Direkt links vor ihnen war nun Mc Caigs Turm, und sie folgten dem Verlauf des Weges durch das Glen Cruitten. Frido McClowns Laune war unbeschreiblich gut, er blickte sich zu seinen Beifahrern um und sah, wie Finnegan interessiert in die Landschaft schaute. Daneben saß der alte Lord, und auf seinem Schoß stand die Tasche mit den Hamstern, die sich aufgeregt unterhielten. 47 Meilen, umgerechnet 75 Kilometer, lagen nun noch vor ihnen bis zu ihrem ersten Ziel.






Kapitel 30

Wieder im Kings House Hotel


Schneller als erwartet erreichten sie den Ort Connel und passierten die Brücke über den Firth of Lorne. Wie Hammerschläge klangen die Hufe der Pferde auf dieser Stahlbrücke. Links war das Meer und rechts das wunderschöne Loch Etive zu sehen. Kurz hinter Benderloch hielten sie eine kurze Rast und ließen die Pferde verschnaufen. Während Frido etwas Wasser für die Pferde besorgte, herrschte bei den Hamstern eine gewaltige Aufregung.

"Nun, öhm, ich denke, meine lieben Hamsterfreunde, die Reise gestaltet sich doch besser als erwartet, und wenn ich einmal bemerken darf..."

"Ist dir schon aufgefallen, Bürgermeister,  dass unser Auto im Lastwagen geblieben ist?" rief Flecki dazwischen. "Das wird jetzt irgendwo durch die Highlands transportiert."

"Na und?" warf Goldi ein. "Dann soll uns doch der Butler tragen. Dann können wir uns nämlich dieses Geblubber von wegen 'wir nehmen den Wagen' ein für alle Mal abschminken."

"Ähem. Da, äh, dieser Punkt auch geklärt ist, liebe Freunde, möchte ich zum nächsten Dings, äh, Punkt der Tagesordnung kommen. Weiß jemand, was mit dem Lord los ist?"

Ratlos schauten die Hamster einander an, nur Goldi stand ein Stück abseits und betrachtete grinsend den blauen Himmel, an dem keine einzige Wolke zu sehen war.

"Na ja", ließ Tuffi vernehmen, "der hat bestimmt von der Explosion irgend etwas abbekommen, so etwas soll es ja geben."

"Vielleicht irgendwelche Spätfolgen", brummte der Bauleiter leise.

"Goldi, wieso grinst du?" fragte nun Flecki argwöhnisch und ging ein paar Schritte auf ihn zu.

"Ich? Äh, haha, ich habe gerade an einen Witz gedacht. Was ist das Gegenteil von Fantasie? Ganz klar, Leute: Cola-du!"

Niemand lachte und Goldi merkte, dass es Zeit wurde, mit den Albernheiten aufzuhören.

"Na schön, Leute, der alte Sack hat uns beleidigt, und dafür habe ich ihm eine von diesen komischen Kirschen in die Pfeife gestopft."

“Öhm, tja, in der Tat eine fragwürdige Bestrafung, meine lieben Hamsterfreunde, und damit sind wir fast am Ende unserer Tagesordnung angekommen und..."

"Ach ja?" protestierte Flecki, "Und was ist, wenn der Kerl wieder normal wird? Das heißt, falls der nach der Tollkirsche überhaupt jemals wieder klar denken kann."

"Ist doch egal. Dann ist er wieder so wie vorher, nur eben noch bescheuerter als jetzt," stellte Goldi fest.

Die Hamster diskutierten einen Punkt der Tagesordnung nach dem anderen durch, bis nur noch zwei Punkte offen waren. Traditionsgemäß handelte es sich um die allgemeine Futterlage und eine eventuelle nächtliche Party. Die Futterlage wurde im großen und ganzen als zufriedenstellend angesehen. Was eine nächtliche Party betraf, so wurde beschlossen, den weiteren Verlauf des Tages abzuwarten. Sollte es tatsächlich eine Übernachtung im Kings House Hotel geben, so wäre dieses ein Grund zu einer Wiedersehensfeier, denn schließlich hatten sie in diesem Hotel bereits einmal übernachtet.1

Gegen Mittag erreichten sie  das Tal von Appin, und kurz darauf hatten sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht. In Portnacroist folgte nun eine längere Pause, und gemeinsam genossen sie den Ausblick auf Castle Stalker.

"Nicht schlecht, das Schloss, was meinen Sie, Sir?"

"Tja, Mr. Butler, meine Frau würde sagen..."

"Ich meinte nicht Sie, Finnegan, ich meinte seine Lordschaft."

"Aber, aber, mein lieber Mr. McClown, lassen Sie uns doch einmal hören, was die verehrte Gattin dieses Herren sagen würde!" Der Lord nickte McDudle aufmunternd zu.

"Tja, äh, Mister, äh. Mister..."

"Lord McShredder, mein guter Mann!"

"Ja, also, mein guter Schredder, meine Frau, also, was die sagen würde? Tja, so genau weiß ich das auch nicht, weil die ja nun nicht da ist, Mister."

Verständnisvoll lächelte der Lord und bekam nicht mit, dass Frido McClown mit der Peitsche auf dem Boden herumklopfte und sich die Haare raufte.

"Ein schönes Schloss, in der Tat, mein lieber Mr. McClown", wandte der Lord sich nun an seinen Butler. "Es gehörte ebenfalls den McDougalls. Wir sollten uns hier aber nicht lange aufhalten, denn hier haben sich die Stewarts von Appin herumgetrieben. Das waren allesamt Räuber, Schmuggler und Hühnerdiebe, recht üble Gesellen. Was meinen Sie, mein lieber Finnegan?"

Bei dem Wort Hühnerdieb war McDudle erschrocken zusammengezuckt. Ihm war klar, dass er  unbedingt einen großen Umweg um Polloch und McKill auf seinem Rückweg machen musste, wenn er nicht eine gewaltige Tracht Prügel kassieren wollte.

"Tja, Mr. Lord, das sind wirklich böse Leute, diese Hühnerdiebe. Aber zum Glück werden die meisten Hühner ja schon als Eier in die Pfanne gehauen, oder?"

Der alte Lord nickte und legte seine Pfeife beiseite.

"Lassen Sie uns weiterfahren, mein lieber Mr. McClown. Wir haben alle Hunger, und je früher wir im Hotel sind, desto besser!"

"In Ordnung, Sir", antwortete der Butler, "bitte setzen Sie sich alle bequem hin!"

Es knackte kurz und laut, und Finnegan McDudle stand wieder auf und sah den Lord verlegen an.

"Tja, Mister, das tut mir leid. Soll ich Ihnen die Pfeife bezahlen? Ich meine, sobald ich wieder Geld habe, Mr. Ness, ich meine, sobald ich wieder zur Arbeit gehe. Meine Frau sagt immer..."

"Sir, soll ich den Kerl kurz vor Glencoe rausschmeißen? Von dort aus hat er es nicht mehr weit!"

"Aber mein lieber Mr. McClown, Sie hören doch, dass es ihm leid tut", sprach McShredder. "Also, mein lieber Finnegan, was sagt ihre Frau denn, wenn Sie zur Arbeit gehen?"

"Tja, also, so genau weiß ich das auch nicht, was sie meint, aber sie sagt immer: Die Sonne lacht, die Sonne sticht, der Doofe muss zur Mittagsschicht."

"Reden Sie einfach weiter, McDudle, irgendwann wird schon etwas Sinnvolles dabei sein", rief Frido, dem das Gerede des Friedhofswärters inzwischen mächtig auf den Keks ging. Er setzte sich wieder auf seinen Kutschersitz und trieb die Pferde zum Weitertraben an.

Auch die Hamster hielten sich fest, um nicht durcheinanderzupurzeln.

"He", rief Hamstilidamst, "der Alte raucht nicht mehr, weil seine Pfeife ja kaputt ist!"

"Das wird auch Zeit", schimpfte Flecki, "dieser schreckliche Gestank war ja nicht mehr auszuhalten. Mal sehen, wie lange die Wirkung der Tollkirsche noch anhält. Wenn das mal bloß gutgeht, was du da wieder angestellt hast, Goldi!"

"Man wird doch mal einen kleinen, winzigen Scherz machen dürfen", verteidigte sich Goldi.

"Scherz? Das hätte so etwas von daneben gehen können, ich hoffe, das ist dir eine Lehre!"

"Wir haben bestimmt etwas daraus gelernt", meinte Dodo, "denn man muss ja aus den Fehlern anderer lernen, denn kein Hamster hat so viel Zeit in seinem Leben, alle Fehler selbst zu machen, oder?"

Die Fahrt ging weiter am Loch Linnhe, und nach einer Stunde hatten sie den nördlichsten Punkt ihrer Reise erreicht. In der Ferne war die Fähre, die zwischen Ardgour und Corran fuhr, deutlich zu erkennen. Plötzlich räusperte sich Lord McShredder.

"Sagen Sie mal, McClown, wieso ist meine Pfeife kaputt?"

Der Butler gackerte leise und antwortete: "Das, Sir, fragen Sie wohl besser ihren lieben Finnegan."

"McDudle?"

"Ja, mein lieber Lord Schlecker?"

"Für Sie immer noch Sir Lord McShredder von Killichonan, Sie Bauer! McClown, wessen Idee war es, diese zweibeinige Katastrophe mitzuschleppen?"

"Nun, Sir, es war mit Verlaub die ihrige Idee."

"Unmöglich, McClown! Wer ersetzt mir jetzt meine Pfeife, McDudle?"

"Äh, Mr. Sir Klecker, ich, äh, habe leider kein Geld bei mir."

"McShredder heißt das, Mann! Wieso haben Sie kein Geld?"

"Nun, Mr. McKillichonan, das liegt bei uns in der Familie, wissen Sie? Wenn die Nachkommen der Vorkommen mit dem Einkommen der Vorkommen nicht auskommen, so werden sie alle verkommen, und deshalb habe ich kein Geld, Mister."

"McClown, schmeißen Sie dieses verkommene Subjekt sofort raus!"

"Sir, darf ich vorschlagen, ihn bei der nächsten Abzweigung nach Onich rauszuschmeißen? Dann sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Fähre. Sie kennen den Weg sicherlich auch noch, Sir."

"In der Tat, McClown und ich erinnere mich noch gut an diese beiden Tiere, diese brutalen Müllmänner.1 Vielleicht läuft McDudle den beiden ja über den Weg, dann haben sie etwas zum Spielen."

Finnegan McDudles Stimmung sank auf den Nullpunkt. Natürlich musste er damit rechnen, den Heimweg wieder antreten zu müssen, doch er hatte gehofft, wenigstens noch eine warme Mahlzeit abstauben zu können. Andererseits könnte er ja noch einen Abstecher zu seinem Schwager nach Inversanda machen und mit etwas Glück dort noch ein paar Tage bleiben. Es blieb nur zu hoffen, dass seine Frau nicht zufällig bei dem Schwager angerufen hatte, denn in dem Falle wäre es mehr als unwahrscheinlich, dass ihm überhaupt die Tür geöffnet werden würde. Und dann, tja, was wäre dann?

"Äh, Sir, Mister Lord, wie wäre es denn mit einer kleinen Einlage für meine Auslagen? Ich meine, weil ich nun ja mit der Fähre weiter muss und..."

"Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Corran-Fähre für Fußgänger kostenlos ist, McDudle. So, ich glaube, dort vorne geht es nach Onich, bitte halten Sie, McClown, und lassen Sie diesen Vogel zu Fuß weitergehen!"

Missmutig stieg Finnegan aus und verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verbeugung vom alten Grafen. Dann blickte er noch ein letztes Mal in die Tasche mit den Hamstern und trabte weiter zu McClown, der ihm zum Abschied die Hand hinstreckte.

"Tschüß, Mr. Frodo!"

"Tschüß, Finnegan. Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf:  Vermeiden Sie die Gastwirtschaft in Onich!"

Etwas verdattert zog McDudle seine Hand wieder zurück und stellt mit Freuden fest, dass sich darin ein Geldschein befand. Es war ein großer Teil des Geldes, das der Butler von seinem Einkauf in Oban übrig behalten hatte. Als die Kutsche weiterfuhr, winkte Finnegan McDudle ihr noch lange hinterher, bis sie in der Ferne hinter einer Bergkuppe verschwand. Dann ging er fröhlich pfeifend seines Weges.

"McClown, Sie werden sich doch nicht lange im Hotel aufhalten, oder?"

"Doch, Sir, ich werde dort wie von Ihnen versprochen übernachten."

"Ich, MCclown, habe nichts versprochen!"

"Doch, mit Verlaub, Sir, das haben Sie. Ein Lord ein Wort, wenn ich Sie zitieren darf. Natürlich drehe ich gerne um, und wir befragen Mr. McDudle dazu, denn der...."

"Ist ja schon gut, McClown, fahren Sie weiter!"

Zufrieden wandte sich der Butler wieder nach vorne und blickte auf die vielbefahrene A82, die nun durch das atemberaubende Glencoe führte. Vorbei ging es an der majestätischen Bergkette der Three Sisters bis hin zum Pass of Glencoe. An einer Baustelle mussten sie ein wenig warten und betrachteten beim Weiterfahren belustigt den Beifahrer eines roten Opels, der dem Fahrzeug, in dem sich seine Familie befand, verzweifelt hinterherlief. In seiner Hand trug er eine Kamera, und scheinbar hatte er die Wartepause an der Ampel ein wenig zu ausführlich zum Photographieren genutzt. Nur wenig später passierten sie den Westhighland-Weg, der an dieser Stelle direkt zu 'den Stufen des Teufels' führt. Mit Schaudern dachte der Butler zurück an die Nacht, in der sie diese Stelle passiert hatten. Erleichtert folgte Frido McClown einem kleinen Seitenweg, denn inzwischen waren die Pferde schon recht unruhig von dem lauten und dichten Verkehr geworden.

"Passen Sie auf, McClown, dass Sie da vorne nicht geradeaus fahren", krächzte der Lord. "Sonst landen wir wieder bei diesem bescheuerten McPomm!"1

Aufgeregt lenkte der Butler die Pferde geradeaus weiter, und nun erschien auf der rechten Seite ein langgestrecktes, weißes Gebäude mit einem schwarzen Dach. Sie bogen in eine breite Seitenstraße, überquerten eine kleine Brücke und sahen beim Näherkommen das große, hölzerne Eingangsschild des Hotels. Durch den Hufschlag der Pferde blieb ihre Ankunft natürlich nicht unbemerkt. Kaum hatte McClown die Pferde zum Stehen gebracht, da wurde die Eingangstür des Hotels aufgerissen, und Lisa McGyer kam zur Tür herausgestürmt, das heißt, sie wäre fast herausgestürmt, wenn sie nicht mit ihrer Schürze am Türgriff hängengeblieben wäre. Ein spitzer Schrei, ein lautes Ratschen und sie lief weiter auf den Butler zu und umarmte ihn.

"Frido, was machst du denn hier? Seit wann kannst du eine Kutsche lenken?" Sie drehte sich zum alten Lord um, stemmte ihre Hände in die Hüfte und rief: "Ach, sieh an! Mr. McGeizistgeil ist auch dabei! Na, dann kommt mal herein!"

Frido McClown nahm die Taschen mit den Hamstern, während Lord McShredder die Reste seiner Pfeife einsammelte. Lisa McGyer wies einen der Bediensteten an, sich um Pferde und Kutsche zu kümmern. Dann gingen alle drei in das Kings House Hotel, in dem sie von dem Hoteldirektor, Mr. McGyer, begrüßt wurden. Der alte Herr lächelte Frido freundlich zu, doch den Lord grüßte er nur mit einem matten Kopfnicken. Dann entfernte er sich und überließ seiner Tochter das Feld, wohl wissend, dass sie dem Lord durchaus gewachsen war.

Kurz darauf saßen alle drei in einer gemütlichen Ecke im Empfangsraum, und der Butler erzählte all das, was sich in den letzten 24 Stunden an aufregenden Dingen ereignet hatte. Fasziniert lauschte Lisa der Geschichte, doch weder ihr noch dem Butler war auch nur annähernd klar, was den geizigen Lord dazu gebracht hatte, eine Übernachtung im teuren Kings House Hotel zu spendieren. Noch lange saßen die drei zusammen und diskutierten über die weitere Zukunft und den möglichen Standort eines neuen Schlosses. Zwischendurch lief Lisa in die Küche und schaffte es im zweiten Versuch, etwas Essbares heil auf den Tisch zu bringen. Während ein Bediensteter des Hotels die Reste des ersten Versuches vom Teppichboden entfernte, ließen die drei es sich schmecken und vergaßen auch die Hamster nicht. Die Sonne war inzwischen längst hinter dem Horizont verschwunden, und die Pausen zwischen den Gesprächen wurden immer länger. Nachdem sie sich vom Sturz über einen Treppenabsatz wieder aufgerappelt hatte, zeigte Lisa McGyer dem Lord und seinem Butler die Zimmer, in denen sie die Nacht verbringen sollten. Natürlich bekam Frido das schönste Zimmer.

 

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Figurprobleme

Kapitel 31

Wasserschäden

Frido McClown war mit sich und der Welt zufrieden. Soeben hatte er sich in sein gemütliches Bett gelegt, nachdem er mit Lisa zu Abend gegessen und anschließend mit ihr einen langen Spaziergang gemacht hatte. Ein paar Kekse für die Hamster hatte er ebenfalls dabei, doch als er einen Blick in die Tasche warf, stellte er fest, dass die kleinen Tiere immer noch friedlich schliefen. Von dem Lord hatte er fürs Erste nichts zu befürchten, denn der lag schon in seinem Zimmer und schnarchte, wie sich McClown bereits versichert hatte. Zuvor allerdings - so berichtete das Hotelpersonal - hatten sich wüste Szenen abgespielt, nachdem der alte Lord festgestellt hatte, dass sein Butler und Lisa ihn so schmählich alleine gelassen hatten. Zufrieden räkelte sich Frido und wollte gerade das Licht löschen, als er hochschreckte und sich umsah. Er sprang aus seinem Bett und lief zu der Tasche, in der sich die Hamster befanden. Erleichtert atmete er auf, nahm die Tasche, ging in das geräumige Badezimmer und stellte sie in die Badewanne. Er warf einen Blick auf die Hamster, die ihn fragend ansahen.

"Nicht, dass ich euch nicht traue, meine kleinen Freunde, es ist nur so, dass in letzter Zeit einige rätselhafte Dinge passiert sind. Wir wollen doch nicht, dass heute Nacht etwas Merkwürdiges passiert. Hier in der Badewanne seid ihr sicher, und kein schottischer Geist kann euch etwas antun."

Er lachte über seinen Witz und legte sich schlafen. Kurz darauf war nur noch sein leises Schnarchen und das aufgeregte Fiepen der Hamster zu hören.

"Was meint der damit, dass merkwürdige Dinge passiert sind?"

"Da mach dir mal keine Gedanken drüber, Tuffi", knurrte Bauleiter Murksel, "wir kriegen doch immer die Schuld, wenn mal was schiefgeht."

"Genau", fauchte Goldi, "immer auf die Kleinen, Wehrlosen!"

"Aber die größte Schweinerei ist ja wohl, dass der uns in die Badewanne gesperrt hat. Das ist Isolationshaft, jawohl! Das ist ein Fall für den Tierschutzverband!"

"Können die uns denn hier rausholen?" fragte Dodo die schimpfende Flecki.

"Und was ist nun mit unserer Party?" riefen Dasie und Sasie enttäuscht.

"Nun, äh, meine lieben Hamster", räusperte sich jetzt der Bürgermeister, der den Zeitpunkt für eine beruhigende Rede gekommen sah. "Unsere Dings, äh, Lage ist doch prima. Wir wissen sozusagen zwar nicht, was wir wollen, aber wir sollten voll und ganz dahinterstehen, wenn ihr wisst was ich meine, äh, meint zu wissen, oder so."

"Wir sollten mal sehen, dass wir hier ganz schnell rauskommen, eine ganze Nacht mit der Bürgermeistersülze ertrage ich wirklich nicht."

"Und was schlägst du vor, Flecki?" fragte Hamstilidamst.

"Woher soll ich das wissen? Bin ich ein Bauleiter, der sich mit Badewannen auskennt?"

Bauleiter Murksel betrachtete die steilen Wände der Badewanne und klopfte fachmännisch dagegen. Dann untersuchte er Zentimeter für Zentimeter die Beschichtung, ließ ein wissendes "Ah, ja!" ertönen, gefolgt von einem "So, so!". Dann untersuchte er den Abfluss, nickte mit dem Kopf und zog mehrfach an dem Stöpsel, wobei er mit strahlender Miene ein "Aha, also doch!" von sich gab. Dann legte er den Kopf auf den Boden der Wanne und klopfte mehrmals mit seiner Pfote an verschiedenen Stellen. Dann lächelte er fröhlich und sagte: "Na also, das habe ich mir doch gleich gedacht!"

"Was?" riefen die Hamster aufgeregt im Chor.

"Wir kommen hier nicht raus."

Ein vielfaches "Ooooh" ertönte nun, und alle ließen sich enttäuscht auf dem Boden nieder.

"Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, hier rauszukommen", rief Flecki. "Was sagt denn Superhamster dazu?"

"Ohne Sprengstoff wird das schwierig, da bleibt nur der Abfluss."

"Der Abfluss?"

"Ja, einer von uns müsste da reinklettern. Irgendwo kommen ja alle Abflüsse zusammen und wenn wir die Stelle verstopfen, dann wird das Wasser wieder hochkommen. Irgendwann ist diese Badewanne voll und wir können herausklettern!"

Nachdem die begeisterten "Superhamster, Superhamster!"-Rufe verstummt waren, hakte Flecki nach: "Und wer soll da reinsteigen?"

"Tja", grinste Goldi, "das muss schon ein Klempner machen.“

Nun sahen alle zum Bauleiter hin, der verlegen an die Wand der Badewanne klopfte und mächtig zu schwitzen begann.

"Öh, wir haben kein Werkzeug zum Öffnen des Abflusses..."

"Die Tasche hat einen Reißverschluss, wenn wir den Schieber abmachen, können wir den als Schraubenzieher nehmen, und die Schraube, die das Abflusssiel hält, einfach abschrauben!"

"Danke, Tuffi, vielen Dank", brummte Murksel genervt. "Wir haben aber nichts zum Verstopfen des Rohres!"

"Doch, Chef, wir rupfen die Tasche auseinander und schieben dir die Fetzen durch das Rohr nach unten. Du brauchst sie dann nur zusammenzuknoten und..."

"Tuffi, ich bin dir sowas von dankbar", knurrte der Bauleiter, "ich könnte dich..."

"Geht das jetzt los, oder was?" rief Flecki, kletterte auf die Tasche und fummelte an dem Schieber des Reißverschlusses. Nachdem ihr Teeblättchen und Hamstilidamst zu Hilfe gekommen waren, gelang es ihnen, das Teil zu lösen. Gemeinsam mit Dodo öffnete nun Bauleiter Murksel den Abfluss. Sasie, Dasie, Flecki und Tati rissen ein paar große Stoffstücke aus der Tasche, während Murksel ängstlich in das Abflussrohr kroch.

"Nur Mut, mein lieber Bauleiter!" rief der Bürgermeister hinterher. "Ganz Hamsterhausen steht hinter dir, wenn ich das einmal so sagen darf."

Ein hohler, dumpfer Ton, der wie ein Fluchen klang, kam als Antwort aus dem Abflussrohr zurück.

"Nur Mut, Bauleiter, Schwimmen macht schlank!"

"Öh, Goldi", kam die nachdenkliche Stimme von Dodo, "Wenn Schwimmen schlank macht, was machen dann Blauwale falsch?"

"Das kommt bestimmt daher, weil die sich vorwiegend im Salzwasser herumtreiben, Dodo, und das hat zuviel Auftrieb. Wenn die nur im Süßwasser schwimmen würden, dann wären die auch schlanker."

Während Dodo zufrieden abzog und den merkwürdigen Tönen aus dem Abfluss lauschte, kletterte Goldi zu Sasie, Dasie, Flecki und Tati, die die Tasche zerrupften und rief: "Wir sollten den Boden der Tasche nachher als Boot benutzen, denn der ist aus Pappe und schwimmt bestimmt gut!"

"Ach, ne, seit wann hast du denn mal eine vernünftige Idee, Goldi?" lästerte Flecki, "irgendwo muss da doch ein Haken sein."

Bevor Goldi antworten konnten, wurden sie auf laute Geräusche, die vom Abfluss her kamen, aufmerksam.

"Ich glaube, der Bauleiter ruft irgendetwas", stellte Tuffi fest, "aber er redet so undeutlich."

"Ich würde sagen, das klingt eher nach dem Blubbern von Wasser", mischte sich Trampel ein, "bestimmt macht er Fortschritte."

"Tja, meine lieben Freunde, wie ich schon immer gesagt zu meinen habe, wir Hamster lassen uns durch nichts und niemanden aufhalten. Wie ich schon in einer meiner früheren Reden immer wieder...." Der Bürgermeister unterbrach seine geistreiche Bemerkung und starrte auf den blubbernden Abfluss, in dem etwas Braunes, Pelziges zu sehen war. Er brachte gerade noch ein "Was 'n das?" hervor, dann folgte ein lautes 'Plopp', und der Bauleiter flog kreischend durch die Luft. Zugleich fegte ein kräftiger Wasserschwall den Bürgermeister mit solcher Wucht in den hinteren Teil der Badewanne, dass es ihm wohl sämtliche Knochen gebrochen hätte, wenn er nicht weich auf Trampel gelandet wäre. Fasziniert folgten nun die Hamster der Flugbahn des Bauleiters Murksel: Fast hätte er die Decke erreicht, dann nahm er Kurs auf den Wasserhahn der Badewanne, klatschte mit einem hässlichen Geräusch und mit lautem Quieken auf und klammerte sich verzweifelt an dem rutschigen Hahn. Einen Moment sah es so aus, als könnte er sich festhalten, doch unter den enttäuschten "Ooooh"-Rufen der Hamster verlor er den Halt und fiel mit einem Klatscher in die Badewanne zurück, die sich inzwischen mehr und mehr mit Wasser füllte.

"Gut aufpassen, Dodo, hier siehst du mal einen echten Klempner bei der Arbeit."

"Ehrlich, Goldi, ich hätte nicht gedacht, dass das so aufregend ist."

"Nicht wahr? Manche behaupten ja, dass jeder Einsatz unseres Bauleiters ein Abenteuer ist", grinste Goldi.

Der Bürgermeister war inzwischen zu Murksel gewatschelt und gratulierte ihm zu seiner erstklassigen Arbeit, doch der war noch nicht wieder so richtig ansprechbar, sondern lag nach wie vor in dem recht schmutzigen Wasser, das nun langsam aus dem Abflussrohr herausquoll.

"Iiiiih", war der Schrei Fleckis zu hören, "seht euch doch mal diese Drecksbrühe an! Mein Fell kriege ich nie wieder richtig sauber!"

"Jammer nicht rum, sondern komm an Bord", rief Goldi, der es sich inzwischen auf dem ehemaligen Boden der Tasche bequem gemacht hatte. Das brauchte er nicht zweimal sagen, denn nun stürmten alle auf den Pappdeckel zu und machten es sich bequem. Als Letzte kamen der Bürgermeister und Tuffi, die dem sichtlich angeschlagen Bauleiter Murksel halfen, an Bord zu steigen. Gespannt verfolgten nun alle, wie das Wasser in der Badewanne ganz langsam höher und höher stieg.

"Meine lieben Hamster, ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass alles weiterhin nach Plan läuft. Wieder einmal haben wir Hamster gezeigt, dass wir auch unter schwierigen Bedingungen Lösungen und Probleme finden, äh, lösen, sozusagen."

"Wirklich toll, wir schwimmen auf einer Pappe in einer Drecksbrühe und warten, dass die Party losgeht", flüsterte Teeblättchen und Goldi grölte: "He Leute, da fällt mir ein Witz ein: Was ist gelb und kann nicht schwimmen? Ein Bagger! Und warum kann er nicht schwimmen? Weil er nur einen Arm hat, ha, ha!"

Stunden später war den Hamstern nicht mehr so richtig zum Lachen zumute. Die Badewanne war erst zur Hälfte gefüllt und ihr Boot hatte sich bereits aufgelöst. Jeder Hamster klammerte sich nun verzweifelt an einem kleinen Stück Pappe und schaute fragend zum Rand der Badewanne, der allerdings in unerreichbarer Ferne schien. Inzwischen war es hell im Badezimmer geworden, denn die Sonne war aufgegangen und signalisierte, dass der Tag begann.

"Das war’s wohl mit der Party", schimpfte Flecki und sah den Bürgermeister böse an. "Schwierige Bedingungen und Lösungen finden, ha!"

"Öhm, wir haben getan, was wir konnten, aber mehr war nicht drin, wenn ich das so einmal sagen darf. Lediglich der Bauleiter hätte vielleicht ein bisschen mehr Sorgfalt walten lassen können und..."

"Noch ein Wort von dir, Bürgermeister und ich fresse dein Stück Pappe auf!" brüllte nun Bauleiter Murksel und machte Anstalten, auf den Bürgermeister zuzuschwimmen. In diesem Moment erstarrten die Hamster vor Schreck. Es klopfte an der Tür! Nachdem ein müdes 'Ja' des Butlers als Antwort erklang, war die Stimme von Lisa zu hören:

"Guten Morgen, Frido, das Frühstück wartet auf dich!"

"Ist gut, Lisa, danke. Ich komme in wenigen Minuten!"

Gähnend reckte sich Frido McClown und setzte sich aufrecht hin. Endlich wieder ein richtiges Frühstück! Er freute sich auf diesen Tag, obwohl er natürlich nun wieder für ein paar Tage Abschied von Lisa nehmen musste. Gestern hatte sie ihm noch versprochen, gleich heute Mittag bei George anzurufen und ihm das Neueste mitzuteilen. Bestimmt würde der sich vor Lachen nicht mehr halten können. Grinsend stand der Butler auf und ging ins Badezimmer. Im ersten Moment war er sich nicht ganz sicher, ob er vielleicht doch noch im Bett lag und träumte, als er die Bescherung in der Badewanne sah. Dann kniete er neben der Badewanne nieder, blickte auf die unglücklich im dreckigen Wasser treibenden Hamster und sagte:

"Also wirklich, manchmal habt ihr echt kranke Ideen. Lasst mich raten: Ihr macht ein Wettschwimmen um den Sonnenblumenkernpokal? Nein? Wolltet ihr ein Moorbad und hattet nicht genug Moor gehabt?"

Er lachte laut über sein Wortspiel und ging zum Waschbecken, um sich frisch zu machen. Schnell stellte er fest, dass irgendetwas mit dem Wasserablauf nicht klappte, als es wieder an der Tür klopfte.

"Ja, Lisa, ich komme gleich!" rief er ein wenig verärgert.

"Sir, hier ist der Zimmerservice. Wir haben scheinbar einen Rohrbruch oder etwas Ähnliches, bitte benutzen Sie weder Wasserhähne noch Toiletten. Unter der Treppe zum Eingangsportal befindet sich noch eine intakte Toilette, die können Sie benutzen! Vielen Dank für ihr Verständnis, Sir. Wir bemühen uns, den Schaden schnellstens zu reparieren. Ein guten Tag noch!"

Frido McClown bedankte sich für die Information, nahm ein Handtuch und befreite die Hamster aus ihrer unglücklichen, feuchten Lage. Er setzte sie auf einen flauschigen Teppich und wickelte vorsichtig das Handtuch um sie herum. Große Knopfaugen, die von durchnässtem, struppigem Fell umgeben waren, blickten ihn dankbar an. Dann zog er sich an, nahm seine Waschutensilien und verließ den Raum.

"Tja, das war’s wohl mit der Party. Wenigstens hat uns der nette Butler gerettet", brachte Trampel die Sache auf den Punkt.

"Das war echt nett von ihm", stimmte Dodo zu. "Wir haben heute Nacht zwar viel gemacht, aber was wir gemacht haben, war nicht zu gebrauchen."

"Ich sag mal: Schwamm drüber, Leute. Wenn wir die Klappe halten, erfährt keiner was davon und das ist das Beste“, ergänzte Murksel.

In diesem Moment betrat McClown das Zimmer wieder, packte seine Waschutensilien auf die Badezimmerkonsole und legte ein paar Kekse vor die Hamster.

"Mit schönen Grüßen von Miss Lisa", lachte er. Dann verließ er das Zimmer und ging nach rechts über den Flur bis hin zu dem großen Esszimmer, von dem aus in der Ferne der Berg Buachaille in seiner ganzen Größe zu bewundern war. Der Lord saß bereits am Tisch und trug einen gelangweilten Gesichtsausdruck, während er mit dem Salzstreuer spielte.

"Schön, dass Sie mich auch beehren, McClown, dann wird Miss Lisa vielleicht doch mal darauf aufmerksam, dass ich bereits am Verhungern bin."

"Haben Sie gut geschlafen, Sir?"

McShredder antwortete nicht, sondern nickte nur und spielte weiterhin mit dem Salzstreuer.

"Ist es nicht erstaunlich, McClown, wie die es immer wieder schaffen, das Salz durch die engen Löcher nachzufüllen?"

Diesmal war es der Butler, der nicht antwortete, sondern nur verblüfft den Kopf schüttelte. In diesem Moment trat Lisa McGyer an den Tisch.

"Ich hoffe, Frido", sagte sie lächelnd, "du hattest keine Unannehmlichkeiten wegen des Wasserschadens."

"Wasserschaden?" krähte der Lord, "wieso habe ich davon nichts mitbekommen? Wieso sagt mir keiner etwas?"

"Nun, Sir", antwortete McClown, "das liegt wohl daran, dass Sie nie auf Klo gehen, weil Sie Wasser sparen wollen!"

"Stimmt", rief Lisa, "das habe ich auch schon im Schloss bemerkt. Seine Geizheit geht nämlich immer auf das Nachbargrundstück um zu ..."

"Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie hier keine vertraulichen Interna ausplaudern würden!" fauchte der Lord leicht angesäuert. "Ich mache es eben wie in der guten, alten Zeit, als Wasser knapp war!"

"Es hat aber auch seine Vorteile", grinste der Butler, "wir haben dadurch wenig Fliegen und Midges im Schloss. Sir, stimmt es eigentlich, dass McToffee deswegen neulich mit dem Schrotgewehr auf Sie geschossen hatte, als Sie ..."

"Alles Lügen, McClown. Ich hatte mich versehentlich auf Reißzwecken gesetzt, die Sie haben rumliegen lassen!"

Grinsend schauten Lisa und Frido einander an, dann fragte sie: "Das übliche Frühstück mit Ham and Eggs sowie Kaffee?"

"Gerne, Lisa!"

"Und ich hätte gerne Toast mit Marmelade und Tee!"

"Ich fürchte, euer Hochwohlvergoren, solche ungewöhnlichen Wünsche dauern ein klein wenig länger!" entgegnete Lisa McGyer schnippisch, drehte sich um und landete scheppernd und krachend im Nachbartisch.

"Ist es eigentlich wahr, McClown", flüsterte der Lord, "dass sämtliche Schilder mit der Aufschrift 'ruhige Lage' jedes Mal entfernt werden, sobald Miss Lisa hier arbeitet?"

Nach einer Stunde waren beide mit dem Frühstück fertig, und auch der Lord hatte nach einigen kleineren Hindernissen, wie Teppichfalten und Türpfosten, sein Frühstück erhalten.  

"Sir, soll ich die Kutsche und das Gepäck fertigmachen?"

"In Ordnung, McClown, ich werde mich mal umziehen gehen", entgegnete der Lord und sah betrübt auf seine Kleidung, die nach Lisas letztem Sturz voller Marmelade und Tee war.

"Vergessen Sie nicht zu bezahlen, Sir", rief der Butler und machte, dass er wegkam, denn schon näherte sich Lisa McGyer, legte einen Zettel mit vielen Zahlen vor McShredder hin und sagte: "Wollen Sie erst einen Blick auf die Rechnung werfen, oder soll ich gleich die Polizei rufen, euer Lordschuft?"1

Nach einer weiteren Stunde stand die Kutsche startbereit vor dem Hotel, und Frido McClown nahm von Lisa McGyer Abschied. Dann setzten sich die Pferde in Bewegung, und es ging weiter durch das grandiose Glencoe.

Lord und Butler waren zufrieden, sie hatten eine angenehme und ruhige Nacht verbracht, waren ausgeruht und guter Dinge. Vor ihnen lagen 375 km, und der Lord hatte sich noch nicht entschieden, wo sie die nächste Nacht Station machen würden.

Lisa McGyer fegte gerade in diesem Moment das Geschirr zusammen, dass ihr beim Abwasch über die Tischkante gerutscht war. Sie sah kurz auf den Kalender und stellte fest, dass die Urlaubszeit in 11 Tagen vorbei sein würde. Sie war gespannt, in welches neue Zuhause sie dann mit Frido McClown ziehen würde.

Die Hamster waren nicht so guter Stimmung, insbesondere Bauleiter Murksel hatte eine saumäßige Laune und schimpfte ständig mit Tuffi herum. Wenigstens die Kekse und die Nüsse, die ihnen der Butler vor der Abreise gegeben hatte, hob die Laune der kleinen Tiere etwas an. Allerdings fand sich die Mehrheit der Hamster in ihrer persönlichen Würde gekränkt, dass sie nun in einem ausgedienten Karton leben mussten, in dem bisher Torten transportiert wurden. Leider fand sich im gesamten Hotel nichts Besseres, was sich für einen Hamstertransport eignete. Zudem erwies sich dieser Tortenkarton als ein Problem für gewisse Hamster, die nun fortwährend den leckeren Tortengeruch in der feinen Nase hatten. Besonders Goldi wurde mehrfach von Flecki verwarnt, als er versuchte, den Karton anzuknabbern. Nach kurzer Zeit jedoch herrschte Ruhe im Karton, und die Hamster legten sich nach einer überaus anstrengenden Nacht schlafen.

George war zu diesem Zeitpunkt gerade aufgestanden und genoss es, in aller Ruhe seinen Frühstückstee zu trinken. Er freute sich schon auf die abendliche Kartenrunde mit seinen Freunden Angus und Steve. Noch ahnte er nichts von den Vorkommnissen um Dunollie Castle, und dass Lisa McGyer ihn heute noch anrufen würde.

Auch Vim van der Slampe war zufrieden. Er hatte wunderbar geschlafen in dieser Nacht, die er in einer kleinen Bed & Breakfast-Unterkunft in Melvich verbracht hatte. Er beschloss, den heutigen Tag zu nutzen und eine Fahrt nach Dunnet Head, dem nördlichsten Punkt des schottischen Festlands zu machen. Fünf erholsame Tage ohne Stress lagen noch vor ihm. Er dachte oft an die Hamster und fragte sich etwas traurig, ob er die kleinen, süßen Quälgeister wohl noch einmal wiedersehen würde.

Finnegan McDudle hatte zu dem Zeitpunkt ganz andere Sorgen, von denen er allerdings noch nichts wusste. Der Besuch bei seinem Schwager in Inversanda war leider nicht ganz erfolgreich gewesen, das heißt, zunächst war er willkommen geheißen und auch zum Essen eingeladen worden. Sogar ein paar schöne Flaschen Wein standen schon auf dem Tisch, als, tja, als seine Frau anrief und sich lautstark beklagte, dass ihr miserabler Ehemann seit Tagen verschwunden sei. Leider klingelte es mitten in ihrer Leidensgeschichte an ihrer Haustür, so dass sie zu fragen vergaß, ob der Schwager etwas über den Verbleib ihres Ehegatten wusste.  Trotzdem war der Abend für Finnegan gelaufen und statt Essen, Wein und Gastlichkeit verbrachte er eine unruhige Nacht in dem zugigen, kalten Wartehäuschen einer Bushaltestelle. Als die Sonne aufging, lief er müde die Straße in Richtung Strontian weiter, bis er von einem Lieferwagen mitgenommen wurde. Glücklich und zufrieden war er nun auf dem Beifahrersitz eingeschlafen und bekam nicht mit, dass der Fahrer des Lieferwagens ein Paketbote war, dessen nächstes Ziel ein Kunde namens McKill in dem kleinen Ort Polloch war.





Kapitel 32

Die Trossachs

Nachdem er sich ein letztes Mal in Richtung Kings House Hotel und somit nach Lisa McGyer umgedreht hatte, lenkte Frido McClown die Kutsche auf die Hauptstraße. Wunderbarerweise war die A82 an diesem Morgen nur wenig befahren, doch bald würden sie ohnehin das Gebiet der Trossachs erreichen und somit wieder in beschaulicher Einsamkeit sein.

"Was würden Sie bloß ohne mich machen, McClown", krähte der Lord in die Gedanken des Butlers hinein. "Noch heute erreichen wir Stirling, morgen sind wir durch Edinburgh durch, und dann haben wir schon die Fähre erreicht. Ein Kinderspiel für einen Pfadfinder, der den Weg wie seine Westentasche kennt! Sehen Sie, dort links ist der Loch Ba und dahinter befindet sich Rannoch Moor! Wenn wir Bridge of Orchy erreichen, werden wir auf den West Highland Weg wechseln."

"Sagten Sie etwas von Westentasche, Sir?" gackerte der Butler. "Darf ich Sie erinnern als wir letztes Mal..."

"Schnickschnack, McClown, Schweine und Bauern haben eben immer etwas zu grunzen! Wir werden im Nu in Crianlarich sein und eine Kleinigkeit zu uns nehmen. Ich kenne den Besitzer eines sehr guten Lokals dort persönlich.  Wir werden willkommen sein und eine bevorzugte Behandlung erfahren. Der Name des Lokals war... Rod, oder so ähnlich"

"Sir, mit Verlaub: das letzte Mal als Sie sagten, dass wir willkommen seien, hat man auf uns geschossen!"

"Ein Irrtum, McClown, außerdem war es doch gar nicht schlimm, oder?"

"Nein, Sir, Ein scharfer Schuss zur rechten Zeit schafft Ruhe und Gemütlichkeit."

Sie erreichten Bridge of Orchy und wechselten auf den alten Militärweg namens West Highland Way. Die Pferde hatten nun wieder angenehmeren, weichen Boden unter den Hufen und dankten es durch flottes Traben.

"Habt ihr das gehört, Leute? Eine Kleinigkeit in einem guten Lokal zu uns nehmen?" rief Goldi entzückt.

"Das wird auch Zeit", stimmte Dodo zu. "Alles was nicht Fresspause ist, ist nämlich Stress."

"Ihr sollte euch schämen, immer nur ans Fressen zu denken. Viel wichtiger ist es, ob wir jemals wieder nach Hause kommen!"

"Na, das ist ja wieder toll", knurrte Goldi, "Erst lernst du laufen, dann sprechen, dann hinsetzen und dann darfst du nur noch Maul halten und nichts sagen."

"Aber, aber, meine liebe Flecki", tönte nun der Bürgermeister, "wie ich schon immer betont gesagt habe, wir sind auf dem besten Weg und alles wird gut, die Sonne scheint..."

"Ha!" unterbrach ihn Flecki, "Einem Politiker wie dir glaube ich grundsätzlich nur die Kontonummer!"

In diesem Moment fuhren sie über einen unebenen Weg, die Hamster purzelten durcheinander, und die Diskussion war vorläufig beendet. Als sie sich wieder aufgerappelt hatten und  sich umsahen, stellten sie fest, dass sie von hohen Bergen umgeben waren. Es war ein phantastischer Anblick und gerade in dem Moment, als sie über eine uralte Steinbrücke fuhren, ertönte die krächzende Stimme des Lord McShredder:" Es ist nicht mehr weit bis Crianlarich, McClown, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ein wenig langsamer fahren würden. Sie wollen doch nicht, dass ich aus der Kutsche falle?"

Nichts wäre dem Butler lieber gewesen, doch tatsächlich war nun in der Ferne ein Gebäude zu sehen. Vorsichtig zügelte Frido die Pferde, und langsam näherten sie sich einem recht verlassen aussehenden Haus mit der Aufschrift "The Rotten Inn".

"Ha", tönte der alte Lord, "ich wusste zwar nicht mehr den genauen Namen, aber das muss es sein. Machen Sie die Pferde fest, und lassen Sie uns speisen, McClown!"

"Sir, bei allem Respekt, aber finden Sie, dass "verrottete Kneipe" ein Name für ein gutes Lokal ist? Wie das schon von draußen aussieht, so zerfallen..."

"Etwas in die Jahre gekommen, McClown, aber die Qualität bleibt! Äußerlichkeiten zählen nicht! Nehmen Sie unser Gepäck und lassen Sie uns speisen!"

Frido hatte ein ungutes Gefühl, als er Gepäck und Hamster nahm und schwer beladen seinem Herren folgte. Die alte Holztür der Kneipe klemmte, und so dauert es eine Weile, bis McShredder sie schließlich mit einem gezielten Fußtritt öffnen konnte. Es roch ein wenig muffig und nach abgestandenem Bier. Kalter Rauch lag in der Luft des dunklen Raumes, den sie nun betraten. Vier alte Tische mit den dazugehörigen alten Stühlen verteilten sich vor einem Tresen, an dem ein gelangweilter Mann saß, der eine Zeitung las. Lässig ließ sich McShredder auf einen der Stühle fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und rief: "Hallo, Ober!" Der Mann senkte kurz die Zeitung, musterte den alten Lord und antwortete: "Hallo, Gast!" Dann nahm er das Studium der Tageszeitung wieder auf.

Während der Butler ein Grinsen nicht verkneifen konnte, hatten sich die Hamster auf ihre Hinterpfoten gestellt und verfolgten die Situation mit großem Interesse. Hier roch es nach Ärger, oder sogar einer Keilerei, wie Goldi frohlockte.

"Ober, wissen Sie, wer ich bin?" krähte McShredder und blickte bedrohlich in die Richtung des Gastwirts.
"Keine Ahnung, aber ich kann ja mal versuchen, es für Sie herauszufinden", kam die prompte Antwort.

Mit einem Satz war der alte Lord aufgesprungen und stand nun direkt vor dem immer noch Zeitung lesenden Mann.

"Ich bin Lord McShredder von Killichonan, der Bezwinger des Loch Ness Monsters und Nachfolger des Lord of Lourne von Dunollie Castle!"

"Na schön, dass es Ihnen wieder eingefallen ist. Mein werter Name ist McDaugh vom Clan der Stewards, der Besitzer des 'Rotten Inn', und der, ohne den es hier nichts zu Essen oder Trinken gibt!"

"Vom Clan der Stewards? Das waren allesamt Wegelagerer! Ich könnte ihren Laden kaufen, Sie Bauer, und Sie an die Luft setzen!"

"Ach, ja, diese Bruchbude?" lachte McDaugh, "Machen Sie sich doch nicht lächerlich!"

Während diese Streiterei noch eine Weile weiterging, saß Frido McClown gelangweilt am Tisch und betrachtete die Hamster, die sich aufgeregt unterhielten.

"Es ist eine Schande, wie die sich benehmen, jawohl", rief Flecki, "wo bleibt da die Toleranz?"

"Ich bin auch für Toleranz, und wem das nicht passt, dem hau' ich aufs Maul", grölte Goldi. "Die denken nur an ihren Spaß, und wir warten aufs Futter!"

"Geduld, liebe Freunde", versuchte der Bürgermeister zu beschwichtigen, "es wird bestimmt alles gut. Wir sollten versuchen, eine Dings, äh, Lösung zu finden, wie wir sozusagen vermittelnd eingreifen können... Ich, äh, bin offen, ich meine für Vorschläge."

"Ich wüßte eine Lösung", meldete sich Dodo, "aber sie paßt leider nicht zum Problem."

Die interessante Diskussion der Hamster wurde durch ein lautes Knallen unterbrochen. Der alte Lord hatte die Speisekarte auf den Tisch geworfen und sich wieder neben seinen Butler gesetzt.

"Die Speisekarte, McClown, ich habe sie vom Tresen dieses Bauern genommen. Suchen Sie sich etwas
Schönes aus, aber seien Sie nicht so gierig, ja?"

"Sir, wollen wir nicht lieber das Restaurant wechseln, ich meine, wer weiß, was der uns jetzt vorsetzt?" fragte Frido mit ängstlicher Miene.

"Unsinn, McClown, das war eine ganz normale Unterhaltung zwischen verschiedenen Clans. Schließlich haben sie bis vor kurzem unsere Wagen überfallen und uns beraubt!"

"Kürzlich, Sir?"

"Genau genommen", entgegnete der Lord und schaute nachdenklich an die Decke, "war es zum letzten Mal im Jahr 1643."

"Gut, Sir", antwortete der Butler grinsend, "ich denke, ich nehme Fisch"

Der Lord blätterte noch eine Weile in der Speisekarte, dann rief er: "McDaugh, warum heißt dieses Gericht denn Räuberspieß?"

"Warten Sie ab, bis Sie die Rechnung dafür sehen, McShredder!" ertönte die Antwort vom Tresen.
Der Lord antwortete zunächst nicht, sondern blätterte weiter in der zerfledderten Speisekarte, bis er etwas gefunden hatte.

"Schnitzel, McDaugh, da können Sie wohl nichts falsch machen. Für meinen Butler Fisch und Sprudelwasser für uns beide."

"Und, Sir, wenn Sie gestatten, Brot und ein wenig Käse für unsere Hamster!" rief McClown.

Der Restaurantbesitzer nickte und verschwand durch eine Tür im hinteren Teil des Hauses. Es dauerte tatsächlich nicht lange,  dann kam er mit einem großen Tablett zurück und stellte 2 Gläser mit Wasser vor seine beiden Gäste. McClown und McShredder schauten gierig auf das Tablett, und was sie sahen, sah sehr, sehr lecker aus: belegte Brötchen, mit Salat, Schlagsahne und Weintrauben garniert. Eine paar Kekse rundeten dieses leckere Bild ab.

"Nicht schlecht, nicht schlecht, das sieht gut aus", grunzte der Lord und wollte nach den leckeren Schnitten greifen.

"Das ist für die Hamster", rief der Wirt, zog das Tablett weg und ging zu dem Karton mit den Hamstern, der auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches stand. Vorsichtig legte er nun ein Brötchen nach dem anderen in den Karton. Zufrieden betrachtete er, wie die hungrigen Hamster sich sofort über diese leckere Mahlzeit hermachten. Eines der kleinen Tierchen war sogar in die Schlagsahne hineingesprungen, und man konnte deutlich beobachten, dass sich eines der anderen Tiere über diese Gefräßigkeit sehr aufregte. Der Wirt nahm das leere Tablett und ging in die Küche.

Viele Stunden und Wutausbrüche McShredders später kam er zurück und brachte das bestellte Essen. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich wieder hinter seinen Tresen und las Zeitung. Verwundert blickten die beiden hungrigen Gäste auf ihre Teller. Der Butler hatte als erster  die Fassung wiedergewonnen und rief: "Was ist denn das?"

Der Wirt blickte hinter seiner Zeitung hervor und rief: "Karpfen, etwas Anderes gibt es nicht!"

"Der Karpfen sieht aber gar nicht gut aus", stammelte der Butler.
Der Wirt schaute wieder kurz von seiner Zeitung auf und rief zurück: "Kein Wunder - der ist ja auch tot!"

Lord McShredder stocherte mittlerweile lustlos in seinem Essen herum und rief: "Ein ekelhafter Fraß! Da hätten wir genauso gut zu Hause essen können."

Der Butler antwortete nicht, sondern kämpfte mit seinem recht zähen Karpfen.

"Das Schnitzel schmeckt wie ein alter Hauslatschen, den man mit Zwiebeln eingerieben hat!" schimpfte nun der alte Lord und sah mit bösen Blicken zu McDaugh hin, der nun kurz die Zeitung beiseite legte und antwortete: "Donnerwetter! Was Sie nicht schon alles gegessen haben!"

"McClown!" krähte der Lord nahm das Schnitzel und warf es an die Wand. "Mir reicht’s!"

Der Butler lag mittlerweile auf dem Fußboden und kämpfte mit dem zähen Karpfen, der ihm vom Teller gefallen war.

"McClown, hören Sie auf, mit dem Fisch zu spielen! Ein
Butler ihrer Klasse krabbelt nicht auf dem Fußboden herum!"

Der Wirt hatte sich inzwischen mit der Rechnung in der Hand genähert und fragte lächelnd: "Sie sind schon fertig mit dem Essen und möchten zahlen?"

"Ich bin aber noch hungrig", knurrte Frido McClown, "ich brauche etwas zu essen, was können Sie mir empfehlen?"

"Nun, ein paar Stücke alten Kuchen hätte ich noch, und was ich Ihnen empfehlen kann, ist das Restaurant zwei Kilometer westlich von hier, das "Rod and Reel Inn".

Nur wenige Minuten später setzten Lord und Butler ihre Fahrt in südlicher Richtung durch das Gebiet der Trossachs fort.

"Rod, oder so ähnlich, wir werden dort speisen und eine bevorzugte Behandlung erfahren, man kennt und schätzt mich dort..."

"McClown, hören Sie auf, herumzumeckern! Man wird ja wohl mal einen Namen verwechseln dürfen, oder?"
Der Butler antwortete nicht, sondern schaute konzentriert auf den Weg. Sie waren nun, von wilder Schönheit umgeben, im ersten Nationalpark Schottlands. Wunderschöne Flusstäler wechselten sich mit schroffen Gebirgshängen ab. Sie befanden sich in einem ausgedehnten Waldgebiet, murmelnde Bäche begleiteten sie. Hin und wieder passierten sie einen donnernden Wasserfall. Gegen Nachmittag kam etwas Nebel auf und tauchte die Landschaft in eine gespenstische Stimmung. Genauso, wie übrigens auch die Stimmung von Lord McShredder und Frido McClown war, denen allmählich dämmerte, dass sie ein klein wenig von der geplanten Strecke abgekommen waren. Es war dunkel geworden. Das lag in erste Linie daran, dass der Wald immer dichter wurde und der Weg vor ihnen wie ein grüner Tunnel wirkte, so zugewachsen war er. In zweiter Linie lag es daran, dass die Sonne sich langsam dem Horizont näherte und das war eine ausgesprochene Panne.

"Sir, ob es noch weit bis Stirling ist?" fragte der Butler, und der gehässige Unterton in seiner Stimme war auch dem Lord nicht verborgen geblieben.

"Sie sind auch nie zufrieden McClown. Genießen Sie
die Reise und ersparen Sie mir ihre klugen Kommentare."

"Genießen, Sir?" Frido drehte sich verblüfft zu McShredder um. "Sagten Sie genießen? Ich dachte immer, Sie würden nur Geld genießen."

"Geld und Reichtümer sind nicht alles im Leben, McClown. Ein Mann wie ich kann beispielsweise mit 10 Millionen genauso glücklich sein wie mit 8 Millionen, oder sagen wir besser, mit 9 1/2 Millionen."

"Sir, vielleicht sollte ich mal die Gelegenheit wahrnehmen, um eine Erhöhung meines spärlichen Gehaltes..."

Es folgte eine Diskussion, die zu nichts führte. Genauso wie der Weg übrigens, der kein Ende zu nehmen schien. Der Lord tippte ungeduldig mit seinen Fingern auf der Holzbank der Kutsche herum, während Frido McClown die Pferd langsamer traben ließ, denn die Dunkelheit senkte sich nun mehr und mehr über den Wald. Rechts tauchte zwischen den Bäumen schemenhaft ein großer See auf, doch Dickicht und Dunkelheit ließen ihn sofort wieder irgendwohin verschwinden.
"Sir, die Tiere brauchen ein Pause."

"Danach wird es zu dunkel sein, um weiterzufahren", antwortete der Lord mit leiser Stimme. "Machen Sie ein Lager, McClown, wir werden im Freien übernachten, wie in der guten, alten Zeit!"

"Sir, wenn ich zu bedenken geben darf, wir haben keine Decken und nichts zu Essen. Wenn wir zu Fuß gingen und die Tiere schonen...."

"Sie sind verweichlicht, McClown! Ein bisschen Pioniergeist täte Ihnen gut. Wir haben die Kutsche, und wir haben eine Plane, mehr brauchen wir nicht. Das Essen gibt es kostenlos in der Natur, Sie müssen nur mal die Augen aufmachen."

Der Butler seufzte und fügte sich seinem Schicksal. Pioniergeist! Schlichter Geiz war es, dass der Lord nicht bis zu einer gemütlichen Unterkunft - die natürlich etwas kosten würde - weiter wollte. Wie in der guten, geizigen Zeit, dachte Frido, stieg vom Kutschbock und kümmerte sich erst einmal um die Pferde, die für diese Lage natürlich nichts konnten. Er begann, die Pferde so zu striegeln, wie Vim van der Slampe es ihm gesagt hatte, und die Tiere ließen es sich gerne gefallen. Als ihm die Arme anfingen, weh zu tun, ging er zu den Hamstern. Zu seiner Beruhigung schliefen die kleinen Tier noch, doch bevor er sich zu dem Lord auf die Pritsche der Kutsche setzen konnte, zeigte dieser auf das am Wege stehende Gebüsch: "Brombeeren, mein lieber McClown, gesund und nahrhaft. Fangen Sie schon mal an zu sammeln. Ich werde die Augen weiterhin nach etwas Essbarem aufhalten."

Es wurde ein kaltes, wenig abwechslungsreiches Abendessen. Außer Brombeeren hatte Frido McClown nichts Anderes auftreiben können. Das meiste aß gierig der der alte Lord, während Fridos Appetit sich in Grenzen hielt. Einen Teil der Beeren legte der Butler für die Hamster beiseite, und er war sich jetzt schon sicher, dass die Hamster keinesfalls begeistert über Brombeeren als Futter sein würden. Aber es war nun mal nicht zu ändern, und so begann er, das Nachtlager für sich und Lord McShredder herzurichten. Der Lord hatte es sich auf dem Holzboden der Pritsche gemütlich gemacht und sich mit einem Teil der Plane bedeckt. Der Butler nahm den Rest der Plane,  bedeckte sich ebenfalls und schloss die Augen. Im nächsten Moment jedoch schreckte er hoch: die Hamster! Er stand auf und betrachtete den Karton, in dem die Hamster immer noch friedlich vor sich hin schliefen, doch er wusste, dass das nicht von Dauer sein würde. Die Ränder des Kartons schienen hoch genug zu sein, so dass eine Flucht der Tierchen ausgeschlossen war. Selbst wenn sie es irgendwie schaffen würden, überlegte Frido, würden sie nicht über die Seitenbretter des Kutschwagens klettern können. Sein Blick fiel auf den schnarchenden Lord und im nächsten Moment auf den Himmel. Die Wolken zogen schnell vorüber und gaben für kurze Zeit immer wieder den Blick auf die Sterne frei. Der Wind hatte zugenommen, kein Zweifel. Frido McClown dachte daran, dass er auf den letzten Kilometern keine Schafe gesehen oder gehört hatte, und dass die Midges ihn am frühen Morgen bereits zweimal gestochen hatten. Er hob den Kopf und sog die Waldluft tief ein: Ja, der Geruch der Vegetation um ihn herum war recht intensiv. Das alles waren Anzeichnen für ein bevorstehendes Unwetter. Für ein möglicherweise schweres Unwetter.

"Sir, wir sollten die Plane aufstellen und mit der Kutsche Schutz im Gebüsch suchen, ich glaube, es kommt ein Unwetter auf!"

Der Lord grunzte nur kurz, gähnte und öffnete seine
Augen einen Spalt weit. "Unsinn. McClown, mein Rheuma hätte schon längst Bescheid gesagt. Lassen Sie mich jetzt schlafen!"

"Sir, ich..."

"Ruhe, McClown! Ich will schlafen!"

Der Butler zuckte mit den Schultern und warf erneut einen Blick auf den Karton mit den Hamstern. Sie mussten zugedeckt werden, soviel war klar. Er holte aus dem Gepäck ein grünes Handtuch und legte es vorsichtig über die Hamsterbehausung. Dann legte auch er sich schlafen, während hoch über ihnen die Bewölkung immer weiter zunahm, und der Wind immer heftiger wurde. Es schien eine unangenehme Nacht zu werden.





Kapitel 33

Trossachs II

"He, Leute, seht euch das mal an. Die pennen beide, und keiner kümmert sich um uns! Soll das unser Futter sein? Los, sag mal was dazu!" rief Flecki empört und stupste Goldi an, der sich langsam und gemächlich räkelte und gähnend antwortete: "Ich wollt' ich wär ein Teppich. Dann könnt' ich immer liegenbleiben." Er drehte sich zu den Brombeeren um, blinzelte ein paar Mal mit den Knopfaugen und rief: "Das soll Futter sein? Werden wir jetzt zu Karnickeln umerzogen?"

"Brombeeren", erklärte Dasie, die an den Beeren schnüffelte, "die sollen sehr gesund sein."

"Der Bauleiter ist mal beim Reparieren eines Daches in ein Brombeergebüsch gefallen. Der sah ganz schön kaputt danach aus und dann hat er..."

"Danke, Tuffi, aber ich glaube, das interessiert hier niemanden", fauchte Bauleiter Murksel und schubste Tuffi so heftig, dass sie fast umfiel.

"Öhm, unter den gegebenen Umständen", meldete sich nun der Bürgermeister, "denke ich, wir sollten sozusagen eine Besprechung anberaumen, um die Dingslage zu klären."

Nachdem die Hamster ein paar Minuten lang planlos durcheinander geschrieen und heftig diskutiert hatten, wurde die Tagesordnung festgelegt. Entgegen der hamstischen Tradition wurden die sonstigen letzten Punkte, nämlich die allgemeine Futterlage und eine eventuelle nächtliche Party auf Punkt 1 und 2 der Tagesordnung gesetzt. Gerade in dem Moment, als Trampel und Hamstilidamst ihre Abneigung gegen Brombeeren erklären wollten, geschah das, was Frido McClown schon vor einiger Zeit befürchtet hatte: Es begann zu regnen. Auf Antrag von Teeblättchen wurde nun der Zusatzpunkt: 'Es regnet, was machen wir nun?' auf den Plan gesetzt. Ein Zusatzantrag von Sasie erreichte, dass in einer sofortigen Abstimmung dieser Punkt von Platz 3 auf Platz 1 der Tagesordnung aus aktuellem Anlass geschoben wurde. In dem Moment, als Trampel über die Nachteile seines inzwischen recht nassen Fells klagte, kam heftiger Wind auf. Tati brachte den Zusatzantrag, den Punkt 'Es wird kalt, wo kriegen wir Klamotten her?' ebenfalls in die Debatte und stieß auf allgemeine Zustimmung. Nachdem es der Hamsterschaft nicht gelungen war, die neue Reihenfolge der Diskussionspunkte festzulegen, hatte schließlich der Bürgermeister die Idee, die Punkte 'Es regnet, was machen wir nun?' und 'Es wird kalt, wo kriegen wir Klamotten her?'  zu einem Punkt zusammenzufassen. Nach heftigen Diskussionen und einigen Vorschlägen, die jedoch allesamt unbrauchbar waren, tauchte ein neues Problem auf: Der Regen hatte aufgehört. Dodo schlug vor,  den Punkt 'Es regnet, was machen wir nun?'  zu streichen, wurde jedoch von Bauleiter Murksel darauf hingewiesen, dass zusammengelegte Tagesordnungspunkte nicht mehr gestrichen werden können. Der Bürgermeister verwies allerdings auf die Möglichkeit einer Modifizierung anstelle einer Streichung, und nach kurzer Diskussion folgte eine Abstimmung, in der sich die Mehrheit für eine Änderung des ersten Tagesordnungspunktes aussprach. Nachdem nun alle Arbeitspunkte geklärt waren, begann es erneut zu regnen.

"Öh, und was machen wir nun?" wollte Dodo wissen.

Es herrschte allgemeine Ratlosigkeit, denn keiner hatte den Mut, eine erneute Änderung der Tagesordnung vorzuschlagen. So saßen die Hamster in dem Karton, der ehemals eine Torte beherbergt hatte, und waren froh, wenigstens durch ein Handtuch geschützt zu sein. Lord und Butler unterdessen störte der Regen nicht im geringsten, denn die Plane der Kutsche schützte sie vor Wind und Regen. Die beiden Männer schliefen und schnarchten vor sich hin, während die Hamster ratlos zuschauten, wie ihr Karton langsam vom Regen aufweicht wurde.

"Wie wärs, wir machen uns aus dem Stoff ein paar schöne Umhänge?" rief Flecki und zeigte auf das Handtuch. "Grün ist zur Zeit 'in' und der Stoff fühlt sich prima an."

"Das ist es", rief Sasie, "damit wäre der Punkt 'Es wird kalt, wo kriegen wir Klamotten her?' geklärt!"

"Der Punkt, öhm, meine lieben Mithamster, wurde aber soeben geändert, und somit müssen wir neu abstimmen, ob..."

Die restlichen Worte des Bürgermeisters gingen wie schon so oft in einem aufgeregten Geschrei unter. Schnell wurde ihm klar, dass den Hamstern Wärme wichtiger als Abstimmungen war, und somit ging der Bürgermeister schnell zu den verbliebenen beiden Punkten über, während Flecki und einige andere damit begannen, das grüne Handtuch in viele kleine Umhänge zu zerteilen. Die Abstimmung über die Punkte 2 und 3 ging recht schnell über die Bühne, wobei der Punkt 3 von dem Punkt 2, nämlich der allgemeinen Futterlage abhängig gemacht wurde. Da die Verteilung der Umhänge bereits im Gange war, wurde beschlossen, sich sofort auf die Futtersuche zu begeben, da von dem Butler und seinem Chef keinerlei Hilfe zu erwarten war.

Da der Karton schon recht aufgeweicht war,  ließ sich leicht ein großes Loch bohren. Wie allerdings McClown schon erwartet hatte, stellten die Seitenwände der Pritsche für die Hamster ein unüberwindliches Hindernis dar, das von den findigen Tieren jedoch trotzdem schnell überwunden wurde. Da der alte Lord mit seinem Kopf direkt an eine der Seiten gelehnt war, war es kein Problem, über ihn und seinen Kopf hinweg ins Freie zu krabbeln und von der Kutsche herunterzuspringen. Kurz darauf saßen alle Hamster im tiefen Gras und hatten nasse Pfoten.

"Öh, und nun, was machen wir....."

"Ganz klar", unterbrach Goldi Dodo, "wir sind die hamstischen Pfadfinder!"

"Und wie findet man einen Pfad?"

"Also Dodo, schau doch mal, wie wir aussehen. Also, was sind wir?"

"Moosbiber?"

"Das ist ein Tarnanzug, Dodo. Wir sind coole und starke Pfadfinder. Niemand kann uns aufhalten, und wir besorgen uns jetzt etwas zu futtern."

"Ein Regenschirm bei diesem Dreckswetter wäre besser", schimpfte Tuffi.

"Ey Leute, wusste ihr schon: Ein Regenschirm schützt vor Regen, ein Bildschirm kann aber nicht vor Bildern schützen?"

Niemand lachte über Goldis Witz, und so ging es über einen matschigen Weg weiter durch den dunklen Wald. Sie entfernten sich immer mehr von der Kutsche, und schon bald waren sie außer Sichtweite. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, doch Futter war noch immer nicht zu entdecken, als plötzlich ein Licht durch die Bäume schimmerte. Hoffnung keimte bei dem kleinen Trupp auf, und sie beeilten sich, durch das unwegsame Gelände vorwärts zu kommen. Flecki erreichte als Erste einen kleinen Hügel, von dem aus die Lage besser zu überblicken war.

"Ein Haus", rief sie entzückt, "ein richtig vornehmes, großes Haus!"

"Ein Flachdachgebäude", stellte Bauleiter Murksel fachmännisch klar.

"Ja, genau", stimmte Tuffi zu. "Das habe ich in der Berufsschule gelernt: Beim Flachdach ist das Dach flach!"

"Du gehst zur Berufsschule? Das ist mir neu!"

"Doch, Sasie, ich bin sogar schon zweimal dort gewesen. Aber dann hat Bauleiter Murksel gesagt, nur in der Praxis lernt man etwas und hat mich persönlich weiter ausgebildet."

"Und solche Sachen lernst du nun beim Bauleiter?"

"Naja", druckste Tuffi herum, "wir lernen da die Feinheiten. Neulich haben wir Kopfschütteln geübt."

"Kopfschütteln?" fragte Sasie verwundert.

"Ja, das Kopfschütteln in Gegenwart des Kunden, wenn man etwas reparieren soll. Bauleiter Murksel sagt nämlich immer, wir sollen versuchen, dem Kunden etwas Neues anzudrehen...."

"Tuffi!"

"Ja, Bauleiter?"

"Schnauze!"

"He Goldi", flüsterte Flecki, "findest du das nicht merkwürdig? Warum hat der Bauleiter die Tuffi von der Berufsschule wieder runtergenommen?"

"Ist doch klar", brummte Goldi, "die hätte doch sonst mitgekriegt, welchen Murx dieser Murksel fabriziert."

Die Hamster wandten ihre Aufmerksamkeit nun wieder dem hell erleuchteten Haus zu, vor dem sich merkwürdige Dinge abspielten. In der Einfahrt standen mehrere Limousinen, Leute standen herum und schienen zu warten. Vorsichtig krochen die kleinen Tiere näher und versuchten zu lauschen. Dann tat sich etwas, und die Haustür wurde geöffnet. Blitze flammten auf, die Stimmen wurden lauter, als jemand auf die Limousinen und die wartenden Leute zuging. Ein paar Worte wurden gewechselt, und enttäuschte Rufe waren zu hören. Kurz darauf löste sich die wartende Menschenmenge auf und verschwand in den Autos. Motoren wurden angelassen, und ein Wagen nach dem anderen verschwand. Dann war alles still, nur ein merkwürdiges Jaulen war zu hören, das scheinbar aus dem Haus kam.

"Was 'n da los?" fragte der Bürgermeister.

"Ich glaube, ich weiß, was los ist", rief Flecki, die plötzlich wie aus dem Nichts vor dem Bürgermeister auftauchte. "Ich bin ein bisschen dichter herangekrochen und konnte einiges verstehen. Da sind Musiker in dem Haus, und die wollen für ihre Tournee üben. Der eine von denen hat gerade die ganzen Leute weggeschickt, die ein Interview machen wollten. Also der sah vielleicht bescheuert aus!"

"Sind das die Beatles?" fragte Dodo.

"Du hast aber echt null Ahnung, Dodo. Die Beatles spielen doch schon lange nicht mehr. Nein, die hießen anders, irgend etwas mit einem japanischen Hotel oder so. Bestimmt ist das so eine Truppe, die völlig überfordert ist, vernünftige Musik zu machen."

"Meistens haben diese Gruppen auch die Haltbarkeitsdauer eines Joghurts", stimmte Teeblättchen zu.

"Wollen wir uns jetzt über schlechte Musik oder über gutes Futter unterhalten?" fragte Goldi und lief, ohne eine Antwort abzuwarten, auf das Haus zu.

"Und nun, was machen wir nun? Ich meine, jetzt sitzen wir hier und..."

"Klappe, Dodo, ich muss überlegen!" fauchte Bauleiter Murksel. Seit einer halben Stunden saßen die Hamster nun vor dem Gebäude und hatten immer noch keine Idee, wie sie hineinkommen könnten.

"He, Leute, wir könnten durch die Regenrinne nach oben klettern!"

"Dann sitzen wir auf dem Dach, und wie weiter, Goldi?" entgegnete Trampel.

"Naja, dann rutschen wir wieder durch die Dachrinne zurück und überlegen uns etwas Anderes. Das machen wir doch immer so, oder?"

Niemand antwortete. Alle starrten auf die Haustür, überlegten angestrengt und warteten auf ein Wunder. Dann geschah es tatsächlich: Die Haustür wurde geöffnet, ein dicker Mann mit Zigarre im Mund trat heraus, drehte sich um und rief: "Ihr bleibt so lange hier, bis ihr 10 Lieder fehlerfrei spielen könnt, ist das klar!" Irgendeine Antwort kam aus dem Haus zurück, doch die Hamster achteten nicht darauf, sondern machten, dass sie durch die geöffnete Tür ins Innere des Hauses kamen. Kaum waren sie drinnen, da schloss sich die Haustür geräuschvoll. Sie hatten es geschafft!

"Wieder einmal hat sich gezeigt, meine lieben Hamsterfreunde, dass Mut und Entschlossenheit zu den Tugenden unserer Rasse zählen und dass wir..."

"Ist ja gut, Bürgermeister", unterbrach Flecki, "wir sollten uns erst mal verstecken, sonst sind wir bald keine Rasse mehr."

Ein Jaulen, Klirren und Scheppern ließ die Tiere zusammenschrecken. Voller Panik rannten sie in das nächstbeste Zimmer und versteckten sich dort in einer Ecke.

"Das ist ja entsetzlich!" jammerte Teeblättchen. "Was passiert da?"

"Das nennen die Üben", erklärte Tati, "die lernen neue Lieder."

"Warum können die nicht wie Hamsterquallo1 klingen?", jammerte Flecki.  

"Bauleiter Murksel hat einmal versehentlich die Werkzeugkiste in die Kreissäge geschoben, das klang genauso", wusste Tuffi zu berichten, "und dann war er so sauer, dass er die Kreissäge umgetreten hat und dabei ist das halbe Haus...."

"Tuffi?"

"Ja, Chef?"

"Schnauze!"

Die Stimmung unter den Hamstern wurde von Minute zu Minute gereizter. Schließlich waren sie als Nachttiere mit einem empfindlichen Gehör ausgestattet, und das, was sich in diesem Haus abspielte, war für sie kaum zu ertragen. Immerhin war es Goldi gelungen, eine Tüte Chips aufzutreiben, doch nach einem Probebiss mochte niemand mehr etwas davon essen. Hamster mögen kein Essig, und diese Chips schmeckten eindeutig nach Essig.

"Ekelhaft", schimpfte Flecki, "und diese Dinger kann man sich nicht mal in die Ohren stecken. Dieser Krach ist entsetzlich. Bürgermeister, tu gefälligst mal was!"

"Öhm, ja, ich, also meine lieben Hamster, wir sollten zusehen, dass wir Futter finden und verschwinden."

"O.K.", sagte Goldi, "wie wär’s, wir knacken den Kühlschrank? Kannst du den nicht mal reparieren, Bauleiter?"

"Wieso reparieren? Der ist doch nicht kaputt?"

"Doch, Murksel, schau mal genau hin: Das obere Scharnier ist ein bisschen schief."

Der Bauleiter legte den Kopf schief, um die Sache genauer zu betrachteten. Er klopfte gegen die linke Seite des Kühlschranks, dann an die rechte und sprach schließlich: "Ohne Werkzeug kann ich da leider nichts....."

"Doch, doch", unterbrach ihn Goldi, "hier ist ein Besteckfach, da sind Messer und alles Mögliche drin."

Der Bauleiter verschwand wortlos in der Schublade, ein Klappern und Scheppern war zu hören, und er tauchte wieder auf. In der einen Pfote hielt er ein Messer und in der anderen einen Dosenöffner.

"Scharniere", so erklärte er, während er sich am oberen Scharnier mit dem Dosenöffner zu schaffen machte, "sind zwar robust und halten lange, jedoch brauchen sie auch regelmäßiges Justieren. Das wissen nicht viele, und die meisten Leute denken, so ein Scharnier hält ewig. Tut es nur bei guter Pflege und, wie gesagt, bei regelmäßigem Justieren der Scharniereinheit. Ich demonstriere euch das einmal: vorsichtig klopfen und ziehen!"

Da die Musik im Haus für einen Moment aufgehört hatte, war das leise Knacken des Scharniers gut zu hören. Der Bauleiter stieg vom Kühlschrank herab und machte sich am unteren Scharnier zu schaffen.

"Natürlich ist es wichtig, immer beide Scharniere gleichzeitig zu justieren", erklärte er weiter, "damit die Symmetrie des Gerätes erhalten bleibt. Nur ein Anfänger würde sich mit einer halben Sache begnügen."

Goldi und Flecki bestätigten grinsend mit nachdrücklichem Kopfnicken seine Worte, als Baumeister Murksel lässig  Dosenöffner und Messer beiseite schob. "Fertig!" schrie er, denn die Musik im Nebenzimmer hatte wieder eingesetzt. "Das hält nun eine Ewigkeit." Zum Beweis seiner Worte trat er mit seiner Pfote kräftig gegen den Kühlschrank und sprang zurück auf den Fußboden und betrachtete sein Werk. Dann trat er einen Schritt zurück, dann noch einen und dann ganz viele Schritte, denn die Tür des Kühlschranks kam ihm plötzlich entgegen. Kreischend rannten die Hamster in alle Richtungen auseinander, als die schwere Kühlschranktür auf den Boden knallte.

"Da- da- das müssen defekte Bauteile aus der 45er-Reihe sein, die taugen einfach nichts", stotterte der Bauleiter, während Flecki und Goldi verständnisvoll mit breitem Grinsen nickten.

"Alles klar, Leute", schrie Goldi, "fertig machen zum Futterfassen!"

Nach wenigen Minuten lagen die Hamster vollgefressen und schlapp in einer Ecke der Küche. Das Leben hätte schön sein können, wenn nicht die infernalischen Geräusche aus dem Nebenzimmer gewesen wären. Von Minute zu Minute wurden die armen Tiere immer nervöser und aufgeregter, und Dodo wollte sich gerade im Mülleimer verstecken, als die Musik schlagartig aufhörte.

"Noch einmal ertrage ich das nicht", keuchte Teeblättchen.

"Wir müssen was machen, aber was?" jammerte Dodo.

"Also, raus kommen wir hier nicht", grübelte Murksel, "wir kriegen die Tür nicht auf, die ist zu schwer. Die Fester sind zu hoch, das wird nichts."

In diesem Moment erschraken die Hamster, und Panik kam auf. Schritte waren zu hören! Jemand näherte sich der Küche. Schnell versteckten sich die Tiere hinter der Küchentür und warteten. Ein entsetzter Schrei war zu hören, der bestimmt den kaputten Kühlschrank betraf. Kurz darauf waren weitere Schritte zu hören, und vier junge Leute standen verschreckt um die abgestürzte Kühlschranktür herum. Die Hamster hatten schon längst die Situation genutzt und waren ins Nachbarzimmer verschwunden. Etwas ratlos standen sie nun vor elektrischen Gitarren, einer Schlagzeuganlage und mehreren Verstärkern.

"Wie wäre es, wir reparieren ein wenig ihre Instrumente?" fragte Goldi und sah den Bauleiter grinsend an.

"Ich fasse heute nichts mehr an", knurrte der.

"Chef, Chef", meldete sich Tuffi aufgeregt und schnippte mit den Pfoten, "auf der Berufsschule habe ich mal etwas über elektrische Schaltungen gelernt!"

"Ehrlich?" rief Sasie begeistert. "Du kannst so etwas?"

"Na ja", druckste Tuffi, "so ganz genau habe ich das nicht kapiert, aber..."

"Wusste ich es doch", trumpfte der Bauleiter auf. "In der Schule lernt man das alles nicht richtig. Hier spielt das Leben. Los, Tuffi, zeige uns mal eine Parallelschaltung!"

Etwas verlegen trat Tuffi vor und begann, an einigen Kabeln zu ziehen. Sie zog hier ein Kabel und steckte es dort hinein, während aus der Küche laute Klopfgeräusche zu hören waren. Scheinbar wurde dort gerade versucht, die Kühlschranktür wieder einzusetzen.

"Chef, ist die weiße Buchse da in der Wand ein Ausgang oder ein Eingang?"

Bauleiter Murksel erhob sich und lief zu der weißen Buchse. Fachmännisch klopfte er dagegen, räusperte sich und rief: "Das muss ein Eingang sein, und zwar ist das der Emitter für den Verstärkereingang. Höchstwahrscheinlich laufen hier die einzelnen Komponenten zusammen."

Tuffi nickte und fuhr fort mit ihrer Arbeit, während die restlichen Hamster gelangweilt zuschauten. Plötzlich jedoch war es mit Arbeit und Langeweile vorbei, denn nun wurden die Stimmfetzen, die von der Küche her kamen, plötzlich lauter und das konnte nur bedeuten, dass sich jemand näherte.

"Schnell", rief Murksel, "in das kleine Zimmer dort hinten!"

Gesagt, getan, und die Hamster sahen sich in dem Raum um. Sie hatten keine schlechte Wahl getroffen, denn offensichtlich war dies eine Vorratskammer, in der sich neben Konservendosen, Essigchips auch Gemüse und jede Menge Kekse befanden. Bevor nun eine 'Spontan-Steh-Und-Fressparty' abgehalten werden konnte, musste zunächst geklärt werden, was im Musikzimmer vor sich ging. Mit 11 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme wurde beschlossen, Trampel als Kundschafter loszuschicken. Nach wenigen Minuten kehrte er atemlos zurück und keuchte: "Fast hätten die mich entdeckt."

"Und?" fragte Dasie, "werden die weiter Krach machen?"

"Scheinbar nicht, die machen wohl eine Pause. Die kritzeln auf einem Zettel herum und essen ekelige Essigchips und trinken braune Soße aus Flaschen!"

"Gut, gut", dröhnte der Bürgermeister, "meine lieben Hamsterfreunde, it’s time to party, wie man hier sagt. Bevor es losgeht, möchte ich abschließend noch einmal den Dank an unseren Trampel richten, der sich durch Mehrheitsbeschluss bereit erklärt hat, alle 5 Minuten nach dem Rechten zu sehen!"

Somit kamen die Hamster nach langer Zeit wieder zu einer Party mit reichlich Futter. Alle waren zufrieden, ausgenommen Trampel, der ständig zwischen Musikraum und Vorratskammer hin- und herrannte und nicht so recht Spaß an der Sache hatte. Da er alle 5 Minuten aufs Neue losrennen musste und der Hin- und Rückweg jeweils 4 Minuten dauerte, war er ständig unterwegs. Nach mehreren Stunden jedoch kam er japsend angestürmt, stellt sich mitten in die Partygesellschaft und rang nach Luft. Er war völlig erschöpft, sein Atem ging schwer, und ein Pfeifen war zu hören, bis Goldi ihn schließlich ungeduldig fragte: "Willst du uns ein Lied vorpfeifen, oder was?"

"Die fangen", keuchte er, "die fangen..."

"Die spielen Fangen?" fragte Dodo ungläubig.

"Nein, nein", krächzte Trampel, "die fangen wieder an...."

"Tja, das war’s wohl mit der Party", sagte Hamstilidamst missmutig, doch Flecki war sich da nicht so sicher: "Kann auch sein, dass es jetzt erst richtig losgeht, wer weiß, was unser Bauleiter der Tuffi so alles beigebracht hat."

Die Hamster schlichen zur Tür der Vorratskammer und lauschten. Außer ein paar undeutlichen Worten war zunächst nichts zu verstehen, doch dann waren klar und deutlich die Worte: 'One-two-three' zu hören. Während Tuffi noch einmal an alles dachte, was sie über Parallelschaltungen wusste, und Bauleiter Murksel überlegte, wo er diese weiße Buchse da in der Wand schon einmal gesehen hatte, brach ein Inferno aus. Es begann mit mehreren lauten Explosionen, Blitze fegten durch das Haus, die Beleuchtung ging aus, und irgendetwas flog durch kreischend durch die Luft. Eine Alarmanlage ging mit einem lauten Gejaule los, und das ganze Haus schien zu wackeln, während von der Decke herab Wasser aus einer Sprinkleranlage schoss.

"Alles in die Boote!" kreischte Flecki und krabbelte in eine große Kiste, in der sich Gemüse befand. Schnell folgte ihr der Rest der Partygesellschaft, und mit angsterfüllten, riesigen Knopfaugen verfolgten sie das Geschehen. Die Luft war von Rauch und Qualm erfüllt, der Boden war inzwischen soweit mit Wasser überflutet, dass die Gemüsekiste aus der Vorratskammer in das nächste Zimmer trieb. An mehreren Stellen in der Wohnung brannte es, doch das von der Decke kommende Wasser tat sein Bestes. Immer schneller trieb nun die Gemüsekiste mit den Hamstern an Bord, und sie erreichten das Musikzimmer, in dem das Chaos seinen Anfang genommen hatte. Hier sah es besonders schlimm aus, und insbesondere die Musiker und ihre Instrumente sahen recht mitgenommen aus.

"He, Leute", rief Goldi, "hat das hier eine Grillparty gegeben? Die Jungs sehen ja aus wie Grillkohle!"

"Heißt das deshalb brandneues Album", fragte Dodo verwundert, "ich meine, weil die alle..."

Erschrocken schauten die Hamster einander an. Draußen ertönten plötzlich Sirenen, bestimmt war die Feuerwehr im Anmarsch! Kurz darauf waren laute Schläge an der Haustür, auf die die Hamster nun zutrieben, zu hören. Dann splitterte das Holz und eine Axt drang durch die Tür. Laute Rufe waren zu hören, und kurz darauf war die Haustür ganz verschwunden. Nun drangen Leute in Uniformen und Helmen in das Haus. Einige stürzten sich sofort auf die am Boden liegenden, jammernden und übel zugerichteten Musiker, während der Rest die anderen Räume durchsuchte. Unbemerkt von allen trieben die Hamster mit ihrer Gemüsekiste durch die zerschmetterte Tür hinaus ins Freie. Auf dem Rasen im Vorgarten des Hauses liefen sie auf Grund, krabbelten aus der Gemüsekiste und machten, dass sie weit, weit wegkamen. In panischer Flucht liefen sie so schnell ihre kleinen Pfoten es zuließen,  bis sie erschöpft und keuchend wieder vor der Kutsche standen. Sie kletterten über die Speichen der Räder bis auf die Kutschbank und über den Kopf des alten Lords zurück in die Pritsche. In den Resten des aufgeweichten Kartons ließen sie sich erschöpft nieder.

"Und noch was, Leute", keuchte Bauleiter Murksel mit erschöpfter Stimme. "Es ist nichts passiert, und wir sind nie weggewesen, klar?"

Alle nickten stumm, und niemand sagte ein Wort. Am Himmel war bereits der erste rote Schein des kommenden Morgens zu sehen. Es dauerte nicht lange, und auf der Pritsche der Kutsche war nun auch das letzte Lebewesen eingeschlafen.





Kapitel 34

Wieder an Bord

"McClown, haben Sie sich schon Gedanken um mein Frühstück gemacht?"

Der Butler schreckte hoch und sah sich um. Er rieb sich die Augen, und so langsam dämmerte es ihm, wo er sich befand.

"Nun, Sir, ich dachte an einen frischen Waldsalat, der ist sehr lecker und preiswert..."

"Machen Sie die Kutsche klar, und überlassen Sie solche Sprüche mir!" fauchte der Lord und drehte sich beleidigt um.

Kurz darauf waren sie startbereit, und Frido McClown warf noch einen Blick auf die schlafenden Hamster.

"Sehen Sie, Sir, wie lieb die schlafen. Es war ihnen bestimmt zu feucht heute Nacht, diese braven Tiere!"

"McClown, wenn ich nicht bald etwas zu Essen bekomme, werde ich zum Tier, also Marsch!"

Wenig später ging die Fahrt weiter, und es schien, als wenn auch die Pferde nach dieser nassen Nacht froh darüber waren, sich wieder bewegen zu dürfen. Sie waren noch nicht weit gefahren, als zu ihrer rechten Seite ein prächtiges Haus auftauchte. Allerdings schien es von seiner Pracht eine Menge eingebüßt zu haben, denn es sah aus, als wenn sich dort etwas Schlimmes ereignet hatte. Auch die Tatsache, dass ein Feuerwehrwagen direkt davor parkte, ließ darauf schließen, dass hier etwas passiert war.

"McClown, schauen Sie mal nach, und fragen Sie, was das zu bedeuten hat!" befahl Lord McShredder.

Wenige Minuten später kam der Butler zurück und erstattete Bericht: "Der Feuerwehrmann sagt, dass hier heute Nacht eine Musikgruppe für ihr nächstes Konzert geübt hat. Scheinbar haben die nicht aufgepasst und die Hütte abgefackelt. Die sollen jetzt ziemlich mitgenommen aussehen. Der Feuerwehrmann hat gemeint, dass der Sänger von denen gesagt hat, dass sie in diesem Land nicht mehr singen wollen. Der Sänger soll auch gesagt haben, dass sie in Zukunft nur noch für Finnland beim Grand Prix antreten wollen."

Gegen Mittag hatte die Reisegruppe das Gebiet der Trossachs verlassen und das ursprünglich geplante Ziel Dunferline kurz vor dem Firth of Forth erreicht. Die Nacht im Wald hatte bei allen ihre Spuren hinterlassen, doch Lord McShredder hatte zum Glück eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Der vierte Tag ihrer Reise verlief soweit problemlos, lediglich in Edinburgh kam es zu einigen unschönen Szenen, als sie mitten in die Hauptverkehrszeit der Hauptstadt gerieten. Es hätte nicht viel gefehlt, und der pöbelnde Lord wäre von den aufgebrachten Autofahrern von der Pritsche geholt worden. Am Ende des Tages erreichten sie Burnmouth und der Lord beschloss, eine letzte Nacht auf schottischen Boden zu verbringen. Frido McClown hatten dem Plan begeistert zugestimmt, war jedoch außer sich, dass der Lord die Übernachtung auf schottischem Boden wortwörtlich nahm. Somit wurde das Geld für eine letzte Übernachtung gespart, und sie nächtigten am Strand von Hilton Bay, nur wenige Kilometer von der englischen Grenze entfernt. Da wieder einmal heftiger Regen einsetzte, verbrachte die Reisetruppe eine ungemütliche Nacht unter der Plane, sehr zum Ärger der Hamster. Erste Stimmen innerhalb der Hamsterschar wurden laut, doch lieber wieder in den sonnigen Norden Schottlands zurückzufahren, denn da sei das Wetter besser. Nur unter großen persönlichen Einsatz des Bürgermeisters, der immer wieder auf die Notwendigkeit des Projekts 'Pleasure Dome' hinwies,  konnte die Lage entschärft werden. Am nächsten Tag traten sie die restlichen 122 Kilometer nach Newcastle an. Das Wetter zeigte sich nun von einer besseren Seite und bei Sonnenschein passierten sie Holy Islands, auch Lindisfarne genannt, und der Butler stellte nun dem Lord die Frage, die ihn schon lange beschäftigte: "Sir, was machen wir mit den Pferden und der Kutsche? Wir werden sie wohl nicht mit an Bord des Schiffes nehmen können, oder?"

Der Lord überlegte lange. Auch er hatte sich schon mit dem Problem beschäftigt. Seine ursprüngliche Idee, die Pferde samt Kutsche zu verkaufen, hatte er wieder verworfen, denn immerhin gehörten sie MacToffee.  Auch die Möglichkeit, die Pferde irgendwo zu parken und ihrem Besitzer eine Postkarte zu schicken, er möge zu abholen, war eines Lords nicht würdig. McShredder seufzte und antwortete: "Wir haben da doch noch einen gewissen George auf der Gehaltsliste, ja? Soll der sich darum kümmern. McClown, suchen Sie im nächsten Ort eine Telefonzelle, ich werde ihn dann anrufen."

In der Nähe von Alnwick fanden sie die gewünschte Telefonzelle und begaben sich anhand des dortigen Telefonbuchs auf die Sache nach der Telefonnummer von George. Es war nicht einfach, die richtige Nummer zu finden, und der Lord wurde langsam ungeduldig, während er eine Nummer nach der anderen ausprobierte.

"McClown, warum ist eigentlich nie besetzt, wenn man eine falsche Nummer wählt?"

Schließlich waren sie dann doch noch erfolgreich, und George saß nun am fernen Loch Rannoch und überlegte angestrengt, wie er mit dem Wagen nach Newcastle zu den Royal Quays fahren und dann mit einer Kutsche samt Pferde zurückkommen sollte. Er beschloss, seine Überlegungen auf der Fahrt weiterzuführen, denn schließlich lagen etwas mehr als 500 Kilometer vor ihm, und er hoffte, in sechs Stunden in Newcastle zu sein.

Am frühen Nachmittag hatten McShredder, McClown und die Hamster Newcastle erreicht. Auch hier kam es zu mehreren peinlichen Szenen, als der Butler die Kutsche mitten durch den Verkehr lenkte. Sicherlich war das Hupen einiger Autofahrer mehr als Spaß gedacht, jedoch als der wütende Lord auf der Pritsche stand und mit den Armen fuchtelnd drohte, sämtliche Engländer in seinen Kerker zu stecken, kam es zu ersten Zwischenfällen. Kurz darauf musste die hiesige Polizei einschreiten und den wütenden Mob daran hindern, Lord McShredder zu verprügeln. Der Butler beschwichtigte die angerückte Hundertschaft der Polizisten und erklärte ihnen, dass der arme Lord kürzlich sein Schloss durch eine Gasexplosion verloren hätte und noch nicht wieder bei klarem Verstand sei. Mit einer Polizeieskorte vorweg wurde die Reisetruppe nun bis zu den Royals Quays geleitet, wo sich McShredder zum Abschluss eine saftige Geldstrafe einhandelte, als er den Leiter des Polizeieinsatzes als englischen Lakaien bezeichnete. Während der Butler nun die Pferde samt Kutsche zu einem abseits gelegenen Park nahe des Hayhole Roads führte, besorgte der Lord die Fahrkarten für die Fähre nach Amsterdam.

"Also, ich glaube, in solch einer großen Stadt möchte ich nicht wohnen", rief Tuffi entsetzt, "dieser Krach und Lärm..."

"Also ich fand das toll, als die den alten Lord aufmischen wollten", grinste Goldi, "schade nur, dass die blöde Polizei dazwischengekommen ist."

"Viel mehr würde mich interessieren, wo wir jetzt bleiben. Der Butler hat die Pferde jetzt fertig gestriegelt. Bestimmt müssen wir nun wieder umziehen."

Flecki sollte Recht behalten, denn nun fiel der Blick McClowns auf die Hamster, die schon seit zwei Tagen in einem ungemütlichen Plastikeimer wohnen mussten, den der Butler unterwegs besorgt hatte. Er hatte den Eimer mit Gras und Teilen seiner Kleidungsstücke ausgestattet, doch  es war unwahrscheinlich, dass er mit einem Eimer voller Hamster auf das Schiff gelassen werden würde. Bedauernd zuckte Frido mit den Schultern, als er seine eigene und die Wäsche des Lords in den einen und die Hamster in den nun frei gewordenen anderen Koffer packte. Dann sah er sich ein letztes Mal nach den Pferden um, die zufrieden grasten und sich von den Strapazen der vergangenen Tage erholten. Dann nahm er die Koffer und ging zum Fährterminal, wo er schon von weitem Lord McShredder sehen konnte, der  neben einem Klohäusschen saß und eine Pfeife rauchte. Der Lord war in sofern von Weitem gut zu erkennen, da er einen weißen Kopfverband trug und sein linker Arm in einer Schlinge hing.

"Schön, Sir, dass Sie eine neue Pfeife gefunden haben", sagte der Butler und stellte keuchend die Koffer auf den Boden.

"Nicht wahr?", krähte McShredder. "Und wenn mir dieser McDudle noch einmal über den Weg laufen sollte, wird er dafür bezahlen müssen! Es ist unvorstellbar, welche Preise hier für eine einfache Pfeife verlangt werden. Von den Kosten für das Fährticket möchte ich gar nicht erst sprechen. Immerhin haben wir nur den halben Preis bezahlen müssen und fahren in der Luxuskabine auf der 'Duke of Scandinavia'."

Frido traute seinen Ohren nicht. "In der Luxuskabine? Sir, ich meine, wieso Luxuskabine, wieso halber Preis und wieso tragen Sie einen Verband?"

"Tja, McClown", entgegnete der Lord und zog genüsslich an seiner Pfeife, "ein Bauer wie Sie kennt sich eben nicht so gut aus in der Welt der Geschäftigkeit. Deshalb sind Sie auch nur ein Butler. Natürlich habe ich vorhin gesehen, dass neben dem Fahrkartenschalter ein Gepäckstück lag, und deshalb habe ich mir auch nicht sonderlich wehgetan, als ich in aller Offentlichkeit darüber gestolpert bin. Sie hätten mal das blasse Gesicht des Terminaldirektors sehen sollen, als er erfuhr, dass ein Mitglied des Adels sich durch seine Unachtsamkeit schwer verletzt hatte. Als ich ihm, vor Schmerzen schreiend und am Boden liegend,  mit der Presse drohte, war er völlig am Ende, McClown. Hier, nehmen Sie mal die Fahrkarten. Bis wir in der Kabine sind, bin ich ein schwerverletzter Mensch!"

Während auf der mehrspurigen Zufahrtsstraße zum Schiff nun die ersten Fahrzeuge langsam vorfuhren, gingen Lord und Butler durch das Gebäude des Terminals direkt zum Schiff. Es wurden peinliche Minuten für Frido McClown, als der Lord laut jammernd und klagend von mehren Bediensteten des Schiffspersonals nun in seine Kabine geleitet wurde. Immerhin hatte die ganze Sache auch ihre gute Seite, denn kein Mensch kam auf die Idee, ihr Gepäck zu kontrollieren. Auch ihre Fahrkarten wurden nur flüchtig kontrolliert, dann hatten sie ihre Luxuskabine erreicht und machten es sich gemütlich. Der Lord nahm seinen Kopfverband und seine Armschlinge ab und feuerte beides in die Ecke. Dann klopfte es an der Tür. Mit einem Satz war der Lord aufgesprungen, holte Kopfverband und Armschlinge zurück, gab seinem Butler ein Zeichen, ihn wieder zu verbinden und krächzte mit matter Stimme in Richtung Tür: "Moment!" Als der Verband wieder befestigt war, ließ sich der Lord auf ein Sofa fallen und rief mit matter Stimme: "Herein!"

Der Steward des Schiffes trat ein und sprach: "Haben die Herren einen Wunsch?"

"Ja", krähte McShredder, "bringen Sie mir eine kräftige Suppe und ein Steak. Ein kranker Mensch wie ich, der durch die Unachtsamkeit ihres Unternehmens schwer verletzt wurde, braucht viel Nahrung. Vergessen Sie den Tee nicht, Sklave!"

"Sehr wohl, Sir", nickte der Steward grimmig und wandte sich dem Butler zu.

"Ich, äh, hätte gerne einen Korb mit Obst und das Gleiche wie Sir Lord McShredder!"

Der Steward nickte wieder und verschwand.

Dieses Mal lies der Lord Kopfbedeckung und Armschlinge dort, wo sie waren. Inzwischen kam über die Bordansage die übliche Begrüßung, verbunden mit dem  Wunsch auf eine angenehme Reise. Dann legte das Schiff ab. In diesem Moment klopfte es erneut an der Tür und Frido rief: "Herein!"

Der Steward betrat die Kabine und zog einen Servierwagen hinter sich her. Mit geschickten Bewegungen servierte er erst dem Lord und dann dem Butler das gewünschte Essen. Den Obstkorb stellte er auf einen kleinen Tisch neben dem Fernsehgerät. Er wünschte einen guten Appetit und verließ schleunigst die Kabine.

"Sagen Sie mal, McClown", fragte nun McShredder kauend und mit vollem Mund, "was soll das ganze Gemüse bedeuten?"

"Nun, Sir, das Gemüse ist Obst, und das ist für die Hamster gedacht."

Schlagartig ließ er im selben Moment sein Besteck auf den Tisch fallen und lief zu den Koffern. Die Hamster - er hatte ganz vergessen, dass die armen Tiere schon seit fast zwei Stunden in dem dunklen Koffer eingesperrt waren! Schnell öffnete er einen der beiden Koffer und wurde von 12 vorwurfsvollen Augenpaaren angestarrt.

"Sir, wo soll ich den Koffer mit den Hamster hinstellen?"

"Aha, im Koffer stecken die, McClown. Ich habe mich schon gewundert, wo Sie die Nager gelassen haben. Stellen Sie die in die Dusche im Klo, da stören die niemanden!"

Frido nickte und trug den Koffer in die Toilettenkabine. Dort zog er den cremefarbenen Duschvorhang auf und stellte die Hamster samt ihrer Behausung dort hin. Nachdem er den Obstkorb ebenfalls in die Duschkabine gestellt hatte, war ihm wohler zumute, und er setzt sich wieder zum Essen neben den Lord nieder. Durch das große Bullauge beobachtete er, wie die Gebäude draußen langsam verbeizugleiten schienen, während sich das Schiff über die Tyne bewegte. Nachdem sie zwischen Nord Shields und South Shields hindurchgefahren waren, befanden sie sich auf der schier grenzenlosen Nordsee.

"Klingeln Sie mal nach diesem faulen Kellner, McClown, der soll gefälligst den Nachtisch bringen!" unterbrach der Lord die Gedanken Fridos. Der Butler tat, wie ihm geheißen, und eine halbe Stunde später lagen er und McShredder satt und schläfrig auf dem Sofa. Die leichten Bewegungen des Schiffes taten ein Übriges dazu, und nach kurzer Zeit waren die beiden Männer eingeschlafen. Selbst das Klappern der offenen Toilettentür störte sie nicht.

"So was Blödes", schimpfte Flecki, "ich wollte doch nicht mehr mit dem Schiff fahren! Bestimmt wird mir gleich wieder schlecht."

"Wo ist das Problem", grinste Goldi, "das Klo ist doch gleich da vorne, aber pass auf, dass du nicht hineinfällst."

"Du bist so etwas von ekelhaft, weißt du das?" fauchte Flecki. "Übrigens habe ich keine Lust, die ganze Fahrt in dieser ungemütlichen Kabine zu verbringen. Was ist, wenn irgendein Idiot die Dusche andreht? Ich will shoppen gehen, wer kommt mit?"

Natürlich wollten alle mit, und nachdem sie vorsichtig an dem schlafenden Lord und seinem Butler vorbeigeschlichen waren, standen sie vor der geschlossenen Kabinentür.

"Tja, Leute", sprach Bauleiter Murksel, "das war es wohl. Ich habe nämlich kein Werkzeug dabei und ohne..."

"Brauchen wir doch überhaupt nicht", rief Goldi. "Wir müssen nur den Türöffner herunterdrücken!"

Begeisterte Hamsterrufe erfüllten den Raum, doch nach einer Stunde war die Stimmung wieder auf dem Nullpunkt. Alle Versuche, an den Türdrücker zu gelangen, waren fehlgeschlagen. Ratlos saßen sie mit dem Rücken an die unüberwindliche Tür gelehnt und betrachteten die andere Seite des Raumes. Dodos Idee, das Fenster zu knacken, wurde einheitlich abgelehnt, da die Risiken nicht zu kalkulieren waren.

"Die Vorhänge...." sagte Flecki und starrte auf die gelben Vorhänge, die links und rechts von dem großen Bullauge hingen.

"Genau!" rief Goldi. "Die klettern wir hinauf und gehen durch die Decke!"

"...passen überhaupt nicht zur Wandfarbe, wollte ich sagen", beendete Flecki ihren Satz. "Aber sag mal, Murksel, was sagst du dazu, kommen wir durch die Decke?"

Fachmännisch betrachtete der Bauleiter die Decke, klopfte auf den Fussboden und an die Wände. Dann stellte er sich in die Mitte des Raumes und legte den Kopf schief. Als er dann einen Schritt rückwärts machte, stolperte er über Tuffi, die direkt hinter ihm stand. "Also, ich würde sagen, das sieht wie Gipsplatten aus, die sollten wir hochdrücken können."

Gesagt, getan. Ein Hamster nach dem anderen marschierte an den beiden schlafenden Männern vorbei, hüpfte auf das Sofa und kletterte von dort aus die Gardine hoch. Dodo, der vorweg kletterte, drückte seinem ganzen Körper gegen eine der Gipsplatten. Tatsächlich ließ sie sich leicht nach oben heben und im Nu befanden sich die Tiere in einem Hohlraum über der Kabine. Viele Kabel und Leitungen befanden sich hier. Nach einer langen Wanderung nahm der feine Geruchssinn der Hamster etwas wahr und Goldi sprach das aus, was alle dachten: "Futter! Hier gibt es irgendwo Futter!"

"Wir müssen über diesem Restaurant sein, erinnert ihr euch noch an das leckere Softeis?" rief Teeblättchen.

"Und die Fritten!" schwärmte Hamstilidamst.

"Moment, Leute", rief Bauleiter Murksel, "dieses Mal sollten wir unauffällig und ohne Risiko vorgehen."

"Ja, öhm, liebe Hamster, Unauffälligkeit sollte unser Ziel sein. Die, äh, dummen Vorkomnisse der Hinfahrt dürfen sich nicht wiederholen!"

Alle stimmten kopfnickend dem Bürgermeister zu. Nachdem sie eine weitere Deckenplatte vorsichtig hochgehoben hatten, kletterten die Hamster über einen langen Vorhang in den Speisesaal. Unter einem großen Buffettisch sammelten sie sich und der Bauleiter fuhr fort: "Sehr gut, das war perfekt. Wir werden nun strategisch und mit Verstand vorgehen. Als erstes nehmen wir uns diesen Softeisautomaten vor. Tuffi und ich werden den Anfang machen und unauffällig etwas Sahne besorgen."

Er gab Tuffi ein Zeichen, und beiden liefen zu dem nur wenige Meter entfernten Sahneautomaten. Dort musterte Murksel kritisch die großen Patronen unter dem Gerät, klopfte hier, drückte da und zeigte auf einen Schlauch: "Der da muss abgenommen und mit der linken Patrone verbunden werden. Den anderen Schlauch werde ich entfernen und einen festen Knoten hineinmachen. Danach muss die linke Patrone ausgeschaltet werden und schon können wir hier etwas Softeis abzapfen. Los, Tuffi, besorg mal eine Schüssel, ich bereite inzwischen alles vor."

Tuffi tat, wie ihr befohlen war und konnte gerade noch rechtzeitig vor mehreren alten Damen flüchten, die sich mit gierigen Blicken im Gänsemarsch dem Softeisautomaten näherten.

"Ich habe die Schüssel, Chef, und da draußen..."

"Nicht jetzt, Tuffi, ich muss mich konzentrieren!"

"Aber Chef...."

"Klappe, Tuffi, der verdammte Schlauch klemmt. Hoffentlich holt sich jetzt bloß keiner Eis.."

"Chef, Chef, da kommen welche!"

"Wer welche, wie welche? Weg hier, Tuffi!" kreischte der Bauleiter und machte, dass er zurück zum Buffettisch kam. Zusammen mit Tuffi stand er nun keuchend vor den anderen Hamstern.

"Und? Wo ist das Softeis?" fragte Dodo enttäuscht.

"Kommt gleich", flüsterte der Bauleiter, und er sollte recht behalten. Eine Explosion, die den Buffettisch umwarf, erschütterte das gesamte Restaurant. Menschen schrieen, kreischten, rannten in Panik durcheinander und ein Schwall Softeis ergoß sich über das Deck.

"Unauffällig und ohne Risiko", gröhlte Goldi und klatschte mit den Pfoten.

"Strategisch und mit Verstand", gackerte Flecki.

"Weg hier!" brüllte der Bauleiter, "Wir müssen sofort den Standort wechseln! Schnell zum Salatbüffet!"

Das war leichter gesagt als getan, denn überall schlidderten kreischende Menschen durch den Saal, die sich auf dem rutschigen Boden nicht auf den Beinen halten konnten. Erste Lautsprecherdurchsagen riefen zur Ruhe auf. Der Weg zum Salatbüffet war versperrt, und so rannten die Hamster so schnell ihre kurzen Beine konnten nach links und versteckten sich in einer kleinen Nische.

"Schnell", rief Sasie, "dort ist eine offene Klappe!" Kurz darauf saßen die Hamster in einer engen, dunklen Kammer und blickten sich ängstlich um.

"Jetzt sind wir in einem Schaltkasten gelandet, wirklich klasse!" schimpfte Flecki, doch Goldi hatte eine Idee: "He, Leute, wenn wir den Strom abschalten, geht das Licht aus, und wir können unauffällig verschwinden!"

"Ja, lasst uns verschwinden, mir ist das alles viel zu laut hier", jammerte Dodo.

In der Tat waren schon wieder Lautsprecheransagen zu hören, und es war deutlich zu vernehmen, wie eine freundliche weibliche Stimme eine 'Unachtsamkeit bei dem Gebrauch eines Gerätes' erwähnte, woraufhin der Bauleiter einen Tobsuchtsanfall bekam.

"Unachtsamkeit? Unachtsamkeit? Ich werde euch zeigen, was Unachtsamkeit ist, ihr habt doch alle keine Ahnung! Der Zulauf war falsch befestigt und das Ventil vergammelt und verrostet! Ich zeig euch, was Unachtsamkeit bei dem Gebrauch eines Gerätes bedeutet!"

Er kletterte an einer Leitung hoch und sprang auf den Sicherungskasten. "Ich drehe euch den Saft ab, ich hau euch die blöde Lautsprecherkiste um die Ohren, ich mach euch platt!" Dann biss er eine Sicherungsplombe nach der anderen durch und drückte die kleinen Sicherungsschalter einen nach dem anderen herunter. "Ihr sollt mich kennenlernen, sage ich", brüllte er unter den Anfeuerungsrufen von Goldi, während der Bürgermeister sich entsetzt die Pfoten vor die Augen hielt. "Los Tuffi, gibt mir mal den Schraubenzieher der dort unten liegt!"

Etwas verunsichert reichte Tuffi dem tobenden Bauleiter den Schraubenzieher. "Hier Tuffi, schau zu, damit du was lernst! Was passiert, wenn wir zwei Hauptstromkreise miteinander verbinden? Ha, so etwas lernt man nicht in der Berufsschule!"

Im nächsten Moment zischte und knallte es; Funken waren zu sehen, und der Bauleiter flog durch die Luft und landete kreischend in der Ecke.

"Chef, ist alles in Ordnung?" Tuffi stand neben dem Bauleiter, dessen Fell ein wenig verbrannt roch.

"Äh, ja, danke. Es geht mir gut. Ich glaube, hä, hä, ich war ein wenig unbeherrscht und habe etwas überreagiert."

"Nicht mehr als sonst", flötete Flecki, während der Bauleiter sich erhob.

"Also, ich habe keine Lust mehr auf Shoppen", fauchte Dasie, und der Bürgermeister stimmte nickend zu.

"Also, meine lieben Hamster, wir sollten die Schiffsbesichtigung ein anderes Mal fortsetzen. Wir sollten die Dings, äh, die Situation nicht übertreiben und verschwinden besser, bevor wir entdeckt werden."

"Genau", stimmte Dodo zu. "Wir kriegen sowieso immer die Schuld!"

Da auf dem gesamten Schiff nun kein Licht mehr brannte, war es für die Hamster kein Problem, unbemerkt zu dem Ausgangspunkt zurückzukehren. Sie kletterten den Vorhang neben den Resten des zerfetzten Softeisautomaten hoch und verschwanden dorthin, wo sie hergekommen waren.

In diesem Moment wurden Lord McShredder und sein Butler Frido McClown durch ein heftiges Klopfen an ihrer Kabinentür geweckt.




Kapitel 35

Die letzte Fahrt der 'Duke of Scandinavia'

Nachdem der Stewart eingetreten war und die Lage erklärt hatte, nickte Lord McShredder ungeduldig und entgegnete: "Sie wollen mir sagen, Sklave, dass es keine warme Mahlzeiten mehr gibt, kein warmes Wasser und kein Fernsehen? Ich soll bei Notbeleuchtung in dieser sogenannten Luxuskabine reisen? Ich will mein Geld zurück!"

"Selbstverständlich werden Sie die Hälfte dessen wiedererhalten, was Sie bezahlt haben, Sir!" antwortete der uniformierte Mann mit hochrotem Kopf und verließ die Kabine so schnell er konnte.

"Haben Sie gehört, Sir?" gackerte Frido McClown, "dann kriegen Sie bloß die Hälfte von der Hälfte wieder, die Sie sich erschlichen haben!"

Der Lord schien die freche Bemerkung seines Butlers überhört zu haben. Er nahm seine Pfeife, betrachtete sie und schien sich zu erinnern, dass in den Kabinen Rauchverbot herrschte. Dann hellte seine Miene ein wenig auf, und er deutete auf die Toilette. "Räumen Sie mal die Hamster da raus, ich werde es mir ein wenig unter der Dusche bequem machen!"

"Aber, Sir, Sie haben doch gehört, dass es kein warmes Wasser gibt."

"Weiß ich, McClown. Glauben Sie etwa, ich will duschen? Ich dusche nie. Räumen Sie endlich das Viehzeug aus der Duschkabine, und stellen Sie mir einen Stuhl hinein. Ich will rauchen!"

Der Butler stutzte einen Moment, doch dann nahm er achselzuckend einen der im Raum stehenden Stühle und ging zur Toilette. Er wusste, dass es keinen Sinn machen würde, dem Lord zu sagen, dass er seine Pfeife ebenso gut an Deck rauchen könnte. In der Toilette war es dunkel, und als der Butler den Duschvorhang beiseite zog, brauchten seine Augen einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch dann traf ihn fast der Schlag.

"Die Ha, Ha, die Ha..."

"Albern Sie hier nicht rum, McClown, sondern sehen Sie zu, dass Sie fertig werden!"

"Die Hamster, Sir, die Hamster sind verschwunden!" Mit einem äußerst mulmigen Gefühl im Magen durchsuchte der Butler die Toilettenkabine, hob den Klodeckel hoch und setzte seine Suche in der Wohnkabine fort, während der Lord es sich mit seiner Pfeife in der Duschkabine gemütlich machte. Nach wenigen Minuten gab Frido die Suche auf, denn viele Möglichkeiten für Hamster, sich hier zu verstecken, gab es wirklich nicht. Wo um alles in der Welt waren diese schlauen, kleinen Nager geblieben?

"Sir, ich fürchte, ich werde mich auf die Suche nach den Hamstern begeben müssen!"

Statt einer Antwort kam nur ein Grunzen aus der Duschkabine zurück. Der Butler nahm eine der Karten, die zum Öffnen der Kabinentüren dienen, und machte sich auf den Weg. Nachdem er einen langen, schmalen Gang entlang gelaufen war, erreichte er die Haupttreppe. Es folgte eine lange und erfolglose Suche und sein Magen begann allmählich zu knurren. Da er vom Stewart erfahren hatte, dass das gesamte 'Seven Seas Restaurant' wegen dringender Renovierungsarbeiten geschlossen war, machte er sich auf den Weg in das zwei Stockwerke tiefer befindliche 'Blue Riband'. Zu seiner Überraschung war das Restaurant trotz des Stomausfalls recht gut besucht; Kerzen standen auf dem Tischen, es gab Desserts, Gemüseplatten, belegte Brote und vieles mehr. Nachdem er sich mehrfach bedient und dabei mehr oder weniger unauffällig Ecken inspiziert und unter diverse Tische geguckt hatte, hörte er jemanden seinen Namen rufen.  Erstaunt blickte er sich um und erkannte im nächsten Moment den Lkw-Fahrer, der entspannt an einem der Tische saß und ein Stück Kuchen genoss.

"Frido, was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wären schon längst wieder auf dem Kontinent!"

Der Butler setzte sich zu Vim van der Slampe und erzählte ihm die ganze Geschichte. In der Tat hatten er und der Lord einen ganzen Tag in den Trossachs verloren und somit erst heute die Fähre erreicht.

Nachdem der Lkw-Fahrer von seiner erholsamen Reise durch die Highlands berichtet hatte, saßen die beiden Männer schweigsam am Tisch und beobachteten eine Familie am Nebentisch. Es war die Familie mit dem roten Opel Astra. Die beiden Kinder waren schwer damit beschäftigt, sich gegenseitig mit Salzstangen und Gurkenscheiben zu bewerfen. Der Vater versuchte verzweifelt, so zu gucken, als würde er nicht dazugehören, während die Mutter energisch einschritt, um die Schweinereien zu unterbinden.

"Natürlich fahre ich Sie gerne zu dem Rastplatz, an dem die Hamster vermutlich zugestiegen sind, Frido, aber wenn wir die nicht wiederfinden..."

"Schade, dass die Lautsprecher ausgefallen sind", stöhnte der Butler, "sonst wüssten wir vielleicht, wo die Tierchen stecken!"

Zwei Stockwerke über den beiden Männern fand im selben Moment eine Hamster-Besprechung statt.

"Wir sollten, liebe Hamsterfreunde", rief der Bürgermeister verzweifelt, "auf irgendwelche wie auch immer gearteten unnötigen Aktionen, die das Projekt "Pleasure-Dome" gefährden, äh, verzichten. Wie ich, äh..."

"Überhaupt und im allgemeinen immer gesagt und gepflegt habe..."

"Öh, ja, äh, danke Goldi", keuchte der Bürgermeister, "genau das wollte ich sagen, wenn ihr versteht."

"Nö", antwortete Flecki, "ich sehe das nicht ein, dass wir eine Seereise machen und nicht ein einziges Mal in den Duty-Free-Shop gehen. Ich will shoppen, ich brauche neue Klamotten und will leckere Sachen haben. Guck mal, Bürgermeister, ein lächerliches Spinatblatt habe ich beim Buffet mitnehmen können, Spinat, igitt, wer isst denn sowas!"

"Spinat schmeckt am besten, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein großes Stück Torte ersetzt", rief Goldi, während der Bürgermeister verzweifelt versuchte, wieder das Wort zu ergreifen.

"Verdammt nochmal, jetzt habe ich aber die Schnauze sowas von voll, das glaubt ihr nicht!" brüllte Bauleiter Murksel. "Wir können uns doch wohl einen Tag von Obst ernähren, oder? Ich brauche schließlich auch nicht jeden Tag neue Klamotten!"

"Schade auch. Dann würdest du nämlich nicht mehr wie ein zerfledderter, dicker Feldhamster aussehen!"

"Wer hat das gesagt?" brüllte Murksel "Wer war das?"

Alles grinsten, keiner antwortete.

"Ähm, da gewissermaßen eine weitere Diskussion unnötig erscheint, schlage ich vor, zurückzugehen und an Ort und Stelle zu bedingsen, äh, beraten..."

Bevor der Bürgermeister ausgeredet hatte, setzten sich die Hamster in Bewegung, doch schon nach wenigen Metern war es Goldi, der innehielt und rief: "Leute, guckt mal durch diesen Spalt nach unten, das ist ja irre! Los Dodo, heb mal die Deckenplatte hoch!"

Dodo tat, wie ihm gesagt wurde, und Goldi kletterte durch die Öffnung in den darunter befindlichen Raum. Ein Getränkeautomat stand hier, und nach wenigen Minuten saßen zwölf staunende Hamster davor.

"Was ist das?" fragten Tati und Teeblättchen im Chor.

"Das nennt sich, glaube ich, Automat. Der spuckt Futter aus", erklärte Tuffi.

Bauleiter Murksel trat näher an das große Gerät, legte den Kopf schief und betrachtete es eingehend. Dann klopfte er mehrfach an das Metallgehäuse, trat einen Schritt zurück und sprach: "Das ist ein Gerät aus der 47er Bauserie, ein sogenannter halbmechanischer Getränkespender. Dort oben ist ein Schlitz, in den wird ein Metallstück, dass sich durch ein bestimmtes Gewicht und Größe auszeichnet, eingeworfen. Das Metallstück landet nun auf einer Waage, die das Metallstück auf Richtigkeit prüft. Entspricht es gewissen Parametern, dann wird ein Hebel freigeschaltet, der das vorher gewählte Getränk in eine dafür gedachte Öffnung schiebt."

Keiner hatte so genau zugehört, sondern alle waren damit beschäftigt, den Getränkeautomaten von allen Seiten zu betrachten. Goldi war inzwischen zum Ausgabefach geklettert und winkte Trampel, ihm zu folgen.

"He, Trampel, wir sind mit deiner Prüfung zum Superhamster noch nicht fertig." Mit großen Augen starrte Trampel Goldi an und lauschte seinen Worten. "Schau mal hier: da ist eine schwarze Tür, und dahinter ist es völlig dunkel. Zeig, dass du keine Angst vor der dunklen Macht hast und trete kräftig dagegen!" Der kleine Hamster nickte aufgeregt und nahm so viel Anlauf, wie es in dem engen Ausgabefach möglich war. Mit einem lauten Schrei rannte er los, stoppte kurz, trat mit voller Wucht gegen die Klappe und blieb erwartungsvoll stehen. Wie es sich für eine Klappe gehört, klappte sie nach innen weg, kam mit hoher Geschwindigkeit wieder zurück und erwischte Trampel. Laut kreischend flog der arme Hamster quer durch den engen Raum und klatschte gegen die gegenüberliegende Wand.

"Ich liebe es, den keltischen Schrei des fliegenden Moosbibers zu hören", rief Goldi und klatschte begeistert. Einen Moment blieb Trampel benommen liegen, dann rappelte er sich auf und blickte erwartungsvoll zu Goldi, der nachdenklich auf die Klappe guckte und murmelte: "Habe ich mir doch gedacht, dass das eine Schwingklappe ist."

"He Goldi, was ist nun mit meiner Prüfiung, war das gut?"

"Nee, Trampel, daran musst du noch arbeiten, die Landung war noch nicht überzeugend."

"Goldi, du bist sowas von unmöglich und gemein, also..."

"Gibt das jetzt was zu trinken?" unterbrach Dodo die tobende Flecki. "Ich meine, wenn das ein Getränkespender ist, dann brauchen wir doch nur noch ein Metallstück, oder?"

"Und Strom", ergänzte Murksel, "und den haben wir nicht."

"Kannst Du da nichts machen, Bauleiter?"

"Ohne Werkzeug, mein lieber Dodo, ist da nichts zu machen. Da sehe ich keine Möglichkeit auch nur irgendwie..."

"Er hat Schiss!"

Der Bauleiter schien für einige Sekunden wie erstarrt zu sein, doch dann brüllte er los: "Wer hat das gesagt? Das muss ich mir nicht bieten lassen! Nicht mit mir, ich habe keinen Schiss, das zeige ich euch jetzt ein für alle Mal! Aus dem Weg!" Er kletterte zum Ausgabefach hoch, drehte sich um und blickte auf die staunenden Hamster. "Er hat Schiss, wie? Ich zeige euch mal, wie das auch ohne Werkzeug geht, wenn man vom Fach ist!"

"Holt er jetzt was zu trinken? Geht das jetzt los, oder was?

"Keine Ahnung, ob es was zu trinken gibt, Dodo, aber los geht es jetzt wirklich", grinste Goldi und lauschte den Geräuschen, die aus dem Automaten drangen. Es klang, als würde Geschirr zerschmettert, Fluchen und Gegröle rundeten das Ganze ab. Fasziniert schauten die Hamster auf den Getränkeautomaten und warteten auf die erhoffte Katastrophe, während der Bürgermeister vor der Ausgabeklappe hin und her watschelte und verzweifelt rief: "Lieber Bauleiter, nehmen Sie doch Vernunft an, denken Sie an unser Projekt". Allerdings hatte er von der Lautstärke her keine Chance gegen die rhytmischen 'sol stheg tztej!'-Rufe der übrigen Hamster.

Nach einer Stunde waren die 'jetzt geht’s los'-Rufe verstummt, doch in dem Automaten waren immer noch merkwürdige Geräusche zu hören, die darauf schließen ließen, dass Metall bearbeitet wurde. Plötzlich war ein Schrei im Inneren des Gerätes zu hören, es polterte, und dann erschien der Kopf des Bauleiters an der Ausgabeklappe.

"Deckung, es kommt!" schrie er und flog im selben Moment wie vorher schon Trampel quer durch den engen Raum und klatschte gegen die Wand. Diesmal allerdings klatschte es gleich mehrfach hintereinander, denn dem Bauleiter folgten Dosen mit Limonade und Cola. "Rennt um euer Leben!" kreischte der Bauleiter und rannte, noch leicht benommen, im Zick-Zack zum Ausgang. Mit lauten 'Eflih!' und 'Kinap!'-Rufen folgte ihm der Rest. Im Flur blieb Murksel keuchend stehen.

"Gibt’s jetzt was zu trinken, Bauleiter?"

"Klappe, Dodo. Das war verdammt knapp. Wenn auch nur eine Dose geplatzt wäre, hätte das eine Kettenreaktion gegeben, die hier alles hätte hochgehen lassen. Anscheinend haben wir Glück gehabt."

Erleichtert atmeten alle laut auf, als aus dem kleinen Zimmer ein gut vernehmbares 'Plopp' zu hören war. Es war deutlich zu sehen, dass der Bauleiter trotz seines hochroten Kopfes plötzlich kreidebleich wurde. "Lauft! Lauft um euer Leben, Hamster!" schrie er und rannte, so schnell ihn seine kleinen Pfoten trugen, über den Flur. "Wir, äh, sollten unbedingt versuchen, in die Dings, äh, Decke zu klettern. Wenn wir erwischt werden, meine lieben Hamster, wird man womöglich uns die Schuld geben!"

"Ach nee, Bürgermeister", lästerte Flecki, "warum sollte man denn das bloß tun?"

"Spielautomaten!" kreischte Goldi plötzlich verzückt und bog in einen Nebenraum ab. Die Hamster blieben stehen und Flecki rief: "Toidi! Ohne Strom kannst du sowieso nichts damit anfangen!"

Mit großen, traurigen Augen stand Goldi vor den bunten Spielautomaten und starrte sie enttäuscht an.

"Wenn wir auf den großen Kasten da klettern, könnten wir die Decke erreichen", rief Tuffi und handelte sich einen empörten Blick von Goldi ein. "Das ist ein Podracer-Rennen und kein Kasten!" Im Nu waren die Hamster auf das Gerät geklettert, und während Dodo  damit beschäftigt war, die Deckenplatte hochzudrücken, schleifte Flecki den immer noch enttäuschten, schluchzenden Goldi, der sich nicht von den Spielautomaten trennen konnte, hinter sich her. Wenige Minuten später befanden sie sich wieder in Sicherheit, und viele Minuten später hatten sie ihren Ausgangspunkt über der Kabine des Lords und seines Butlers wieder erreicht. Zu ihrem Erstaunen befand sich niemand im Zimmer. Ein Kissen lag auf dem Teppich, und die Hamster beschlossen, es sich darunter gemütlich zu machen und sich erst einmal auszuruhen.

"Meine Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die kurzfristigen Stromausfälle..." ertönte aus den Lautsprechern und Vim van der Slampe rief: "Na also, Frido, es scheint wieder alles in Ordnung zu sein." McClown nickte, trank seine Selter aus und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. "Vim, ich denke, ich werde mal nach dem alten Sack schauen. Wir treffen uns dann morgen früh wieder hier und fahren mit Ihnen." Nun nickte der Lkw-Fahrer und lachte: "Eine Fahrt mit den Hamstern und dem Lord werde ich wohl noch ertragen..."

Eine erneute Lautsprecherdurchsage ließ ihn verstummen. "...Hat eine Explosion über dem Maschinenraum leichte Schäden angerichtet, so daß mit einer Verspätung von mehreren Stunden zu rechnen sein wird. Bitte verhalten Sie sich ruhig..."

McClown sprang auf. "Vim, ich muss weitersuchen, bevor die das gesamte Schiff in die Luft sprengen! Ich sage dem Lord Bescheid, und dann werde ich die Hamster suchen, auch wenn es die ganze Nacht dauert!"

Nachdem der Butler durch die Flure gelaufen und mit mehreren panischen Passagieren zusammengestoßen war, erreichte er die Kabine. Keuchend trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Wo war der Lord? Er riss die Toilettentür auf und atmete erleichtert auf. Der Lord saß mit auf seinem Stuhl unter der Dusche und war eingeschlafen.

"Sir, ist alles in Ordnung?"

"McClown! Schön, dass Sie sich auch mal wieder blicken lassen. Eine Unverschämtheit, einen Verletzten so lange alleine zu lassen!" rief der Lord und zeigte auf seinen Kopfverband und seine Armschlinge.

Knurrend half der Butler ihm aus der Duschkabine heraus. Kurz darauf saßen die beiden Männer auf dem Sofa und Frido erzählte, was er unterwegs erfahren hatte. Beide waren sehr erleichtert, dass Vim van der Slampe ebenfalls an Bord war und sie sich nun eigentlich keine Sorgen um die Weiterfahrt zu machen brauchten, wenn da nicht die verschwundenen Hamster wären. Bevor sich Frido McClown wieder auf die Suche nach den Hamstern begab, besorgte er dem Lord etwas zu Essen aus dem Restaurant. Wie es sich für einen echten Butler gehört, räumte er noch ein wenig das Zimmer auf, als ihn fast der Schlag traf. Da waren sie! Unter einem am Boden liegenden Kissen hatten sie sich versteckt. Erleichtert fiel der Butler auf die Knie und nahm die Hamster einen nach den anderen in den Arm.

"Ihr armen, armen kleinen Tierchen! Onkel Frido hat sich solche Sorgen und Gedanken gemacht! All die schlimmen Dinge, die auf dem Schiff passiert sind".

Die Hamster nickten zustimmend.

"Dabei wart ihr die ganze Zeit hier und habt friedlich geschlafen!"

Wieder nickten die Hamster zustimmend.

"Ich sollte mich bei euch entschuldigen. Wie wäre es mit ein paar leckeren Sachen aus dem Restaurant?"

Erneut nickten die Hamster, und McClown machte sich zum wiederholten Male auf den Weg in das zwei Stockwerke tiefer liegende "Blue Riband". Normalerweise wäre es um diese Zeit bereits geschlossen gewesen, da jedoch der Betrieb im "Seven Seas Restaurant" immer noch eingestellt war, blieb dieses Restaurant ausnahmsweise bis Mitternacht geöffnet. Der Butler erstand neben Salaten, Brot und Keksen auch ungesalzende Nüsse, die eine Delikatesse für jeden Hamster sind. Während er zur Kabine zurücklief, fielen ihm die Stromschwankungen auf, die sich durch wechselnde Helligkeit der Flurbeleuchtung bemerkbar machte. Er fragte sich, ob so ein großes Schiff wohl schnell untergehen würde, doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Hier würde gewiss nichts passieren, denn wenn er jemals mit einem Schiff untergegangen wäre, dann damals auf dem Weg nach Reykjavik1. Vorsichtig öffnete er die Kabinentür und traute seinen Augen nicht: Da hatte sich der Lord auf den Boden neben die Hamster gesetzt und kraulte sogar einen von ihnen. Frido McClown räusperte sich kurz. Der Lord erhob sich erschrocken vom Boden und setzte sich wieder auf das Sofa.

"Die Pfeife, McClown, war mir runtergefallen, und da Sie nicht da waren..."

"Verstehe, Sir, möchten Sie auch ein paar Nüsse?"

Als es Zeit war, Schlafen zu gehen, brachte der Butler die Hamster sicherheitshalber wieder in die Duschkabine. Sie hatten nun genug zu futtern und konnten Party feiern, so viel sie wollten. An nächtliche Spaziergänge allerdings wäre nicht zu denken, doch dass den Tierchen der Sinn danach im Moment nicht stand, konnte der Butler natürlich nicht wissen. Während auf der Brücke des Schiffs in dieser Nacht Schwerarbeit geleistet wurde, um das beschädigte Schiff auf Kurs zu halten, verbrachten Lord McShredder und Frido McClown eine angenehme Nacht in einer gemütlichen Kabine. Am nächsten Morgen gab es auch keine störenden Lautsprecherdurchsagen, die zur Eile aufforderten, denn das Schiff war noch weit von Amsterdam entfernt. Erst am späten Nachmittag erfolgte die Durchsage, dass sich die Passagiere zu ihren Fahrzeugen zu begeben hatten. Noch während sich Lord und Butler samt Koffern auf den Weg zum Restaurant machten, um den Lkw-Fahrer zu treffen, erfolgte eine erneute Durchsage. Nachdem der Kapitän persönlich sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt hatte, wies er darauf hin, dass die 'Duke of Scandinavia' nunmehr in die Werft käme und vorläufig nicht mehr zwischen Amsterdam und Newcastle verkehren würde. Abschließend wünschte er allen eine glückliche Heimreise. Bald darauf erreichten sie den Felisson Quay von Amsterdam.

Tatsächlich fährt die 'Duke of Scandinavia' mittlerweile nicht mehr auf dieser Strecke, und somit wissen wir auch den wahren Grund dafür.


Weiter: Das Projekt Pleasure Dome (Kapitel 36-37) Ende

 

Hamsterpublikum

Kapitel 36

Zurück in Hamsterhausen



Die Verspätung der 'Duke of Scandinavia' erwies sich als Glückfall für die Reisetruppe. Statt einer gründlichen Kontrolle wurden alle Wagen nur hektisch durchgewinkt und durften die Grenze ohne weitere Formalitäten passieren. Vim van der Slampe atmete erleichtert auf, denn es wäre auch dem dümmsten Zöllner aufgefallen, dass die Fahrerkabine mit insgesamt drei Leuten recht überfüllt war. Die Hamster befanden sich wieder in der Schlafkoje und beäugten ihr eigenes kleines Fahrzeug, das der Lkw-Fahrer in den letzten Tagen vollständig repariert hatte.

"He, Leute, ich fahre uns nachher zurück, ok?" rief Goldi hoffnungsvoll.

"Von mir aus", knurrte Flecki, "aber wenn das wieder knallt und du Fahrerflucht begehst, dann war das das letzte Mal!"

"Ich zum Beispiel habe noch nie Fahrerflucht begangen", rief Tuffi empört.

"Ich auch nicht", schaufte Trampel, "Ich habe noch nie Fahrerflucht begangen; im Gegenteil, ich musste immer  weggetragen werden."

"Das ist doch alles egal", knurrte Murksel. "Was mir wirklich Sorgen macht, ist die Frage, ob das 2. und 3. Reparaturteam mit den Bauarbeiten fertig geworden ist. Schließlich war ich ja nicht da und konnte Anweisungen geben."

"Aber Chef", mischte sich Tuffi aufgeregt ein, "als du das letzte Mal mit einer satten Grippe im Bett lagst, weil du fast in der Kanalisation abgesoffen warst, da mussten wir auch alleine weiter machen. Wir sind mit dem Bau sogar schneller als sonst fertig geworden und haben in der halben Zeit..."

"Tuffi!"

"OK, Chef, ich halte die Schnauze!"

"Und was ist, wenn nichts fertig ist?" fragte Dodo mit ängstlichem Gesicht. "Ich meine, Autoscooter und so ist mir sowieso zu gefährlich, aber eine schöne Zuckerwatte wäre nicht schlecht."

Niemand antwortete ihm, denn außer Abwarten und Kekse essen war im Moment nichts zu machen. Der Bürgermeister war besonders nervös und watschelte von einer Ecke der Schlafkoje zur anderen. Von dem Hin- und Hergewatschel genervt, waren die Hamster trotz heftigem Herzklopfen erleichtert, als sie nach einigen Stunden die Worte des Lkw-Fahrers hörten: "Wir sind da, meine Herren, das ist der Parkplatz." Er stieg aus und sah sich um. McShredder und McClown folgten ihm sofort.

"Oh, nein!" fluchte Vim van der Slampe leise.

"Was ist los,Vim?" fragte Frido neugierig, "Stimmt etwas nicht?"

"Äh, nein, es ist alles, äh, in Ordnung", antwortete der Lkw-Fahrer mit leiser Stimme und starrte auf einen riesigen, blauen Lastwagen, der nur wenige Meter entfernt parkte, und der seinem ungeliebten Kumpel Ruud Kloetsack gehörte. "Es ist nur so, dass ich leider den Besitzer des Lkws dort vorne gut kenne und..."

"Na, Vim, du alte Schlampe!" ertönte hinter ihnen eine grölende Stimme, "was hast du denn da für Figuren angeschleppt?"

Ein großer, stämmiger Mann trat näher und warf einen kurzen Blick auf den Butler und einen längeren auf den alten Lord. Vim van der Slampe grinste verlegen und wusste nicht so recht, was er sagen sollte.

"Kriegst du nicht mehr genug Geld für deine armseligen Transporte, oder warum schleppst du hier ein Altersheim mit?" kam die nächste gegrölte Frage.

"Warum haut denn Vim diesem hässlichen Typ nicht einfach was in die Fesse und gut?" fragte Goldi, der zusammen mit seinen Freunden die Szene von der Schlafkoje aus betrachtete. Ihre großen Knopfaugen verfolgten jede Bewegung, die dort draußen auf dem Parkplatz passierte. Es schien für einen Moment, als hätte Ruud Kloetsack seinen Spaß gehabt und würde in seinen Lastwagen steigen, als plötzlich eine wütende, krächzende Stimme hinter ihm her rief: "He, junger Mann!"

Ruud Kloetsack drehte seinen bulligen Kopf samt seinen breiten Schultern in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war.

"Was ist los, Opa Vogelscheuche?" knurrte er und baute sich bedrohlich vor dem alten Lord auf.

"Ich glaube", entgegnete McShredder, "wir sollten hier mal einiges klären. Du, Sklave mit einem Gorillagesicht, wirst dich jetzt mal ganz schnell entschuldigen. Ich bin Lord McShredder, der Bezwinger des Loch Ness Monsters, der Lord von Killichonan und der Nachfahre des Lords of Lourne von Dunollie-Castle!"

"Und der König vom Loch Ness", fügte McClown grinsend hinzu.

Ruud Kloetsack wirkte verunsichert, denn er lebte in einem Land, das noch eine Königin besaß, und deshalb hatte er immer großen Respekt vor dem Adel gehabt.

"Ich meine, ich, äh, das wusste ich doch nicht und..."

"Er wusste es nicht!" schrie der Lord aufgebracht. "Ich könnte dich von meinem Diener verprügeln und niedermetzeln lassen, ist dir das klar, du elender Lakai?"

Frido McClown faltete zitternd seine Hände und betete, dass es nicht dazu käme.

"Aber ich sagte doch, dass ich nichts davon wusste..."

"Er wusste nichts davon", äffte McShredder den bulligen Lkw-Fahrer nach, "er wusste nichts davon. Er hat mich beleidigt, ist ihm das klar?"

"Wem?" fragte Ruud Kloetsack verwundert.

"Nun, dir natürlich, du Ausgeburt der Dummheit und Hässlichkeit!" keifte der Lord. "Ich sollte dich für alle Ewigkeiten in meinem Kerker verrotten lassen! McClown, schnappen Sie sich diese Missgeburt, aber lassen Sie ihn leben. Er soll vorher noch vor Gericht kommen!"

"Sir, ich...", begann McClown, doch der völlig überraschte Ruud Kloetsack trat einen Schritt zurück, warf einen Blick auf den Butler und fragte erstaunt: "Dieser Hänfling?"

"Du hast schon wieder einen Fehler gemacht, Monstergesicht! Du hast meinen Diener wütend gemacht, und das ist schlecht für dich, denn er hat Sawney Bean mit bloßen Händen gefangen!"

"Wen hat er gefangen?" fragte der riesige Lkw-Fahrer ungläubig.

"Du kennst Alexander Sawney Bean nicht? Er war das Monster der Highlands, ein Räuber und Menschenfresser. Eine ganze Armee hat ihn nicht zur Strecke bringen können, also sprich dein letztes Gebet, elender Sklave!"

Der Butler hob seine Hand, um den Lord darauf aufmerksam zu machen, dass Sawney Bean und seine Sippe in der Nähe von Galloway im Südwesten Schottlands gelebt hatten, und dass all das im 15. Jahrhundert stattgefunden hatte, und er, Frido McClown nicht das Geringste damit zu tun hatte. Ruud Kloetsack sah jedoch nur die erhobene Hand des vermeindlichen Monsterjägers und fiel auf die Knie: "Verzeihung, Mijnherr Lord, Verzeihung! Wie kann ich das wieder gutmachen?"

Der Lord trat ganz dicht an den auf dem Boden knienden Mann zu, drehte sich zu seinem Butler um und fragte: "Haben wir in unserem Kerker noch genug Platz, McClown?"

Frido McClown schien einen Moment nachzudenken, dann lächelte er und sprach: "Wir könnten die eine oder andere Hinrichtung vorziehen, Sir, dann hätten wir wieder ein paar Zellen frei."

"Sehr gut", erwiderte der alte Lord, "dann nehmen wir ihn gleich mit, was meinen Sie, Mr. van der Slampe?"

Vim van der Slampe hatte die ganze Zeit schweigend und verblüfft zugesehen, was sich hier so abspielte. Er hatte inzwischen sogar schon Mitleid mit seinem rauen Kumpel und daher sagte er: "Ach, Sir Lord, der Mann dort ist eigentlich kein schlechter Mensch. Er ist nur ein wenig grob und ungehobelt. Bestimmt tut er es nicht wieder."

Der Lord schwieg und holte seine Pfeife hervor, stopfte den darin befindlichen Tabak ein wenig nach und zündete sie an. Er ging langsam ein paar Schritte hin und her, zog an der Pfeife und blies den Rauch nach oben. Fast zehn Minuten ging dieses Spielchen nun, während der immer noch kniende Lkw-Fahrer Blut und Wasser schwitzte. Dann nahm der Alte die Pfeife aus dem Mund, zeigte auf den schwitzenden Lkw-Fahrer und sprach: "Nun gut, Sklave, danke deinem Kollegen, dass er sich für dich eingesetzt hat! Du bist begnadigt - verschwinde!"

Ruud Kloetsack ließ sich das nicht zweimal sagen. Eben noch den sicheren Tod vor den Augen, sprang er auf, lief auf Vim van der Slampe zu und umarmte ihn. "Vim, mein lieber Vim, das werde ich dir nie vergessen, ich werde für immer dein Freund sein!" Dann rannte er, ohne sich noch einmal nach dem Lord oder seinem Butler umzuschauen, zu seinem blauen Lastwagen, sprang hinein, und nach einer weiteren Minute war nur noch ein fernes Motorengeräusch zu hören.

"Tja", sprach der Lord und zog genüßlich an seiner Pfeife, "mit dem werden Sie wohl keinen Ärger mehr haben. Sie waren so freundlich und haben uns hierher gefahren, somit sind wir quitt. Ein Lord vergisst nie eine gute Tat!"

Vim van der Slampe schien wie vom Dommer gerührt zu sein und wusste nicht, was er sagen sollte. Der miese Ruud Kloetsack würde ihn endlich in Ruhe lassen! "Danke", stammelte er, "vielen Dank. In drei Tagen werde ich wieder hier Rast machen, wenn ich Sie dann  mit zurück nach Amsterdam nehmen soll..."

Kurz darauf fuhr der Lkw-Fahrer fröhlich pfeifend wieder Richtung Westen; sein Ziel war nun der Käsemarkt in Alkmaar. Frido McClown hatte den Inhalt der Koffer wieder umgepackt und und folgte keuchend dem Lord. Der widerum regte sich mächtig darüber auf, dass die Hamster mit ihrem Wagen vorwegfuhren, während er, der Lord von vielen Dingen, völlig unangemessen zu Fuß gehen musste. Zu allem Unglück begann es zu regnen, der Himmel verfinsterte sich, und in der Ferne war Donnergrollen zu hören.

"Prächtig, McClown, da fühlt man sich doch gleich heimisch. Geben Sie mir mal einen Regenschirm aus dem Koffer!"

"Sir, wir haben keinen Regenschirm, Sir."

"McClown, Sie sind nutznutzig und nachlässig. Warum haben Sie keinen Regenschirm mitgenommen?"

"Nun, Sir, Sie hielten diesen überflüssigen Schnickschnack bisher für besonders überflüssig und daher haben wir nie einen gekauft."

Der Lord antwortete nicht, sondern folgte dem Hamsterwagen, der erstaunlich geschickt über den unebenen Waldboden gesteuert wurde. Der Regen nahm zu, und zu dem lauter werdenden Donnergrollen gesellten sich die ersten Blitze. Der Weg wurde nun immer schmaler und war bald nur noch ein Trampelpfad, bis er schließlich nicht mehr als ein Pfad zu erkennen war. Das kleine Hamsterauto jedoch fuhr unverdrossen weiter durch das Dickicht, blieb hin und wieder im aufgeweichten Boden stecken, und wurde von zwei Hamstern - einem größeren und einem kleineren - jedesmal angeschoben. Der Regen war nun so heftig geworden, dass die beiden Männer nur noch dem Wagen hinterherliefen, denn sie hatten schon lange die Orientierung verloren. Zwischendurch passierten sie eine Felswand, und McClown erinnerte sich dunkel, dass er hier schon einmal vor langer Zeit gewesen war. Dann war es endlich geschafft, der kleine Wagen stoppte und der Bürgermeister stieg aus.

"Mein Herren, ich darf Sie sozusagen im Namen aller Hamster in unserem wunderschönen Hamsterhausen begrüßen und wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt und möchten bei dieser Gelegenheit einmal darauf hinweisen..."

"Was will der mopsige Nager von uns, McClown?"

"Nun, Sir, er begrüßt uns in Hamsterhausen."

"Fein, fragen Sie ihn nach einer trockenen Unterkunft wo wir übernachten können!"

McClown ging vor dem immer noch redenden Bürgermeister in die Hocke. Als der mit seiner Rede aber immer noch nicht aufhörte, tippte ihm der Butler ein paar Mal mit dem Finger vorsichtig auf den Kopf und teilte ihm die Frage des Lords mit.

Während die beiden Männer nun unter einem Baum ein wenig Schutz vor dem heftigen Regen suchten, zogen sich die Hamster zu einer Beratung in ein nahe gelegenes Häuschen zurück. Es war das Haus mit der Nummer 1 der Hauptstrasse Hamsterhausens, und die Besitzerin, die vornehme Hamsterdame Minzie von Streu, war gerade im Begriff, sich ein wenig zur Ruhe zu begeben, da das Wetter auf jeden anständigen Hamster eine einschläfernde Wirkung hatte. Sie war daher zunächst verärgert, als es heftig an der Tür klopfte, und im nächsten Moment völlig aus der Fassung, als der Bürgermeister und eine ganze Gruppe von Hamstern vor ihr stand und Einlass begehrte. Als sie Bauleiter Murksel erkannte, verfinsterten sich ihre Züge, denn sie erinnerte sich noch gut daran, dass dieser rücksichtslose Hamster kürzlich ihre wunderschönen Brombeerbüsche zerstört hatte, als er bei der Reparatur ihres Daches abgestürzt war. Das Dach leckte übrigens immer noch, wie der Eimer in der Mitte ihrer geräumigen Stube deutlich zeigte.

"Meine liebe Dame", begann der Bürgermeister, "es wäre uns eine besondere Ehre, und damit spreche ich im Namen aller meiner Mitreisenden, für eine kurze Besprechung bei Ihnen Unterschlupf zu finden und ich möchte..."

"Ich möchte jetzt auch einmal etwas sagen, Herr Bürgermeister", unterbrach ihn die vornehme Hamsterdame, "mein Dach leckt immer noch, und wenn der Herr Murksel das nicht sofort repariert, kommt hier niemand rein!"

Zur gleichen Zeit hatte Lord McShredder den Versuch aufgegeben, sich im strömenden Regen unter dem Baum eine Pfeife anzustecken. Er zeigte auf das kleine Häuschen, das am Anfang einer ebenso kleinen Straße stand und rief verwundert: "Sehen Sie mal, McClown, der zerfledderte dicke Hamster mit dem angesengtem Fell sitzt auf dem Dach und klopft herum. Was soll denn das nun schon wieder?"

"Keine Ahnung, Sir, es muss sich um eine hamstische Sitte handeln, vielleicht wollen die damit den Regen vertreiben."

Unterdessen hatten es sich die Hamster gemütlich gemacht und ließen sich von Fräulein Minzie mit einem selbst gebackenen Sonnenblumenkuchen verwöhnen. Wenig später kam der völlig durchnässte Bauleiter dazu, nachdem er das Dach notdürftig geflickt hatte. Der Bürgermeister begann nun, die Tagesordnungspunkte zu bestimmen. Punkt 1 der Tagesordnung war natürlich die Frage, wo McShredder und McClown untergebracht werden sollten. Punkt 2 war allerdings für den Bürgermeister der weitaus wichtigere, nämlich die Frage, wie sah es in Hamsterhausen zur Zeit aus, vor allen Dingen: Was war aus dem Projekt 'Pleasure Dome' geworden? Zu Punkt 2 konnte Fräulein Minzie von Streu etwas sagen, und nachdem der Bürgermeister langatmig und ausführlich die Frage nach dem Stand der Bauarbeiten des neuen Vergnügungsparks gestellt hatte, sagte sie nach kurzem Nachdenken: "Nun, soweit ich weiß, hat der Baulärm der letzten Zeit aufgehört. Ich interessiere mich nicht sonderlich für solche modernen Sachen, aber meine Nachbarin Finchen sagte mir gestern, dass auf dem Rathausplatz etwas Neues gebaut worden ist."

Der Bürgermeister tippte mit seiner linken Pfote auf den Fussboden, Bauleiter Murksel, der ein Handtuch um den Kopf trug, schaute ungläubig Tuffi an. Tuffi zuckte mit den Schultern und sah fragend Trampel an, der sich gerade an einem Stück Kuchen verschluckt hatte und von Dodo so kräftig auf den Rücken geklopft wurde, dass er vom Stuhl flog.

"Hah", rief Flecki, "Hamsterhausen steht noch und es ist etwas Neues gebaut worden. Was sagt uns das, Goldi?"

"Das sagt uns, dass Bauleiter Murksel wohl in Urlaub gewesen ist."

"Da- das kann ich mir alles nicht vorstellen", stammelte Murksel, "da muss etwas schiefgegangen sein."

"Aber, aber, mein lieber Bauleiter, Sie haben doch sozusagen vor unserer Abfahrt genaue Instruktionen, wenn ich mich richtig an ihre Worte zu erinnern pflege, gewissermaßen erteilt, die einen korrekten Arbeitsablauf ermöglichten. War es nicht so, mein lieber Murksel?"

Der Bauleiter nickte stumm und knabberte an seinem Stück Kuchen.

"Hauptsache, mein Dach leckt nicht mehr!" rief  Fräulein Minzie, "Sie hatten gesagt, Sie kommen am nächsten Tag. Das war vor 4 Monaten!"

Der Bauleiter nickte stumm und knabberte weiter an seinem Kuchen.

"Der Chef wollte ja auch kommen, doch dann kam ein Anruf, dass bei den städtischen Gaswerken ein Leck war, und da hat er gemeint, dass da mehr zu verdienen ist, und dann hat er..."

"Tuffi!"

"OK, Chef, alles klar. Ich wollte ja nur..."

"Ohm, vielleicht sollten wir nun zum 1. Tagespunkt kommen", unterbrach der Bürgermeister die peinliche Situation. "Wir brauchen eine Dings, äh, Unterkunft für den Lord und diesen McClown. Ich erwarte Vorschläge, meine lieben Hamsterfreunde!"

"Ich habe eine große Dingsunterkunft, " sagte Dodo.

"Ach hör auf, Dodo", meinte Flecki kopfschüttelnd, die beiden Riesen passen da doch niemals rein. Nach der letzten Fressparty hattest sogar du Schwierigkeiten, durch zu Haustür zu kömmen."

"Und wenn ich im Flur schlafe?"

Flecki schüttelte erneut den Kopf. "Ich sehe das sowieso nicht ein, warum sollen die nicht draußen schlafen? Schließlich mussten wir auch oft draußen schlafen!"

Nun folgte ein ausführliche Diskussion, und nach einer halben Stunde wüster Prügeleien und lautem Geschrei wurde über den ersten Tagesordnungspunkt abgestimmt. Die Abstimmung ergab im einzelnen:

1. Die sollen gefälligst am Strand pennen (8 Stimmen)
2. Wir stellen ein großes Zelt auf (2 Stimmen)
3. Wir sprengen ein Hotel in einen Felsen (1 Stimme)
4. Sie sollen bei Dodo übernachten (1 Stimme)

"Nun, öhm, da dieses Problem zu aller Zufriedenheit gelöst ist, sollten wir nun zum zweiten Tagesordnungspunkt..."

"Zu aller Zufriedenheit, Bürgermeister? Hast du das schon dem Lord mitgeteilt?"

"Nun, öh, liebe Flecki, da ist Diplomatie gefragt, und für das Projekt 'Pleasure Dome' sollte nichts unversucht bleiben, gemacht zu werden. Also, öhm, ich werde dann mit dem Butler sprechen."

Der Bürgermeister watschelte zur Tür. Zu aller Erleichterung hatte der strömende Regen aufgehört, und die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen auf Hamsterhausen hinunter. Nach einigen Minuten kam er mit hochrotem Kopf zurück. "Er ist, ähem, einverstanden."

"Und was hat er genau gesagt?" fragten Dasie und Sasie im Chor. Alle spitzen nun die Ohren, während der Bürgermeister verlegen im Türrahmen stand und mit der linken Pfote auf den Boden tippte. Dann brüllte er los: "Dieser alte Shredder-Sack hat gesagt, dass dieser komische, mopsige Hamster mit seiner Tippelpfote zusehen soll, dass es endlich losgeht!"

Grinsend stiegen die Hamster wieder in ihren Wagen, nachdem sie sich für Unterkunft und Kuchen bei Fräulein Minzie bedankt hatten, und Goldi gab Gas. Schon an der nächsten Kreuzung krachte es. Man brauchte kein Bauleiter oder Kfz-Mechaniker zu sein um zu erkennen, dass der Wagen nicht mehr zu gebrauchen war.

"Aber ich hatte doch freie Fahrt", sagte Goldi, und seine großen Knopfaugen blickten traurig auf den zerschmetterten Wagen, nachdem alle stöhnend aus dem Fahrzeug herausgekrochen waren. "Ich hatte auch freie Fahrt", ertönte eine matte Stimme aus dem rot-gelben Fahrzeug, mit dem sie mitten auf der Kreuzung zusammengestoßen waren. Der Bauleiter, der das gehört hatte, schüttelte den Kopf, ging zu dem Fahrzeug und rief:

"Wieso können beide Autos freie Fahrt haben?"

"Ach, das geht schon seit ein paar Tagen so", keuchte die Stimme aus dem rot-gelben Auto, "seitdem die Ampel abgeschaltet sind."

"Abgeschaltet?"

"Ja, weil es keinen Strom mehr gibt."

"Es gibt keinen Strom mehr?"

"Naja, bis auf eine Ausnahme. Es gibt übrigens auch kein Wasser, keine Schule, keine Verkehrspolizei, kein Fernsehen und  nichts zu essen, weil die Geschäfte geschlossen haben..."

"Was ist hier los? Und was ist das für eine Ausnahme?" brüllte Bauleiter Murksel in das Schrottauto hinein.

"Die Ausnahme ist der Vergnügungspark, der hat Strom. Ansonsten arbeitet keiner mehr. Alle sind zum Karussellfahren und haben frei genommen."

"Ga- ga- ganz Hamsterhausen hat frei?" keuchte der Bürgermeister, der nun neben dem kaputten Wagen stand und kreidebleich geworden war.

"Genau. In der gesamten Stadt arbeitet schon seit Tagen niemand mehr", tönte es aus dem Fahrzeugwrack.

"Wir müssen sofort nach dem Rechten sehen, Leute", grölte Murksel. "Los kommt, wir gehen zu Fuß weiter!"

Die Hamster waren nur wenige Schritte gelaufen, da ertönte noch einmal die matte Stimme aus dem zerschmetterten rot-gelben Schrotthaufen:

"Falls ihr noch einen Moment Zeit habt, könntet ihr mich dann bitte hier rausholen? Es ist so ungemütlich hier drin."

"McClown, sollten Sie irgend eine Idee oder auch nur die entfernteste Vorstellung haben, was hier abgeht, dann lassen Sie es mich bitte sofort wissen, ja?"

"Nun, Sir, wir sind in Hamsterhausen, und da sind die Dinge ein klein wenig anders als bei uns."

Dann folgten sie den Hamstern und setzten ihren Weg zum Marktplatz von Hamsterhausen fort.





Kapitel 37

Der Pleasure Dome

"Sag mal, Bürgermeister, findest du das eine gute Idee, wenn wir die beiden jetzt in die Innenstadt schleppen? Wir sollten erst einmal alles vorbereiten, damit das keine Panik gibt."

Der Bürgermeister bliebt stehen und überdachte Fleckis Vorschlag. Nach einer Weile drehte er sich zu den beiden Männern um und tippelte auf McClown zu.

"Öhm, meine sehr verehrten Herren, in meiner Eigenschaft als Bürgermeister Hamsterhausens schlage ich vor, unter den gegebenen Umständen Sie zu bitten, sich zunächst in unseren, ähm, Empfangsraum zu begeben. Der Dings, äh, der Strand befindet sich nicht weit von hier. Aus Sicherheitsgründen, wenn Sie verstehen..."

"Was will der Mops, McClown?"

"Nun Sir, er sagt, dass wir es uns erstmal am Strand gemütlich machen sollen."

"Fragen Sie ihn nach meiner Münze, ich bin schließlich nicht zum Baden hergekommen!"

Der Butler beugte sich zu dem Hamster hinunter und sprach mit ihm. Nachdem der Bürgermeister mit vielen Worten erklärt hatte, dass er sich sofort persönlich darum kümmern würde, und nachdem er zweimal umgefallen war, weil er beim auf-dem-Boden-tippen mit seiner linken Pfote das Gleichgewicht verloren hatte, wurden McClown und McShredder zum Strand von Hamsterhausen geführt.

Der Lord sah sich missmutig um und setzte sich in den Sand. "Wir werden verrecken wie die Ratten, McClown, ein guter Butler hätte an Essen gedacht!"

"Nun, Sir, zum Glück bin ich das", grinste der Butler spöttisch und öffnete einen der Koffer. "Belegte Brote aus dem 'Blue Riband', Sir, schließlich gab es die ja umsonst."

Die Hamster waren unterdessen weiter in Richtung Marktplatz gegangen. Alle waren sehr aufgeregt, besonders Bauleiter Murksel konnte es nicht erwarten, zu sehen, was sich in seiner Abwesenheit getan hatte. Besonders ungewöhnlich war die Tatsache, dass niemand auf den Straßen zu sehen war; alles schien wie ausgestorben zu sein. Das sollte sich jedoch schnell ändern, denn als sich die Reisetruppe dem Marktplatz näherte, war schon von weitem Lärm zu hören. Musik und Gejohle, wie deutlich zu hören war. Mit vor Aufregung heftig klopfenden Herzen rannten die heimkehrenden Hamster, bis sie den Markplatz erreicht hatten. Dann blieben sie stehen und starrten auf das, was sich vor ihren Augen abbspielte.

Markt- und Rathausplatz waren überfüllt mit Hamstern. Zur linken Seite waren mehrere kleine Fressbuden zu erkennen; der leckere Geruch, der aus dieser Richtung kam, ließ gewissen Hamstern das Wasser im Munde zusammenlaufen. Aus einer kleinen Bude direkt vor ihnen waren Schüsse zu hören. Rechts daneben befand sich ein riesiges Gebäude mit mehreren Balkons, auf denen gefährlich aussehende Katzen aus Pappe standen, die fauchend ihre Pfoten hin- und herbewegten. Eine Tür, die auf den Balkon führte, öffnete sich, und ein Wagen mit kreischenden Hamstern fuhr um die fauchende Katze herum und verschwand wieder durch eine Klapptür. Neben dieser Geisterbahn befand sich ein riesiger Springbrunnen, doch das, was die staunenden Hamster am meisten in Aufregung versetzte, waren die beiden riesigen Konstruktionen in der Mitte des Marktplatzes. Das eine war ein hoher Turm, in dem mehrere Hamster angeschnallt auf Sitzen befestigt waren und katapultartig unter lautem Kreischen in die Luft befördert wurden. Das andere war das dahinter befindliche Karussell, in dem nicht minder kreischende Hamster ihre Runden drehten.

"Die Mondrakete und und der Turbo-Kreisel!" grölte Goldi begeistert.

"Gebackene Sonnenblumenkerne", rief Dodo.

"Ein riesiger Springbrunnen!" kreischte Sasie begeistert.

"Die Ga- ga- ga- Geisterbahn", keuchte der Bürgermeister.

"Plüsch- und Plunderbuden", frohlockte Flecki, "und dahinten sind die Grünanlagen!"

"Ein Schießstand", staunte Trampel.

"Nicht schlecht, was die auf die Beine gestellt haben, was, Herr Bauleiter?" trompetete Tuffi und klatschte begeistert mit ihren kleinen Pfoten.

Bauleiter Murksel stand mit weit geöffneten Augen da, sagte kein Wort und beobachtete, wie ein torkelnder Hamster vom Karussell weggetragen wurde.

"Das ist Mamsi", erklärte Tuffi. "Sie fährt so gerne Karussell, doch leider kann sie es nicht besonders gut ab."

In diesem Moment brachen Jubelschreie aus, als die daheimgebliebenen Hamster ihre zurückgekehrten Freunde entdeckten.

"Herr Bürgermeister, Herr Bürgermeister!"

"Öhm, ja, äh, Nafti?"

Nafti, ein kleines Hamstermädchen, stand völig atemlos vor dem Bürgermeister. Als eine der Rathausassistentinnen war sie mit der Aufgabe der Durchführung der Planungen beauftragt worden. Zweifellos war es ihr recht gut gelungen, wie man auf den ersten Blick sehen konnte.

"Herr Bürgermeister, Sie müssen unbedingt die Eröffnungsrede halten. Es hat sich leider viel zu schnell herumgesprochen, dass die Fertigstellung des Vergnügungsparks..."

"Pleasure Dings, äh, Dome, mein Kind, das heißt Pleasure Dome!"

"...dass der Pleasure Dome bereits geöffnet ist. Die Delegationen von Hamstercity, Hamsterhusen und so weiter sind bereits auf dem Weg hierher und...."

"Öh, äh, jemand muss sofort den alten Sack, äh, den Lord holen, damit das McShredder-Monster da ist!"

"Wo sind die denn jetzt?"

"Äh, Dings, äh, Hamstilidamst und Trampel, lauft schnell los und holt die beiden!"

Wahrend sich die beiden Hamster auf den Weg machten, Lord McShredder zu holen, hatte sich Bauleiter Murksel aus seiner Starre gelöst und deutete auf den riesigen Springbrunnen, der nicht weit entfernt von ihnen stand und riesige Wasserfontänen in die Luft spie.

"Was ist das?"

"Das haben wir nach der Bauanleitung gebaut, Chef", rief Purzel und rückte den Bleistift gerade, den er hinter seinem rechten Ohr trug. "Hier, schau mal, wir haben uns genau an die Vorgaben gehalten!"

Murksel nahm die Papierrolle, die Purzel ihm hinhielt, warf einen Blick darauf und bekam einen roten Kopf.

"Ihr schwachsinnigen Torfköppe, ihr habt die Bauzeichnung auf den Kopf gestellt, das sollte doch eine Wasserbahn werden!"

"Aber die Fressburger sind dafür lecker!" rief Goldi kauend und hielt sie dem Bauleiter hin. "Guck mal, ich habe den ersten Preis beim Schießen gewonnen - einen Dodoburger."

"Dodoburger?"

"Ja, Dodoburger, richtig schön saftig und fett. Übrigens, Bauleiter, der zweite und der dritte Preis ist fast genauso dick."

Murksel glotzte Goldi fragend an.

"Der zweite Preis", fuhr Goldi fort, "ist der Bürgermeisterburger, und der dritte Preis der Murkselburger, das sind leckere Fettklopse."

"Goldi und Flecki, da seid ihr ja wieder!"

"Dabi?" rief Flecki erstaunt. "Was machst du denn hier?"

"Je, nun, das darf ich eigentlich nicht verraten, aber da ihr nun mal hier seid... Euer Bürgermeister hat uns eingeladen."

"Jetzt schon?"

"Jedenfalls hat Balthasar die ganze Sache als dringende Chefsache unter strikter Geheimhaltung erklärt, nachdem euer Bürgermeister gesagt hatte, dass ihr in einer dringenden Mission unterwegs wart. Er sagte weiterhin, dass ihr mittels eines privaten Hochgeschwindigkeitsfahrzeugs, das er eigens besorgt hatte, ein Monster fangen wolltet. Er meinte, dass er sicher sei, die Sache in kurzer Zeit abzuschließen. Deshalb sind wir schon am übernächsten Tag mit Hamsterairlines hierhergeflogen."

"Aha", grinste Flecki spöttisch. "Dringende Mission, eigens besorgtes Hochgeschwindigkeitsfahrzeug, in kurzer Zeit ein Monster fangen. Der Bürgermeister ist so was von hohl.... Aber sag mal, Dabi, da wir von hohl sprechen, wo steckt denn dein Chef überhaupt. Oder ist das geheim?"

Nun grinste Dabi. "Nein, überhaupt nicht geheim, eher peinlich und dämlich. Nachdem mir der Kerl die letzten Tage mit seinen Sonderwünschen auf die Nerven gegangen ist, habe ich ihm einen Job im Rathaus verpasst."

"Im Rathaus?" riefen Goldi und Flecki verwundert.

"Je, nun, ich habe einen Schreibtisch und einen Sessel in den Fahrstuhl gestellt und habe ihm gesagt, das sei sein neues Arbeitszimmer. Er war begeistert. Jetzt fährt er den ganzen Tag rauf und runter, und jedes Mal, wenn die Tür aufgeht und jemand den Fahrstuhl betritt, fragt er: 'Haben Sie sich schon einen Termin bei meiner Sekretärin besorgt?'"

Die drei Hamster keckerten laut, als sich der Bürgermeister näherte.

"Äh, Fräulein Dings-Dabi, wie schön, Sie zu sehen! Bitte holen Sie doch meinen Bruder, den Präsidenten. Die Ansage, öhm, Ansprache wird in wenigen Minuten stattfinden."

"Gerne", brüllte Dabi zurück, denn der Lärm der sich nähernden Fahrzeuge aus den Hamstischen Nachbarländern hatte in den letzten Minuten erheblich zugenommen. "Der dürfte zur Zeit irgendwo zwischen dem 10. und 12. Stock stecken. Dort arbeitet er um diese Zeit gewöhnlich!"

"Gut, äh, Dings-Dodo", rief der aufgeregte Bürgermeister, "lauf doch eben mal zum Rathaus und hole meinen Bruder Balthasar herunter!"

"Ist gut, Herr Bürgermeister", entgegnete Dodo und verschwand Richtung Rathaus.

Öhm, Fräulein Nafti, gibt es irgendwelche Neuigkeiten oder Umfragen, ich, öhm, meine, weil ich so lange fort war, wenn Sie verstehen“, fragte der immer nervöser werdende Bürgermeister.

 Nafti holte einen Notizblock hervor und blätterte. "Nein, nichts Besonderes, außer einer kürzlich erfolgten Umfrage des Verkehrsministeriums. Es wurde versucht, herauszufinden, ob die hamsterhausener Bürger aufgeschlossen gegenüber Touristen sind."

"Und?"

"Nun", entgegnete Naft, "bei der kürzlich erfolgten Umfrage: "Finden Sie, dass wir Hamster in Hamsterhausen freundlich und aufgeschlossen sind?" antworteten 71 Prozent mit 'Ja' und 29 Prozent mit 'Halt's Maul!"

"Öhm, ja, sehr schön. Danke", brummte der Bürgermeister geistesabwesend und wandte sich Dodo zu, der sich mit traurigem Blick näherte.

"Nun, ist mein Bruder bereit, Dodo?"

"Naja, nicht so richtig, ich meine, er muss sich noch ein wenig erholen."

"Erholen? Jetzt?"

"Ja, Bürgermeister, es war ganz schön laut, als der Fahrstuhl herunterkam, aber die HAMFE meint, dass er wohl in ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wird, denn..."

"Der Bürgermeister drehte sich kopfschüttelnd um und vergrub sein Gesicht in seine Pfoten.

"Er hat tatsächlich den Fahrstuhl heruntergeholt", staunte Flecki.

"Genial", grölte Goldi. "Dodo macht eben keine halben Sachen!"

"Tja, heute flott und morgen Schrott", ergänzte Dabi grinsend.

"Wie lautet ein altes Hamstisches Sprichwort?" lachte Flecki. "Es macht nichts, wenn etwas schiefgeht. Hauptsache, du findest einen, der schuld ist."

"Aber das habe ich doch nicht gewollt", heulte Dodo.

Dabi klopfte ihm aufmunternd aufs Fell. "Aber das ist doch nicht so schlimm, Dodo. Hauptsache, ansonsten ist niemanden etwas passiert."

"Vielleicht ist es nicht schlecht", warf Nafti aufgeregt ein, "wenn unsere Gäste auch einmal die Gelegenheit haben, unsere vielfältigen medizinischen Einrichtungen zu bewundern."

"Aber was macht ihr denn ohne diesen Balthasar?" fragte Dodo mit immer noch traurigem Gesicht. "Ich meine, wenn keiner eure geheimen Abteilungen mehr leitet?"

Dabi grinste und entgegnete: "Wer glaubt, daß ein Abteilungsleiter eine Abteilung leiten kann, glaubt sicher auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen falten kann."

Inzwischen waren die Delegationen der umliegenden Hamsterländer samt Begleitung eingetroffen. Von allen Seiten ertönten nun die 'Negnafna, negnafna!'0-Rufe der ungeduldigen Besucher, denn der Marktplatz war zum Bersten mit ungeduldigen Hamstern gefüllt. Der Bürgermeister hatte sich inzwischen zu dem großen Podium begeben, wo er zusammen mit Bauleiter Murksel, Dasie, Tuffi, Tati, Teeblättchen, Goldi, Sasie, Flecki und Dodo den tosenden Beifall der Zuschauer entgegennahm. Das Podium war wunderschön geschmückt worden, und überall standen Körbe mit frischem Obst und Schalen mit Sonnenblumenkernen.

"Liebe Bürger Hamsterhausens", begann der Bürgermeister, räusperte sich und wollte fortfahren, als Tuffi ihn auf die Schulter tippte.

"Nicht jetzt, Tuffi", zischte der Bürgermeister verärgert.

"Herr Bürgermeister?"

"Was ist denn, Tuffi?"

"Herr Bürgermeister, Sie sprechen mit einer Honigmelone. Das Mikrophon ist das große Ding da drüben!"

"Öhm, ja, äh, danke", keuchte der Bürgermeister und bewegte sich mit einem verlegenen Lächeln ein Stück nach links.

"Öhm, meine lieben Bürger-Dingse Hamsterhausens..."

"Jetzt sabbelt er mit einer Gurke",  stöhnte Flecki während Tuffi unter dem Gelächter der Zuschauer ihn erneut auf seinen Fehler aufmerksam machte.

Mit knallrotem Kopf stand der Bürgermeister nun völlig durcheinander vor dem johlenden Publikum und sprang kreischend zu Seite, als sich plötzlich der Himmel verdunkelte. Das Johlen verstummte, als zugleich Hamstilidamst und Trampel auf das Podium kletterten, und zwei Menschen vor dem Pleasure Dome standen: Lord McShredder und sein Butler McClown.

"Sind wir nun da, McClown?" ertönte eine krächzende Stimme, die die Hamster vor Schreck erzittern ließ.

"Nun, Sir, es sieht so aus. Da vorne scheint die Geisterbahn zu sein, wenn Sie sich also etwas kleiner machen würden..."

"Ein Lord macht sich niemals klein, merken Sie sich das, McClown! Lassen Sie sich etwas Anderes einfallen!"

"Nun, dann halte ich es für sinnvoll, Sir", grinste McClown, "wenn Sie sich einfach hinter die Geisterbahn legen und hin und wieder 'Buh' machen."

"Ein Lord legt sich nicht einfach hin, McClown!"

"Schade, Sir, dann wird es wohl nichts mit der seltenen Shu-Münze!"

"Wo, sagten Sie, ist die Geisterbahn, McClown?"

Während der Lord es sich nun äußerst schlecht gelaunt hinter der Geisterbahn gemütlich machte, hatte Nafti geistesgegenwärtig das Mikrophon genommen und rief: "Liebe Freunde und Besucher, hier ist es: das McShredder-Monster!" Sie wollte das Mikrophon an den Bürgermeister weiterreichen, doch der war unglücklicherweise in die Weintrauben gefallen und hielt krampfhaft eine Banane in der Hand, der er gerade einige interessante Dinge erzählte.

"Hierher bitte, Herr Bürgermeister", zischte ihm Nafti zu, während Dodo ihm beim Aufstehen half.

Der Bürgermeister wirkte immer noch völlig verwirrt und machte keine Anstalten, auf Nafti und das Mikrophon zuzugehen.

"Schnell, Dodo", rief Nafti, "schiebe den Herrn Bürgermeister zu mir rüber!"

Kurz darauf krachte es laut, und Nafti puzelte samt Bürgermeister über die Brüstung des Podiums in die vor Freude grölende Menge. Es dauerte eine Weile, bis es den hamstischen Sicherheitsteams, die das Podium absichern sollten, gelungen war, den Bürgermeister wieder auf die Bühne zu schieben. Endlich war es geschafft, und sämtliche 12 Hamster, die die aufregende Reise nach Schottland mitgemacht hatten, standen nun vor der jubelnden Menge. Alle genossen den Beifall und waren unendlich stolz in diesem Moment. Zumindest fast alle, denn der Bürgermeister stand mit völlig verwirrtem Blick da und starrte ungläubig auf das Mikrophon in seiner Pfote. Es war Bauleiter Murksel, der sich neben ihn stellte und ihm zuflüsterte: "Nun sagen Sie schon etwas, die Leute warten!"

Der Bürgermeister schien zunächst nichts verstanden zu haben, doch dann grinste er mit wirrem Blick in die Menge, schnupperte kurz am Mikrophon, leckte genüßlich daran und rief: "Wir nehmen den Wagen...!"

"Ich kann nicht mehr", keuchte Flecki, "das ist ja sowas von oberpeinlich!"

"Der Mann ist genial", grölte Goldi, "der hat ein Gefühl für feinsinnige Ansprachen!"

"Wir sollten uns was einfallen lassen", stammelte Bauleiter Murksel.

"Ach ja, und was, bitte schön?" riefen Sasie, Dasie, Tati und Teeblättchen im Chor.

"Natürlich den Wagen nehmen, was, Bauleiter? Los Dodo, schieb die beiden mal in den Turbokreisel!" rief Goldi entzückt, und Dodo schob den protestierenden Bauleiter samt verwirrten Bürgermeister in einen der Wagen des Turbokreisels. Ein Assistenzhamster des Reparaturteams verriegelte den Wagen mit einem Sicherheitsbügel. Dann  gab er ein Zeichen und der Wagen setzte sich in Bewegung. Die Menge auf dem Marktplatz war nicht nicht mehr zu halten, und alles jubelte und grölte durcheinander, als Bürgermeister und Bauleiter sich immer schneller und höher im Kreise drehten. "Haben Sie irgendwo mein Mikrophon gesehen, mein lieber Bauleiter?" fragte der Bürgermeister mit wirrem Blick. "Vielleicht sollte ich ein paar beruhigende Worte sprechen, irgendwie scheinen alle etwas durcheinander zu sein. Sehen Sie mal, wie die alle herumrasen!" Der Bauleiter glotzte verständnislos zurück. "Was mich viel mehr beunruhigt, ist die Tatsache, dass diese Idioten für die Absicherung der Sperre des Sicherheitsbügels 32er Schrauben genommen haben. Jeder Blödmann weiß doch, dass die nichts taugen!" Der Bauleiter fummelte an der Schraube herum. "Sehen Sie mal,  die lässt sich ganz leicht herausdrehen!"

Der Bürgermeister drehte kurz den Kopf herum. glotzte auf die vorbeirasende Umgebung und seufzte mit glücklichem Gesichtsausdruck: "Ach, mein lieber Bauleiter, Sie sind einfach viel zu misstrauisch. Ich jedenfalls habe volles Vertrauen in meine Hamster, auch wenn sie jetzt alle ein wenig durchgedreht sind."

"Vertrauen? In diese Luschen? Hah, sehen Sie doch, Bürgermeister, eine Drehung nach links, und schon ist die Sperre gelöst!"

Was danach folgte, ist bis heute durch die hamstische Untersuchungskommission nie ganz geklärt worden. Jedenfalls flogen Bauleiter und Bürgermeister unter frenetischem Beifall und Jubel der Zuschauer aus dem Turbokreisel heraus und landeten einige Hundert Meter entfernt im städtischen Dorfteich, der praktischerweise nicht weit entfernt vom Allgemeinen Hamstischen Krankenhaus entfernt liegt. Die Feier wurde daraufhin für wenige Minuten unterbrochen und anschließend für die nächsten Wochen wieder aufgenommen. Lord McShredder erhielt von Flecki noch am selben Abend die wertvolle japanische Shu-Münze und kehrte mit Frido McClown zur Raststätte zurück. Es dauerte eine Weile, bis wie versprochen Vim van der Slampe mit seinem Lkw erschien und beide mit  nach Amsterdam nahm. Dort bestiegen Lord und Butler die nächste Fähre nach Newcastle, wobei es dem Lord gelang, sich mit dem gesamten Personal des Schiffes anzulegen und allen eine unvergessliche Überfahrt bescherte. Von Newcastle aus schlugen sie sich bis Edinburgh durch und besuchten die Bank of Scotland, wo der Lord seine seltene Münze in einem Tresor verschließen ließ und zugleich eine beträchtliche Menge an Geld abhob, um ein neues Schloss zu kaufen. George war es übrigens tatsächlich gelungen, die Pferde ihrem Besitzer zurückzubringen, allerdings hatte er fünf ganze Tage dafür gebraucht. Kaum war er wieder zu Hause, da meldete sich Lord McShredder bei ihm und wies ihn an, sofort zum Kings House Hotel zu kommen, um dort solange mit ihm und McClown zu wohnen, bis sie ein passendes Schloss gefunden hatten. Lisa McGyer war natürlich entzückt über diese Tatsache, mal abgesehen davon, dass der Lord ebenfalls anwesend war.

Vim van der Slampe hatte tatsächlich in Ruud Kloetsack einen neuen, treuen Freund gewonnen und war froh, endlich in Frieden leben zu können. Und Finnegan McDudle? Nun, der wurde von seiner Frau wieder aufgenommen, allerdings erst, nachdem er dem Saufen abgeschworen hatte. Danach hatte er sich selbstständig gemacht und arbeitet jetzt als Fremdenführer für Abenteuerreisen.

Die Hamster jedoch feierten die größte Party, die es je in Hamsterhausen gegeben hatte und das zu Recht. Hatten sie doch wieder einmal der ganzen Welt gezeigt, dass nichts und niemand Hamster aufhalten kann, und dass hamstische Intelligenz eben unschlagbar ist.

 

  EDNE

Yeah, Hamster!

 

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