Kapitel 17

Der Inspektor

 

"Sie haben also einen Mord begangen?"

McClown blinzelte in das Licht einer Schreibtischlampe und versuchte, das Gesicht seines Gegenübers zu erkennen. Es war nicht das erste Mal innerhalb der letzten 45 Minuten, dass Inspektor MacSteel ihm diese Frage stellte. Sie befanden sich in einem stickigen, kleinem Büro im ersten Stock eines hellen Gebäudes in der Bridge Street. McClown versuchte, sich zu erinnern, wann er das letzte Mal in dieser Stadt gewesen war. Genau genommen war er sich nicht sicher, ob er schon jemals in Thurso gewesen war, aber dafür war er sich absolut sicher, dass er noch nie einen Mord begangen hatte. Was sollte also diese Frage? Der Butler versuchte, ruhig zu bleiben.

"Ich, äh, nein, natürlich nicht..."

"Haben Sie im Auftrag von Lord McShredder gehandelt?"

"Ja, das heißt nein, ich..."

"Sie machen es mir nicht leicht, McClown. Was haben Sie nördlich der Bucht von Tongue gesucht? Wen wollten Sie umbringen?"

"Niemanden, es war nur ein Missverständnis..."

"Ein Missverständnis?" Inspektor Rufus MacSteel zog genüsslich an seiner dicken Zigarre und blies den Rauch in die Richtung seines Gegenübers. Er schien es hier mit einem merkwürdigen Täter zu tun zu haben, so viel war klar. Aber jeder Täter war merkwürdig, sonst wäre er kein Täter – das war Rufus MacSteels Devise. Zwar machte dieser McClown nicht unbedingt den Eindruck eines gnadenlosen Killers, doch der Inspektor hatte schon mit vielen merkwürdigen Typen zu tun gehabt. "Der Mord war also ein Missverständnis, ich verstehe nicht recht, McClown? Haben Sie Ihr Opfer mit jemand anderem verwechselt? "

"Nein, es war kein Missverständnis, ich meine den Mord. Der war kein Missverständnis, ich meine, da war nichts."

"Sie haben also grundlos gemordet, McClown?"

"Ich würde niemals grundlos morden, Herr Inspektor!" rief der Butler empört und merkte im selben Moment, dass er schon wieder etwas Falsches gesagt hatte.

"Selbstverständlich würde ein Mensch wie Sie niemals grundlos morden, McClown, das habe ich schon verstanden. Natürlich gibt es jedes Mal einen ganz besonderen Grund zum Töten, das wissen wir beide doch sehr genau, oder? Ich sage nur Auftragsmord, McClown, also Mord auf Bestellung. Vorsätzlich jemanden umzubringen ist eine besonders schwere und heimtückische Tat, sehen Sie das ein, McClown?"

Der Butler nickte nervös und Inspektor MacSteel fuhr fort. "Schön, dass Sie wenigstens das zugeben, McClown.“ Zum wiederholten Mal zog der Inspektor langsam und genüsslich an seiner Zigarre, bevor er den Rauch in die ohnehin schon verbrauchte Luft blies. Er hatte alle Zeit der Welt, und das wusste er. Es war nicht das erste Mal, dass er einen hartgesottenen Verbrecher nach langem Verhör weichgekocht hatte. Dieser McClown allerdings war eine Nummer für sich, dachte er und zeigte mit der Zigarre auf ihn. “Sie hatten recht viel Geld in den Taschen, geben Sie das ebenfalls zu?"

Frido McClown nickte erneut und wollte etwas entgegnen, er wollte erklären, dass er doch nur deshalb soviel Geld bei sich getragen hatte, um endlich einmal wieder Vorräte zu besorgen, doch der Inspektor ließ ihn nicht zu Wort kommen.

"Im großen Stil haben Sie vorher eingekauft - dort, wo Sie keiner kennt. Das ist eine merkwürdige Sache, McClown, und die bereitet mir großes Kopfzerbrechen. Warum kauft jemand so weit entfernt von zu Hause ein? Warum schleppt jemand so viel Geld mit sich herum, wo doch jeder weiß, dass sein Arbeitgeber ihm niemals Geld anvertraut und schon gar nicht eine Geldsumme in dieser Größenordnung? Aber glauben Sie mir, McClown, ich bin nicht dumm und ich glaube, ich weiß, was Sie damit vorhatten."

Rufus MacSteel blies erneut eine dicke Wolke in Richtung Schreibtischlampe und deutete dann mit seiner Zigarre auf den hustenden Butler: "Seit wann arbeiten Sie für diesen McShredder?"

"Schon viele Jahre, Sir, es sind ungefähr..."

"Und finden Sie es nicht merkwürdig, dass..." Inspektor MacSteel blätterte bedächtig in einigen Zetteln herum, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, "... dass sowohl das Schloss Killichonan als auch das Schloss Dunollie - in dem Sie und Shredder gelebt haben - beide durch eine mysteriöse Explosion vernichtet wurden?"

"Das waren Unfälle, Sir, bedauerliche Unfälle, sehen Sie, Herr Inspektor ..."

"Unfälle, McClown? Wie viele Schlösser in Schottland fliegen denn jedes Jahr in Schottland in die Luft, sagen Sie es mir, McClown!"

Der Butler zuckte mit den Schultern. Wozu sollte er antworten, wenn der Inspektor ihm ohnehin gleich die Antwort liefern würde?

"Wie viele Schlösser sind in den letzten 10 Jahren in unserem schönen Schottland in die Luft geflogen?"

Wieder zuckte der Butler missmutig mit den Schultern.

"Ich will es Ihnen sagen, McClown. In den vergangenen Jahrzehnten sind insgesamt 2 Schlösser in Schottland in die Luft geflogen. Jedes Mal waren Sie anwesend! Das ist doch merkwürdig, oder? Wissen Sie, was ich glaube, McClown? Ich glaube, da steckt mehr dahinter. Sie und McShredder betreiben irgendetwas im ganz großen Stil und sind irgendjemanden auf die Füße getreten.“ Er beugte sich über seinen Schreibtisch und sah dem Butler tief in die Augen. “Die Explosionen waren keine Unfälle, es waren Warnungen oder Racheakte, oder irre ich mich, McClown?"

Der Angesprochene antwortete nicht, sondern starrte den Inspektor nur aus großen Augen an.

"Ihnen fällt nichts ein, wie, McClown? Nun, vielleicht kann ich Ihnen ein wenig auf die Sprünge helfen, denn ich finde, so langsam passt das alles zusammen. Da ist nämlich noch etwas, was mir auffällt, und da bitte ich Sie jetzt um Ihre Mitarbeit. Vielleicht können Sie mir sagen, warum Sie mehrfach in den letzten Jahren auf dem Kontinent waren. Sie waren in Deutschland und in Holland - was haben Sie dort gemacht?"

"Urlaub, Sir, ich äh, habe Bekannte besucht."

"Wir können das nachprüfen, das wissen Sie, aber lassen wir das erst einmal, denn natürlich haben Sie Bekannte besucht, denn schließlich kennt man ja seine Kontaktpersonen, nicht wahr? Sicherlich nicht Ihre Tante oder irgendwelche Verwandte, wie? Es sind da nämlich noch andere merkwürdige Sachen, und ich denke da bloß an diesen merkwürdigen großen Lkw, der mehrere Tage am Schloss Dunollie gesichtet wurde. Wir wissen übrigens auch, dass er aus Holland kommt. Seit wann handelt der Lord mit Drogen, McClown?"

"Äh, davon weiß ich nichts..."

"Sie wissen es nicht, dass er mit Drogen handelt, McClown? Hat er Sie denn nie eingeweiht?"

"Nein, Sir, hat er nicht", entgegnete der Butler und merkte, dass er schon wieder das Falsche gesagt hatte.

"Hat er Ihnen den Auftrag zu dem Mord an einem Mitkonkurrenten gegeben, McClown?"

"Nein, er hat mir keinen Auftrag gegeben, Sir", protestierte Frido und wollte sich von seinem Stuhl erheben, doch der Inspektor deutete ihm an, sitzen zu bleiben. Der Butler seufzte und setzte sich brav wieder hin. Ihm war klar, dass er soeben schon wieder etwas Falsches geantwortet hatte. Tatsächlich fuhr Inspektor MacSteel gnadenlos fort:

"Ich fasse mal zusammen, was Sie mir sagen wollten, McClown. Sie wussten also nichts davon - oder wollten nichts davon wissen -, dass McShredder in großem Stil mit Drogen aus Holland handelt. Die Anschläge auf Killichonan und Dunollie wurden vermutlich von der Drogenmafia gesteuert. Sie, McClown, wollten sich mit dem Boss der Gegenseite treffen. Das haben Sie heute auch getan, und bei der Gelegenheit haben Sie ihn eiskalt ermordet."

Dem armen Butler begann, sich alles in seinem Kopf zu drehen. Das hier erschien ihm nicht real, nein, es konnte doch alles nicht passiert sein? Oder hatte er wirklich mit Drogen gehandelt? War Vim van der Slampe ein Drogenkurier gewesen? Aber eines war gewiss: Er war kein Mörder, er hatte doch nur geglaubt, er sei Schuld an dem Tod der Hamster gewesen. Natürlich hatte der Inspektor nun ein leichtes Spiel mit ihm, denn das, was da so alles vorgebracht wurde, war schon äußerst merkwürdig. Auch merkte Frido, dass er nicht richtig im Vollbesitz seiner Kräfte war, doch das kam nicht nur von dem leichten Sonnenstich, den er sich am Strand zugezogen hatte.

Nein, die Dinge waren weitaus komplizierter. Das plötzliche Auftauchen der Hamster kam nicht von ungefähr. Es war richtig, die neugierigen Tiere waren in das so genannte Holodeck des Raumschiffs Enterprise geraten, in dem durchaus recht realistische Simulationen dargestellt werden konnten. Realistische Simulationen wohlgemerkt, keine realen. Dieses hier aber war real, es war die Wirklichkeit und das war etwas, was niemals hätte passieren dürfen.

Fern in der Galaxis, im Sternbild der Leier, oder auch Lyra genannt, hatte es angefangen. Durch eine Laune der unbegreiflichen Schöpfung begann ein riesiger Stern damit, Singularitäten auszuspucken. Möglicherweise hing es damit zusammen, dass dieser Himmelskörper eine ungewöhnlich hohe Eigenbewegung besaß. Es war die Vega, ein Planet, der von der Erde 25 Lichtjahre entfernt ist, eine Temperatur von knapp 9.000 Grad Kelvin[1] besitzt und einer der hellsten Sterne am Nachthimmel ist. Dieser Planet hatte sich in ein hochenergetisches Gebilde verwandelt, das Raumschäume, also kleine Schwarze Löcher, in die Unendlichkeit des Weltalls schleuderte. Das Weltall antwortete darauf mit Änderungen seiner Struktur. Bisher gab es flache und gekrümmte Einsteinräume, und überall dort, wo die Räume gekrümmt waren, gab es Schwerkraft und somit veränderte Zeit. Große Teile des vormals flachen Einsteinraumes wurden nun durch den Beschuss von winzigen Singularitäten zu einer porösen Masse, in der die Zeit nur noch in Form von so genannten Einsteinwellen vorhanden war. Ein Raumschiff, das versucht hätte, durch diesen 'schwammigen Raum' zu fliegen, hätte aufgrund seines Antriebes keine Chance gehabt vorwärtszukommen.

Die einzige Möglichkeit, solch einen Raum zu überwinden, wäre, auf den Einsteinwellen zu 'reiten' und zwar mittels der Superstringtheorie, doch das ist eine andere Geschichte. Die große Gefahr, die nun aber für alles Leben im gesamten Weltall bestand, war die, dass bereits eine temporäre Veränderung stattgefunden hatte. Die Ausläufer dieser Gravitationseffekte hatten sich inzwischen im Sagittarius-Arm verbreitet, in dem sich irgendwo auch die Menschheit befand - die von all dem natürlich nichts ahnte. In dem Moment, in dem das temporale Band die Erde erreichen würde, käme es zu einer Katastrophe: Die Zeit würde stehenbleiben.

Das alles wusste Frido McClown natürlich nicht, und das wussten auch die Hamster nicht. Inspektor Rufus MacSteel wusste das natürlich auch nicht, und selbst wenn, dann würde er schon wissen, wem er die Schuld daran geben konnte.

"McClown, hat man Sie schon mal eines Verbrechens überführt?"

"Nein, Sir, noch nie", entgegnete der Butler empört und begriff nur wenige Sekunden später, das er mal wieder eine falsche Antwort gegeben hatte. Natürlich hätte er ganz deutlich sagen müssen, dass er noch nie eines Verbrechens überführt wurde, weil er noch nie ein Verbrechen begangen hatte. Schließlich gab es viele Verbrecher, die zwar ein Verbrechen begangen hatten, aber nie gefasst wurden.

"Verstehe", entgegnete der Inspektor mit leichten Grinsen, das Frido McClown natürlich wegen der Schreibtischlampe nicht sehen konnte. "Sie sind also noch nie gefasst worden?"

"Nein, Sir." Wieder biss sich der Butler auf die Zunge, denn das war ganz unglücklich gelaufen. Das klang so, als hätte man ihn bisher noch nie auf frischer Tat erwischt. Er begann zu schwitzen, denn die ganze Situation behagte ihm überhaupt nicht.

"Kommen wir auf den Mord zurück.... Schwitzen Sie, McClown? Ist Ihnen heiß?"

"Es war kein Mord und ja, ich schwitze, weil ich Ihre dämlichen Fragen nicht mehr ab kann. Ich habe niemals jemanden ermordet und niemals mit Drogen gehandelt. Das ist alles ein Missverständnis!"

Der Inspektor blickte McClown lange an, zündete sich langsam eine neue Zigarre an und sprach dann mit leiser, eindringlicher Stimme: "Ich bin kein Unmensch, Mister, und ich will Ihnen mal ganz deutlich sagen, dass Sie sehr, sehr schlechte Karten haben. Jeder Richter würde Sie für lange Zeit wegsperren. Ich kann Ihnen helfen."

Der Butler blickte zum Inspektor hin, der die Schreibtischlampe beiseite geschoben hatte, so dass Frido sein Gesicht endlich sehen konnte.

"So ein Gefängnis ist eine unangenehme Sache, Mr. McClown. Man ist sehr alt, wenn man wieder herauskommt - vorausgesetzt, man kommt wieder heraus. Ich kann Ihnen helfen. Sie sagen mir die Wahrheit und ich sehe, was ich für Sie tun kann."

Die Hamster hatte in der Zwischenzeit ihre eigenen Probleme. Kurz vor dem Erreichen der kleinen Insel hatte sich nämlich das von Bauleiter Murksel konstruierte Boot von alleine in Einzelteile zerlegt. Da Hamster nun mal keine guten Schwimmer sind und Wasser ohnehin nicht ihr Element ist, gerieten sie in eine heikle Lage. Nur mühsam erreichten sie den schlickigen Strand der kleinen Insel. Ein Paddel war alles, was von dem Boot übrig geblieben war.

"Und nun, was machen wir nun?"

"Klappe, Dodo, ich muss überlegen!"

Bauleiter Murksel überlegte eine ganze Weile, doch es fiel ihm nichts ein. Der Bürgermeister hätte gerne ein paar beruhigende Worte an das Hamstervolk gerichtet, doch auch ihm fiel außer "Öhm" nichts ein. Die kleinen Tiere hatten wieder ihre üblichen Probleme: Sie wussten nicht, wo sie waren, sie wussten nicht, wie es weitergehen sollten und sie hatten nichts zu fressen - es war also alles ganz normal. Diesmal jedoch kam ein weiteres Problem hinzu, denn wenn es dunkel werden würde, mussten sie wenigstens einen Unterschlupf finden, und den gab es weit und breit nicht. Fels und Steine, das war alles, was es hier gab.

"Wessen bescheuerte Idee war das eigentlich?" fauchte Flecki, und aus der Schar der Hamster antwortete eine piepsige Stimme: "Bauleiter Murksel wollte unbedingt ein Boot bauen..."

"Ist doch auch egal", rief Goldi, "wir sollten nun auf Schatzsuche gehen, alles Weitere findet sich schon!"

Die Sonne hatte inzwischen das Fell der durchnässten Tiere getrocknet, und ihre Begeisterung war grenzenlos. Sie stürmten los, jeder war sicher, im nächsten Moment auf etwas Einzigartiges zu stoßen. Leider gab es außer den schon erwähnten Felsen und ein paar langweiligen Steinen nichts, was auch nur annähernd aufregend war, genauer gesagt: Außer ihnen gab es hier nichts.

"Und nun, wie kommen wir nun..."

"Klappe, Dodo, wir wissen selbst nicht, wie wir hier wegkommen", fauchte der Bauleiter.

"Tja, öhm, meine lieben Hamster, ich erwarte eure Vorschläge", grunzte der Bürgermeister und blickte sich hoffnungsvoll um, doch niemand schien sich angesprochen zu fühlen. "Es ist sozusagen von galaktischer Wichtigkeit, dass wir umgehend auf die Entensteiß, oder wie dieses Ding auch immer, äh, heißt, zurückkehren."

"Wir könnten vielleicht einen Tunnel zum Land hin graben", schlug Tuffi vor.

"Oder wir schicken Murksel rüber, damit er ein neues Boot baut", schlug Goldi vor.

So vertrieben sich die Hamster mit Vorschlägen und noch mehr Ideen die Zeit. Leider taugte nichts davon zur Lösung ihrer Probleme, und so saßen die Hamster mit knurrenden Mägen und blickten sehnsüchtig auf die andere Seite, wo in der Ferne noch immer ein Bollerwagen stand, der gefüllt mit Vorräten war. Die Lage wurde kritisch, zumal die Sonne inzwischen ihren höchsten Stand schon lange hinter sich hat und nun unaufhaltsam dem Horizont entgegenwanderte.

Zur selben Zeit - etwa 50 Meilen östlich - saßen in einem abgedunkelten Zimmer zwei Männer, denen die Spuren der letzten Stunden anzusehen waren. Der eine von beiden legte gerade seinen Zigarrenstummel in den vor ihm stehenden Aschenbecher und blickte seinem Gegenüber in die geröteten Augen.

"Sie wollen mir also weismachen, dass eine syrische Terrorgruppe dahintersteckt?"

Frido McClown schüttelte stöhnend den Kopf. Warum gelang es ihm nie, die Dinge so zu beschreiben, dass der Inspektor nicht wieder irgendwelchen Quatsch verstand?

"Syrische Hamster, Sir, aus Syrien. Auch Mesocricetus Auratus genannt."

"Ich kenne diese Gruppe nicht, McClown. Wieso nennen die sich Hamster, wer ist ihr Anführer? Ich brauche Namen, McClown!"

"Der Anführer ist der Bürgermeister, Sir, aber meistens ist da auch noch dieser Bauleiter..."

"Der war sicher für die Durchführung der Anschläge auf Schloss Killichonan und Dunollie verantwortlich. Ihnen ist ja wohl klar, McClown, dass 'Bauleiter' ein Tarnname für 'Sprengstoffexperte' darstellt, oder?"

Der Butler überlegte, ob er dem zustimmen sollte, da Murksel durchaus dieser Beschreibung entsprach. Er hielt es jedoch für besser, den Inspektor nicht noch mehr zu verwirren, denn ohnehin war das ganze Verhör völlig aus dem Ruder gelaufen. Nachdem der Inspektor eine groß angelegte Verschwörung eines internationalen Drogenringes vermutete, hatte Frido beschlossen, alles über die Hamster zu sagen. Allerdings merkte der Butler nun, dass er den Fehler begangen hatte, von 'syrischen Hamstern' zu sprechen statt von stinknormalen Hamstern. Er versuchte es erneut:

"Diese Hamster, Sir, sind gar nicht in der Lage, Terroranschläge auszuführen, weil...."

"Weil, McClown?" Inspektor Rufus MacSteel starrte dem Butler direkt in die Augen, neben ihm im Aschenbecher lag qualmend die 23. Zigarre dieses Tages.

"Weil ihre Pfoten viel zu kurz sind, Sir."

"Ihre Pfoten sind zu kurz, McClown?"

"Nicht meine, Sir, aber die der Hamster."

"U-und was ist mit den Hintermännern dieser Hamster, für wen arbeiten sie?" fuhr MacSteel mit unsicherer Stimme fort.

"Für niemanden Sir. Es sind kleine, puschelige Tiere, die nichts als Blödsinn im Kopf haben."

"Kleine, puschelige Tier, McClown?"

"Kleine, puschelige Tiere, Herr Inspektor!"

Rufus MacSteel fühlte sich ein wenig unbehaglich.

"Kaffee, Mr. McClown?"

"Gerne, Sir!"

Der Polizeioffizier stand auf und ging zu einer Kaffeemaschine, die wenige Meter hinter ihm an der Wand stand. Umständlich goss er etwas Kaffee in eine Tasse und reichte sie dem Butler.

"Zucker, Milch?"

"Nein danke, Sir."

"Und die Explosionen?"

"Sicherlich hatte der alte Lord mal wieder vergessen, das Gas abzudrehen, Sir. Er ist manchmal ein wenig vergesslich."

Rufus MacSteel nickte und blickte ratlos auf seinen Aschenbecher, der mittlerweile übergequollen war. Dann hellte sich seine Mine auf, er zog die Kaffeetasse, die er eben noch vor den Butler gestellt hatte, zu sich hin und drehte den Schreibtischlampe so, dass der Butler direkt angestrahlt wurde.

"Und wen haben sie nördlich der Buch von Tongue umgebracht, McClown?"

"Die Hamster, Sir, ich glaube, sie sind ertrunken. Es ist alles meine Schuld."

Inspektor MacSteel drehte langsam die Schreibtischlampe wieder von Frido weg und schob ihm die Kaffeetasse wieder vor die Nase.

"Sie sind ertrunken?"

"Die Hamster, Sir, ja, ich fürchte."

"Gibt es Zeugen dafür, haben sie ihre Leichen gefunden?"

"Die Leichen der Zeugen, Sir?"

"Nein, McClown, die Leichen der armen kleinen Tiere!"

"Nicht direkt, Sir, aber..."

"Aber, McClown?"

Für einen Moment war der Raum in Schweigen gehüllt. Man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können. Draußen in der Ferne war irgendwo das Rauschen des Meeres zu hören, es konnte aber auch eine Klospülung sein, der Butler war sich da nicht ganz sicher. Dann sprach er mit leiser Stimme:

"Ihre Geister sind mir erschienen!"

"Können Sie diese Geister beschreiben, McClown?"

"Weiß, Sir, sie waren weiß und riefen nach mir."

Der Inspektor überlegte. Dass dieser McClown keine Drogen oder ähnliches nahm, hatte er bereits mehrfach und glaubhaft versichert. Mit Grauen dachte Rufus MacSteel daran, dass er über dieses Verhör irgendwann einen Bericht schreiben müsste, und dass es bestimmt nicht einer seiner besseren Berichte werden würde. Wie auch immer, er musste diese Sache jetzt zum Abschluss bringen.

"McClown, ich glaube Ihnen kein Wort. Es gibt keine Gespenster, auch wenn wir in Schottland sind. Für alles gibt es eine natürliche Erklärung."

"Sicher, Sir, aber als ich am Strand wieder aufwachte, waren die Hamster verschwunden. Ich habe sie überall gesucht, und als ich aufgeben wollte, standen sie plötzlich vor mir. Schneeweiß waren sie, und sie sprachen mich an..."

"Und dann sind Sie durchgedreht und meinen Kollegen direkt in die Arme gelaufen?"

"Ja, Sir, so war es."

Schweigend saßen die beiden Männer in dem Raum. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte, nur das Schlürfen von McClown, der den Kaffee probierte, war zu hören. Der Inspektor überlegte, ob er noch eine Zigarre rauchen sollte, besann sich aber eines Besseren und sprach:

"Sind Sie bereit, mit mir an den Tatort zu fahren? Ich will diese Geister oder was immer das ist sehen!"

Der Butler nickte und MacSteel gab ihm ein Zeichen zu folgen. Die beiden Männer verließen das stickige, dunkle Büro. Direkt hinter dem Gebäude befand sich ein Parkplatz, auf dem neben drei Polizeiwagen auch ein alter, blauer Bentley stand. Inspektor MacSteel steuerte auf diesen Wagen zu und deutete Frido McClown an, an der Beifahrertür zu warten. Dann schloss er die Fahrertür auf, entriegelte die Beifahrertür und startete den Motor. Schon nach wenigen Metern bogen sie auf die Thurso Road und folgten der Straße. Kurz hinter dem Loch Watten stießen sie auf die A9 und folgten ihr bis Thurso. Kurz hinter Thurso endete die A9, nachdem diese Straße von Stirling bis hierher einmal quer durch das ganze Land gegangen war.

Der Bentley rollte nun entlang des Atlantiks über Küstenstraße, eine der schönsten Strecken Schottlands. Sie passierten Dounreay, wo auf den Resten eines ehemals stolzen Schlosses eine Wiederaufbereitungsanlage für Atombrennstäbe steht, fuhren weiter durch den wunderschönen Ort Melvich und erreichten gleich darauf Strathy. Strathy Point, schoss es McClown durch den Kopf, hier war er mit den Hamster gelandet, nachdem sie in einem Heißluftballon von Island geflüchtet waren. Weiter ging es durch Armadale, vorbei an Kirtomy, und als sie Bettyhill erreichten, waren es nur noch wenige Meilen bis zur Brücke über die Bucht von Tongue.

Während der gesamten Fahrt verlor keiner der beiden Männer auch nur ein Wort. Der Inspektor nicht, weil er angestrengt überlegte, was er wohl in seinem Bericht so alles über das heutige Verhör und den noch offenen Ausgang schreiben würde, und McClown, weil er immer wieder zur rechten Seite auf die majestätische See schaute und an die vielen Abenteuer dachte, die er hier mit seinen Hamsterfreunden erlebt hatte. Tränen schossen ihm in die Augen, als er daran dachte, dass noch vor kurzem eben diese Hamster als Geister vor ihm gestanden hatten. Die Worte des Inspektors allerdings hatten ihm ein wenig Mut gegeben, und er zweifelte langsam selber daran, dass es wirklich Geister waren. Schließlich und endlich, dachte er und wischte unauffällig seinen Tränen aus dem Gesicht, haben der alte Knacker und ich noch nie Gespenster gesehen, obwohl wir in alten Schlössern gewohnt haben.

Sie überquerten nun die Brücke über die Bucht von Tongue, und Frido wies den Inspektor an, an der nächsten Möglichkeit rechts abzubiegen. Die Straße war nun wieder zu einem Single-Track geworden und der Inspektor passte die Geschwindigkeit des Bentleys an. Je mehr sie sich der Stelle näherten, an dem ihn die beiden Polizisten verhaftet hatten und er die Hamster das letzte Mal gesehen hatte, desto unruhiger wurde der Butler. Dann ließ MacSteel den Wagen ausrollen, trat auf die Bremse und stellte den Motor ab. Fünf Minuten später standen die beiden an der Stelle, an der Frido im Sand aufgewacht war und die Geisterhamster gesehen hatte.

"Ist das da Ihr Einkaufswagen?" fragte der Inspektor und zeigte auf den Bollerwagen, der einsam und verlassen nur wenige Meter vom Wasser entfernt stand. Nachdem ihm ein kurzes Nicken die Richtigkeit seiner Annahme bestätigte, untersuchte er den Wagen. "Haben Sie versucht, einen Kuchen zu backen, McClown?"

"Einen Kuchen, Sir? Warum?"

"Hier liegt überall Mehl herum, offensichtlich ist die Tüte geplatzt. Da, sehen sie, McClown, in dem verstreuten Mehl sind kleine Pfotenabdrucke zu sehen!"

"Klei-kleine Pfotenabdrucke, aber wieso..."

"Die Hamster, McClown. Offenbar haben Sie mir die Wahrheit gesagt."

Der Inspektor kniete noch immer vor dem verschütteten Mehl, dann deutete er zum alten Schiffwrack.

"Da, sehen Sie, McClown, die Spuren führen zu dem Wrack hin. Lassen Sie uns einmal nachsehen, ob wir dort etwas finden."

Geduldig untersuchte Inspektor MacSteel nun das Wrack, drehte ein paar alte Holzteile um und schien zu überlegen. Dann ging er ein paar Schritte weiter bis er am Wasser stand und rief: "Kommen Sie mal her, McClown, ich glaube, die Hamster haben eine Spazierfahrt gemacht!"

Der Butler stürzte zum Wasser hin und sah auf das, was vor den Füßen des Inspektors lag. Ein paar Holzteile und ein paar Pfotenspuren waren zu sehen.

"Der Fall ist klar, McClown. Ihre Hamster waren keine Geister, sondern haben mit Mehl gespielt. Sie, McClown, hatten offenbar einen leichten Sonnenstich und sind durchgedreht, als Sie die Mehlhamster sahen."

"A-aber die Hamster, Herr Inspektor, wo sind die Hamster jetzt?"

"Sehen Sie die kleine Insel dort vorne? Bestimmt sind sie dort angetrieben worden, tot oder lebendig, aber angetrieben worden sind sie bestimmt dort. Die Gelegenheit ist günstig, McClown, es ist gerade Ebbe. Laufen Sie los und schauen Sie nach. Ich warte solange hier."

Inspektor Rufus MacSteel machte es sich auf dem Wrack bequem und holte leise fluchend eine Zigarre hervor, denn dieses war ein Tag, an den er sicherlich nicht gerne zurückdenken würde. Er suchte umständlich nach seinem Feuerzeug und beobachtete, wie der Butler laut "Hamster, meine lieben Hamster" rufend durch das Watt lief, wobei jeder seiner Schritte von kräftigen Wasserspritzern begleitet wurde. Nachdem der Inspektor seine Zigarre erfolgreich angezündet und den Rauch in die klare Luft geblasen hatte, hörte er ein Kreischen und Lachen. Anscheinend leben seine Viecher noch, dachte er genervt, aber ein wenig erleichtert. Dann sah er einen lachenden McClown jubelnd durch das Watt laufen, in seinen Armen trug er etwas.

"Sehen Sie, sie leben, sie leben! Vielen, vielen Dank Herr Inspektor, sie haben diesen Fall gelöst!"

Nachdem Frido McClown mehrere Male um das Wrack, auf dem der Inspektor saß, herumgetanzt war, und nachdem er dem Beamten einen Hamster nach dem anderen vorgestellt hatte, war die Geduld von Rufus MacSteel für diesen Tag erschöpft. Er warf einen letzten Blick auf den Atlantik und auf die kleine Insel, dann beschloss er, sich von diesem wunderschönen Anblick zu verabschieden und sich wieder in sein ungemütliches Büro zurückzuziehen.

"McClown, ich werde jetzt wieder zurückfahren, soll ich Sie ein Stück mitnehmen?"

Nachdem die beiden Männer umständlich den schweren Bollerwagen in den Bentley verfrachtet hatten, ging es zurück zur Brücke. Wenig später, kurz nachdem die Straße hinter der Stadt einen Schlenker gemacht hatte, hielt der Inspektor den Wagen an. Als McClown samt Bollerwagen und Hamstern wieder auf der Straße in Richtung Altnaharra stand, verabschiedeten sich die beiden Männer voneinander in der festen Hoffnung, einander nie wieder zu begegnen. Inspektor MacSteel setzte seine Fahrt nach Wick fort und dachte frustriert an den Bericht, den er gleich noch schreiben würde, während der Butler Frido McClown fröhlich pfeifend den Bollerwagen über den Single-Track-Road nach Hause zog.