Kapitel 15

Wieder mal Ärger mit der Polizei

 

Als hätte es das nächtliche Unwetter nie gegeben, lachte die Sonne am schottischen Himmel über Loch Naver, wo eine andere Gruppe von Hamstern sich befand, die immer noch nicht sicher war, was ihnen eigentlich passiert war. Aber wie die Dinge lagen, saßen sie nun einmal in Frido McClowns Bollerwagen und ließen sich irgendwo hinbringen, wo es hoffentlich Futter gab.

Es war noch ein wenig diesig an diesem Morgen, doch weit und breit war keine Wolke zu sehen. Frido McClown nahm einen kleinen Umweg über Altnaharra Lodge, da er nicht scharf darauf war, mitten durch den Ort zu laufen. Noch vor zwei Wochen hatte Lord McShredder sich nämlich zu einer geschäftlichen Besprechung mit einigen Dorfbewohnern im Altnaharra House getroffen, einem schön gelegenen Hotel mit weißer Fassade und gesalzenen Preisen. Es war die übliche 'McShredder-Geiz-ist-geil-Show' die darin endete, dass keiner der Dorfbewohner auch nur annähernd daran dachte, dem Lord ein Stück Land zum Bau eines Schlosses zu verkaufen. Als zu guter Letzt der Wirt die Rechnung für die Bewirtung brachte, kam es zu einem Eklat. Das Ende vom Lied war, dass der sich heftig wehrende und pöbelnde Lord gewaltsam aus dem Hotel geworfen wurde.

Der Butler hatte inzwischen den Feldweg hinter sich gelassen und die Brücke über den River Naver erreicht. Er atmete erleichtert auf. Natürlich brauchte er sich vor den Dorfbewohnern nicht zu fürchten, und ihm war auch klar, dass ihm niemand einen Vorwurf machen würde. Aber sicher war eben sicher. Nach einigen Meilen auf der Single-Track-Road Richtung Norden passierte er eine Ansammlung von Rapsbüschen und wusste, dass er sich jetzt nicht mehr weit entfernt vom Loch Loyal befand. Zeit für eine Pause, dachte er, denn mittlerweile stand die Sonne recht hoch am Himmel und es war ungewöhnlich warm an diesem Tag. Kurz hinter dem Gehöft Inchkinloch lag Loch Loyal blinkend und glänzend in der Sonne, und McClown zog nach weiteren hundert Metern den Bollerwagen an den Straßenrand. Auf einem kleinen steinigen Strand blieb er stehen und ließ seinen Blick auf das Wasser gleiten.

Seine Gedanken schweiften ab, er dachte an Lisa, und er dachte an George. Es würde noch einige Zeit dauern, bis Lisa vom King’s House Hotel wiederkehren würde, und George, tja, wenn er schlau wäre, dann würde er noch eine Weile am Loch Rannoch bleiben. Was würde die Zukunft für ihn bringen? Sollte er ewig bei diesem miesepetrigen Lord bleiben? Ein Butler seiner Klasse würde seinen Herren niemals im Stich lassen, es sei denn, der Lord würde ihn ausdrücklich mit einer Abfindung aus seinem Dienst entlassen. Dann könnte er endlich ein Leben mit Lisa gemeinsam führen und sich ein besseres Zuhause suchen. Seine Gedanken wurden trübsinnig, und er dachte an das Gespräch, das er vor einiger Zeit mit Lord McShredder geführt hatte. "Den Gedanken können Sie sich dahin stecken, wo die Sonne niemals hinkommt, McClown! Erst, wenn mir der Himmel auf den Kopf fällt, lasse ich Sie gehen!"

McClown seufzte tief, bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. Er betrachtete missmutig die Ringe, die der Aufprall hinterlassen hatte, und verfolgte ihren Weg, bis sie langsam den steinigen Strand erreichten. Sein Magen knurrte, und er warf einen Blick auf den Bollerwagen, wohl wissend, dass sich außer einer alten Decke nichts Interessantes in dem Wagen befand. Wenigstens die Decke werde ich mir als Unterlage nehmen, und dann werde ich mir schon mal überlegen, was ich alles einkaufen muss. Traurig ging er zwei Schritte, bis er den Wagen erreicht hatte und griff nach der Decke. So traurig und missmutig er eben noch war, so glücklich und überrascht war er im nächsten Moment. Hamster! Wieso Hamster? Ja, er erkannte sie sofort wieder: Das waren seine Hamster! Überglücklich griff er sich den nächstbesten und tanzte mit ihm über den Single-Track. Nachdem er ihn wieder vorsichtig abgesetzt hatte, hob er mehrere Steine auf und warf sie übermütig nacheinander in den Loch Loyal, wobei er jauchzende Laute von sich gab.

"Wieso immer ich, warum immer ich?" schimpfte Flecki und glättete ihr Fell. "Kann dieser Idiot nicht mal jemanden anderen herumschleudern? Jetzt habe ich nicht nur Hunger, sondern mir ist auch noch schlecht!"

Gleich darauf tauchte der Kopf des Butlers wieder über den Hamstern auf: "Jetzt wird alles gut, meine kleinen Freunde, ich spüre es!" rief er und hielt im nächsten Moment inne. Elf Paar traurige, hungrige Augen sahen ihn erwartungsvoll an, und seine ungestüme Freude wurde gedämpft. Richtig, er hatte nichts, aber auch gar nichts Essbares dabei, und diese kleinen Tiere waren wie immer hungrig. Sehr hungrig sogar, wie einer der Hamster ihm verständlich machen wollte, indem er mit seiner kleinen Pfote immer wieder auf seinen kleinen Bauch zeigte. "Ist ja gut", besänftigte der Butler die Hamster, "ist ja gut. Ich werde euch jetzt nach Tongue bringen und dort werden wir futtern gehen."

Er legte die Decke vorsichtig um die Hamster herum und vergewisserte sich, dass alle gut zugedeckt waren. Dann nahm er die Deichsel, zog den Bollerwagen wieder ein Stück zur Straße und wartete einen Moment, da gerade ein großer Lastwagen vorbeigefahren kam. Danach hatte er die Straße wieder für sich alleine und erreichte Lettermore, eine winzige Ortschaft an der Mitte des Loch Loyal gelegen. Er sah sich noch einmal nach hinten um und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass sich unter der Decke im Wagen nichts regte. Er wollte gerade ein fröhliches Lied pfeifen, doch dann schoss es ihm durch den Kopf: Wieso waren diese Hamster aufgetaucht, wo kamen sie her? Er konnte sich keinen Reim darauf machen, doch eines war gewiss: Es würde irgendetwas Wichtiges passieren, soviel war klar. Jedes Mal, wenn diese Tiere auftauchten, geschah etwas.

Seine Gedanken schweiften zurück in die Zeit, als der alte Lord ihm den Auftrag gegeben hatte, die Hamster zu entführen. Hamsterfell sei gut gegen Rheuma, klang es noch McClown in den Ohren. Er grinste, als er an den Trick dachte, mit dem er die ahnungslosen Tierchen mitten in Hamsterhausen eingefangen hatte. Ein simpler Karton war es gewesen, den er auf den Marktplatz ihrer Stadt gestellt hatte. Mit einem dicken Filzstift hatte er auf Hamstisch die Worte 'Kino - Eintritt frei' gemalt und abgewartet. Tatsächlich, es hatte funktioniert, ein Hamster nach dem anderen war in den Eingang gelaufen, den er vorher in den Karton geschnitten hatte. Nach einer Weile war der Karton mit neugierigen Hamstern gefüllt gewesen, die ungeduldig auf den Beginn der Vorstellung warteten. Der Rest war einfach. Er brauchte den Karton nur zu nehmen, umzudrehen und fertig.

Das war die erste Begegnung gewesen, und sie hatte damit geendet, dass er und der Lord nach Spanien zogen. Die zweite Begegnung hatte zur Folge, dass er Lisa getroffen und sie einen Schatz gefunden hatten. Die dritte Begegnung hatte die Zerstörung des Schlosses Dunollie zur Folge gehabt. Endlich konnten Lisa, George und er damals den alten McShredder überzeugen, das baufällige Gemäuer zu verlassen. Unvergessen blieb auch der Auftritt des Lords als McShredder-Monster in der Geisterbahn von Hamsterhausen. Ja, immer wenn diese Tiere auftauchten, ging es dem alten Sack an den Kragen. Möge es auch dieses Mal so sein, dachte Frido McClown, als sie Loch Craggie passierten.

5 Meilen weiter und 3 Stunden später erreichte der Butler keuchend die Bucht von Tongue. Obwohl ihm die Füße weh taten, genoss er diesen Ausblick. Sein Blick verweilte ein paar Minuten auf dem fernen Schloss Varrich und seine Gedanken gingen zurück nach Klibreck, wo der Lord nun ungeduldig auf ihn wartete. Was soll’s, dachte er, der alte Sack kann mich mal, die Hamster sind wichtiger. Wir werden uns den Bauch vollschlagen und uns ein wenig ausruhen. So erreichten sie Tongue, und McClown folgte der nun breiter werdenden Straße nach links. Ein paar Minuten später ließ er den Bollerwagen vor einem kleinen Supermarkt stehen und verschwand.

"Wenn ich das richtig sehe, gibt es gleich Futter", rief Goldi aufgeregt und arbeitete sich unter der Decke hervor.

"Mach keinen Mist, wir haben keine Ahnung, wo wir hier sind. Am besten bleiben wir unter der Decke und warten ab."

"Tja, öhm, auch ich kann nur empfehlen, dieser Dings- äh, Empfehlung Fleckis zu folgen. Mein hamstischer Sinn sagt mir, dass hier irgendetwas nicht stimmt, und..."

"Na, dann ist ja alles gut, oder?" brummte Goldi und zog sich unter die Decke zurück.

Es dauerte wirklich nicht lange, und ein niedergeschlagener McClown kam zurück.

"Hier Freunde, ein altes Brötchen, mehr habe ich nicht bekommen!"

Er warf das Brötchen in den Bollerwagen und beobachtete, wie ein Hamster nach dem anderen an dem alten Brötchen schnupperte. Dann trafen ihn elf vorwurfsvolle Blicke.

"Es ist nicht meine Schuld", stotterte er, "der Bischof von Caithness ist hier sehr beliebt, und McShredder hat..."

Elf vorwurfsvolle Blicke bohrten sich weiterhin in ihn.

"Ist ja gut, ist ja gut", rief der Butler und scherte sich nicht um die verwunderten Blicke einiger Passanten. "Ich verspreche euch, dass wir was Besseres finden - ja, ich beeile mich!"

McClown machte, dass er weiterkam, während hinter ihm Kopfschütteln und Unverständnis unter den umstehenden Leuten die Runde machten. Aus dem Gemurmel glaubte der Butler die Worte: "Wer unter dem arbeitet, kann ja nicht ganz dicht sein" zu hören. Was soll’s, dachte er, die Leute haben ja Recht. Er warf einen kurzen Blick in den Bollerwagen, doch da schien alles in Ordnung zu sein. "Ha", rief er aus, "nun wird aber alles anders. Jetzt seid ihr wieder da, meine kleinen Freunde, und nun wird alles besser!" Unter dem Gelächter der Einwohner verließ der Butler die kleine Stadt Tongue.

Er hatte sich nach Westen gewandt, und das war auch die einzig mögliche Richtung. Wäre er der Straße nach rechts gefolgt, so wäre er zwar in das wunderschöne Bettyhill gelangt, doch auch dort hätte ihn der schlechte Ruf des Lords eingeholt. Einige Meilen weiter wäre dann noch Thurso gewesen, doch erstens wären die Hamster bis dort verhungert, und zweitens hätte er wohl auch dort vor verschlossenen Türen gestanden. Der frische Wind, der ihm um die Ohren blies, als er die Brücke über den Kyle of Tongue, einer riesigen Bucht, betrat, tat gut.

Die Hamster waren inzwischen unter der Decke hervorgekrochen und versuchten, einige Blicke von der Umgebung zu erhaschen. Leider war von ihrem Standpunkt aus lediglich der blaue Himmel und ein wenig vom Geländer der Brücke zu sehen. Frido McClown blieb vor einem Schild mit einer Umgebungskarte stehen. Er raufte sich die Haare, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, und sah schuldbewusst zu den hungernden Hamstern im Wagen. Er hatte einen Fehler gemacht, das war auf dieser Karte deutlich zu sehen: Die Straße führte durch eine völlig einsame Gegend hin zu dem völlig einsamen Loch Eribol, um dann die ebenso einsame Westküste entlangzulaufen und irgendwo in der Wildnis zu verschwinden.

In der Nähe befand sich ein Parkplatz. Frido McClown ging ein paar Schritte und ließ sich dort grübelnd auf einer Bank nieder. Sein Blick schweifte über den unendlichen Atlantik und er spürte, dass seine Niedergeschlagenheit zurückkehrte. Als sein Blick wieder auf den Parkplatz wanderte, blieb er an einem Mülleimer heften. Das Knurren seines Magens war mittlerweile nicht mehr zu überhören und das hungrige Fiepen der Hamster ebenfalls nicht. Irgendwo in der Ferne war das Rauschen eines Autos zu hören, als der Butler sich mit einem heiseren Aufschrei auf den Mülleimer stürzte und sich über ihn hermachte. Ein paar trockene Pommes, ein halber Apfel, ein halber Scone - seine Ausbeute für den ersten Tauchgang war nicht schlecht. Er wühlte weiter und warf alles, was hinderlich bei seiner Suche war, auf den Boden und durchwühlte nun den unteren Bereich der Mülltonne. Eine zermatschte Orange und ein halbes Brötchen fand er schließlich, und noch während er sich ausmalte, wie er das Ganze für die Hamster säubern und ein wenig dekorieren sollte, tippte ihm jemand auf die Schulter.

"Gute Beute gemacht, Sir?"

McClown, der noch mit dem Oberkörper im Mülleimer steckte, kroch nun ächzend wieder hervor und drehte sich in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren.

"Äh, ja, es geht so..." stammelte er und sah den Polizisten, der abwartend vor ihm stand, flehend an. "Es ist ja eigentlich nicht für mich, äh... " Er unterbrach und beschloss erschrocken, besser nichts von den Hamstern zu sagen.

"Natürlich nicht. Ich nehme an, Lord Geizkragen hat sie – wie es so seine Art ist – ohne Geld zum Einkaufen geschickt!"

"Öh, ja, genau das hat er. Ich will einkaufen."

"Heute das günstige Sonderangebot, wie?" fragte der Polizist mit grimmiger Mine.

"Ich kann doch nichts dafür", jammerte der Butler und wischte einige Bananenreste und Zigarettenkippen von seinem Hemd. "Geld habe ich dieses Mal dabei, und wenn man uns in Tongue etwas zu essen verkauft hätte..."

"Uns?" argwöhnte der Polizist, und Frido McClown erkannte, dass er schon wieder einen Fehler gemacht hatte. Was nun? Das Gehirn des Butlers arbeitete fieberhaft. Dann entspannten seine Gesichtszüge, denn ihm kam eine Idee. Er zeigte mit traurigem Gesicht auf den Bollerwagen.

"Ja, uns. In dem Holzwagen dort sind ein paar niedliche kleine Hamster. Lord McShredder mag keine Hamster, und deshalb bin ich mit ihnen geflüchtet. Wenn ich nicht bald etwas zu essen für die süßen Kleinen finde..."

Neugierig näherte sich der Beamte dem Bollerwagen und warf einen Blick hinein. Elf hungrige kleine Pelztieren mit großen Knopfaugen starrten ihn erwartungsvoll an, dann ertönte ein "Moment!" und der Polizist lief zu seinem Wagen.

Bald darauf kam er zurück und reichte dem Butler ein kleines Paket mit den Worten: "Mein Mittagessen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sir, gehen Sie über die Brücke und biegen dann rechts ab. Nehmen sie den Weg nach Norden, immer an der Küste bleiben, dann finden sie nach 5 Meilen ein kleines Lebensmittelgeschäft. Ich schätze, dort hat noch niemand etwas von Ihrem Lord Miesling gehört. Auf Wiedersehen!"

Kurz darauf war das Starten eines Motors zu hören, und der Polizist war wieder auf dem Weg nach Tongue. McClown atmete erleichtert auf und lief zu den Hamstern. "Klasse gemacht, Leute", rief er anerkennend. "Jetzt ist Futterzeit angesagt."

Er verteilte das Mittagessen des Polizisten - Butterbrote und Obst - an die Hamster, während er selbst ein paar trockene Pommes mit einem Apfelrest herunterwürgte. Frido schüttelte sich und betrachtete ein wenig neidisch die Hamster, die sich ihr frisches Mittagessen schmecken ließen. Er hob die Deichsel auf und zog den Bollerwagen weiter über die Brücke. Es war ein fantastischer Ausblick, und er konnte in der Ferne Rabbit Island erkennen. Nach einer halben Stunde hatte er das Ende der Brücke erreicht und fand einen kleinen Weg, der nach rechts entlang der Küste führte. Es war eine wunderschöne Gegend, und immer wieder warf der Butler sehnsüchtige Blicke zu den einladenden Stränden in dieser menschenleeren Gegend. Die Sonne schien nach wie vor am strahlend blauen Himmel, und er konnte sich nicht erinnern, in den letzten Monaten so entspannt gewesen zu sein.

Nach einer Stunde näherte sich die kleine Reisegruppe einer Ortschaft. Links war in der Ferne ein Loch zu erkennen, während zur rechten Seite das Watt zu sehen war. Offensichtlich ist gerade Ebbe, dachte Frido McClown und hielt weiter Ausschau nach einem Lebensmittelgeschäft. Dann entfernte sich der Weg ein Stück vom Strand, und es ging ein Stück bergauf weiter über eine holperige Straße. Gerade in dem Moment, als der Butler zu seiner großen Freude ein kleines Geschäft in der Ferne sah, waren sie auch wieder in Strandnähe. Jetzt war Rabbit Island ganz dicht vor ihnen; am Strand lag ein altes Wrack und McClown beschloss, nach dem Einkauf ein wenig mit den Hamstern an den Strand zu gehen.

Endlich waren sie am Ziel. Einen Moment zögerte der Butler, denn ein großes Schild mit der Aufschrift 'Post Office' ließ ihn zunächst zweifeln, ob sie hier etwas Essbares bekommen würden. Gleich darauf jedoch lächelte er, denn wie in vielen kleinen Lebensmittelgeschäften in Schottland war es nicht ungewöhnlich, dass hier auch zugleich ein Postamt war. Das reichlich vorhandene Gemüse und Obst in der Auslage ließ ihn darauf schließen, dass sie hier richtig waren. Eine freundlich lächelnde, ältere Dame begrüßte ihn und fragte nach seinem Begehren. Wenig später lief Frido McClown mit einem Eis in der Hand weiter zum Strand, um endlich eine Pause einzulegen. Es bereitete ihm ein wenig Mühe, denn der Bollerwagen war nach dem Einkauf erheblich schwerer geworden, und er hatte doch gewisse Schwierigkeiten, den Wagen durch den feinen Sand bis zum Wasser zu ziehen.

Keuchend ließ er sich in den Sand fallen und blickte fasziniert auf eine weitere kleine Insel, die vielleicht ein- bis zweihundert Meter vom Strand entfernt lag. Mehrere hundert Meter dahinter lag die andere, größere Insel, die er schon von der Brücke bei Tongue aus gesehen hatte. Es kam McClown vor wie im Paradies, als er im warmen Sand bei bestem Wetter an einem traumhaften Strand lag und ein Eis schleckte. Kein Lord weit und breit, nur seine geliebten Hamster waren neben ihm und beschnüffelten neugierig die soeben gekauften Vorräte. Nachdem er sein Eis aufgeschleckt hatte, legte er sich gemütlich hin und schloss ein wenig die Augen. Es dauerte nicht lange und er war fest eingeschlafen.

"Wieso kriegen wir kein Eis?"

"Goldi, du alter Gierhals", entgegnete Flecki kauend, "hier ist doch alles, was wir brauchen!"

"Tja, öhm, und Sommer, Sonne, Strand, wie ich immer zu sagen pflege", fügte der Bürgermeister hinzu.

Die Hamstertruppe hatte nun kein Problem mehr, den Bollerwagen zu verlassen, da er randvoll mit Vorräten gefüllt war.

"Am besten werfen wir ein paar Fressalien runter, und machen es uns auch am Strand gemütlich", schlug Bauleiter Murksel vor. "Dodo und Trampel, ihr beide stellt euch mal neben den Wagen und fangt auf, was wir euch runterwerfen."

Murrend stellten sich Dodo und Trampel an die Seite des Holzwagens und machten sich bereit, die herunterfliegenden Vorräte aufzufangen. Es war ein undankbarer Job, und Dodos Kopf wies bereits nach wenigen Minuten eine fette Beule auf, die er Goldi zu verdanken hatte. Dessen gezielter Wurf mit einem Apfel war so genau gewesen, dass Dodo keine Chance hatte, die Arme rechtzeitig hoch zu bekommen. Ein tadelnder Blick Murksels traf Goldi, doch im nächsten Moment sah der Bauleiter die nächste Katastrophe auf die beiden Fänger zukommen und brüllte: "Tati, Teeblättchen - NICHT!" Leider jedoch zu spät und das schwere Paket mit dem Mehl flog auf Trampel zu. Ein Schmerzenslaut war zu hören begleitet von einem 'Puff', dann war alles still. Betroffen blickten die Hamster vom Wagen hinunter auf die beiden Hamster neben dem Wagen. Natürlich war das Paket mit dem Mehl geplatzt, und Dodo sah aus wie ein Schneemann. Dann, ganz langsam, regte sich etwas in dem Mehlhaufen, der da zwischen zerfetztem Papier im Sand lag. Ein paar Hamsterohren waren zu erkennen, denen langsam der dazugehörige Kopf folgte.

"Deine tiefschwarzen Augen bilden einen wunderschönen Kontrast zum Fell", versuchte Flecki den unglücklichen Trampel aufzumuntern, dessen Fell völlig weiß war. “Das ist jetzt total 'in' und gilt als der letzte Schrei.“

"Grün, schwarz, weiß - was mag als nächste Farbe dran sein?" keckerte Goldi. "Das ist kein Hamster, das ist ein Chamäleon."

"Ist denn schon Weihnachten?" fragte Dodo erstaunt und betrachtete Trampel, der sich stöhnend zur Seite schleppte.

"Jetzt ist Schneeballschlacht angesagt", grölte Goldi und sprang vom Rand des Bollerwagens in den Mehlhaufen hinein. Mit lauten "Uhuj"-Rufen folgte der Rest. Im Nu waren alle Hamster schneeweiß und amüsierten sich prächtig. Doch auch das Spiel wurde irgendwann langweilig. Die Tiere wandten sich dem alten Schiffswrack zu, das einsam und verlassen am Strand lag. Bauleiter Murksel prüfte die morschen Planken und kam zu der Auffassung, dass es prinzipiell möglich sei, aus den Resten des Schiffes ein tragfähiges neues Boot zu bauen.

"Wir könnten auf Schatzsuche gehen", rief Goldi begeistert, "da vorne ist ein Insel!"

"Warum sollten ausgerechnet wir einen Schatz finden, der ist bestimmt schon längst gefunden worden, wenn da einer war!" fauchte Flecki, doch Goldi gab so schnell nicht auf:

"Weil das immer so ist. Das sieht man doch in jedem Abenteuerfilm, irgendjemand kommt und findet den Schatz ganz locker. Wir sollten mal versuchen, da hinüber zu kommen. Wir brauchen ein Boot. Los, Leute, vielleicht finden wir in dem Wrack ein paar Ersatzteile!"

Neugierig kletterten die Hamster in das Wrack und schauten sich um. Bauleiter Murksel wies Dodo und Tuffi an, ihm beim Schleppen von einigen brauchbaren Teilen zu helfen. Es waren inzwischen mehrere Stunden vergangen, die Hamster hatten so etwas wie ein Floß fertiggebaut und ruhten sich nun erschöpft im alten Schiffswrack aus, denn die Sonne brannte nach wie vor recht kräftig vom Himmel herab. Während dessen wachte Frido McClown langsam auf und öffnete seine Augen. Ein wenig duselig war ihm, denn schließlich sollte man nicht ohne Kopfbedeckung in der prallen Sonne ein Mittagsschläfchen halten. Langsam erhob er sich und lief vorsichtig ein paar Schritte zum Strand. Er drehte sich um und schaute zum Bollerwagen, der nach wie vor an der Stelle stand, wo er ihn stehengelassen hatte. Keine Hamster weit und breit!

Entsetzt starrte er aufs Wasser und auf die vor ihm liegende Insel. Wo waren die Hamster? Waren sie ins Wasser gegangen, hatten sie versucht, die Insel zu erreichen? Frido McClown geriet in Panik, er rannte am Strand hin und her und brüllte so laut er konnte: "Wo seid ihr? Ha-a-a-allo!" Mehrere Minuten lang rannte und brüllte er, bis weiter oben an Land einige Einwohner aufmerksam auf dieses merkwürdige Verhalten wurden. Er bemerkte es jedoch nicht, und wenn, dann wäre es ihm egal gewesen. Wo um alles in der Welt waren die Hamster? Er fühlte sich schuldig an ihrem Tod und setzte sich schluchzend auf das alte Schiffwrack. Die Hamster hatten natürlich das Brüllen des Butlers registriert, doch erst, als er sich auf das Wrack setzte und ihre Schlafbehausung kräftig erschüttert wurde, bequemten sie sich aufzustehen. Dann kam eines nach dem anderen der Tiere hervorgekrochen und lief auf den schluchzenden Mann zu, der seinen Kopf in den Händen vergraben hatte.

"Ollah!"

Das Schluchzen erstarb, und ein entsetzt blickendes Augenpaar starrte die Hamster an. Sie waren weiß wie die Geister! Es war alles seine Schuld, er hatte sie umgebracht und nun würden sie sich als Geister an ihm rächen!

Kreischend erhob sich McClown und rannte, so schnell er konnte. Es polterte laut, als er über den Bollerwagen stürzte, doch er erhob sich schnell und rannte humpelnd und schreiend weiter. Nur wenige Meter weiter wurde er von zwei Polizisten in Empfang genommen, die von den Einwohnern alarmiert worden waren.

"Sie kommen besser mit uns, Sir, und hören Sie bitte auf, so laut zu schreien!"

"Ihre Geister sind aufgetaucht, ich habe sie ermordet!" stammelte der Butler und wollte auf das Wrack zeigen, was jedoch nicht ging, da ihm die Arme vorsichtshalber festgehalten wurden.

"Beruhigen Sie sich", beschwichtigte ihn der jüngere der beiden Polizisten, "Sie kommen erst mal aus der Sonne heraus. Wissen Sie denn nicht, dass man ohne Kopfbedeckung nicht am Strand schlafen soll?"

"Und jetzt kommen Sie mit und machen keine Faxen", fügte der ältere hinzu, "wir haben da nämlich ein paar Fragen..."

Dann wurde Frido McClown zu einem Polizeiwagen geführt. Nachdem alle eingestiegen waren, wurde der Motor angelassen, und es ging los zur nächsten Polizeistation nach Wick.

"Den kann man auch keine 5 Minuten alleine lassen", fauchte Flecki.

"Genau", schimpfte Sasie, "kaum sind wir ein paar Minuten weg, dann dreht der durch!"

"He Leute", tönte es in diesem Moment vom Strand her, "kommt mal her, unsere Fähre ist fertig!"

Flecki und Sasie liefen zu Goldi und betrachteten sich das Wasserfahrzeug, neben dem Bauleiter Murksel stand und stolz auf sein Werk blickte.

"Nur vom Feinsten", trompetete der Bauleiter, "ich habe das Design komplett überarbeitet!"

"Na ja", meinte Trampel, der sich inzwischen von dem Kilopaket Mehl ein wenig erholt hatte, "das 'n Brett."

"Das ist nicht nur ein Brett", schnaufte Murksel ein wenig verärgert, "es ist innovativ, windschnittig und flach. Sozusagen ideal für Gewässer dieser Art."

"Du meinst, es wird hundert Meter durchhalten? So richtig durchhalten, wie jedes normale Brett?"

Bauleiter Murksel beschloss, Fleckis Frage zu ignorieren und winkte Dodo zu. "Hilf mir mal, das Boot ins Wasser zu schieben!"

Dodo nickte, und kurz darauf war das Brett im Wasser.

"Doch nicht so weit, du Holzkopf!" heulte Bauleiter Murksel und sah seinem edlen Bauwerk traurig hinterher. Dodo zuckte mit den Schultern und wusste nicht genau, worauf der Bauleiter hinauswollte. Gemeinsam saßen die Hamster nun am Ufer und betrachteten das Brett, das vor sich hin dümpelte und mit jedem Wellenschlag ein wenig dichter an den Strand gespült wurde. "Na also", rief Murksel begeistert, als das Holzbrett nach einigen Minuten wieder den Strand erreicht hatte. "Das is 'n Boot, was? Das hält was aus." Flugs wurde ein wenig Vorrat aus dem Bollerwagen geholt und auf dem Brett verstaut. Nun hielt der Bürgermeister den Moment für gekommen, ein paar Worte in die Menge zu verteilen.

"Liebe Hamster, Mut ist aller Abenteuer Anfang, also lasst uns jetzt aufsteigen und auflegen, äh, einsteigen und ablesen, äh, wie auch immer: Wir stechen jetzt in Dings, äh, ins Wasser!"

Im Nu waren alle an Bord, und durch den Schwung trieb das Boot auch ein gutes Stück vom Land weg. Nach einer knappen viertel Stunde jedoch waren sie wieder am Strand.

"Und was machen wir jetzt..."

"Klappe, Dodo, ich muss nachdenken", knurrte der Bauleiter und versuchte, nach Tuffi zu treten, die vor sich hingackerte. Dann rief er: "Ich hab’s! Wir nehmen Holzstücke als Paddel!"

"Welch innovative, richtungsweisende Idee. Bei diesem Fachmann werden sie geholfen", gackerte Flecki, "designed by Murksel! Come in and cry out!"

Mit hochrotem Kopf lief der Bauleiter zum Wrack und kehrte nach wenigen Minuten mit zwei Stücken altem Holz zum Boot zurück.

“Fass an“, knurrte er Dodo an und reicht ihm eines der Stücke.

“Muss ich das jetzt die ganze Strecke über tragen?“ kam nun eine Frage, die der Bauleiter nicht erwartet hatte, die aber die restlichen Hamster in Freudengeheul ausbrechen ließ.

“Das ist zum Paddeln gedacht, du Blödmann“, fauchte Murksel. “Das wird ins Wasser getaucht und...“

Der Bauleiter unterbrach seine Erklärung und blicke Dodo nachdenklich an. Ihm kamen plötzlich erhebliche Bedenken, ob der große Hamster mit diesen Anweisungen vielleicht total überfordert sei.

“Ins Wasser tauchen? Nur ins Wasser tauchen? Das kann ich bestimmt. Soll ich...“

“Wir haben nur zwei Paddel, du musst vorsichtig damit sein, mit Gefühl...“

“Kann ich, kann ich!“

“Mit viel Gefühl..“

“Kann ich, kann ich!“

“Es muss sauber, ohne Spritzer eintauchen...“

“Kann ich, kann ich!“

“Ohne Hektik, immer schön gleichmäßig...“

“Kann ich, kann ich!“

“Und das Paddel nicht kaputtmachen...“

“Kann ich, kann ich, äh, ich meine, mache ich nicht!“

Seufzend gab Murksel dem aufgeregten Dodo das Paddel und stieg hinter im ebenfalls ins Boot. Er schob Trampel ein wenig zur Seite und setzte sich hin. Dann begann Murksel zu paddeln, stoppte jedoch sofort, nachdem sich das Boot einmal im Kreis gedreht hatte.

“Dodo, paddelst du nun, oder was?“ brüllte er und blickte zur Seite. Zu seinem Entsetzten sah er, dass Dodo ohne Paddel dasaß und ins Wasser starrte.

“Habe ich doch schon, Herr Bauleiter!“ entgegnete der große Hamster stolz und zeigte ins Wasser. “Ohne Spritzer, sauber und gleichmäßig eingetaucht! Man kann ganz genau sehen, wie es auf dem Grund feststeckt!“

Es dauerte eine Weile, bis sich der tobende Murksel wieder beruhigt hatte. Bei seinem Versuch, Dodo mit dem verbliebenen Paddel zu erschlagen, war das Paddel ebenfalls abhanden gekommen, und da nun leider keine Paddel mehr vorhanden waren, musste Murksel wohl oder übel zurück an Land waten, um erneut zwei geeignete Stück Holz zu besorgen.

Ein Stück gab er diesmal Trampel, dem er vormachte, wie ein perfekter Paddelschlag auszusehen hatte. Nachdem ihm das Paddel drei Male aus den Pfoten gerutscht war und er es mühsam wieder aus dem Wasser gefischt hatte, ging es unter dem Gelächter und Gekecker der begeisterten Hamster endlich los.