Hamsterhausen

Kapitel 13

Schottisches Wiedersehen

 

"Goldi, würde es dir etwas ausmachen, hinter mir zu gehen, ich kippe gleich um!"

Achselzuckend ließ sich Goldi zurückfallen und überließ Flecki den Vortritt, die darauf verzichtete, weitere Kommentare über gewisse Hamster abzugeben, die nach reichlichem Genuss von Nahrung gewisse Gase absonderten. Schon seit über einer Stunde irrten die Hamster durch das weitverzweigte Röhrennetzwerk des Schiffes. Sie hatten keine Idee, wo sie sich befanden, sie hatten keine Ahnung, wie sie ihr Ziel finden sollten, und sie wussten nicht, was sie machen sollten, wenn sie wider Erwarten ihr Ziel erreichen würden. Mit anderen Worten: es war eine ganz normale Hamstermission. Die Funkverbindung zu Lt. Uhura hatte sich nicht als sonderlich hilfreich erwiesen, da erstens die abgeschirmten Jeffreys-Röhren die Verbindung erschwerten und es zweitens kaum möglich war, genaue Anweisungen zu geben, weil eine Röhre wie die andere aussah. Schließlich blieben die Hamster vor einer Luke stehen. Es musste etwas geschehen, und Bauleiter Murksel nickte Dodo zu. Der große Hamster fackelte nicht lange, sondern rannte immer wieder mit seinem ganzen Gewicht gegen die Luke an. Nach etlichen blauen Flecken und einigen hässlichen Beulen kam Flecki auf die Idee, Rückfrage bei Lt. Uhura zu halten.

"Neben der Luke befindet sich ein Nummerpad, da müsst ihr den Autorisationscode 7-7-2-1 eingeben, dann geht die Tür auf!"

Nach diesen Worten der Enterprise-Offizierin blickte Bauleiter Murksel schuldbewusst auf den jammernden, verbeulten Dodo. "Sorry, Dodo, kommt nicht wieder vor!"

Flugs hatte Goldi die Nummern eingetippt, und mit einem leisen Zischen öffnete sich die Luke. Ein Gang! Offensichtlich befanden sie sich nun wieder in einem ganz normalen Gang, der womöglich zur Brücke führte. Der Bürgermeister-Commander hätte an dieser Stelle gerne ein paar lobende Worte über Einfallsreichtum und Effektivität der Operation 'Hamstersturm' fallen gelassen, doch da sie immer noch keine Ahnung hatten, wo sie nun eigentlich waren, ließ er seine lobenden Worte besser ganz fallen.

Vorsichtig schlich die Hamstertruppe über den Flur; ihre feinen Ohren lauschten angestrengt nach fremden Geräuschen und Hinweisen auf mögliche Borg-Rennmäuse. Nachdem sie mit Lt. Uhura Rücksprache gehalten hatten, und lediglich den Hinweis bekamen, dass sie vorsichtig in die eingeschlagene Richtung weiterlaufen sollten, passierte es. Zischend öffnete sich eine Tür auf dem Gang, in dem sie sich gerade befanden, und Panik brach aus. Wie immer in solchen Situationen handelten die Hamster nach einem bewährten Muster: Sie rannten laut 'Eflih' schreiend im Kreise, während Goldi abseits von ihnen stand und ein wenig verlegen dreinblickte. Flecki löste sich als erste aus dem schreienden Kreis, blieb stehen und warf einen scharfen Blick zu Goldi.

"Ich habe doch nur probiert, ob die Nummer auch bei dieser Tür funktioniert", gab er ein wenig kleinlaut von sich, während es diesmal Flecki war, die wütend mit einer Pfote auf den Boden des Ganges trommelte. "Vielleicht ist es ja eine Abkürzung!"

"Wie ich schon des Öfteren gemeint zu sagen pflegte", meldete sich nun der Bürgermeister-Commander", führen viele Wege nach Hamsterhausen. Vielleicht hat das unbedachte Handeln Goldis uns eine Dings- äh, neue Möglichkeit..."

"Also rein", schnaufte Bauleiter Murksel, "desto eher haben wir das alles hinter uns."

Langsam, einer nach dem anderen, betrat die Hamstertruppe den Raum. Es war nicht nur für hamstische Verhältnisse ein riesiger Raum, er war etwa so groß wie der Maschinenraum, nur viel, viel leerer. Genau genommen, befand sich nichts in diesem Raum, außer mehreren Schalttafeln an den Wänden. Verwundert sahen sich die Hamster um.

"Wenn ich das richtig beurteilte", sagte Bauleiter Murksel und legte seinen Kopf schief, "dann hat dieser Raum keine offensichtliche Funktion!"

"Das sagt er immer, wenn er was nicht kapiert", piepste eine Stimme, und der Bauleiter sah sich wütend nach dem Urheber dieser Worte um.

"Goldi!" kreischte in diesem Moment Flecki und sofort waren alle Blicke auf Goldi gerichtet, der an einer der Schalttafeln herumhantierte. "Hör sofort auf damit, an den Dingern herumzufummeln, du bringst uns..."

"Bitte nennen Sie Ihren Wunsch!" ertönte in diesem Moment eine freundliche Computerstimme.

Erschrocken blickten die Hamster einander an. War dieses womöglich ein Wunschraum, in dem Wünsche erfüllt wurden? Vorsichtig näherten sie sich der Schalttafel. Blinkende Knöpfe, ein paar Symbole, die ihnen nichts sagten, das war alles.

„Bitte nennen Sie ihren Wunsch!" ertönte die freundliche Computerstimme erneut.

"Tja, öhm, was wünschen wir uns denn?" fragte der Bürgermeister erstaunt und tippte mit seiner Pfote wie üblich auf den Boden.

"Ich hätte gerne etwas zu futtern", rief Goldi, "die letzte Fressorgie ist schon verdammt lang her und Laufen macht müde!"

"Typisch", fauchte Flecki, "immer nur fressen, fressen. Und wenn mal nicht Fressen angesagt, ist Pennen angesagt, wie? Wir sollten uns lieber einen hübscheren Ort als diesen hier wünschen. Völlig kahl, ungemütlich und kalt ist der!"

"Bitte spezifizieren Sie ihren Wunsch! Bitte definieren Sie 'hübscher Ort’", ertönte die freundliche Computerstimme erneut.

"Na ja", rief Trampel, "Schottland ist sehr hübsch. Besonders der Norden!"

"Bitte genauere Angaben zu Ort und möglichen Personen."

Die Hamstertruppe starrte entgeistert auf die Schalttafel, obwohl die Computerstimme von irgendwoher anders kam. Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten? Genauere Angaben zu einem Ort konnten sie wirklich nicht machen, doch wenn es eine Person gab, die sie gerne wiedergetroffen hätten, dann wäre das....

"McClown", rief Tati aufgeregt, "Frido McClown - der ist sehr nett!"

Die Computerstimme entgegnete noch irgendetwas, doch das bekam keiner der Hamster so richtig mit. Dann schien die Hölle loszubrechen; es blitzte und krachte, der eben noch feste Boden wurde plötzlich feucht und matschig, es war kalt, und zwischen den Blitzen war völlige Dunkelheit um sie herum. Panik brach erneut aus, alles lief schreiend und kreischend durcheinander, es platschte hin und wieder von fallenden Hamsterkörpern, und immer wieder dieses Blitzen und Donnern, das durch das Trommeln eines heftigen Regens unerträglich wurde.

"A-a-a-ah, mein schönes Fell", war durch das Heulen des Windes die Stimme Fleckis zu hören, "hilf mir mal hoch, Trampel, ich bin in ekligen Matsch gefallen!"

"Geht nicht", kam die prompte Antwort, "ich stecke selber fest."

Bauleiter Murksel und Dodo schienen das Glück gehabt zu haben, auf halbwegs festem Boden gelandet zu sein. Gemeinsam halfen sie nun ihren Hamsterfreunden, sich vom matschigen Untergrund zu befreien. Lediglich bei Trampel gab es einige Probleme, da er bis zum Hals im Morast versunken war und nur mit gemeinsamer Anstrengung befreit werden konnte. Die Hamster retteten sich auf eine trockene Anhöhe und hielten Lagebesprechung.

"Diese Pflanzen haben wir doch schon mal gesehen", rief Teeblättchen, "das ist doch Heidekraut!"

"Und Gras", fügte Sasie hinzu. "Wir sind wohl tatsächlich in Schottland."

"Wenn man Trampel anguckt, muss das wohl stimmen", lachte Goldi, "letztes Mal war er grün, diesmal ist er schwarz!"

Flecki hätte in diesem Moment gerne den schluchzenden Trampel getröstet und ihm auf die Schulter geklopft, doch so etwas Matschiges mochte sie nun wirklich nicht anfassen. Sie beließ es bei einem bösen Blick, den sie in Richtung Goldi schleuderte.

"Tja, öhm, aber wie ist das nur möglich? Wie ist das bloß möglich?" keuchte der Bürgermeister und zerrte heftig an seiner linken Pfote, die beim Auf-dem-Bodenklopfen im Matsch steckengeblieben war.

"Wieso sind wir hier?" brüllte nun Bauleiter Murksel gegen den tobenden Wind an. "Welcher Schwachkopf hat uns hierher geschickt?"

"Trampel hat gesagt, dass er nach Schottland will", piepste Tuffi.

"Na und?" warf Flecki ein. "Das habe ich auch schon oft gesagt, und nie ist was passiert. Das muss dieser idiotische Computer gemacht haben."

"Transporter", überlegte Murksel laut, "wir sind mit einem Transporter hierher gekommen. Diese Uhu hat doch davon erzählt, oder?"

"Bestimmt stecken die Borg dahinter", jammerte Dodo, "wir werden nie wieder nach Hause kommen!"

"Nun, öhm, so gesehen sozusagen sind wir dingser, äh, dichter zu Hause als vorhin. Aber das Universum ist nun gewissermaßen in großer Gefahr. Unser veganischer Freund ist jetzt alleine im Kampf gegen die Borg, während wir..."

"Schlimmstenfalls werden sie ihn auffressen", unterbrach Goldi den Bürgermeister.

"Genau, und das ist mir auch so etwas von egal. Mein Fell ist total durchnässt und wir brauchen dringend eine Unterkunft. Seht mal, dort hinten scheint ein Gebäude zu sein!"

Die Köpfe der Hamster drehten sich sofort in die Richtung, in die der Bauleiter gezeigt hatte. Tatsächlich: dort, wo der Himmel am dunkelsten war, war die Spitze eines Turmes zu erkennen. Sofort machte sich die Truppe auf den Weg. Sie kamen natürlich auf dem morastigen Untergrund nur langsam voran, und so manches Mal musste der eine oder andere aus einem Schlammloch befreit werden. In den meisten Fällen war es Trampel, der mittlerweile kaum noch Ähnlichkeit mit einem Hamster hatte. Jeder Schritt war mühsam auf diesem Boden, und der Regen prasselte weiterhin erbarmungslos auf die durchnässten Tiere ein. Die Hoffnung auf eine warme, trockene Unterkunft und damit verbunden die Aussicht auf Futter trieb sie jedoch vorwärts. Je mehr sie sich ihrem Ziel näherten, desto mehr Einzelheiten waren zu erkennen.

Es handelte sich um mehrere Türme, genau genommen war es ein Schloss, das dort einsam in diesem Moorgebiet lag. Wer konnte so bescheuert sein, sich in dieser Gegend ein Schloss zu bauen? Die Hamster jedoch waren zu schwach und zu erschöpft, als dass sie sich darum Gedanken machen konnten. Für sie galt es nun nur noch zu überleben. Es kam ihnen vor, als seien sie viele Stunden gelaufen, als sie endlich vor einer hohen Schlossmauer standen. Eine Klingel gab es natürlich nicht, und selbst wenn, hätten sie sie niemals erreichen können. Nachdem sie das Schloss mehrfach umrundet und noch immer keinen Eingang gefunden hatten, ließen sie sich unter einem Mauervorsprung nieder. Hier waren sie wenigstens vor dem Regen geschützt.

"Zwecklos", schimpfte Bauleiter Murksel, "wir kommen nicht rein!"

"Vielleicht könnte Dodo mal versuchen..."

"Nein!" unterbrach Dodo wimmernd Goldis Worte und rückte ein Stück zur Seite, wobei er Trampel versehentlich in den Regen schob.

So saß das Kommando 'Hamstersturm' also bei dem schottischsten aller schottischen Wetter eng aneinander gekauert und harrte der Dinge, die da kamen. Und sie kamen in Form des neuen Morgens, der die Landschaft in helles Licht tauchte. Nach und nach verzog sich der Nebel, und staunend betrachteten die halb erfrorenen Tiere die majestätische Landschaft. Die Nacht hatten sie an der Südseite des Schlosses verbracht und blickten nun auf einen Berg, der, was sie natürlich nicht wussten, der Ben Klibreck war. Dort entsprang der Klibreck Burn, ein Rinnsal, der durch die heftigen Regenfälle der vergangenen Nacht zu einem reißenden Fluss angeschwollen war. Mit Schaudern dachte der eine und andere Hamster, was wohl passiert wäre, wenn sie in diesen Fluss gefallen wären. Die Antwort auf diese Frage war einfach: Sie wären in das Loch Naver gespült worden, in das der Fluss mündete. Fraglich wäre nur noch gewesen, in welchem Zustand sie das Loch erreicht hätten. Nicht weit von besagtem Loch entfernt stand das Schloss, das sie in der Nacht gesehen hatten und in dessen Schutz sie die Nacht verbracht hatten. Es wirkte wie ein großer, unheimlicher Kasten auf die kleinen Tiere; ein großer und ein kleiner Turm waren zu erkennen. Das große, hölzerne Eingangstor befand sich auf der Westseite, wie die Hamster bereits in der Nacht festgestellt hatten. Auch jetzt bei Tageslicht schien dieses Tor keine Einstiegsmöglichkeit zu bieten.

"He, Leute, kommt mal auf die andere Seite", riefen Tati und Teeblättchen in diesem Moment, und sofort kam Bewegung in die müde Hamstertruppe. "Hier, da steht ein kleiner Busch. Wenn wir an dem hochklettern, können wir in eines der Fenster steigen!"

Gesagt, getan, und tatsächlich war das Glück nun endlich auf der Seite der Hamster. Das Fenster war eine einfache Öffnung in der Steinmauer; Glas oder Gitter gab es nicht. Nachdem sie über den Busch auf den Fenstervorsprung geklettert waren, konnten sie endlich in das Innere des Schlosses blicken. Viel war allerdings nicht zu erkennen, denn es handelte sich um eine steinerne Wendeltreppe.

"Nach oben oder nach unten?" fragte Bauleiter Murksel, als alle auf den kalten Stufen saßen.

"Also nee, nach oben lieber nicht schon wieder", stöhnte Flecki, und somit begann der vorsichtige Abstieg in den unteren Bereich des Schlosses.

Als sie das untere Stockwerk und somit den Eingangsbereich des Schlosses erreicht hatten, sahen sie sich neugierig um. Ein Kamin, in dem die Reste eines Feuers vor sich hin rauchten, lag zur rechten Seite. Auf der gegenüberliegenden Seite war ebenfalls eine steinerne Wendeltreppe zu erkennen. Niemand war zu sehen und die Hamster huschten an das wärmende Kaminfeuer. Es war eine Wohltat, sich nach dieser kalten, ungemütlichen Nacht aufzuwärmen. Eine ganze Weile lagen die Hamster dösend, bis das Klackern von Schuhen zu hören war. Da kam jemand die Treppe herunter! In Panik schauten sich die Hamster um, doch außer dem Kamin gab es kein Versteck.

"Die andere Treppe hoch!" brüllte Bauleiter Murksel und flitzte zum gegenüberliegenden Aufgang, während sich die Schritte bedrohlich näherten.

Keuchend und hechelnd nahmen die Hamster eine Stufe nach der anderen, während die Panik in ihnen immer größer wurde, dass ihnen auf dieser Treppe jemand entgegenkommen könnte. Dem war nicht so, und sie erreichten einen langgestreckten Flur, der mit einem dunkelroten Teppichläufer ausgelegt war. Links und rechts des Flures befanden sich Türen; da sie jedoch alle geschlossen waren, hielten sich die Hamster nicht weiter mit ihnen auf und liefen so schnell sie konnten zum Ende des Ganges. Hier erwartete sie ein gemütlich aussehendes Zimmer, dessen hohe Fenster mit schweren, grünen Vorhängen versehen waren. Ein ebenso grüner Teppich lud zum Drüberlaufen ein, und in der Mitte des Teppichs stand ein großer, runder Tisch aus Mahagoni. Um den Tisch herum standen vier bequeme Sessel. Unter einem von ihnen machten es sich die Hamster gemütlich und ruhten sich nach all den Anstrengungen erst einmal aus. Auch in diesem Zimmer gab es einen Kamin, doch dieses Feuer musste vor kurzem angezündet worden sein, denn es brannte recht hoch und verteilte angenehme Wärme im Raum. Es dauerte auch nicht lange und die restlos erschöpfte Hamstertruppe fiel in einen kollektiven Schlaf.

"Dumm, faul, frech und obendrein noch dämlich!"

Der erquickende Schlaf der Hamster wurde durch ein lautes Brüllen jäh gestört. Erschrocken und verwirrt kuschelten sich die Tiere aneinander und blickten auf ein Paar Füße, die sich mitten im Raum befanden. Offensichtlich gehörten diese Füße zu der Person, die soeben ihren Schlaf gestört hatte.

"Meint der etwa uns?" fragte Goldi und ballte drohend seine kleinen Pfoten.

"Der könnte jeden von uns gemeint haben, da gibt es keine Unterschiede", knurrte Bauleiter Murksel.

"Also mich bestimmt nicht", warf Dodo ein. "Ich bin nämlich nicht frech!"

Vorsichtig krochen die Hamster ein wenig unter dem Sessel hervor, um den Raum besser überblicken zu können. Ein zweites Paar Füße erschien nun am Türrahmen des Eingangs zum Zimmer und schien dort unschlüssig stehenzubleiben.

"Geldgieriges Gesindel", keifte nun die Stimme erneut. "Man sollte sie allesamt im Loch Naver versenken! Wo bleibt mein Tee?"

"Sofort, Sir", antwortete nun die Person, die sich im Türrahmen befand. Die dazugehörigen Füße verschwanden. Gebannt verfolgten die Knopfaugen der Hamster nun das zweite Paar Füße, das sich ihrem Sessel näherte. Kurz bevor diese Füße die ängstlichen Tiere erreicht hatten, drehten sie sich plötzlich in die Gegenrichtung und mit einem lauten Ächzen ließ sich jemand in den Sessel fallen, unter dem sich die Hamster befanden.

"Sagt mal", argwöhnte Flecki, "kommt euch die Stimme nicht auch bekannt vor?"

"Auf jeden Fall scheint das kein Borg zu sein", grübelte Dodo, "sonst würde er die nicht in einem Loch versenken sondern asymetrieren."

"Klar Dodo", grinste Goldi, "und Tee trinken die Borgs auch nicht. Aber vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass wir unter Umständen gar nicht mehr im Weltraum sind."

"Ja, das habe ich mir schon gedacht, als es gestern so doll geregnet hatte, weil es im Weltraum ja nicht regnen kann, weil da ja keine Luft ist und..."

"Klappe, Dodo", zischte Flecki und zeigte mit ihrer Pfote auf das Paar Füße, das in diesem Moment den Raum betrat. Neugierig krochen die Hamster ein wenig nach vorne, achteten jedoch darauf, dass sie nicht zu dicht an das vor ihnen befindliche Paar Füße gerieten. Das merkwürdige Trommeln, das sie in den letzten Minuten wahrgenommen hatten, hatte urplötzlich aufgehört. Offenbar hatte die Person, die auf dem Sessel über ihnen saß, ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte herumgetrommelt.

"Ihr Tee, Sir."

"Na endlich, McClown. Hoffentlich schmeckt er nicht wieder so grauenhaft wie neulich."

Die Hamster unter dem Sessel zuckten in diesem Moment zusammen. Teils vor Freude, teils vor Erstaunen, teils vor Schreck über das, was sie in diesem Moment erlebten. Sie befanden sich in Schottland, soviel war klar, doch wieso und warum sie sich auf einmal nicht mehr auf der Enterprise befanden, das konnten sie sich beim besten Willen nicht erklären. Eines jedoch schien sicher: Bestimmt steckten die Borg-Rennmäuse dahinter! Ja, so musste es sich abgespielt haben: Die Borg-Rennmäuse hatten die Hamster in eine Falle gelockt und sie mittels Transporter direkt nach Schottland gebeamt, als Trampel etwas von Schottland erwähnte. Insgesamt gesehen waren die Hamster heilfroh, dass niemand etwas vom Nord- oder Südpol gesagt hatte. Das schrie nach Rache.

Doch zunächst einmal galt es herauszufinden, was sich hier abspielte, wo es Futter gab und wie sie wieder auf das Schiff gelangen könnten. Natürlich wäre es einfacher, wenn sie sich von McClown nach Hamsterhausen bringen ließen, doch gegen diesen Plan würde der Bürgermeister wohl etwas einzuwenden haben. Jetzt hieß es erst mal Ohren gespitzt und zugehört, was sich da vor ihnen abspielte.

"Nun, Sir, es ist derselbe Tee wie gestern, wenn ich bemerken darf. Die billigste Sorte, die ich in dem Supermarkt von Thurso finden konnte. Das Wasser habe ich frisch aus dem Loch Naver geholt, da, wie Eure Lordschaft sicherlich wissen oder sogar schon bemerkt haben, die Wasserleitungen noch nicht angeschlossen sind."

"Aha, ich muss also Wasser trinken, in dem sich nackte Fische und womöglich dreckige Touristen zu ihrem Vergnügen herumtreiben, McClown? Ist es das, was Sie mir damit mitteilen wollen?"

"Nun, Sir, es ist nicht mein Verdienst, dass sämtliche Arbeiter gestern ihren Arbeitsplatz verlassen haben, wenn die Bemerkung gestattet ist."

"Ist sie aber nicht, McClown! Schließlich bezahle ich dieses faulen Lumpenpack nicht fürs Faulenzen, sondern fürs Arbeiten! Es ist mein gutes Recht als Bauherr, das zu bemängeln!"

"Selbstverständlich ist es Ihr gutes Recht, Sir. Jedoch hatten die Arbeiter nach 12 Stunden Arbeit lediglich eine kurze Pause eingelegt, als Sie, Sir, gerade ihren Mittagsschlaf beendet hatten und einen Spaziergang machten. Die Arbeiter wollten gerade ihre vertraglich zugesicherte 5-minütige Pause beenden, als Sie die Leute beim Faulenzen 'erwischt' hatten, diese 'elenden Dreckslumpen', wie Sie es formulierten, Sir."

"Vertrag, Schnick-Schnack, McClown. Wer so langsam arbeitet, braucht keine Pause!"

Es folgte ein kurzer Moment der Stille. Obwohl sie das Gesicht des Butlers nicht sehen konnten, ahnten die Hamster förmlich, wie es in diesem Moment rot anlief. In der Tat war Frido McClown kurz vor dem Platzen. Es war nicht die erste Entgleisung des Lords in der letzten Zeit. Angefangen hatte es vor wenigen Monaten, nachdem sie gezwungen waren, das baufällige Schloss Dunollie an der Westküste Schottlands zu verlassen. Des Klimas wegen wollte der Lord diesmal an die Nordküste ziehen, und zu diesem Zweck hatte er sich das wunderschön gelegene Caisteal Bharraich, auch Castle Varrich genannt, ausgesucht. Dieses Castle lag auf einem Berg über der Bucht von Tongue und besaß einen majestätischen Ausblick auf den Atlantik. Leider hatte die Sache nur einen Haken: Das Schloss war seit Generationen in dem Besitz des jeweiligen Bischof dieser Region, nämlich des Bischof von Caithness.

Der jetzige Bischof war ein gutmütiger, traditionsbewusster älterer Herr, dem sehr wohl bewusst war, dass Schloss Varrich im Laufe der Jahre etwas heruntergekommen war, jedoch es fehlte an Geld. Dennoch, der alte Herr liebte dieses Schloss und hatte einem Treffen mit Lord McShredder nur zu gerne zugestimmt. Er hoffte nämlich, dass ein 'Lord von Killichonan, vormaliger Besitzer des Schloss Dunollie und Hüter des Schatzes des Loch Ness' ihm mit einer kleinen Spende helfen könnte, Schloss Varrich ein wenig zu erneuern. Das war allerdings ein fürchterlicher Trugschluss, und das Treffen endete mit einem Desaster.

Als der Lord sogar seine Tabakspfeife auf dem geflickten Teppich des Bischofs ausleerte und ihm ins Gesicht sagte, 'er könne sich glücklich schätzen, wenn er für diese abbruchreife Viehscheune noch einen warmen Händedruck und einen ungedeckten Scheck kriegen würde', geriet die Situation außer Kontrolle. Der ansonsten friedfertige Bischof packte den fluchenden Lord und warf ihn die Treppe hinunter. Nur ungern erinnerte sich Frido McClown an die nun folgenden, peinlichen Wortgefechte. Sie gipfelten in den keifenden Worten McShredders: "Ich werde ganz in der Nähe ein neues, prächtiges Schloss errichten, du falscher Pfaffe. Am besten kaufst du dir schon mal Abdeckplane, damit man deine Drecksruine nicht mehr in meiner Nachbarschaft sehen muss!"

Frido McClown seufzte und dachte an das, was folgte. Oberpeinliche Verhandlungen mit mehreren angrenzenden Grundbesitzern, wüste Beschimpfungen, stundenlanges Gefeilsche um Geld, neue Feindschaften würden gegründet und bestehende vertieft. Es wurde schnell klar, dass der Lord von Killichonan sich glänzend in das Gebiet von Sutherland and Caithness einfügen und mit all den neuen Nachbarn verstehen würde. Dann folgte der Tag, an dem McClown vom höchsten Berg des Glücks in das Tal der tiefsten Depression gestoßen wurde. An dem Tag nämlich, an dem Lord McShredder nach vergeblichen Versuchen, ein Stück Baugrund zu einem Spottpreis zu kaufen, abreisen wollte, geschah es.

Ein Schafzüchter, der versoffene MacLeary, hatte soeben sein letztes Schaf versetzt und war pleite. Das war der Moment, in dem McShredder zuschlug und MacLeary ihm das Stück Brachland für den Gegenwert einer Flasche Whisky verkaufte. Während der Lord seinem Butler nun in den Ohren lag, welch ein cleverer und geschickter Verhandlungspartner er, McShredder, sei und auf welche Geduld es bei solchen Dingen ankam, wurde es noch unangenehmer für den armen McClown. Das Bauland nämlich befand sich am Loch Naver, gewissermaßen im Delta des Flusses Klibreck Burn. Im Gegensatz zum umliegenden Land war der gekaufte Boden naturgemäß durch die Nähe zum Fluss etwas moorig. Da der Lord solch moderne Dinge wie Drainagen für absolut überflüssig hielt, war es an Frido, für den Bau des neuen Schlosses zu sorgen, ohne dass es mit der Zeit im Boden versank.

Es folgte eine Zeit, an die sich der Butler mit Grauen erinnerte. Zusammen mit George und Lisa karrten sie tonnenweise Sand herbei, damit der Untergrund wenigstens halbwegs stabil wurde. Viele Wochen später konnte der Bau des Schlosses beginnen. Nachdem es in stundenlangen Diskussionen gelungen war, den Lord zu überzeugen, dass das Bauwerk unmöglich die Höhe der Kathedrale von Westminster haben könne, begann der erste Spatenstich. In mühsamer, harter Arbeit verliefen die nächsten Monate bis hin zum Sommer.

Lisa kehrte dann ins King’s House Hotel zurück, um ihren Eltern während der Touristensaison zu helfen. George, der sie mit seinem Wagen dorthin fuhr, hatte leider auf der Rückfahrt kurz hinter Lairg einen Unfall, als er einem Reh ausweichen wollte und in einen Graben landete. Zwar hatte der Wagen nur ein paar Beulen, doch George ein gebrochenes Bein. Sehr zu seinem Bedauern musste er nach einem kurzen Krankhausaufenthalt die nächsten Wochen zur Regeneration am Loch Rannoch verbringen, während Butler Frido McClown sich um alles, was das Schloss betraf, zu kümmern hatte.

Nachdem sein Butler jedoch mehrfach vor Schwäche zusammengebrochen war, erkannte der Lord, dass McClown es offensichtlich nicht schaffte, läppische 18 Stunden am Tag zu arbeiten, obwohl er als Ausgleich am Sonntag nur 10 Stunden Dienst hatte. Erst als Fridos nervlicher und körperlicher Zustand kritisch wurde und es zu verschiedenen hässlichen Szenen gekommen war, hatte der Lord zugestimmt, ein paar Hilfskräfte aus Tongue, Wick und Thurso kommen zu lassen. Genau diese Hilfskräfte hatten nun am gestrigen Tag nach heftigen Diskussionen und vielen bösen Worten seitens Lord McShredders ihre Arbeit niedergelegt und waren wütend und laut schimpfend verschwunden.

"Und wie soll das nun weitergehen, Sir?"

Der Lord stützte seinen Ellenbogen auf die Sessellehne, zog an seiner unvermeidlichen Tabakspfeife, die er sich soeben angesteckt hatte, und überlegte. Die Lage war kritisch, soviel war klar. Lisa und George würden in den nächsten Wochen nicht zur Verfügung stehen, McClown war sozusagen fertig. McShredder konnte es sich nicht leisten, dass auch sein letzter williger Sklave verschwand. Immerhin war das Schloss im Grunde genommen doch auch ziemlich fertig. Bis auf ein paar unwesentliche Kleinigkeiten wie Strom- und Wasseranschluss, ein paar Fenster und Treppen fehlten in den oberen Stockwerken, der Keller stand seit Wochen unter Wasser und sollte abgepumpt werden, und, und, und. Das waren jedoch alles keine Dinge, die dringend und notwendig waren, schließlich hatten sie doch alles hier zum Leben. Alles, außer...

"Nun, McClown", begann der Lord und zog genüsslich an seiner Pfeife, blies den Rauch durch den Raum und sah seinen Butler gönnerhaft an. "In meiner unermesslichen Güte habe ich beschlossen, Ihnen eine Woche Urlaub zu gewähren."

"Sir?"

"Ja, Sie haben richtig gehört, McClown. Selbstverständlich haben Sie wie üblich freie Unterkunft in diesem Hause, lediglich mit Essen müssten Sie sich selbst versorgen, und wenn Sie schon mal dabei sind, werden Sie natürlich auch für mich etwas Essen machen, neben Ihren kleinen Butlertätigkeiten. Ach ja, McClown, ein wenig Lebensmittel müssten Sie noch einkaufen. Der Weg nach Altnaharra ist ja nicht weit."

"Sir, in Altnaharra wird uns niemand etwas verkaufen wollen, nachdem Sie..."

"Dann gehen Sie ein paar Schritte weiter nach Tongue, McClown, so schwer kann das doch nicht sein!"

"Sir, in Tongue wohnen viele der Arbeiter, die Sie gestern recht ungnädig behandelt hatten..."

"Dann machen Sie eine Bogen um die Stadt oder gehen nachts!"

"Nun, Sir, nachts pflegen die Geschäfte geschlossen zu haben!"

"Dann übernachten Sie im Freien, bis geöffnet ist, McClown, wo ist das Problem! Nun sehen Sie endlich zu, dass Sie loskommen, wir haben nämlich nichts mehr zu essen im Hause. Nehmen Sie den kleinen Bollerwagen, den diese nachlässigen Arbeiter auf dem Weg stehengelassen haben, damit können Sie die Vorräte bequem ziehen. Aber waschen Sie sich vorher ein wenig, Sie sehen aus wie ein Penner! Ist es nicht schön, dass ich immer für Sie mitdenke, McClown?"

Das Gesicht des Butlers lief rot an, doch er entgegnete nichts. Statt einer Antwort nickte er nur kurz und verließ das Zimmer. Die feinen Ohren der Hamster nahmen deutlich seine Schimpfworte wahr, während Lord McShredder seine Pfeife beiseite gelegt hatte und die Augen genüsslich schloss. Kurz darauf schnarchte er.

"Wir sind erledigt, habt ihr das gehört? Es gibt im ganzen Schloss nichts zu essen!"

"Bin ja nicht taub, Goldi", knurrte Bauleiter Murksel, "dann müssen wir auch nach Tongue!"

"Sozusagen als Begleitschutz, wenn ich das einmal so sagen darf", fügte nun unnötigerweise der Bürgermeister-Commander hinzu.

"Worauf warten wir?" rief Flecki, "Wir müssen in diesen Bollerwagen!"

Gesagt, getan, denn die Gelegenheit war günstig. Die Hamstertruppe lief genau den Weg zurück aus dem Schloss hinaus, den sie vor kurzem noch in das Schloss genommen hatten. Sie mussten unbedingt vor Frido McClown den Bollerwagen erreichen. Alles ging soweit glatt, lediglich Dodo rutschte beim Herunterklettern vom Busch ab, hatte aber Glück, dass er weich auf Trampel landete. Nun hieß es nur noch, den vom Lord erwähnten Weg zu finden, und nachdem die Hamster panisch einmal um das Schloss herumgerannt waren, fanden sie ihn auch: Er befand sich direkt vor der Eingangstür.

Nach weiteren panischen 200 Metern fanden sie den besagte Wagen, krabbelten einer nach dem anderen hinein und fanden zu ihrem Entzücken eine Wolldecke, die einer der Arbeiter dort liegengelassen hatte. Schnell kuschelten sich die Pelztiere unter die Decke und warteten, bis es losging. Es dauerte eine ganze Weile, bis Frido McClown endlich des Weges kam. Es hatte nämlich, und das konnten die Hamster natürlich nicht wissen, in der Zwischenzeit noch einen gewaltigen Disput zwischen Lord und Butler gegeben, und es hatte lange gedauert, bis der knauserige McShredder genug Geld für Lebensmitteleinkäufe herausrückte.

Recht ungehalten warf der Butler eine Einkaufstasche in den Wagen, verfehlte die Decke mit den Hamstern jedoch knapp. Dann rechnete er im Kopf aus, wie lange er wohl unterwegs sein würde: 2 Meilen bis Altnaharra, dann 10 Meilen bis zum Loch Loyal und von dort aus noch einmal 5 Meilen bis Tongue. Es würde einige Stunden dauern, so viel war klar. Klar war auch, dass niemand in der kleinen Stadt Tongue etwas gegen ihn hatte, aber es war auch klar, dass er der Butler des verhassten Geizhalses und Leuteschinders McShredder war. Aus diesem Grunde würde auch ihm niemand etwas zu essen verkaufen, jedenfalls nicht, wenn man ihn als Butler des Lords erkennen würde.

Vorsichtig näherte sich McClown einem Gehöft namens Clebrig, und er war froh, dass ihm niemand begegnete. Dann lief er weiter in Richtung Altnaharra und beschloss, sich vorerst keine Gedanken mehr zu machen, ob ihm jemand etwas zum Essen verkaufen würde oder nicht. Schottland ist groß, dachte er, und Geld genug habe ich auch dabei.

 

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