Kapitel 24

Schleusendienst

 

Keine Alarmsirene hatte in Fort William den Wetterwechsel angekündigt. Es regnete, was herunterkam. Lt. Scott fluchte nicht besonders, denn dies war Schottland, und solches Wetter gehörte zum Land. Im Schleusenbüro nahm er eine Öljacke vom Haken und ging nach draußen, um seinen Schleusendienst anzufangen.

Fünf Boote lagen oben im Kanal, die auf die Höhe des Loch Linnhe herunterkommen mussten. Ab und an sah er grinsend zum Schleusenhaus hinüber. Perry McPerry tauchte nicht auf. Das lag sicher nicht an Perry, sondern an Dr. McCoy. Wahrscheinlich erzählte der dem Schleusenwärter irgendwas von gefährlich glatten Wegen bei Regen und durchnässtem Gips. Nicht, weil das gefährlich war, sondern weil der Doktor bei diesem Wetter lieber drinnen bleiben wollte. Und das stimmte genau.

"Verdammich!" fauchte McPerry. "Dann schneid einen Plastiksack auf und binde ihn drum, Mann. Ich lasse doch den Kerl nicht allein da draußen."

"He, he!" macht McCoy. "Du lässt mal schön solche Reden."

"Aber das meine ich auch. Einen wunderschönen nassen Morgen, ihr zwei. Jetzt gibt es erst mal ein gutes, kräftiges Frühstück, dann sieht die Welt schon ganz anders aus."

"Verdammich!" knurrte Perry.

Aber Dr. McCoy lächelte der kleinen, runden Frau fröhlich zu. Das war Schwester Katie, die Gemeindeschwester, die eigentlich Perry pflegen sollte. Im Moment verwöhnte sie die Männer mit gutem, kräftigem Frühstück, nettem Lunch, um Magenlöcher zu füllen, und ausgiebigem Dinner. Abgemacht war eine Mahlzeit am Tag, aber Katie kochte schrecklich gern und hatte sonst niemanden, den sie verwöhnen konnte.

"Jim ist gestern zurückgekommen", sagte McCoy. "Ein guter Esser mehr. Besser gesagt, zwei gute Esser."

"Ah, hat er eine Schönheit der Hebriden mitgebracht?" fragte Katie gespannt, denn sie interessierte sich sehr für Liebesgeschichten.

"Nein, einen Hamster."

"Och, geh weg!" lachte sie. "Auf den Hebriden gibt es doch keine Hamster."

"Verdammich, Katie, hörst du nie zu, wenn man dir was erzählt?" bölkte Perry. "Er hat den Hamster mitgenommen und ist jetzt mit ihm zurückgekommen. Wenn ich hier rumsitzen soll, hat Leonard ja weiter nix zu tun. Du kannst mal Hamsterfutter kaufen gehen."

"Ach was, der frisst alles", gab McCoy zurück.

"Nix, du kaufst Hamsterfutter. Was ist denn jetzt mit dem Frühstück, Katie?"

"Wenn du so denkst, dann komme ich das nächste Mal auf einem Besen geritten."

"Hä! Hähä, das möchte ich sehen!"

"Wirst du aber nicht, ich kann nämlich nicht hexen, du alter Gnadderkopp."

"Soll ich dir helfen?" fragte McCoy, aber Katie wehrte entsetzt ab.

"Bloß nicht! Als du mir das letzte Mal geholfen hast, konnte ich alles in den Müll schmeißen. – Ich stelle den beiden oben mal Kaffee rein."

Sie bewegte ihre üppigen Formen erstaunlich geschickt über die enge Treppe und trug dabei auch noch ein Tablett. Das stellte sie auf einem Tischchen neben der oberen Wohnungstür ab und machte die Tür ganz leise auf. Dann lächelte sie glücklich. Sie hörte Schnarchen. Vorsichtig schob sie die Tür zum Schlafzimmer auf.

Rechts und links von dem kleinen Fenster standen zwei Betten. Sie wusste es nicht, aber sie weckte Spock jedes Mal auf, wenn sie die Treppe heraufkam. Er tauchte dann völlig unter die Zudecke, damit sie seine Ohren nicht sehen konnte. So dachte sie, der komische Kerl schlafe immer so. In dem zweiten Bett aber war ein verwuschelter Blondschopf zu sehen, und natürlich kam dorther auch das Geschnarche.

Wie immer, stellte sie das Kaffeetablett auf dem Tisch vor dem Fenster ab, rückte die Tassen zurecht, blickte auf und…

"Huch!" machte Katie. "Oh! Du musst mich nicht so erschrecken, Hamsterchen", flüsterte sie. "Der da muss bis in die Nacht arbeiten und braucht seinen Schlaf."

"Ich habe auch bis in die Nacht gearbeitet", erwiderte Hamstilidamst, und sie lachte.

"Man könnte denken, du antwortest."

"Tu ich doch. Hast du da nur Kaffee oder auch was zu essen?"

"Glaube ja nicht, dass du mich einwickeln kannst, und wenn du noch so hungrig guckst."

Dann zog sie einen Frühstücksriegel aus der Tasche ihrer Schwesternschürze. Sie knisterte leise mit Papier und legte ihn auf das Tablett. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das Tierchen grinste sie an. Na ja, warum nicht, Tiere waren auch nur Menschen, dachte sie und schlich wieder hinaus.

Spock tauchte unter der Zudecke auf, betrachtete den schmausenden Hamster und sagte:

"Ich fange an zu verstehen, warum Geld für euch nicht wichtig ist."

"Hä?" fragte Hamstilidamst kauend.

"Menschen betrachten euch als niedlich. Eure Blicke vermitteln glaubhaft ein Gefühl von Hunger – selbst wenn es nicht stimmt."

Damit drehte er sich um und schlief weiter. Hamstilidamst tat etwas sehr Erstaunliches. Er hörte auf zu essen. Nach einer Weile biss er wieder ab und nuschelte:

"Ist doch dein Problem. Dann sieh doch selber niedlich aus und übe dir ein Hungergesicht an."

"Das kann er nicht", kam Kirks Stimme aus dem anderen Bett. "Er ist Vulkanier."

"Na, hör mal, das ist doch nicht für alles eine Entschuldigung."

"Ist ja gar keine Entschuldigung, mein Kleiner. Es ist eine Erklärung. Es gibt Sachen, die kannst du, und Sachen, die kannst du nicht – einfach, weil du ein Hamster bist."

"Aber ich komme ohne Geld durch. Trink deinen Kaffee und überleg dir, was wichtiger ist."

"Uff!" machte Kirk, warf die Bettdecke zurück und goss sich weisungsgemäß Kaffee ein.

Kurz darauf latschte er ins Bad. Als er zurückkam, waren seine Lebensgeister wach. Geduscht, rasiert und mit geputzten Zähnen, sah die Welt wieder freundlicher aus. Allerdings nicht, wenn er aus dem Fenster blickte. Überhaupt nicht vorstellbar, dass er gestern noch bei strahlendem Sonnenschein auf dem Meer unterwegs gewesen war.

Es klopfte kurz, und Dr. McCoy trat ein. Da beschloss Spock, sich nicht mehr um Schlaf zu bemühen, und setzte sich auf. Seit er bis tief in die Nacht im ‚Zur Hölle’ arbeitete, hatte er es sich angewöhnt, ebenfalls Kaffee zu trinken. McCoy frischte seinen Spruch mal wieder auf, zum guten Schluss werde Spock wohl doch noch zum Menschen mutieren.

"Ich habe Perry hinter eine Zeitung gesetzt", sagte Pille. "Ich glaube, wenn wir wieder zurück und normal im Dienst sind, werde ich meine Krankenschwestern alle befördern. Pflegen ist ein aufwändiges Geschäft."

"Dann haben Sie ja auf dieser Mission etwas gelernt", sagte Spock. "Jim, Sie wollten, dass ich Sie heute in das Internet-Café begleite."

"Stimmt. Aber vorher müssen wir wissen, wer heute in der NASA sitzt, den wir ansprechen können. Jemanden, der…" Er suchte nach Worten.

"…verrückt genug ist", fuhr McCoy fort, "auf irgendeine Nachricht aus einem schottischen Kaff zu hören, in der irgendwas Verrücktes steht, dass…"

"…irgendein verrückter Professor eine Idee zu künstlicher Schwerkraft auf Raumschiffen hat", nickte der Captain. "Also finden Sie mir da jemanden, Spock."

"Ich…" fing Spock an, aber der Captain war in Fahrt.

"Und wir brauchen ein Spiel."

"Le-o-nard!" brüllte es von unten. "Ich will nach draußen."

"Mann!" stieß McCoy ärgerlich hervor. "Der kann doch nicht die ganze Zeitung durch haben."

"Perry informiert sich nur über die Ergebnisse von Hütehund-Prüfungen, Doktor", erklärte der Vulkanier.

"Gibt’s das auch für Hamster?" erkundigte sich Hamstilidamst.

"Das müsstest du doch besser wissen."

"Stimmt. – Und wie lange wollt ihr noch hier drin sitzen?"

"Komm mit", sagte der Captain. "Spock hat hier zu tun, Pille muss sich um Perry kümmern. Wir gehen einkaufen. Wir brauchen eine Landkarte."

"Wie schmeckt die?" fragte Hamstilidamst, und McCoy lachte.

"Gute Frage. – Jim, du kannst deine Landkarte kaufen, aber… Hier ist Geld, unten liegt ein Einkaufszettel. Wenn du einkaufen gehst, dann auch richtig."

"Hä?! Hör mal, ich habe hier noch nie eingekauft."

"Ich helfe dir", versprach Hamstilidamst. "Ich weiß genau, was gut für uns ist."

Das wusste er tatsächlich, so dass der Einkauf weniger daneben ging als man bei dem Kommandanten eines Raumschiffs aus dem 23. Jahrhundert hätte erwarten können. Er hatte einen kleinen Kramladen gefunden. Dort las er der Verkäuferin seinen Einkaufszettel vor und bekam nebenher Einflüsterungen von Hamstilidamst, was noch wichtig und für sie alle gut war.

Natürlich war die Verkäuferin hingerissen von dem süßen kleinen Tierchen und gab Kirk noch ein Päckchen Haferkekse für den Hamster mit. Beide fanden die Verkäuferin sehr nett. Als sie aus dem Laden kamen, war die Sonne zurückgekehrt. Kirk bummelte zu den Schleusen, um Lt. Scott ein wenig Gesellschaft zu leisten.

"Sagen Sie mal, wie haben Sie sich eigentlich mit allen geeinigt?" fragte er. "Ist jedem, für den Sie alle arbeiten, wirklich klar, dass wir von heute auf morgen wieder verschwinden werden?"

"Ay, Sir, im Prinzip schon. Ich glaube aber, Perry verlässt sich darauf, dass ich doch länger bleibe. Würde ich auch gern."

"Hmhm, Sie sehen ziemlich überzeugend aus."

Er musterte seinen Chefingenieur, der in Gummistiefeln und Öljacke irgendwie aussah, als gehörte er absolut hierher. Inzwischen dachte Hamstilidamst an sein Versprechen, den Offizieren nicht wegzulaufen, obwohl es im Moment echt langweilig mit ihnen war. Aber er lief ja nicht weg, er kletterte nur an dem Gatter von einem der Schleusentore herum.

Die Offiziere hatten nicht bemerkt, dass er sich mal wieder verdrückt hatte. Und sie dachten auch überhaupt nicht an Hamstilidamst, als sie plötzlich die spitzen Schreie einer Frau hörten.

"A-a-a-a-ah! A-a-a-a-ah! Eine Ratte! A-a-a-ah!"

Dazu tönte eine Männerstimme:

"Liebling! Liebling! Liebling! Liebling!"

"Was ist da denn los?" fragte Lt. Scott, trat an den Rand des Schleusenbeckens und schaute hinunter.

Auch Kirk trat näher. Während Scotty noch versuchte, aus dem Gewurstel in dem kleinen Boot schlau zu werden, war der Captain schon auf der Leiter unterwegs, die an der Beckenwand angebracht war.

In dem Boot war eine Blondine mit einem schweren hysterischen Anfall beschäftigt. Ein kahlköpfiger Mann wusste ganz offensichtlich nicht, wie er sie beruhigen sollte. Auf der Reling saß Hamstilidamst und sah sich das Ganze mit großen Augen an. Er war an den blöden Stangen abgerutscht, weil sie nass waren. Dann war er endlos in die Tiefe gestürzt, aber ziemlich weich gelandet. Und dann hatte das Gekreisch angefangen.

"Wenn hier einer Grund zum Kreischen hat, dann ja wohl ich", beschwerte er sich und starrte die blöde Blonde an. "Ey, halt’s Maul, verdammich!"

Kirk wäre fast von der Leiter gefallen. Wie Recht Hamstilidamst hatte! Jetzt war er auf der Höhe des Bootes. Die Blondine, die immer noch "A-a-a-a-ah!" machte, sah ihn und klappte den Mund zu.

"Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Madam", lächelte er. "Ich fürchte, mein Hamster hat sich selbstständig gemacht."

"Sie Unmensch!" rief der Kahlköpfige. "Wie können Sie es wagen…"

"Oh!" machte die Blonde statt "A-a-a-a-ah!". "Das ist… Meine Güte, es ist wirklich ein Hamster! Ihr Hamsterchen? Wie reizend!"

Ihr Blick auf Hamstilidamst war nur sehr flüchtig, ihr Blick auf den Captain dafür umso ausdauernder. Er lächelte nett, schnappte sich Hamstilidamst und kletterte die Leiter wieder hinauf. Hinter sich hörte er den Kahlköpfigen sagen:

"Aber meine liebe Eglantyne, habe ich eben richtig gesehen?"

Kirk war so damit beschäftigt, das Gleichgewicht zu halten und nicht zu lachen, dass er den Rest nicht mehr hörte. Hamstilidamst, dem der Leiterweg direkt an der schwarzen Wand hoch etwas unheimlich war, wartete mit seinem Kommentar, bis sie wieder oben waren.

"Hör mal, hieß die Gelatine? Das tut man doch in Wackelpudding."

Kirk brach vor Lachen auf dem Rasen zusammen. Als er sich wieder eingekriegt hatte, brachte er lieber Hamstilidamst plus Einkäufe ins Haus. Dort packte er mit Unterstützung des Hamsters seine Tüte aus, bis Hamstilidamst ihn plötzlich wild am Ärmel zerrte.

"Jim, Jim, du musst sofort die HAMPO rufen, augenblicklich sofort!"

"Was soll ich?"

"Die HAM… Eine Polizei. Sieh dir das hier an. Das ist Hamsterquälerei, das verstößt gegen die interhamstiale Konvention, das ist – GEMEIN!!!"

"Um Himmels willen, was ist denn los?!"

"Hier! HIER!! Sie verkaufen kleingemachte Hamster. Das ist… Das ist…"

"Ähm!" machte Kirk und unterdrückte ein Grunzen. "Hör mal! Hör mal zu!"

"NEIN!!"

"Hamstilidamst, das ist nicht Futter aus Hamstern, das ist Futter für Hamster."

"NEIN!!"

Kirk merkte, dass er da nicht durchkam, nahm eine Schale, riss die Packung auf und schüttete das Futter hinein. Hamstilidamst, der vor gerechter Empörung in einen Spitzentrippelschritt geraten war, fiel bei dem Anblick voll auf den Bauch. Es dauerte eine Weile, dann sagte er leise:

"Aber wieso ist ein Bild von einem Hamster auf der Packung?"

"Damit wir Trottel wissen, dass es etwas zu essen für Hamster ist und nicht für – für Fische."

"Das ist nur gemacht, weil ihr doof seid?"

"Öhm… Ja, genau."

"Null Ahnung von Hamstern. Irgendwie haben wir alle das immer gewusst."

"Vielleicht möchtest du jetzt was essen?" fragte der Captain, der Hamstilidamsts Meinung über Menschen auch wieder nicht so genau wissen wollte.

Irgendwie hatte ihm der Tagesanfang schon gereicht. Er nahm Hamster und Schale und ging zu Spock hinauf. Der saß inzwischen im Wohnzimmer und kaute sich durch Tricorder-Daten. Mit dem Vulkanier war im Moment so wenig zu rechnen wie mit dem Hamster, und er konnte ja mal gucken, wohin sie als nächstes gehen sollten.

Lt. Spocks rechte Augenbraue klebte knapp unter dem Rand seiner Mütze. Gleich darauf wanderte die linke hinterher. Dann rutschten beide wieder hinunter, und er schloss den Tricorder. Gerade fing Captain Kirk an, ein sonderbar gefaltetes Stück Papier auseinanderzuklappen, und er blickte interessiert hinüber.

"Eine antike Landkarte. – Wenn wir ein Andenken an diese Mission mitnehmen, wäre dieses interessant."

"Ich habe das nicht als Andenken gekauft, Spock. Wenn wir hier verschwinden, würde ich gern wissen, wohin wir mal verschwinden könnten.

"Geht doch zum Lord-Schloss", schlug Hamstilidamst vor, der mitten in der Schale Hamsterfutter saß und sich durchfraß. "Das haben wir in die Luft gejagt."

"Offenbar eine Hamster-Spezialität", vermutete Spock. "Was aber sollen wir dort, wenn ihr es gesprengt habt?"

"Ach, so viel Platz ist noch."

"Und wo ist dies Schloss?" wollte Kirk wissen.

"In einer Sackgasse."

"Und was ist eine Sackgasse?"

"Da geht’s nicht weiter."

"Das ist allerdings eine sehr hilfreiche Ortsangabe", sagte Spock trocken. "Jim, wir können auf sehr einfach Weise Kontakt zur NASA aufnehmen. – Die NASA hat eine Abteilung für interessante technische Einfälle."

Der Vulkanier sprach in seinem vulkanischsten Tonfall, aber Kirk wusste, dass hinter dem Tonfall ein Schmunzeln steckte. Er jedenfalls schmunzelte. Na ja, warum sollte man so eine Abteilung nicht heute schon bei der Raumfahrtbehörde haben? In der Sternenflotte hatten sie so etwas ja auch. Ohne die Abteilung für interessante technische Einfälle sähe das Leben auf einem Raumschiff sehr viel unbequemer aus.

"Na gut", sagte er. "Und kann man da dies Computer Mail-Zeug hinschicken?"

"Das kannste überall hinschicken", wusste Hamstilidamst. "Jeder letzte Trottel hat eine Mail."

"Der Schleusenwärter nicht", sagte Lt. Spock. "Und ich halte es auch nicht für angebracht, eine solche Nachricht von einer privaten Einheit aus zu senden."

"Tja, Spock, geben wir’s zu: Wir wissen beide nicht, wie man eine Mail verschickt. Also brauchen wir ein Spiel."

"Au ja!" schrie Hamstilidamst. "Fußball? Oder Poker? Oder Wettbacken? Oder…"

"Hamstilidamst, du spinnst", unterbrach der Captain und setzte sich den Hamster auf die Schulter. "Du kommst mit, ich brauche dich."

"Ich mache bei dem Spiel mit?!" freute Hamstilidamst sich.

Auf dem Weg nach draußen ging Kirk noch einmal an seiner Einkaufstüte vorbei und holte eine Sonnenbrille heraus. Spock hatte ihm gestern Abend gesagt, dass er tagsüber kaum in der Stadt sei. Wenn er ausgeschlafen hatte, war er Lt. Scott an der Schleuse behilflich gewesen oder hatte Dr. McCoy dabei unterstützt, Perry McPerry zu unterhalten, was nicht immer ganz einfach war. Seine Zeit für Fort William war der Abend.

Daher nahm Kirk nicht an, dass Spock in der Stadt eine bekannte Größe war, und er selbst war es erst recht nicht. Darauf baute er. Wenn er sich irrte, flog sein Spiel auf. Er erklärte dem Vulkanier, was er vorhatte, und der nickte nur.

Auf dem Weg ins Zentrum kam ihnen die erste Touristengruppe entgegen. Als die beiden Männer aus dieser Gruppe wieder auftauchten, hatte sich ihr Verhalten geändert. Der Captain hatte die dunkle Brille auf und machte ein Gesicht als gehöre ihm die ganze Welt. Dabei bewegte er sich langsam und wie tastend. Spock hatte seinen Arm in den des Captains geschoben und führte ihn ganz offensichtlich. Hamstilidamst saß bei Kirk auf der Schulter und starrte mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Straße.

Im Touristentrubel des Vormittags fielen sie gar nicht weiter auf. Als sie kurz vor dem Internet-Café waren, sagte Spock leise:

"Jetzt!"

Sofort zog Hamstilidamst an Kirks Ohrläppchen, und der sagte laut:

"Hier rechts? Na gut. Und ich sage, ich brauche so was nicht. Die Technik, die ich brauche, habe ich auf meiner Farm in Iowa. He – was? Geradeaus?" polterte er auf ein weiteres Ohrläppchenzupfen des Hamsters. "Und wo sind wir jetzt?"

Der Besitzer des Cafés kam auf die Gruppe zu. Kirk sagte laut:

"Da kommt einer auf mich zu."

"Guten Morgen, Sir. Ein wunderschöner Morgen", sagte der Besitzer des Internet-Cafés. "Willkommen in unserem Internet-Café. Sie sind in einem Internet-Café. Ist es das, wo Sie hinwollten, Sir?"

"Yep, ich muss eine verdammte Mail schreiben, mein Handy ist im Eimer. Technischer Blödsinn. Auf meiner Farm in Iowa brauche ich so einen Schnickschnack nicht. Aber ich muss eine Nachricht schicken, Mann, kapieren Sie das?"

"Gewiss, Sir. Kann ich Ihnen dabei behilflich sein?"

"Nein, Mann! Das mit dem Schreiben macht er hier."

Dabei fuchtelte er mit der Hand herum und landete mitten im Gesicht des Besitzers. Der wich einen Schritt zurück und machte sich Gedanken über die Amerikaner.

"Sie, Mann, wo sind Sie?!"

"Ich stehe vor Ihnen, Sir", erwiderte ‚Sie, Mann’ und trat noch einen weiteren Schritt zurück.

"Sie geben mir einen Computer und schalten den an. Mehr nicht. Ich bezahle nicht für andere Dienstleistungen, kapiert?"

"Sicher", gab der Besitzer gereizt zurück. "Bevor Sie sich an den PC setzen… Tiere sind da nicht erlaubt. Ich werde also…"

"He, Mann, was für Tiere?"

"Sir, Sie haben einen Hamster auf der Schulter", sagte ‚He, Mann’. "Das ist am PC nicht erlaubt."

"Sie, Mann, das ist nicht ein Hamster, das ist mein Blindenhamster. Und jetzt will ich den Computer."

"Vielleicht sagt mir Ihr Freund, wem Sie eine Mail schicken wollen?"

"Vielleicht sagt er Ihnen das, wenn er nicht mehr stumm ist."

"Oh, ich bitte um Entschuldigung."

"Ich will keine Entschuldigung, ich will einen Computer."

Inzwischen verfolgte aber auch jeder Gast dieses Spektakel. Als der Besitzer vorausging, um dem Blinden und dem Stummen einen PC-Platz zuzuweisen, beobachteten die Gäste fasziniert, wie der Hamster auf der Schulter des Blinden diesen bei jedem kleinen Richtungswechsel am Ohrläppchen zupfte. Es funktionierte fabelhaft!

Spock setzte sich vor den Bildschirm, wartete, bis das Gerät hochgefahren war, dann flogen seine Blicke über die Menü-Auswahl. Zum Glück hatte er hier schon Leute von "Google" reden hören. Da er überhaupt nicht gewusst hatte, was damit gemeint sein konnte, hatte er sich mit seinem Tricorder schlau gemacht.

"Haut ab, ihr Idioten!"

"He, was ist los?" tönte Kirk mit Iowa-Farmer-Stimme. "Ich merke, dass jemand hier ist!"

Tatsächlich hatten sich einige der Gäste den Blindenhamster näher betrachten wollen. Aber sie waren schon wieder auf dem Rückzug, denn der Blindenhamster hatte gefiept, gefaucht und die Zähne gezeigt. Das war bei weitem nicht so niedlich, wie man es von einem Hamster erwarten konnte.

"Wenn einer bei mir steht: Verschwinde! Was glotzt du in meine Privatpost?"

Aber es stand schon keiner mehr neben ihm. Mit dem polternden Amerikaner und seinem fauchenden Hamster wollte keiner nähere Bekanntschaft schließen. In Wirklichkeit lachte Hamstilidamst sich fast schlapp. Jim benahm sich fast wie Lord McShredder. Aber wenn man wusste, dass das nur ein Spiel war, war es prima.

Inzwischen hatte Spock die Seite der NASA-Abteilung für interessante technische Einfälle gefunden, den Link "Kontakt" geöffnet und erfreut festgestellt, dass er dort sofort einen Text schreiben konnte.

"He, du, schreibst du, was ich dir gesagt habe, dass du schreiben sollst? Hamster, schreibt er? Da klicken Tasten, er schreibt. Schreib nichts Anderes als ich dir gesagt habe, dass du schreiben sollst."

"Wenn du nicht willst, dass ich hier gleich loskreische, halt endlich die Klappe", flüsterte Hamstilidamst ihm ins Ohr.

Kirk hatte Mühe, seine "mir gehört die Welt"-Miene beizubehalten. Was für ein Glück, dass Spock durch rein gar nichts zu erschüttern war. Durch die dunklen Gläser seiner Brille verfolgte der Captain den Mail-Text und war zufrieden.

Sein Erster Offizier wies die NASA darauf hin, dass es im schottischen Ort Ballachulish den Physiker Prof. Fergus McBastle gab, der erste Ideen zu künstlicher Schwerkraft in Raumschiffen entwickelte. Diese Ideen seien vielversprechend, aber dem Wissenschaftler fehle es an Mitteln für die technische Erprobung. Eine Kontaktaufnahme sei zu empfehlen.

Dann notierte Spock sich noch die Telefonnummer der NASA-Abteilung, und die Sache war erledigt. Der Besitzer des Internet-Cafés hatte im Hintergrund gelauert, denn er hatte den Verdacht, dass dieser großkotzige Idiot sich hier rausschleichen wollte, ohne zu bezahlen. Den würde er nicht davonkommen lassen.

"He, Mann, ich bin mit diesem technischen Mist hier fertig. Was kriegst du für Geld?"

"Schottische Pfund", erwiderte ‚He, Mann’ biestig.

"Glaubst du, ich renne hier rum und habe indische Rupien in der Tasche?!"

Die Zahlung wurde abgewickelt, Spock führte Kirk am Arm. Hamstilidamst zupfte den Captain am Ohrläppchen, das schon ganz rot war, und die Gruppe bewegte sich wieder stadtauswärts. Der Besuch wurde im Internet-Café gründlich durchgehechelt.

Hamstilidamst schaffte es tatsächlich, sein Gejohle zu unterdrücken, bis sie weit genug von allem entfernt waren. Wieder hatten sie eine Touristengruppe abgewartet, die zu Neptune’s Staircase unterwegs war. In der Gruppe verschwand die Sonnenbrille, und von der ganzen Szene blieb nur ein rotes Ohrläppchen übrig.

"Wieso haben Sie sich die Telefonnummer aufgeschrieben?" fragte Kirk in seinem normalen Ton.

"Wir sollten den Professor aus Houston anrufen und ihm mitteilen, wo er sich mit seiner fortschrittlichen Idee melden kann."

"Das ist gut. Es könnte leicht sein, er kriegt das sonst nicht auf die Reihe."

"Jim", sagte Hamstilidamst beeindruckt, "du bist als Lord McShredder richtig klasse."

"Als wer? – Was? Als dieser Idiot? So war der? Ich meine, so ist der in Natur?"

"Der ist so überall in der Natur. Alle sind seine Sklaven. Aber wir Hamster aus Hamsterhausen lassen so was nicht mit uns machen."

"Das kann ich mir lebhaft vorstellen. – Ach Gott, Spock, gucken Sie mal, unser Scotty erklärt den Touristen die Schleusen."

"Möchten Sie zuhören?"

"Nein, möchte ich nicht, aber er möchte am liebsten hier bleiben. – Und ich möchte einen Kaffee."

"Und ich möchte einen Scone", meldete sich Hamstilidamst.

"Na, das hättest du früher sagen sollen. Hier ist kein Geschäft."

Aber als sie eintraten, war Schwester Katie da, die den Lunch vorbereitete. Sie hatte eine Tüte ganz frische Scones mitgebracht und legte sie gerade in eine hübsche Schale.

"Hu-u-uch!" machte sie, als Hamstilidamst augenblicklich an ihr hochkletterte, an ihrem ausgestreckten Arm wieder hinunter und sie begeistert ansah. "Was bist du denn für eine Sorte Hamster?! – Hallo, ihr zwei. Ich bereite eine Scotch Broth vor, die könnt ihr euch heute Abend noch mal aufwärmen. – Wir haben uns noch gar nicht kennen gelernt. Du musst Jim sein, oder? Ich bin Schwester Katie."

"Die uns vor den Kochkünsten Leonards bewahrt", grinste der Captain und schüttelte ihr die Hand. "Hm, das riecht lecker."

Spock verzog sich nach oben, aber Kirk und Katie waren einander auf Anhieb so sympathisch, dass er in der Küche sitzen blieb und mit ihr schwatzte. Hamstilidamst futterte seinen Scone, hörte zu und war glücklich.

Nach einer Weile überkam ihn eine Hamster-Tagesmüdigkeit. Er überließ die beiden in der Küche sich selbst, denn auf Scotch Broth konnte er verzichten. In der Wohnung oben flitzte er ins Wohnzimmer zu Spock. Der studierte die Schottland-Karte. Als Hamstilidamst hereinkam, blickte der Vulkanier auf und sagte:

"Deine Anwesenheit im ‚Zur Hölle’ hat mir gestern mehr Geld eingebracht als zuvor. Bist du weiterhin bereit, mich am Abend zu begleiten?"

"Logo. Soll ich irgendwas vorführen?"

"Wenn du eine Idee hast, was Menschen eventuell niedlich finden, könnte das hilfreich sein."

"Ich lass mir was einfallen."

Spock hatte Hamstilidamst selten so entgegenkommend gefunden und vermutete, dass der Kleine jetzt den Hamster-Tagesschlaf benötigte. Daher erhob er sich, nahm ein Sofakissen, klopfte eine kleine Kuhle hinein und machte eine einladende Handbewegung. Hamstilidamst schnaufte und sah aus als würde er grinsen. Zwei Minuten später war er eingeschlafen.

Wieder wandte sich Spock der Landkarte zu und studierte sie mit Interesse. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass eine Karte, an der man sich ernsthaft orientieren sollte, in dieser Zeit noch dermaßen primitiv aussah. Schließlich wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt. Durch das geöffnete Fenster hörte man laute Stimmen, um genauer zu sein, eine laute Stimme. Wenn Spock diese Stimme schon im ersten Stock hörte, war nicht zu erwarten, dass Kirk und Katie sie eine Etage tiefer nicht hörten. Während der Vulkanier oben jedoch einfach das Fenster schloss, gingen die beiden eine Etage tiefer neugierig hinaus.

"Bewegen Sie sich ein bisschen, McClown! Wenn ich Ihnen erlaube, mit mir einen Ausflug zu machen, dann doch nicht zu Ihrem Vergnügen."

"Sicher, Sir, aber die Straße ist abschüssig und huckelig."

"Und was geht mich das an, wenn Sie buckelige Auswüchse kriegen? Bewegung, McClown!"

Inzwischen waren alle – außer Spock und Hamstilidamst – vor der Tür des Schleusenhauses versammelt, die dort hingehörten oder auch nicht.

Die Straße am Kanal entlang schob ein schwitzender Mann einen meckernden Mann, der im Rollstuhl saß. Der im Rollstuhl hatte eine Snackschale mit Fish ’n Chips auf dem Schoß, ließ sich schieben und mampfte dabei.

"Da passiert doch gleich was", sagte Schwester Katie. "So was Verrücktes, mit dem Rollstuhl so über die Straße zu peesen."

"Verdammich, Leonard", sagte Perry McPerry, "schieb mich los, wir stellen uns ihm in den Weg."

"Du bist wohl wahnsinnig geworden?!" stieß Dr. McCoy hervor. "Willst du dein Gipsbein als Schranke nehmen?"

"Ich gehe mal hin", sagte der Captain.

"Sir, die Chips hüpfen schon auf und ab", schrie Frido McClown besorgt.

"Dann tun Sie einen Deckel drauf, aber bleiben Sie dabei gefälligst nicht stehen, McClown."

"Dann kann ich keinen Deckel drauf tun, Sir!"

"Was sind Sie für ein Butler, wenn Sie nicht zwei Sachen gleichzeitig machen…"

"Stopp!"

Den beiden Neuankömmlingen erschien es, als sei der Mann, der mit ausgebreiteten Armen vor ihnen stand, aus der Luft gefallen.

"Was erdreisten Sie sich, mich aufzuhalten, Sklave? Ich fahre, wie ich will und wohin ich will. Lassen Sie mich vorbei!" schrie McShredder und lief rot an.

Aber der Captain ließ ihn überhaupt nicht vorbei. Jetzt kamen auch Perry, McCoy, Katie und Scott dazu. Sie standen allesamt vor Lord McShredders Rollstuhl.

"Würden Sie bitte seine Lordschaft und mich vorbeilassen?" sagte der schwitzende Butler.

Dr. McCoy schob Perry McPerry nun so, dass die beiden Rollstühle einander gegenüberstanden. Als der Lord das sah, wurde seine Gesichtsfarbe eher dunkellila.

"Vorbei kommt ihr, aber in einem Tempo, dass hier hinterher keiner die Schuld kriegt, wenn euch was passiert", sagte McPerry.

"Mir kriecht hinten einer in den Schlund? Was nimmst du dir heraus, du Wurm?", keuchte der Lord. "Weißt du nicht, mit wem du es zu tun hast?!"

"Wenn ich das richtig sehe", gab Perry zurück, holte tief Luft und brüllte: "Wenn ich das richtig sehe, verdammich, habe ich es mit einem verdammichten Idioten zu tun."

"Sie haben den taktischen Vorteil eines eingegipsten Beines, sonst würde ich Sie fordern", sagte Lord McShredder würdevoll. "Obwohl eine Kreatur wie Sie es nicht einmal wert ist, gefordert zu werden."

"Sir, der Weg wäre für uns gleich frei, wenn…"

"Ich rede mit diesem Wurm, McClown, unterbrechen Sie mich nicht!"

"Wie Sie wünschen, Sir."

Frido McClown ließ die Griffe des Rollstuhls los, trat zwei Schritte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte nicht das Gefühl, dass irgendwer von diesen Leuten zu den Würmern gehörte, aber das sollte der Lord mal schön selbst rausfinden.

"Verdammich, wer hier wert ist, gefordert zu werden, das bestimmst nicht du, du alte Vogelscheuche", wetterte McPerry. "Und wenn du ein paar aufs Maul haben willst, brauchst du es nur zu sagen."

"Der Sklave duzt mich!" sagte der Lord entgeistert in die blaue Luft hinein. "Der Wurm bietet mir Prügel an – als wäre ich seinesgleichen. – Ich bin der Bezwinger des Monsters von Loch Ness, das weißt du wohl!"

"Ach was!" machte Dr. McCoy erstaunt. "Hat jemand Nessie bezwungen? Das wusste ich noch gar nicht."

"Das wusste noch niemand", warf Katie ein. "Schieb Perry mal weg, ich rede mit diesem Esel."

"Du schiebst mich nicht weg. Er steht vor meinem Haus und vor der Schleuse, für die ich verantwortlich bin. Wenn hier einer… Leonard, verdammich!"

McCoy zog den Rollstuhl nach hinten, so dass Schwester Katie genug Platz hatte, sich vor den Rollstuhl von McShredder zu stellen. Sie stemmte die Hände in die Hüften, musterte den Lord von oben bis unten, dann bückte sie sich rasch und haute ihm die Handkante knapp unter das Knie. Das Bein schnellte ruckartig vor, und sie richtete sich wieder auf.

"Kann schon sein, dass er ein Bezwinger von irgendwas ist. Kann schon sein, dass er alles Mögliche ist. Aber eins ist er nicht: ein gehbehinderter Krüppel, der sich spazieren fahren lassen muss. Sind Sie zu vornehm oder zu faul zum Laufen?"

Sie blickte rasch auf, denn hinter McShredder ertönte ein kurzes Schnaufen. Es kam von Frido, der sich krampfhaft auf die Unterlippe biss und überhaupt alles tat, um in Gegenwart seines Herrn nicht über diesen zu lachen.

McSchredder war so vollkommen sprachlos über den Angriff dieses fetten Weibsbildes, dass ihm überhaupt keine Antwort einfiel. Wütend stopfte er sich die letzten Chips in den Mund, dann warf er den Karton nach Katie. Aber auch er konnte nicht zwei Sachen auf einmal. Karton in die richtige Richtung schmeißen und Chips in den Mund, das ging nicht.

Lt. Scott fing den Karton auf, machte einen raschen Schritt und haute das Ding dem Lord über den Kopf. Der holte Luft, um den Sklaven anzubrüllen, aber einer der Chips geriet ihm in den falschen Hals. Er wollte sich freihusten, bekam aber überhaupt keine Luft mehr und lief schon wieder dunkellila an.

Sowohl McCoy als auch Schwester Katie waren sofort bei ihm, denn das war jetzt kein Spaß.

"Sie, anfassen, Rollstuhl zur Seite drehen. Katie, Schultern festhalten."

Frido und sie taten sofort, was er sagte, dann warf die Schwester ihm einen raschen Blick zu. Den Tonfall kannte sie, den Tonfall hatten nur richtige Ärzte! McCoy setzte einen einzigen gezielten Schlag ein, und das Chips-Stück flog im hohen Bogen aus dem Mund seiner Lordschaft in das Wasser des Kanals.

"Jim, ein Glas Wasser", sagte McCoy über die Schulter, und auch der Captain war sofort unterwegs.

Es waren nur ein paar Schritte bis in die Küche. Als er zurückkam, war McShredder noch damit beschäftigt zu husten und sich die tränenden Augen zu wischen. Katie übernahm das Wasserglas und hielt es McShredder hin. Er trank es mit einigen großen Schlucken leer – und behielt es am Mund – lange. Er war ganz still, und das war so erstaunlich, dass alle Anderen auch ganz still waren.

"McChown", nuschelte er, und Frido beugte sich zu ihm. "McChown, Chie müchchen inch Wachcher."

"Ich muss ins Wasser, Sir?" fragte Frido verwundert.

"Meine Chähne…"

Schwester Katie presste fest die Lippen aufeinander, aber es ging nicht. Prustend wandte sie sich ab und stolperte dem Captain in die Arme.

"Was ist?" fragte der.

"Sein Gebiss ist in den Kanal geflogen!"

Sie schaffte es nicht, leise zu sein, und alle brachen in schallendes Gelächter aus. Das konnte sich Lord McShredder nicht bieten lassen, ob er nun Zähne im Mund hatte oder nicht. Wütend schrie er:

"Wach choll dach?! Chie wichchen nicht, mit wem Chie ech chu tun haben. Ich bin Lord McChedder von Killichonan, Bechwinger dech Ungeheuerch von Loch Nech, Herchog von Chpanien und Lord of Lourne von Dunollie Cachle."

Danach geschahen zwei Dinge. Captain Kirk, Dr. McCoy und Lt. Scott fielen einander johlend in die Arme, und es gab einen gewaltigen Platsch in das Wasser.

Die Enterprise-Offiziere hatten erkannt, dass dieser Vollidiot kein Anderer war als der Lord, von dem sie seit ihrer Ankunft immer wieder gehört hatten. Frido hatte erkannt, dass sein Herr in einer fürchterlichen Situation war und er als guter Butler ihm augenblicklich helfen musste. Also hatte er sich in die Schleuse gestürzt, um nach dem Gebiss zu tauchen.

"Verdammich, ist der Junge wahnsinnig?!" schrie der Schleusenwärter auf. "Er kann sich umbringen. Scotty, klettere ihm nach. Katie, ruf einen Krankenwagen. Die Schleuse hat Flachwasser."

Lt. Scott war schon über die Leiter unterwegs, die Schwester rannte ins Haus, die anderen drängten sich an den Rand des Schleusenbeckens. Das Wasser dort war nicht so flach, dass man hätte stehen können, aber bei einem Sprung vom Rand aus dieser Höhe konnte etwas wirklich Schlimmes passieren.

"Ist er in Ordnung, Scotty?" rief Dr. McCoy. "Soll ich runterkommen?"

"Ay, kommen Sie besser!"

"Jim", sagte McPerry, "in meinem Büro hängen ein paar Seile. Hol eins davon. Wir werden den Jungen raufziehen müssen."

Frido McClown lag halb bewusstlos im Wasser. Es war nicht so schlimm, wie es aussah, denn er hatte einen gewaltigen Bauchklatscher gemacht, der ihm die Luft aus den Lungen gedrückt und ein paar Prellungen eingebracht hatte. Lt. Scott und Dr. McCoy paddelten um ihn herum, bis Scotty ihn richtig zu fassen bekam und der Arzt eine erste Untersuchung machen konnte. Da war auch Frido schon wieder richtig bei sich.

"Nichts gebrochen", sagte McCoy. "Aber die Prellungen werden eine Weile wehtun. Wir schaffen Sie nach oben, aber das wird nicht ohne Schmerzen abgehen."

"Ich… Ich danke Ihnen", keuchte McClown, der gerade wieder Luft in die Lungen bekam. "Aber die Zähne seiner Lordschaft…"

"Seine Schwachsinnschaft kann sich neue verdammte Zähne machen lassen", fauchte Scotty. "Sie sind Frido, oder?"

"Ja, Frido McClown. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Und ich danke Ihnen, dass Sie solche Mühen auf sich…"

"Halt die Klappe, Laddie", sagte Lt. Scott barsch. "Warum gehen Sie von dem Kerl nicht weg?"

"Aber… Ich bin sein Butler. – Na schön, manchmal raste ich auch aus bei ihm, aber ich bin sein Butler."

"Mein Lieber, bei dem wäre ich mehr als ausgerastet", sagte Dr. McCoy. "Ah, sie lassen ein Seil herunter. – Jim?!"

"Okay, Pille, ich hab’s am Schleusentor festgemacht, das hält. Lasst euch Zeit. Katie holt Spock, damit er mit anfasst hier oben."

Die beiden Offiziere wanden unten im Wasser das Seil unter Fridos Achseln durch und schlangen einen Knoten. McCoy blickte besorgt an der Schleusenwand hinauf. Sie konnten nur hintereinander die Leiter hinauf, das würde nicht einfach werden. Als sein Blick bis an den Rand des Schleusenbeckens gewandert war, sah er den Vulkanier. Die beiden wechselten einen Blick, dann sagte McCoy:

"Scotty, gehen Sie rauf und fassen Sie am Seil an. Spock kommt hier unten besser zurecht."

Dazu diskutierte der Chefingenieur nicht lange. Sie wussten alle, wie viel Kraft ein Vulkanier entwickeln konnte, viel mehr als jeder Mensch. Spock würde Fridos volles Gewicht übernehmen können. Wie eine Katze kam der Erste Offizier die Leiter herunter. Auf einmal wurde Dr. McCoy klar, dass sie alle ihre Verkleidung aufgegeben hatten. Sie waren Sternenflotten-Offiziere, die in einer Notsituation handelten, und sie hatten sich genau wie die Offiziere verhalten, die sie waren. Aber es war nicht zu ändern, und wenn es eng wurde, mussten sie sich eben schnell hier absetzen. Außerdem war jetzt irgendwo in der Ferne die Sirene des Krankenwagens zu hören.

Nun hatten sie Frido so weit oben, dass der Captain mit anfassen konnte. Vorsichtig zogen sie den Verletzten über den Rand und legten ihn auf dem Rasen nieder.

Lord McShredder hatte einiges an ehrlicher Angst ausgestanden. Selbstverständlich war es richtig gewesen, dass sein Butler umgehend in das Becken gesprungen war, um nach dem Gebiss zu suchen. Als er aber hörte, dass das wirklich lebensgefährlich war, dachte er an die vielen Gelegenheiten, bei denen Frido McClown immer an seiner Seite gewesen war.

Als er jetzt sah, dass sein Butler leicht angeschlagen, aber am Leben war, wurde er wieder munter. Schwester Katie war kurz bei den Männern gewesen. Jetzt kam sie zurück zu sagte:

"Ein paar Tage ausruhen, dann geht’s ihm wieder fein."

"Cho ichches", nickte McShredder, der wieder nur die Hälfte verstanden hatte. "Chie gehen gleich wieder rein, McChown."

"Das ist jetzt nicht wahr!" sagte Katie leise und starrte ihn an, dann wurde sie laut. "Das ist jetzt nicht wahr! Sie schicken Ihren Butler fast in den Tod wegen Ihrer saudummen Esszimmerwerkzeuge, hier läuft eine Riesenrettungsaktion an…"

"Was ist los?" fragte Kirk und kam ebenfalls herüber.

"Er will ihn da wieder rein schicken!" schrie Katie.

"Nun passen Sie mal sehr gut auf", sagte Dr. McCoy mit erhobener Stimme und baute sich vor McShredder auf. "Wenn ich von eurer Lordschaft auch nur noch ein Wort höre, dann kriegt eure Lordschaft von mir persönlich einen Einlauf mit Rizinusöl, dass eure Lordschaft die ganze nächste Woche nicht vom Klo kommt. Ist das klar?!"

Hiervon hatte Lord McShredder jedes Wort verstanden. Er macht den Mund auf, klappte ihn wieder zu, sah McCoy an. Aus dessen blauen Augen blitzte Zorn, und der Mensch sah aus, als würde er das mit dem Rizinusöl wirklich wahr machen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren gab der Lord lieber keine Antwort mehr.

Als der Krankenwagen am Schleusenhaus ankam, beschloss er sogar, seinen Butler zu begleiten, denn mit diesem lauten, dreisten Pack wollte er nichts mehr zu tun haben. Und nachdem auch eine Gruppe von gaffenden Touristen verschwunden war, die für den Rest ihrer Reise nun wohl Gesprächsstoff genug haben würde, kehrte wieder Ruhe am Schleusenhaus ein. Wer nass geworden war, hüllte sich in warme Decken, und Katie kochte Kaffee. Nur zu McCoy brachte sie den Becher persönlich und sagte leise:

"Ich erkenne einen Arzt, wenn ich ihn bei so was höre, Leonard. Aber auch Ärzte verlieren heutzutage ihre Jobs, oder?"

"Stimmt. Ich – ich war in einem Krankenhaus in Glasgow. Dachte, ich würde weiter im Norden was finden."

"Und die anderen?"

"Wir sind einfach Freunde, schon viele Jahre. Wir kommen schon durch. Einer findet immer einen Job, bei dem genug rausspringt."

"Ich kann mich umhören."

"Katie, das ist nett von dir, aber wir haben schon andere Pläne. Jim will weiter."

"Ein Bummler durch die Welten?" lächelte sie, und er lächelte zurück.

"Besser hättest du es gar nicht ausdrücken können."

 

Auf und Davon (Kapitel 25) - Reparaturarbeiten I