Hamsterhausen

Kapitel 31

Spock

 

In Golspie war Nachmittag, die Offiziere waren auf dem Golfplatz. Es passierte nicht oft, aber es passierte doch gelegentlich, dass zu einem Amateur-Golfturnier jemand ohne Ausrüstung kam. Hier hoffte mehr als einer, der keine Arbeit hatte, aber gut Golf spielen konnte, sich etwas Preisgeld zu verdienen. Darum gab es die Möglichkeit, eine volle Ausrüstung auf dem Golfplatz zu leihen.

Kirk und Scott waren dafür sehr dankbar. Wenn sie in ihrer Zeit irgendwo im Universum Zeit zum Golfspielen hatten, standen immer Ausrüstungen bereit, und sie hatten gar nicht daran gedacht, dass sie da etwas hätten mitbringen müssen. Die beiden anderen Offiziere plus Hamstilidamst mischten sich unter die Zuschauer.

"Mir geht’s richtig gut", posaunte Hamstilidamst. "Ich will nicht in der Box sitzen."

"Du willst ausreißen", stellte Dr. McCoy fest.

"Das will er ganz bestimmt nicht", protestierte der Vulkanier.

"Doch, das will er. Und dann gerät er unter einen Golfschläger und wird Hunderte von Metern weit durch die Luft geschleudert."

"In der Box kann ich aber nichts sehen", sagte Hamstilidamst, der gleichzeitig alles sehen und nicht durch die Luft fliegen wollte.

"Guck mal, ich mache die Box hier oben auf dem Rucksack fest", sagte Spock und tat es. "Da bist du ganz sicher und hast eine prima Aussicht. Eine viel bessere als wir."

So machten sie es, und Hamstilidamst war glücklich. In seiner Box lagen ein paar Kekse, also würde er nicht verhungern. Tatsächlich schlief er bald ein, weil das, was da auf dem Platz zu sehen war, einfach nur zum Einschlafen war.

Die Spieler auf dem Platz dachten ganz anders darüber. Es war kein einziger dabei, der zwei Raumfahrern aus der Zukunft ohne Geld kampflos den ersten Preis überlassen wollte. Das merkten sie sehr schnell. Jetzt hätten sie den Vulkanier gebraucht, und zwar einen Vulkanier in normalem Zustand. Auch wenn Spock kein Golfspieler war, gab es keinen, der Abschläge und Flugbahnen besser hätte berechnen können. Kirk und Scott mussten sich sehr konzentrieren und richtig anstrengen.

Aber wenn es um Berechnungen ging, war der Chefingenieur immer noch besser als Jim. Er kämpfte sich langsam vor. Die fünfhundert Pfund würde er wohl nicht bekommen, aber Dr. McCoy ging zwischendurch mal mit Spock zu einer Tafel, auf der die Gewinne standen, und studierte sie.

"Eins bis drei ist Geld", murmelte er. "Vier bis zehn sind Sachgewinne. Hm, kommt drauf an, kann man vielleicht verkaufen."

"Seid ihr abgerissen?" fragte eine Stimme neben ihm.

Es war Brian MacLean und der Doktor genierte sich. Aber er genierte sich nicht genug, um es zu leugnen.

"Ziemlich, Brian, aber wir sind immer unterwegs und können nur stundenweise Gelegenheitsarbeiten annehmen. Das bringt nicht viel."

"Wie unterwegs?"

"Wir – trampen durch Schottland."

"Krass, ey", gab der Ururgroßvater von Admiral MacLean zurück. "Wie geht’s dem Hamster?"

"Schon wieder ganz gut, aber er findet Golf wohl langweilig."

"Nach dem Turnier muss der Platz durchgepflegt werden."

"Unsere Freunde wollen die fünfhundert Pfund gewinnen", tat Spock kund, und der Junge grinste.

"Und hundertfünfzig andere wollen das auch – Bingo!"

"Jedenfalls, wenn sie nicht gewinnen… Danke für den Tipp", sagte McCoy.

"Kein Problem", gab Brian zurück und verdrückte sich wieder.

McCoy und Spock wanderten weiter und suchten ihre Kollegen. Überrascht stellte der Doktor fest, dass Lt. Scott sich ganz schön vorgearbeitet hatte. Es würde wohl auf ein Duell zwischen ihm und dem Amateur-Champion von Golspie hinauslaufen.

"Doktor, mein Kopf denkt nicht, wie er eigentlich denken sollte", sagte auf einmal der Vulkanier.

Plötzlich waren für den Arzt das Golfspiel, das Schlussduell und das Preisgeld vergessen. In dem Kinder- oder Hamsterdenken des Ersten Offiziers wollte sich das vulkanische Denken wieder durchsetzen, aber das schaffte es nicht. Es war, wenn er den Vulkanier richtig verstand, eine lebensgefährliche Phase.

Falls die vulkanische Logik entdeckte, dass sie in dem Kopf nicht mehr gewinnen konnte, würde sie das Gehirn ausschalten. Das war eine Situation, in der Dr. McCoy nicht einmal auf der Enterprise in seiner Krankenstation ein Heilmittel gehabt hätte. Jetzt konnte Spock sich nur noch selbst helfen, aber dazu musste er erst einmal zu etwas gebracht werden, was er in seinem jetzigen Zustand wahrscheinlich gar nicht begreifen würde.

"Sie haben Recht, Spock", sagte er leise. "Es gibt etwas, worüber wir reden müssen. Kommen Sie mit."

"Wo geht ihr hin?" fragte Hamstilidamst, der gerade wieder aufgewacht war. "Lasst ihr Jim und Scotty hier alleine kämpfen?"

"Das schaffen die schon", gab Pille zurück. "Aber warte mal, da ist Brian."

Er ging zu dem Jungen zurück und erzählte ihm, seinem Freund sei plötzlich schlecht geworden, so dass sie das Turnier verlassen mussten. Vielleicht könnte Brian ja nach dem Turnier ihren beiden Freunden sagen, dass sie sich abends wieder bei Brians Mutter einfinden würden. Und falls es doch kein Preisgeld gab, würde Brian ihnen auch den Tipp wegen der Platzpflege geben?

Brian fand das nicht schwierig. Er fand das sogar richtig gut. Bis jetzt hatte seine Schwester Tony immer angegeben, weil sie die Männer gefunden hatte und den verletzten Hamster. Sie hatte sich benommen, als gehörten diese Typen ihr. Aber jetzt baten die Typen ihn um Hilfe, noch dazu um eine, bei der er länger auf dem Golfplatz bleiben konnte als er eigentlich durfte. Wenn seine Mutter rummoserte, konnte er alles den Typen in die Schuhe schieben.

Der letzte Schlag entschied. Lt. Montgomery Scott, Chefingenieur der Enterprise, hatte im Amateur-Golfturnier von Golspie Platz zwei belegt. Immerhin folgte Captain Kirk auf Platz fünf. Für den einen gab es dreihundert Pfund, für den anderen ein Lämmchen.

Die Mienen der beiden waren entsprechend unterschiedlich. Scotty freute sich riesig über den Gewinn, der Captain hatte nicht die leiseste Ahnung, was er mit seinem Lamm anfangen sollte.

"Ey", sagte unmittelbar nach der Preisverleihung eine Stimme – es war Brian. "Einem von euren Kumpels ist schlecht geworden, der hat die Fliege gemacht. Ich sollte euch noch sagen, dass nach dem Turnier ’n paar Mäuse rüberspringen, wenn ihr helft, die Anlage durchzupflegen. Aber das braucht ihr wohl nicht, oder? Knete ohne Ende."

"Nicht wirklich", erwiderte der Captain. "Wem ist schlecht geworden?"

"Dem Langen."

"Weißt du, wo sie hin sind?"

"Null Ahnung. – Hier, ey, meine Mum wird wahrscheinlich das Lamm nicht reinlassen heute Abend."

"Äh… Nein, das denke ich auch nicht. Und was mache ich damit?"

"Verscheuern. Ich weiß einen."

Er packte den Captain an der Hand und zerrte ihn mit sich. Kirk kam überhaupt nicht zum Protestieren. Viel wichtiger, als das Lamm wieder loszuwerden, war es ihm zu erfahren was mit seinem Ersten Offizier war. Natürlich konnte Pille Brian nicht die Wahrheit gesagt haben, aber Kirk vermutete, Spocks Hirnvergiftung war plötzlich kritisch geworden. Er hätte mehr als ein Lamm dafür gegeben, die beiden zu finden.

Während Jim unfreiwillig zum Lammhändler wurde, ließ Scotty sich feiern. Die drei Sieger des Turniers zogen in den nächsten Pub. Sie hatten plötzlich eine Menge Freunde, die den Sieg mitfeiern wollten. Bis alle im Pub ankamen, fürchtete Scott noch um sein Preisgeld.

Danach ging er völlig in der allgemeinen guten Stimmung auf. Dies war ein alter, gemütlicher Pub, in dem man fabelhaft zusammensitzen und sich betrinken konnte. Echter Malt-Whisky! Es war gar nicht zu sagen, wie lange es her war, dass Lt. Scott richtigen Malt-Whisky getrunken hatte.

Sein Dialekt wurde mit jedem Glas breiter, aber einigermaßen hatte er noch unter Kontrolle, was er redete. Als er endlich am Arm seines schärfsten Turniergegners und um 50 Pfund ärmer aus dem Pub wankte, war es schon fast dunkel.

"Wo wohnschu eintlich?" fragte der Gewinner des ersten Preises, der auf den Namen Donald hörte.

"Du schprichs wie McShledder, wenna die Schähne ausm Maul hat", gab Scotty zurück.

"Hoch McShledder!" schrie Donald. "Wer isn dis?"

"Idiot. Der isn Idiot!" stellte Lt. Scott mit lauter Stimme fest. "Alle sin seie Schklaven. Aba mit Hamschterhausen mach man so was nich."

"Nee", nickte Donald. "Mach man nich. Wo wohnschu eintlich?"

"Cap’n MacLean seine Ururgroschmudder", tönte der Chefingenieur.

"Is wahr?" gab Donald zurück, der zum Glück nicht merkte, dass da irgendwas nicht stimme – aber Scotty merkte es und blieb stehen.

"Nä", sagte er und schüttelte den Kopf. "Brian is Cap’n MacLean seine Ururgroschmudder."

"Esch reent”, entdeckte Donald und streckte einen Arm aus.

"O Mann!" bestätigte Lt. Scott.

In der Tat war mit ein, zwei dicken Tropfen Anlauf ein Wolkenbruch über Golspie gekommen. Die beiden betrunkenen Männer standen mitten auf der Straße, hoben die Gesichter in den Regen. Dann sahen sie einander grinsend an und fingen an zu tanzen.

"I’m schi-i-i-ngin in she lain", grölten sie, und in der Nähe öffnete sich eine Haustür.

Sie hatten gar nicht gemerkt, dass sie tatsächlich Richtung MacLean getorkelt waren. Jetzt kam Tony heraus und schimpfte.

"Ey, ihr seid total voll. Donald, du wohnst da drüben, geh da hin. – He, hören Sie auf, in die Pfützen zu hopsen!" fuhr sie Scotty an, so dass der schwankend stehen blieb und sie unsicher beäugte. "Kommt ihr auch mal alle trocken an?"

"Schei nich scho fresch", gab Lt. Scott zurück und hob den Zeigefinger. "Du weisch überhaups nich, wer deine Ururgroschmudder isch."

"Aber Sie, was?"

"Ay – Brian."

Tony fing an zu kichern und zerrte ihn ins Haus. Zum Glück war ihre Mutter bei einer Versammlung und würde nicht wissen, dass sie diesen Typen klatschnass und besoffen in sein Zimmer lotste. Als sie die Treppe hinaufging, kam ihr Jim Kirk entgegen und übernahm seinen Chefingenieur. Er schleifte ihn ins Bad, zog ihn aus und schubste ihn unter die Dusche. Dann drehte er das kalte Wasser auf und sah mit grimmiger Miene zu, wie Lt. Scott wieder nüchtern wurde.

"Äh – Cab’n", stammelte Scotty und grinste dämlich. "Ähm…"

"Tony macht Ihnen einen extra starken Kaffee. Wo ist das Geld?"

"Ähm."

"Sie haben doch nicht alles versoffen?!"

"Aber Cab’n…"

Kirk durchsuchte die Taschen der Jeans, fand die Scheine und zählte durch. Fünfzig Pfund waren auf der Strecke geblieben. Er konnte nicht gut was sagen, denn es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, dass Scott den zweiten Platz nicht gefeiert und nicht ein paar Leute eingeladen hätte. Außerdem hatte er selbst mit dem Lamm einen ganz guten Handel abgeschlossen. Aber das war jetzt wirklich seine kleinste Sorge.

"Das Wasser ist kalt!" beschwerte sich Lt. Scott.

"Das ist auch ganz gut so. Drehen Sie’s ab, hier ist ein Handtuch. Wir müssen mit den Kindern reden."

"Wollen die mich verpetzen?"

"Ich schätze, Cora MacLean kann damit leben, dass Sie Ihren zweiten Platz gefeiert haben. – Nein, die Kinder kennen sich hier herum bestens aus. McCoy und Spock sind verschwunden."

"Wieso?"

"Das werde ich rauskriegen", sagte Kirk entschlossen.

Sie schrieben das Jahr 2006. Ort: eine alte Scheune. Dr. McCoy hätte alles dafür gegeben, in der Krankenstation der Enterprise zu stehen, neben einem Diagnosebett, neben einer Tafel, von der er alle Werte ablesen konnte. Aber er saß in einer alten Scheune zwischen Heu und Stroh, hatte nichts als einen kleinen Medo-Scanner und fühlte mit den Fingerspitzen Spocks Puls.

"Warum schläft er so? Wann wacht er wieder auf? Ist er schrecklich krank?"

Hamstilidamst, aus seiner Box entlassen, war eine Weile durch das Heu getobt, bis er kapiert hatte, dass hier etwas wirklich Ernsthaftes vor sich ging.

"Ich erkläre dir ein Geheimnis, das Vulkanier haben", sagte Dr. McCoy, während er mit angespannter Miene Spocks Gesicht anstarrte. "Sie können sich in einen Heilzustand versetzen."

"In was?"

"Trance. Sie fahren ihre gesamten Körperfunktionen total runter."

"Hat Spock dann keinen Hunger mehr?"

"Wenn man nicht sehr genau auf ihn aufpasst, hat er nie wieder Hunger."

"O Mann, das ist aber ’ne krasse Krankheit!" erwiderte Hamstilidamst ehrfürchtig.

Vorhin hatte Dr. McCoy dem Vulkanier etwas erklärt, was der ganz tief in sich gewusst hatte. Wenn ein Vulkanier körperlich oder seelisch schwer krank war, konnte er sich selbst in diese Heiltrance versetzen und seinen Körper oder sein Bewusstsein wieder stabil machen. Sämtliche Körperfunktionen waren in der Nähe von Null, und während solch einer Trance musste immer ein Arzt in der Nähe sein.

In seinem Zustand hatte Spock begriffen, dass er das mit der Heiltrance machen musste, aber er hatte nicht begriffen, wie gefährlich es für ihn war, wenn er jetzt und hier einfach in Trance fiel. Spock hatte es doch getan und war einfach umgefallen. Dr. McCoy hatte ihn in das nächste Gebäude geschleift, das war diese Scheune gewesen. Jetzt durfte er nicht von Spocks Seite weichen, und keiner wusste, wo sie waren.

"Bring ihn doch ins Krankenhaus", schlug Hamstilidamst vor, und der Doktor verzog das Gesicht.

"Er ist kein Mensch, mein Kleiner. Ich kann ihn in dieser Zeit in kein Krankenhaus bringen."

"Ähm… Das ist echt schwierig jetzt, oder?

"Das ist sehr schwierig."

"Soll ich Jim holen? Der ist unheimlich gut im Leute retten."

"Natürlich, ich Idiot. Jim kann Spock zwar auch nicht helfen, aber die beiden müssen wissen, wo wir sind. Schaffst du es, ihm Bescheid zu sagen?"

"Überhaupt kein Problem."

Hamstilidamst flitzte nach draußen, dann blieb er da sitzen. Was hieß hier, überhaupt kein Problem. Wo sollte er denn suchen? Es fing an, dunkel zu werden, also war Golf bestimmt vorbei. Die Offiziere hatten gesagt, dass sie erst zum Schlafen wieder in das Haus da gingen, also war Jim da auch nicht. Es half nicht, er musste einfach rumsuchen.

Nach einer Ewigkeit, die er in sämtlichen Winkeln von Golspie verbracht hatte, kehrte Hamstilidamst in die Scheune zurück. Der Vulkanier hatte sich nicht einen Zentimeter bewegt, Pille hatte Licht gemacht. Sein Gesicht war ganz blass.

"Kommt er?" fragte er mit gepresster Stimme.

"Ich hab ihn nicht gefunden, Pille. Golf ist aus, Haus ist noch nicht."

Er konnte auch nicht wissen, dass Kirk ebenfalls überall in Golspie gesucht hatte, aber nie da, wo Hamstilidamst gerade war.

"Ruh dich eine Weile aus, Hamstilidamst. Wenn es dunkel ist, wird er zu Mrs. MacLean zurückgehen."

"Dann gehe ich da auch hin."

"Hamstilidamst, das ist klasse. Du bist der tollste Hamster, der mir je begegnet ist."

Begeistert krabbelte Hamstilidamst in den Rucksack und kramte nach Keksen. Er würde sich jetzt stärken und dann würde er Jim suchen, und sie wären zwei Helden. Wahrscheinlich war das, was der Arzt da machte, unheimlich wichtig, aber es sah einfach nur langweilig aus. Ab und an fasste er nach Spocks Handgelenk, dann starrte er den Vulkanier wieder nur an. Wenn die Ärzte in Hamsterhausen was machten, sah das viel interessanter aus.

"Wie lange schläft Spock noch?" erkundigte er sich schließlich.

"Mindestens zwölf Stunden."

"Dann gehe ich mal Jim suchen."

Pille nickte nur, und Hamstilidamst flitzte los. Inzwischen schüttete es draußen und war richtig dunkel. Hamstilidamst blieb unter Büschen und Erkern. Einmal musste er ins Nasse, weil da vorn eine Katze vor einer Haustür saß. Zum Glück war sie satt und putzte sich und kümmerte sich nicht um ihn. Nur nass war er jetzt.

Da war endlich das Haus. Aus einem Raum fiel ein Lichtschein in den Garten, Hamstilidamst hangelte sich durch den Efeu, der am Haus wuchs, auf das Fensterbrett. Das war die Küche. Da saß Scotty und leerte gerade eine große Tasse. Neben ihm saß Jim und hörte offenbar irgendwem zu. Hamstilidamst rutschte etwas weiter und sah, dass Jim den beiden Kindern zuhörte.

So laut er konnte, klopfte er an die Fensterscheibe, aber der Regen prasselte lauter, und sie hörten ihn nicht. Er schrie sich fast die Kehle aus dem Hals, aber sie hörten ihn nicht. Er sprang auf dem Fensterbrett auf und ab, aber sie sahen ihn nicht. Dann rutschte er ab, verhedderte sich im Efeu und erhängte sich fast an einer Ranke.

"Verdammter Mist!" keuchte er. "Verdammter… MIST!" schrie er, denn über ihm ging das Licht aus. "Ihr könnt doch nicht schlafen gehen. Die gehen einfach schlafen. – Kinap, Kinap!"

Uff, endlich war die blöde Ranke von seinem Hals weg. Hamstilidamst kletterte nach unten und wollte ums Haus laufen, um zu sehen, wo jetzt Licht war.

"Sind Sie ohne Regenschirm nach Schottland gekommen? Das war echt ’ne bescheuerte Idee", hörte Hamstilidamst eine Stimme. Die Stimme gehörte Tony, und Jim antwortete:

"Ach, wir sind ja nicht aus Zucker."

"Jim! J-I-I-IM!" brüllte Hamstilidamst.

"Warte mal", sagte der Captain. "Oder geht schon mal vor."

Dann bewegte er sich vorsichtig in die Richtung, aus der er das Fiepen gehört hatte. Aber er zuckte doch zusammen, als Hamstilidamst ihn ansprang und an ihm hochkletterte.

"Jim, Spock hat eine Teilranze. Pille und er sind in einer Scheune. Ich soll dich holen."

"Gott sei Dank", sagte der Captain leise und erleichtert. "Heiltrance, er hat es geschafft."

"Nee!" gab Hamstilidamst zurück. "Er liegt da und schafft gar nichts."

"Er hat es geschafft, sich in Heiltrance zu versetzen. Das ist unheimlich wichtig für ihn, Hamstilidamst. Und jetzt bring mich hin."

Er bettete den Hamster in seine Hände und folgte schnell den anderen. Tony und Scott warteten unter Regenschirmen auf ihn. Als sie sahen, wen Kirk mitbrachte, war Lt. Scott sehr erleichtert, und Tony machte große Augen.

"Sagen Sie bloß, er ist Sie holen gekommen", hauchte sie.

"L-logisch, Hamstilidamst ist der klügste Hamster von der ganzen Welt!" trompetete Lt. Scott.

"Sie sind noch nicht nüchtern", stellte Tony fest.

"Das sehe ich genau so", nickte der Captain, und weil er das Mädchen jetzt nicht dabei haben wollte, fügte er hinzu: "Komm, bring ihn wieder rein, Tony, ich warte hier."

"Pff, gehen kann er schon."

"Aber klar, ob ich gehen kann", sprach Scott, drehte sich um und krachte in den Gartenzaun.

Seufzend packte Tony ihn am Arm und schob ihn Richtung Haustür. Der Captain sah gespannt zu, dann sagte er halblaut:

"Welche Richtung, Hamstilidamst?"

Zwar konnte er gleich in der nächsten Gasse verschwinden, aber danach wurde es schwierig. Hamstilidamst war zum größten Teil durch die Gärten geflitzt, und das konnte der Captain ja nicht gut machen. Er bekam jedoch ungefähr die Richtung, und, anders als Hamstilidamst, erkannte er nach den Richtungsangaben schon bald ein großes, dunkles Gebäude am Rand einer Weide. Als er näherkam, sah er durch die Ritzen der Scheune Licht schimmern. Jetzt beeilte er sich hinzukommen und zog wenige Augenblicke später das schwere Scheunentor auf.

Irgendwie hatte Tony sich schon gedacht, dass Kirk sie nur hatte loswerden wollen. Darum war sie nicht besonders enttäuscht, dass er weg war, als sie wieder aus dem Haus kam. Aber komische Typen waren das alle, da waren sie und ihr Bruder sich ausnahmsweise mal einig.

"Was sagen wir Mum denn?" fragte Brian.

"Echt, weiß ich nicht", gab sie zurück. "Vier Zimmer vermietet, drei von denen weg, einer ist blau."

"Ey, wenn ich das gewusst hätte, ich wäre denen beim Turnier hinterhergeschlichen. – Mum kommt!"

Sie griffen beide zugleich nach der Fernbedienung des Fernsehers und rangelten darum. Das war für Cora MacLean ein gewohntes Bild, nur im Allgemeinen lief der Fernseher, während die Kinder sich um die Fernbedienung prügelten. Sie witterte Ungewöhnliches.

"’n Abend, ihr zwei. Habt ihr gegessen?"

"Äh, nee", kam es zweistimmig und in einem Tonfall als wären die Kinder darüber selbst erstaunt.

"Aber ich hatte doch was in den Kühlschrank gestellt zum Aufwärmen. Was habt ihr eigentlich den ganzen Nachmittag getrieben?"

"O-o-och – nix", sagten sie im Duett.

"Na", machte Cora, "da bin ich nicht so sicher. Sind die Gäste wiedergekommen?"

"Äh!" erwiderte das Duett.

"Wisst ihr nicht mal?"

"Doch!"

"Doch!"

"Okay, was ist los?" fragte sie, verließ den Türrahmen, in dem sie gestanden hatte, und setzte sich auf das Sofa. "Was ist los?"

"Also, Kirk und Scott haben das Turnier mitgemacht", fing Brian an. "Und Scott hat den zweiten Platz gemacht und Kirk ein Lamm gewonnen. Und ich hab ihm geholfen, dass er das gleich wieder verkaufen kann."

"Und Scott?"

"Liegt oben", flüsterte Tony.

Ihre Mutter warf ihr einen ungeduldigen Blick zu, dann blitzte es in ihren Augen belustigt auf. Ihre Kinder wussten ganz genau, dass bestimmte Leute in ihrem B&B keine Gäste wurden.

"Hat er seinen zweiten Preis gefeiert?" fragte sie lächelnd.

"Äh. – Ja, mit Donald, der hat den ersten."

"Und jetzt schläft er seinen Rausch aus?" Tony nickte. "Nun passt mal auf: Wenn ich gesagt habe, Betrunkene und Schläger nehme ich nicht auf, dann meinte ich Leute, denen man das schon von weitem ansieht. Ich glaube, ihr wisst ganz genau, was für Typen ich meine. – Diese vier sind ganz in Ordnung, glaube ich. Und wenn einer einen schönen Preis gewonnen hat, kann er den auch feiern. Also werde ich ihn nicht augenblicklich achtkantig rausschmeißen. – Und wo sind die anderen?"

"Wissen wir nicht", bekannte Brian. "Dem einen ist schlecht geworden, und der andere hat ihn vom Turnier weggebracht. Und die sind nicht aufgetaucht, und Kirk hat sie gesucht und nicht gefunden."

"Dann hat er uns gefragt, wo man schnell jemanden hinschaffen kann, dem schlecht geworden ist", fuhr Tony fort. "Wir haben ihm ein paar Sachen gesagt, da wollten wir hin. Aber dann ist Hamstilidamst gekommen, und Kirk hat mich mit Scott wieder ins Haus geschickt. – Wahrscheinlich zeigt der Hamster ihm den Weg."

"Dafür sind Hamster ja bekannt", nickte Cora MacLean mit ernster Miene. "Welche Plätze habt ihr ihm denn gesagt?"

Während es Captain Kirk gelungen war, aus den Kindern all ihre Lieblings-Geheimverstecke herauszuholen, gelang ihrer Mutter das nicht. Sie machten vage Angaben, und die Scheune an der Weide war überhaupt nicht dabei. Na ja, die Männer waren erwachsen, dachte Mrs. MacLean, es waren deren Sache, wenn sie eine Nacht durchmachen wollten. Solange sie die Zimmer bezahlten, konnte ihr das eigentlich egal sein.

Sie schickte ihre Kinder ins Bett und dachte noch eine Weile über ihre sonderbaren Gäste nach. Drei Nächte hatte sie ihnen Zimmer zugesichert, aber sie glaubte nicht, dass sie das Angebot verlängern wollte. Sicherheitshalber schlich sie die Treppe hinauf, um festzustellen, ob wenigstens Scott wirklich da war. Aus dem Zimmer kamen Geräusche als wolle jemand die Wälder Schottlands absägen, und sie ging beruhigt wieder hinunter.

In der Scheune waren weder Kirk noch McCoy noch Hamstilidamst ähnlich beruhigt. Als Jim und Hamstilidamst hereingekommen waren, hatte Spock sich immer noch keinen Zentimeter bewegt, und langsam wurde das dem Hamster richtig unheimlich. Der Doktor, der sich zumindest keinen Zentimeter von Spock weg bewegt hatte, war ungeheuer erleichtert, den Captain zu sehen.

Er schickte ihn sofort los, um Wasser zu holen. Aus Spocks Gesicht war jede Farbe verschwunden, seine Kleider waren nass von Schweiß. Er kämpfte in seiner Heiltrance einen harten Kampf. Der Captain stolperte in die Dunkelheit hinaus und beschloss bei aller Besorgnis, dass sie für ihre weiteren Abenteuer unbedingt eine Taschenlampe kaufen mussten.

Im nächsten Moment krachte er gegen eine große Regentonne. Ihm krempelte sich fast der Magen um. Er tastete aber um die Tonne herum und fand einen Henkeltopf zum Schöpfen. Den füllte er und eilte wieder zurück in die Scheune.

"Hat er schon zwölf Stunden geschlafen?" fragte Hamstilidamst besorgt.

"Keine Ahnung. – Danke, Jim. Kram mal eines von den Shirts aus dem Rucksack, das feuchte ich an und reibe ihn ab."

"Verlässt du dich auf die zwölf Stunden?" fragte der Captain und kramte in dem Rucksack herum, bis er ein Shirt zu fassen bekam.

"Nicht wirklich, aber ich weiß nichts darüber. Wir haben Spock schon in Heiltrance erlebt – nach körperlichen Krankheiten. Ich weiß nicht, wie das ist, wenn das Gehirn angegriffen ist."

"Können wir nicht versuchen, ihn langsam wieder zu Bewusstsein zu bringen? Ein scharfer Geruch unter seiner Nase?"

"Ich könnte pupsen", schlug Hamstilidamst eifrig vor.

Captain Kirk gluckste, aber der Arzt schloss die Möglichkeit nicht aus. Wenn Hamstilidamst glaubte, seine Pupse könnten fast Tote erwecken, dann würde er auch Pupse nehmen. Er kramte in seinem Medo-Kit nach etwas, was scharf roch, dann schloss er es enttäuscht.

"Ich dachte, ich hätte noch Desinfizierungs-Stäbchen, aber ich habe keine mehr."

"Oh!" sagte der Captain und warf Hamstilidamst einen flüchtigen Blick zu.

Der sah das und machte große Augen.

"O-o-o-oh!" jammerte er. "Du hast sie für mich verbraucht, und jetzt muss Spock meinetwegen sterben."

"Nun mal ruhig", sagte der Arzt. "Du warst schwer verletzt und hast das Mittel gebraucht."

Aber Hamstilidamst dachte mit Volldampf nach, was außer seinen eigenen Pupsen scharf genug roch, um Tote zu erwecken. Dabei starrte er auf Spocks Hand, die leblos neben dessen Körper im Stroh lag. Auf einmal blinzelte der Hamster. Der Vulkanier hatte wirklich gelegen, ohne auch nur ein bisschen zu zucken…

"Er hat seine Finger bewegt!" verkündete er.

Dr. McCoy schoss hoch und glotzte die Finger des Vulkaniers an. Dabei biss er sich fest auf die Unterlippe. Daran sah Hamstilidamst, dass er etwas ganz ungeheuer Wichtiges gesagt hatte. Nun dachte er noch mehr nach.

"Habt ihr Streichhölzer oder Feuerzeug?" fragte er.

"Du willst doch nicht den Schuppen abfackeln, oder?" fragte Jim zurück.

"Also, du hast vielleicht Einfälle!"

"Nicht besser als deine eigenen, mein Kleiner."

"Das stimmt, bessere Einfälle hast du nicht. Hast du nun Streichhölzer oder Feuerzeug?"

"Nein. – Doch, Moment mal. Was willst du damit?"

"Wirst du schon sehen!"

Hamstilidamst flitzte davon, und kurz darauf schleppte er eine Vogelfeder an. Inzwischen kramte der Captain im Rucksack. Ihm war eingefallen, dass er in Fort William im ‚Zur Hölle’ ein Streichholzbriefchen eingesteckt hatte. Als er Hamstilidamst mit der Feder sah, guckte er nur blöde.

"Du bist ein Genie!" stieß jedoch Dr. McCoy hervor und machte sogar eine Verbeugung, als er die Feder entgegennahm. "Jim, die Streichhölzer."

Als der Arzt die Feder in Brand steckte, begriff der Captain. Es stank durchdringend, und McCoy wedelte mit der qualmenden Feder vor Spocks Nase herum. Hamstilidamst behielt dessen Finger im Auge und meldete jedes Mal laut, wenn sich wieder ein Finger bewegt hatte.

"Hamstilidamst", sagte Jim vorsichtig. "Wenn er wieder zu sich kommt, müssen wir etwas tun, was dich vielleicht erschrecken wird."

"Mich erschreckt so schnell gar nichts!"

"Wir müssen ihn schlagen, richtig fest ohrfeigen."

"Ey, wieso? Was hat er denn getan?!" fragte der Hamster empört.

"Gar nichts, das gehört bei der Heiltrance dazu. Bei ihm zu Hause würde jeder Arzt das machen. Anders kommt sein Kreislauf nicht wieder in Gang, und er wird nie wieder gesund."

"Pille wollte ihn ja sowieso immer verprügeln, soll er doch machen."

Aber selbst Hamstilidamst kapierte, dass das ein völlig anderes Verprügeln war. Jetzt ballte sich Spocks Hand langsam zur Faust und wurde wieder schlaff. Hamstilidamst meldete es, und McCoy zog die Augenbrauchen hoch.

"Könntest du im Moment pupsen?"

"Wenn ich will, kann ich immer pupsen."

"Dann sind wir dir dankbar, dass du es nicht immer willst. Aber wenn du dich jetzt dort hinhockst und es tust, rettest du Spock das Leben."

Hamstilidamst war stolz und begeistert. Er kannte somit ein unglaublich gutes und einfaches außerirdisches Heilmittel. Das würde er in Hamsterhausen allen erzählen. Vielleicht wurde er mal ein berühmter Arzt, der nach der vulkanischen Pupsmethode heilte.

Plötzlich spürte er zwei Bewegungen. Die eine kam von Spock, der ruckartig den Kopf wegdrehte, die andere kam von ihm selber, denn er wurde durch die Luft gehoben. Dann bekam er, was er hasste, von Pille einen Kuss auf den Kopf und wurde an Kirk weitergegeben. Nicht einen Augenblick zu früh, denn der Ruck, mit dem Spock sich aufrichtete, hätte Hamstilidamst durch die halbe Scheune geschleudert.

Der Hamster saß auf Jims Arm und schaute mit großen, doch etwas ängstlichen Augen zu, wie Dr. McCoy zum Schlag ausholte und Spock eine knallte und noch eine und noch eine. Der Kopf des Vulkaniers flog hin und her. Dann kam plötzlich Spocks Hand hoch und hielt die von McCoy fest. Die beiden Männer blieben in dieser Haltung und sahen einander lange an. Dann nickte Spock dem Arzt zu und ließ dessen Hand wieder los. Inzwischen kraulte Captain Kirk glücklich Hamstilidamsts Fell.

 

Auf und Davon (Kapitel 32) - Erster Kontakt mit den Klingonen

 

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